Den Aufhänger für den heutigen Blog lieferte mir dieser Artikel bei Spacenews in dem es um ein Abkommen zwischen der NASA und Firmen geht die Subventionen erhalten, um an kommerziellen Raumstationen zu arbeiten (offensichtlich sind diese alleine mit kommerzieller Finanzierung nicht zu betreiben). In Dem Artikel steht:
“SpaceX’s Starship is so large and also so cost-effective that it could be a station itself,” said Chad Anderson, founder and managing capital of Space Capital .. He suggested that it could disrupt business models for other commercial space stations.
An example he gave was a hotel company outfitting the interior of Starship for customers. “They could launch a group of people and stay however long they want with the accommodations they want, and they could do it all for less than the cost of one seat to the space station today.”
Ich habe mir schon selbst mal Gedanken gemacht wie man aus dem Starship eine Raumstation machen kann und es gibt – meiner Ansicht nach – drei grundlegende Vorgehensweisen, die auch woanders zumindest mal verfolgt, in zweien der drei auch umgesetzt wurden. Das sind die Konzepte:
- „wet Workshop“
- „dry Workshop“
- InOrbit Montage
Die ersten beiden Begriffe stammen aus dem Skylabprogramm wo ich mich dank meines Buches etwas besser auskenne. Skylab einstand aus einer umgebauten S-IVB Oberstufe einer Saturn IB. In dem Wasserstofftank wurden die Mannschaftsquartiere und die Experimente eingebaut, der Sauerstofftank diente als Abfalleimer. Es kamen noch weitere Elemente hinzu, aber den Großteil des Volumens stellte dieser Bereich. Das gestartete Skylab war der „dry Workshop“ (dieser Teil der Station hieß denn auch „Orbital Workshop“. Das heißt die ganze Stufe wurde vor dem Start fertig ausgerüstet und umgebaut. So wurden Luken installiert, das Triebwerk und Druckgastanks entfernt etc.
In der frühen Phase wollte man sparen und plante einen „wet Workshop“. Eine Saturn IB hätte eine minimale Nutzlast gehabt (Kopplungsadapter, eventuell Solarzellen als Stromversorgung, die SIVB Stufe selbst wäre aber soweit umgebaut worden, dass sie nun nicht vollständig bewohnbar ist, aber die strukturell nötigen Teile wie Zwischenböden / Zwischenwände (die Böden als Gitterböden damit der Treibstoff der beim Start ja noch in der Stufe ist weiterhin fließen kann) wären schon montiert gewesen, ebenso Befestigungspunkte für die spätere Ausrüstung und Einrichtung. Mehrere Missionen hätten sich dann kurz in dieser Station aufgehalten. Sie mussten die Ausrüstung jeweils mitbringen und konnten nur so lange im Orbit bleiben wie ihr Raumschiff die Ressourcen bereitstellte. Man hat es dann verworfen und das Konzept des Dry Workshops verwendet.
Die dritte Option ist die die seit Saljut 7 verwendet wird: Die In-Orbit-Montage. Das heißt, man baut eine Raumstation modulweise auf. So entstand auch die ISS, für die dutzende von Missionen die Bauteile ins All tragen mussten. In diesem Falle ist die Nutzlast eines Starships jeweils ein Modul und so kann im Prinzip eine Station sehr groß werden, beim Wet bzw. Dry Workshop setzt die Größe des Starships eine Grenze.
Dry Workshop
Beim Dry Workshop baut man die Nutzlastsektion um. Die bei den Prototypen sowieso verschweißte Hülle weicht einer stabilen Konstruktion mit einem Mikrometeoritenschutzschild und Fenstern. Die Form bleibt im wesentlichen weil sie durch die Aerodynamik diktiert ist. Im Inneren wird die Station komplett eingerichtet. Dazu werden zuerst Trennwände und Zwischenböden eingezogen. Eine der Lehren von Skylab war, das eine so große Station (Durchmesser 6,60 m) gar nicht so vorteilhaft für das Arbeiten ist, weil in der Schwerelosigkeit ein Astronaut sich fixieren muss, sonst übt jede Tätigkeit eine Gegenkraft aus, die ihn drehen würde. Bei den Modulen der ISS die meist 4,4 m Durchmesser haben und bei denen nur ein Korridor in der Mitte frei bleibt, ist das kein Problem, aber beim Starship schon. Dann bringt man dort Experimente und Einrichtung unter bzw. wenn es tatsächlich ein Hotel werden sollte, gibt es dann Einzelzimmer.
Für die Beförderung der Besatzung wird man oben im konischen Teil auf ein einige Meter verzichten und dort einen zylinderförmigen Koppeladapter anbringen. Einer mit 4 m Länge böte mindestens drei, bis zu fünf Koppelstellen. Er würde beim Start von einer Verkleidung geschützt, die im Orbit dann abgesprengt wird. An ihn koppeln Versorgungsraumschiffe und die Mannschaftstransporter an. An ihm kann man auch Solarzellen zur Energieversorgung anbringen (siehe unten).
Passagiertransporte
Ich gehe davon aus, das die Besatzung dieser Station wie alle anderen von Dragons gebracht wird, die mit Falcon 9 gestartet werden. Dafür gibt es einen einfachen Grund: diese Raumschiffe sind für bemannte Missionen von der NASA zertifiziert. Dagegen müsste SpaceX ein bemanntes Starship selbst aus dem unbemannten Starship entwickeln und welchen Gütestandards das gehorcht. weiß dann nur SpaceX. Die Entwicklung der Dragon 2 war in jedem Falle um ein vielfaches teurer als die der Frachtdragon. Nur bei sehr vielen zahlenden Kunden (angekündigter Suborbitaltransport ?) dürfte sich die Entwickeln eines bemannten Starships amortisieren.
Was ein Starship aber kann, wäre ein Frachtmodul zur Station zu starten. Die Nutzlastkapazität ist so hoch, das selbst wenn die Station nicht wie die ISS Wasser und Gase weitestgehend recycelt ein Versorgungsflug pro Jahr vollkommen ausreichen würde um selbst eine Besatzung die größer als die der ISS ist zu versorgen.
Orbit
De Fakto setzt bei der hohen Nutzlastkapazität des Starships die Mannschaftsversorgung die Bahngeometrie. Die Crewed Dragon wiegt nach NASA angaben nach Abkoppeln von der ISS 12.519 kg, das ist selbst, wenn man etwas Gewicht für das Erreichen der ISS hinzurechnet ,soweit von der maximalen Nutzlastkapazität der Falcon 9 entfernt, dass man eine Raumstation in einem sonnensynchronen Orbit oberhalb von 600 km platzen würde. Die Dragon benötigt dann etwas mehr Treibstoff, doch das wäre noch von der Falcon 9 problemlos schaffbar. Ein sonnensynchroner Orbit bietet nicht nur einen Blick auf die ganze Erde. Er erlaubt zumindest in der Theorie auch Erdbeobachtungsexperimente, die bei der ISS deutlich weniger Sinn machen. Daneben sind die Solarzellen fast ständig beleuchtet, was die Hälfte deren Gewicht und weiteres Gewicht bei den Pufferbatterien einspart.
Die Höhe von größer 600 km ergibt sich daraus, dass die Station dann mit Sicherheit 25 Jahre im Orbit bleibt und man ist noch oberhalb der Orbits von Starlink Satelliten. Das reduziert das Risiko von Kollisionen und spart Treibstoff.
Wet Workshop
Der Wet Workshop kann die umgebaute Nutzlastsektion des Dry Workshops beinhalten, aber er nutzt auch die Tanks als Wohnquartier. Neben Skylab gab es auch mal eine Idee so Space Shuttle Tanks so zu nutzen. Da diese fast einen Orbit erreichen, wäre die Station relativ billig aufzubauen gewesen. Beim Starship würde man in den Tanks schon mal feste Installationen unterbringen. Also die Leitungen ziehen, Befestigungspunkte in den Wänden verankern und auch Trennwände und Gitterböden anbringen. Weil alles erst mal im Treibstoff schwimmt, würde die Einrichtung erst später folgen. Die Tanks müssten mit Luken versehen werden, damit sie sobald das Schiff im Orbit ist, zugänglich sind.
Die gesamte Inneneinrichtung dieses Teils würde man später montieren. Entweder befindet sie sich schon im Dry Workshop oben und muss dann noch montiert werden, oder eines oder mehrere Frachtmodule bringen die Einrichtung.
Anzubringen durch Weltraumspaziergänge wäre aber ein äußerer Mikrometeoritenschutzschild. Ebenso Solarpaneele. Die können, wie beim Dry Workshop an dem Adapter angebracht werden. Dann entfallen zwei Koppelpunkte aber ausrollbare Solararrays wie die iROSA würden dort angebracht werden. Zwei dieser iROSA-Paneele würden 40 kw Leistung bringen. Weitaus weniger als die ISS heute hat, aber sofern man keine Experimente betreibt, die viel Strom benötigen ausreichend. Skylab hatte für drei Astronauten eine Leistung von 22,9 kW, kam aber mit 16,7 kW aus. Sodass bei diesem Level 40 kW für sieben Astronauten ausreichen würden. Wenn der Wet Workshop aber beide Tanks umrüstet, dann steigt das interne Volumen von 650 (Standardlänge der Verklediung) bzw. 850 m³ (verlängert auf 22 m) um weitere 1.450 m³ an. Will man das Volumen voll nutzen um mehr Passagiere unterzubringen, dann muss man externe Solarzellenflächen anbringen, auch weil man dann mehr Kopplungspunkte für Dragons braucht, denn jede transportiert ja nur vier Personen. Daher sehe ich den Wet Workshop als die schlechteste der drei Ideen an.
Montagelösung
Die dritte Lösung ist die wie man Mir und ISS aufbaute. Das Starship ist in diesem Falle nur eine Rakete. Die Nutzlast sind standardisierte Module. Sie werden im All zusammengekoppelt. Der Erste Start könnte ein dreidimensionales Kreuz mit fünf Kopplungsstellen (entsprechend den Flächen eines Würfels minus eins) ins All Bringen. Anstatt des sechsten Kopplungspunktes befindet sich ein ausfahrbarer Ausleger mit Solarzellen und Radiatoren, ähnlichem dem „Kiel“ der ISS. Die einzelnen später beförderten Module sind dann wie bei der ISS reine Zylinder ohne Ausleger. Am Kreuz kann sich noch ein Kran befinden um das Ankoppeln zu erleichtern.
De einzelnen Module bestehen dann aus einem Zylinder in der Größe der Nutzlastsektion des Starship Nach Space Angaben sind dafür 8 m Durchmesser und 8 m zylindrischer Höhe zulässig. Sie enden nach oben mit einem 9 m langen Koppeladapter von 3,60 m Durchmesser der in den konischen Teil der Verkleidung passt. Das sind immerhin 400 m³ Volumen pro Modul. Mehrere Module kann man durch einen zweiten Kopplungspunkt am unteren Ende des Moduls zusammenkoppeln, diese folgenden Module benötigen dann auch keinen so langen Tunnel weil sie nicht am zentralen Kreuz montiert werden. Alternativ haben sie auch mehrere Kopplungspunkte an einem 9 m langen Tunnel, damit mehr Dragons andocken können, weitere Module scheiden wegen ihrer Breite an diesen Punkten aber aus. So kann man die Station im Prinzip unendlich weit ausbauen. Dragons würden an den Endpunkten der Module oder dem zentralen Kreuz ankoppeln. Eine Station mit fünf Modulen hätte so ein Volumen von 2.000 m³ und könnte 20 Personen aufnehmen.
Der Vorteil ist das diese Station am Boden fertig montiert werden kann wie der Dry Workshop, aber flexibel erweiterbar ist. Die Module könnte man sogar in Kleinserie fertigen. Als Nachteil benötigt jedes Modul einen Antrieb, ein Servicemodul wie die ISS-Zubringer der es zu der Raumstation bringt und ankoppelt. Das erhöht die Kosten.
Der Sinn
Die entscheidende Frage aber ist und das trifft für alle kommerziellen Weltraumaktivitäten zu: gibt es einen Markt dafür? Wir haben jetzt Weltraumtourismus, aber auf niedrigem Niveau: drei Missionen mit der Dragon seit 2021, also rund eine pro Jahr. Die Touristen können jetzt schon an Bord der ISS und müssen zwar dafür inzwischen mehr zahlen, aber das deckt gerade mal die Unkosten der NASA ab, sie müssen aber nicht die Entwicklung und weitere Ausbauten wie gerade das Ergänzen der Solarpaneele der ISS finanzieren. Im Gegenteil: die NASA zahlt 140 Millionen Dollar für ein kommerzielles Modul für die ISS. Die gesamte Finanzierung der Raumstation müssten aber Weltraumtouristen auf einer kommerziellen Weltraumstation aufbringen. Damit sinkt die Zahl der potenziellen Kunden ab, und ohne die ISS, die 2030 außer Betrieb gehen soll gäbe es zwar diese „billige“ Konkurrenz nicht, aber es ist auch nicht gesagt ob Kunden dann höhere Preise die für eine eigene Station zwangsläufig nötig wären, bezahlen würden. Selbst wenn nicht – eine Mission pro Jahr, wie heute, dürfte kaum kostendeckend sein.
Chad Anderson, der oben zitiert wird, geht deswegen davon aus, das Elon Musks ehrgeizige Angaben über die Preise eines Starship Wirklichkeit werden. Es gibt von Musk verschiedene Angaben, aber da die größte Konkurrenz die eigenen Falcon 9 sind, kann man eine Obergrenze ziehen: Ein Starship kann zwei Falcon Heavy Satelliten in den GTO starten, muss also günstiger sein, als zwei Falcon Heavys und das wären 180 Millionen Dollar. Das wäre aber nur der Startpreis der Rakete. Bei der Dragon zahlt die NASA ja 220 Millionen Dollar pro Mission, während die Rakete nur 67 Millionen Dollar kostet und sie hat die Entwicklung mit 2.600 Millionen Dollar finanziert. All diese Entwicklungskosten und die Kosten eines bemannten Starships müsste der Kunde dann übernehmen und sie würden den Start deutlich verteuern, sodass sich dies nur lohnt wenn man wirklich viele – wir reden dann von Dutzenden Personen pro Start – gleichzeitig transportiert, damit die Kosten pro Passagier klein bleiben. Trotzdem reden wir dann immer noch von Millionen Dollar pro Person, die sich nur sehr Reiche leisten können und dann muss man von diesem exklusivem Zirkel, bei denen jeder gewohnt ist, dass sich die Welt nur um ihn dreht, noch genügend zusammen bekommen, die dann zu einem festen Zeitpunkt alle miteinander starten.
Halte ich für sehr schwer, daher glaube ich das dieses Konzept eines Weltraumhotels kaum umgesetzt wird. Für die Forschung braucht man eine Station nicht. Die NASA hat 15 Jahre gebraucht, um nur alle Racks ihres eigenen Labors zu füllen. Schon bei dem Bau der ISS fragte man bei der Industrie nach, ob sie Interesse hätte und das Resultat war ernüchternd, nahezu niemand meldete sich zurück. Bei einer privaten Station müsste man zudem für die Forschung zahlen. Das an der ISS überhaupt jenseits der Humanwissenschaft (also den Astronauten als Versuchsteilnehmern) geforscht wird, verdankt man nur das dies viel billiger ist als ein Experiment auf einem Satelliten unterzubringen, da ein Interessent nur das Experiment stellen muss. Die gesamte Stromversorgung, Datenhandling etc stellt die ISS, der Transport ist kostenlos und für die Mannschaftsstunde die das Experiment benötigt zahlt man auch nichts. Das wäre bei einer privaten Raumstation ganz anders.
Kurz: ich sehr schwarz für private Weltraumstation, egal ob mit oder ohne Starship.