Am deutschen Raketenwesen kann die Welt genesen – der Rest der Welt

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Im dritten Teil dieser lockeren Reihe geht es nach dem Einfluss der „Peenemünder“ auf die Raketenentwicklung in den USA und der UdSSR nun um den „Rest der Welt“, direkt auf England und Frankreich, indirekt auf China, Indien, Nordkorea und den Iran.

Im dritten Reich wurde nicht nur die A-4 als Großrakete entwickelt, es gab auch zahlreiche andere Raketenentwicklungen, die zu Kriegsende teilweise im Einsatz waren, meist aber noch in der Entwicklung so:

  • Das Raketenflugzeug Me 163 das in 350 Exemplaren gebaut und im Einsatz war.
  • Die Bachem Natter (BA-349), ein noch radikalerer Entwurf eines Raketenflugzeugs zu Kriegsende, entstanden aus der Materialnot.
  • Die Flugabwehrrakete „Wasserfall“ war die erste fernlenkbare Rakete und stand kurz vor der Einsatzreife.
  • Die ungelenkte Flugabwehrrakete „Taifun“ sollte in Massen die Flugabwehr unterstützen. Auch sie war noch in der Entwicklung.

Auch diese Entwicklungen wurden von den Siegermächten übernommen. Die USA bauten die Wasserfall und Taifun nach und Russland ebenfalls die Wasserfall. Flugabwehrraketen waren als Technologien für die beiden anderen Siegermächte England und Frankreich viel interessanter als die A-4. Ihre Länder hatten auch unter dem Krieg schwer gelitten und Atommächte waren sie auch nicht. So suchten sie nach Experten die sie auf diesem Gebiet unterstützen konnten.

In der britischen Besatzungszone lag Kiel, dort hatte vor dem zweiten Weltkrieg Hellmuth Walter (1900-1980) eine Gasturbine entwickelt, die durch Wasserstoffperoxid angetrieben wurde. Seine Firma fertigte auf Basis dieser Entwicklung später die Pumpen für die A-4 und entwickelte einen Raketenantrieb bei dem die Treibstoffförderung ebenfalls mit dieser Gasturbine erfolgte. Walter ist mehr verknüpft mit dem U-Boot Bau, da bei dem katalytischen Zerfall von Wasserstoffperoxid Energie und Sauerstoff frei wird:

H2O2 → H2O + ½ O2 + 98,2 kJ

Wasserstoffperoxid kann daher als Treibstoff benutzt werden mit einem Energiegehalt von 2887 kJ/kg – das ist zwar ein Zehntel des Energiegehaltes von Dieselkraftstoff, aber das zwanzigfache dessen, was man in Batterien speichern konnte. Den freigesetzten Sauerstoff kann man zudem nutzen, um einen Dieselantrieb zu betreiben. Deutschland arbeitete bis Kriegsende an einem U-Boot mit diesem Antrieb, doch nur zwei Exemplare kamen noch zum Einsatz. Erfolgreicher war der Einsatz in Torpedos, die so schneller waren und eine größere Reichweite hatten.

Für England als Marinemacht war diese Wasserstoffperoxidtechnologie viel interessanter als die A-4. Aber Walters Firma hatte auch den Raketenantrieb Walter HWK 109-509 entwickelt. Bei ihm wurde das Wasserstoffperoxid mit einem Verbrennungsträger gemischt und der Sauerstoff oxidierte diesen. Dieses Triebwerk wurde bei den Raketenflugzeugen Me 163 und Bachem Natter eingesetzt.

Walter selbst wurde in England verhört und 1949 frei gelassen und wanderte dann in die USA aus. Viele seiner Angestellten wurden von Enhland angeworben und forschten dort weiter. Sie konstruierten unter anderem Englands erste Höhenforschungsrakete, die „Black Knight“. Sie nutzte als Treibstoff – wenn wundert es – Wasserstoffperoxid und Kerosin. Auch die Turbopumpen wurden von katalytisch zersetztem Wasserstoffperoxid angetrieben. Nachdem die ersten Satelliten 1957 und 1958 gestartet waren und Frankreich an einer eigenen Trägerrakete arbeitete, wollte nun auch England eine eigene Rakete haben, die einen eigenen Satelliten ins All bringt. Die Geschichte der „Black Arrow“ getauften Rakete ist recht traurig, weil die Regierung das Projekt mehrmals fast einstellte, vor allem aber war man dort nicht bereit viel Geld zu investieren, was die Entwicklung verzögerte. Anstatt vierte Weltraummacht (nach den USA, der UdSSR und Frankreich) zu werden, war man so Siebter, selbst Australien als ehemalige Kolonie hatten „Great“ Britain überholt. (Sie starteten eine Redstone, ebenfalls von Wernher von Braun entwickelt die von der US-Army nicht mehr benötigt wurde, mit einer Oberstufe aus und starteten so ihren ersten Satelliten Wresat).

Die Black Arrow wurde aus der Black Knight entwickelt. Die Lösungsidee bestand darin, aus der Black Knight zwei Stufen zu entwickeln. Der Durchmesser der ersten Stufe der Black Knight wurde vergrößert und die Anzahl der Triebwerke verdoppelt. Das ergab die erste Stufe der Black Arrow.

Für die zweite Stufe benötigte die Trägerrakete dagegen nur zwei Brennkammern anstatt vier wie bei der Black Knight. Deswegen wurde die Triebwerkszahl für die zweite Stufe halbiert. Der Durchmesser der Black Knight von 1,37 m wurde dagegen beibehalten, die Tanks wurden einfach gekürzt. Das sparte Kosten und das war das allerwichtigste bei diesem Projekt.

Der Waxwing Antrieb, der als dritte Stufe eingesetzt wurde, stammte ebenfalls von der Black Knight. Dort diente er dazu, Hitzeschutzschilde auf eine höhere Geschwindigkeit beim Wiedereintritt zu bringen, um sie besser testen zu können. Es gab vier Starts der Black Arrow, zwei suborbitale und zwei orbitale. Der jeweils erste Start jeder Serie ging schief. Als beim letzten Start der Satellit Prospero in den Orbit gelangte wurde das Programm eingestellt und die letzte Black Arrow steht heute in einem Museum. England ist das einzige Land, das eine eigene Trägerrakete entwickelte und danach beschloss, die Raketenentwicklung komplett einzustellen. Bis heute gibt das Land für Weltraumfahrt gemessen am BIP wesentlich weniger als seine europäischen Nachbarn aus.

Einer der in Peenemünde arbeitete war der Ingenieur Karl Heinz Bringer. Er konstruierte einen Gasgenerator, für den er auch ein Patent anmeldete. Bringers Gasgenerator ist eine Zwischenlösung zwischen dem ersten Konzept das die A-4 und ihre direkten Nachfolger (R-2, R-5, R-7, Redstone) verwendeten und dem heutigen Konzept. Heute wird im Gasgenerator Oxidator und Treibstoff verbrannt aber eine Komponente, meist der Treibstoff im Überschuss. So bleiben die Temperaturen unter dem Wert, bei dem Metalle an Festigkeit verlieren und das Heißgas kann für die Turbopumpe verwendet werden. Die A-4 nutzte dafür eigene Treibstoffe: Wasserstoffperoxid, das mit Kaliumpermanganat katalytisch zersetzt wurde. Bringer nutzte die Treibstoffe, aber er mischte Wasser dazu, um die Temperaturen zu senken und hatte so das Arbeitsgas für eine Dampfturbine.

Als Frankreich nun Experten suchten wurden sie auf Bringer aufmerksam. Er und etwa 400 weitere Deutschen konnten für das französische Programm gewonnen werden. Voraussetzung war das sie nach Frankreich übersiedelten. Das Programm für eine eigene militärische Rakete mit einem Antrieb von 400 kN Schub (etwas mehr als der Schub des A-4 Triebwerks) wurde aber bald eingestellt. Doch Frankreich entwickelte stattdessen seine erste Höhenforschungsrakete Veronique. Für sie entwickelte Bringer das Triebwerk. An ihr beteiligt war auch der Triebwerksspezialist Wolfgang Pilz, der ebenfalls eine markante technische Neuerung einführte: bei den meisten Raketentreibwerken werden die Treibstoffe zusammen mit dem Oxidator im Kopf eingespritzt, was einen relativ komplexen Injektor nötig macht bei dem sich auf engem Raum Düsen für den Treibstoff mit denen für den Oxidator abwechseln. Pilz hatte eine viel einfachere Idee: er brachte die Düsen in Ringen im oberen Drittel der Brennkammer unter abwechselnd je eine für Oxidator und Treibstoff. Das war technisch einfacher und ersparte die Kühlung dieses Bereichs der Brennkammer. Diese Technologie hatte auch das Triebwerk der Veronique. Aufgrund der Einfachheit übernahm dies später die OTRAG. Pilz wurde danach durch einen Skandal bekannt weil er nach 1958 nach Ägypten wechselte und dort für Ägypten Lenkwaffen entwickelte und der Mossad mehrere Briefbombenattentate auf ihn verübte, die fünf Ägypter töteten. Pilz überlebte, kam 1962 zurück nach Deutschland und starb 1994 in Kärnten.

Bringer arbeitete jedoch weiter für Frankreich und konstruierte die Triebwerke für die französische Trägerrakete Diamant, die zweite, französische Stufe der Europa-Rakete und das Viking Triebwerk, das die Ariane 1 bis Ariane 4 von 1979 bis 2003 antrieb. Er starb 1999 in Saint-Marcel.

Damit wäre eigentlich der direkte Einfluss von Deutschen auf das Raumfahrtprogramm anderer Staaten abgehandelt, aber es gibt ja noch den indirekten Einfluss.

Der ist am besten bekannt von China. Qian Xuesen gilt als Vater der chinesischen Trägerraketen und des ersten chinesischen Satelliten. Qian Xuesen studierte in den USA, verhörte als Mitglied der Organisation „Paper Clip“ Wernher von Braun und war im frühen amerikanischen Weltraumprogramm involviert. Er bekam aber 1950 nicht die amerikanische Staatsbürgerschaft, da damals der McCarthyismus regierte und er der Sympathie für den Kommunismus beschuldigt wurde. In der Folge verlor er alle akademischen Würden und wandte sich China zu. Er wurde im Austausch gegen US-Kriegsgefangene aus dem Koreakrieg ausgetauscht und macht in China rasch Karriere: Er gründete das erste chinesische Raumforschungsinstitut und arbeitete an der chinesischen Atombombe mit. Durch das Verhör der deutschen Raketenwissenschaftler sehen manche Autoren auch den Ursprung der chinesischen Raketentechnik in den Entwicklungen von Peenemünde.

Es gibt aber sehr wohl einen deutschen Einfluss, denn die verbesserte russische A-4, die R-2 wurde von 1957 ab in China in Lizenz unter der Bezeichnung „Dong Feng 1“ gebaut. Damit hatte China die kompletten Konstruktionspläne dieser Rakete und konnte auf ihnen aufbauen. Auftrieb für die eigene Raketenentwicklung lieferte der Bruch Chinas mit der Sowjetunion 1960. Nun war der Bau eigener Kernwaffen und Raketen die sie tragen konnten höchste Priorität. Qian Xuesen und seine 3.456 Angestellten wurden sogar von allen politischen Aktivitäten entbunden und unter speziellem Schutz gestellt.

Nach meiner persönlichen Ansicht betrieb China aber auch Wirtschaftsspionage. Denn es gibt zu viele Parallelen in den technischen Werten des Triebwerks YF-21 das in der Langen Marsch 2 bis 4 bzw. dem militärischen Vorgänger Dong Feng 5 und den Vikings der Ariane. Ebenso hat die Langer Marsch 3 zuerst in der dritten Stufe ein Wasserstoff-/Sauerstofftriebwerk mit 4 x 10 kN Schub. Die Frage ist, wie kommt man auf dieses Triebwerk und baut nicht eines mit 40 kN Schub. Nun wenn man weiß, das für die Ariane 1 mal ein solches Triebwerk HM4 mit 4 x 10 kN Schub entworfen und fertig konstruiert, dann aber nie gefertigt wurde, dann macht diese Verwandtschaft schon Sinn.

Belegt ist diese Art von „Technologieexport“ bei Indien. Indische Mitarbeiten „Dokumentierten“ ihre Arbeit beim französischen Triebwerkshersteller SEP und schmuggelten die Dokumente am Zoll vorbei mit Diplomatengepäck nach Indien. Dort entstanden aus den Vikings die Vikas Triebwerke, welche die PSLV und GSLV antreiben. Man legalisierte dies später, dies war auch möglich weil die Pläne die für die erste Generation der Vikings waren die schon nicht mehr eingesetzt wurden. Die Vikas werden in den zweiten Stufen von PSLV, GSLV und LVM3 eingesetzt sowie in den Boostern der GSLV.

Der bei weitem erfolgreichste Export von Raketentechnologie des dritten Reiches war aber die russische Kurzstreckenrakete Scud, von der es mehrere Versionen gibt die sich aus den russischen Raketen R-11 und R-17 ableiten. Sie wurde von Russland aus der Wasserfall-Flugabwehrrakete entwickelt und verwandte wie diese Salpetersäure als Oxidator und Strudelnder zur Schubvektorsteuerung. Spätere Versionen verbesserten vor allem die Lenkung, das war nötig, wenn die Rakete nicht einen Atomsprengkopf, sondern einen konventionellen Sprengkopf einsetzte. Dann musste die Genauigkeit mit der ein Ziel erreicht wird deutlich verbessert werden. Ab Beginn der Siebziger Jahre wurden die Versionen der Scud in zahlreiche Staaten exportiert. Mit Scud griff z. B. der Irak im Golfkrieg von 1990 Israel und US-Stützpunkte an.

Nordkorea nutzte die Technologie der Scud und baute aus vier Triebwerken einer Scud die erste Stufe einer Trägerrakete mit einer umgebauten Scud als zweite Stufe. Diese „Taepodong“ startete Ende der Neunziger Jahre, jedoch nicht erfolgreich. De Erfolg stellte sich mit der Unha als Nachfolger ein, bei der die Technologie der Scud beibehalten, aber deutlich größere Triebwerke entwickelt wurden. Und gemäß George W. Bush. „Achse des Bösen“ verkaufte Nordkorea die Technologie an jeden der Sie haben wollte um an Devisen zu kommen. So kam der Iran an die Technologie und baute als Variante die eigene Safir. Bilder des Hecks zeigen noch Strahlruder – und das rund 70 Jahren, nachdem sie bei der A-4 eingeführt wurden …

Also ich denke man kann durchaus davon sprechen das zumindest die ersten Raketen vieler Nationen noch auf der in Peenemünde entwickelten Technologie basieren. Eines hat sich bis heute gehalten: der Countdown. Der wurde für Fritz Langs Film „Frau im Mond“ erfunden, da dies einer der letzten deutschen Tonfilme war. So konnte der Zuschauer ohne Erklärung verstehen wie es auf den Starthinlief. In Peenemünde wurde das Konzept dann praktisch umgesetzt als X-Zeit. Eigentlich auch eine gute Bezeichnung welche die Amis hätten übernehmen können, klingt wie X-Files oder X-Men. Selbst das der Start durch das Umdrehen eines Schlüssels ausgeläst wurde wurde in Russland noch bis zur Jahrtausendwende so praktiziert.

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