Das Venera Programm – extra kurz
Auf meinen heutigen Blog bin ich durch diesen Kommentar von Dard:
„Wenn es um die Errungenschaften der sovietischen Raumfahrt ging, hab ich immer sofort „Venera“ gesagt.
Sicher, die verwendete Technik war grob. Aber das Programm war aus meiner Sicht in mehrerlei Hinsicht positiv anders als das meiste, was aus dem Ostblock kam:
– Es war ein sich iterativ immer weiter verbesserndes Programm
– Es hatte ihre Nische gefunden, wo sie ohne direkte Konkurrenz aus den USA agieren konnte
– Die Instrumente waren (meiner Meinung nach) aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll gewählt
– Das Programm wurde weiter geführt, nachdem es den ersten Erfolg gab
– Die letzten Missionen sind allesamt gelungen. Nicht nur was die Sonde angeht, sondern auch die Beförderung zur Venus.
Reicht das für eine Einstufung als „Weltraummacht“?
Alleine bestimmt nicht. Aber ich finde, dass dieses Programm im Gedächtnis der Bevölkerung sträflich unterverankert ist.“
Hmmm, das muss ein ein anderes Veneraprogramm sein, als das was ich kenne. Also nicht alles ist falsch, aber doch einiges. Nun gäbe es ja meine Artikel über das Venera Programm – weil es so umfangreich ist sind es sogar drei Teile über Venera 1 bis 8, Venera 9 bis 16 und Vega, mit zusammen über 170.000 Zeichen, also eigentlich ein ganzes Buch. Aber wahrscheinlich ist das das Problem. Heute haben die meisten ja nur noch die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfisches und da ist das zu lange. Ich versuche daher mal das Programm in 10 K zu packen, wem das noch zu komplex ist, kann es ja von einer KI zusammenfassen lassen.
Russland hat mehr Sonden zur Venus entsandt, als zum Mars. Das lag an mehreren Punkten. Zum einen ist die Venus schneller erreichbar, bei Raumsonden die nicht lange leben ein wichtiger Punkt. Daneben wurden sie beim Mars schnell von den USA überholt, während diese kaum Interesse an der Venus hatten und zuletzt zählten bei der Landung auf der es nach den ersten Sonden herauslief nicht technische Finesse sondern Robustheit und das kam der sowjetischen Bauweise entgegen. Russland benannte alle Sonden nach einem erfolgreichen Start, aber intern hießen sie anders.
1VA
Das erste Venusprogramm hieß schlicht und einfach 1VA. Ursprünglich war ein gemeinsames Mars-/Venusprogramm namens 1MV geplant, doch es war zu komplex und die Anforderungen zu unterschiedlich. Man entwickelte aus der vorherigen Marsgeneration 1M eine Sonde aus einer Antriebssektion, einem Druckkörper und einem halbkugelförmigen Experimententeil. Von zwei Sonden scheiterte ein, die zweite Venera 1 startete am 12.2.1961. Doch ab dem 22.2 blieben alle Kommunikationsversuche erfolglos. Später erfand man einen fehlprogrammierten Zeitgeber der dazu führte das der Empfänger einfach nicht mehr eingeschaltet wurde.
2MV
Das nächste Programm war nun, weil es 1962 kurz hintereinander Startfenster zum Mars und zur Venus gab, ein kombiniertes Programm. Nicht weniger als sechs Sonden – je drei zum Mars und zur Venus wurden gestartet. Zwei Venussonden sollten landen eine vorbeifliegen. Die Sonden waren deutlich gegenüber 1VA verbessert. Von den sechs Sonden gelang aber nur der Start von Mars 1. Grund war ein Designfehler der letzten Stufe der Molnija-Trägerrakete. Obwohl schon vorher Starts mit der Rakete scheiterten, startete man munter weiter anstatt nach dem Fehler zu suchen und vielleicht nur ein paar Teststarts ohne Sonden durchzuführen. Keine der sechs Sonden von 2MV verließ so einen Erdorbit Richtung Venus.
3MV
Das nächste Programm 1964/65 war wiederum ein kombiniertes Mars-/Venusprogramm umfasste nun schon neun Sonden. Drei Erprobungssonden, die nach dem Start „Zond“ für „Sonde“ hießen, zwei Venus und vier Marssonden. Die Erprobungssonden wurden gebaut weil die beiden Sonden, die es bisher schafften die Erde zu verlassen – Venera 1 und Mars 1 beide frühzeitig ausfielen. Sie sollten Technologien erkunden. Später disponierte man um. Von den neun Sonden verließen drei Erprobungssonden (Zond 1-3) die Erde, von drei Venussonden strandete eine im Erdorbit. Genauso alle drei Marssonden. Es gelang Venera 2 (Vorbeiflugsonde) und Venera 3 (Landesonde) im November 1965 zu starten. Bei beiden stiegen die Temperaturen rasch an, sodass sie beide schon vor Erreichen der Venus ausfielen. Venera 3 hatte einen Landeapparat an Bord, der war jedoch nur für 5 Bar Druck und maximal 77 Grad Celsius ausgelegt, obwohl es schon seit 1962 die Daten von Mariner 2 gab die höhere Temperaturen und höheren Druck nahelegten. Von den neun Sonden von 3MV kann nur Zond 3 als voller Erfolg angesehen werden.
4V
Bisher baute das OKB-1 die Raumsonden. Das von Koroljow geleitete Designbüro war zwar führend in der Sowjetraumfahrt, aber die Pannenserie bei den Raumsonden war auch unerreicht. Die Führung beschloss das sich Koroljow auf die bemannte Raumfahrt konzentrieren sollte und übertrug den Sondenbau von nun an an OKB-301 Lawotschkin. Das war eine kluge Entscheidung denn nun gab es mehr Erfolge. Die hatten für die nächste Generation nur ein Jahr Zeit und so war 4V zuerst nur eine verbessere Version von 3MV. Marssonden wurden keine mehr geplant. Immerhin der Landeapparat wurde nun für 350 Grad Celsius und 10 Bar Druck ausgelegt. Die Ausstattung war minimal: Es gab einen Höhenmesser, Temperatur und Druckmesser und eine Volumenbestimmung einiger Gase durch chemische Reaktionen, aber keine Gasanalyse. Von den beiden Sonden des Jahres 1967 gelangte nur Venera 4 zur Venus. Sie lieferte auch Daten, der Druckmesser war bald am Anschlag und der Temperaturmesser ging hoch bis auf 262 Grad Celsius. Als die Sonde verstummte meinte Russland sogar, gelandet zu sein. Allerdings ging Russland von einem Venusradius von 6.072 km aus, Mariner 5 die zeitgleich die Venus passierte ermittelte den korrekten Wert zu 6.051,6 km. Venera 4 war in 28 km Höhe bei einem Außendruck von 17 bis 20 Bar ausgefallen.
Immerhin konnte aus den Daten ein Bodendruck von 75 Bar und eine Temperatur von 500 Grad durch einfache Extrapolation abgeleitet werden, nur taten das die Sowjets nicht. Sie glaubten auch nicht den Messungen von Mariner 5, die indirekt waren, aber bei denen ein Auswertungsteam auf 425 bis 500 Grad Celsius und 75 bis 100 Bar Bodendruck kam. So wurde das nächste Sondenpaar Venera 5 und 6 nur auf 25 Bar Außendruck ausgelegt. Diesmal traten beide Sonden in die Atmosphäre ein – Vorbeiflugsonden gab es nun keine mehr, denn viele Daten hatten ja schon die USA mit Mariner 2 und 5 gewonnen und Erstleistungen waren so auch nicht mehr möglich. Venera 5 und 6 traten beide in die Venusatmosphäre ein und lieferten Daten bis sie beide bei 27 Bar Außendruck ausfielen. Diesmal war auch den Sowjets klar, das sie noch weit oberhalb der Oberfläche ausfielen, denn die Funkhöhenmesser waren nun bessere.
Die nächste Generation wurde nun instrumentell abgespeckt soweit es ging und das Gewicht in eine noch bessere Abschirmung gesteckt. Bis 150 Bar und 540 Grad Celsius waren die Sonden dicht. Von der Doppelmission landete nur Venera 7, die aber bis zur Oberfläche sank und wie man erst später entdeckte noch 23 Minuten lang funkte die aber zu schwach waren um Daten zu extrahieren. Mit Venera 7 wurde nach sieben Venusmissionen und noch mehr Fehlstarts eine Landung erreicht.
Mit den Daten wurde eine neue Doppelmission designt, nun nur noch für 105 Bar Außendruck ausgelegt dafür mit mehr Messsensoren. Erneut klappte von zwei Missionen nur ein Start und Venera 8 lieferte 1972 nicht nur mehr Daten der Atmosphäre sondern auch einige Daten von der Oberfläche wie Oberflächenstruktur, Helligkeit und eine grobe Gesteinsanalyse.
4V-1
Das nächste Programm 4V-1 setzte nun auf viermal schwerere Raumsonden. Erneut war nur eine Landung geplant. Mit den bekannten Daten konnten diese besser konstruiert werden. Aufgabe von Venera 9 bis 14 war es nun vornehmlich am Venusboden in einer geringen Design-Lebenszeit Daten zu gewinnen.
Beide Sonden Venera 9 und 10 landeten und übertrugen die ersten groben S/W Panoramen über die Muttersonden, die in einen Orbit einschwenkten. Sie sendeten sogar länger als diese Daten empfangen konnten. Die Ergebnisse der Orbiter waren dagegen nicht sehr reichlich und die wenigen Bilder hinkten in Qualität den Mariner 10 Aufnahmen, die ein Jahr vorher gemacht wurden, hinterher.
So entschloss man sich bei den nächsten vier Sonden: Venera 11 bis 14, den Bus nicht mehr in eine Umlaufbahn einschwenken zu lassen, was eine längere Übertragungszeit erlaubte. Bei Venera 11 und 12 die nun erstmals Farbaufnahmen machen sollten lösten sich jedoch nicht die Kameradeckel (das passierte auch bei Venera 9 und 10, aber dort nur bei je einer von zwei Kameras, sodass dies nicht auffiel). Das die Sonden Kameras an Bord hatten wurde erst nach dem Zerfall der UdSSR bekannt. Damals spekulierte man warum man nur einmal Aufnahmen machte und danach nicht mehr. Von Venera 11 und 12 gibt es die meisten veröffentlichten Daten , das lag an einem Abkommen mit der NASA die zeitgleich ihre Pioneer Venus Mission startete. Venera 11 lieferte sogar noch Daten als der Bus nach 85 Minuten aus dem Empfangsbereich kam.
Mit kleinen Änderungen am Kamerasystem startete man beim nächsten Startfenster Venera 13 und 14. Bei ihnen klappten nun die gewünschten Farbaufnahmen und damit war dann auch dieses Kapitel beendet. Einmal erreichtes wurde nicht wiederholt, wie üblich im sowjetischen Raumfahrtprogramm, es ging ja um Erstleistungen.
Venera 15 und 16 verzichteten daher auf die Lander, die zuletzt über 1.500 kg wogen und schwenkten in einen Orbit ein. Sie hatten als Hauptinstrument jeweils ein Seitensichtradar. Während bei den Landern das starre Schema, nachdem alle sowjetischen Raumsonden arbeiteten, kein Nachteil war zeigte sich dies bald bei den beiden Orbitern. Nur Venera 16 war für die Kartierung vorgesehen. Venera 15 war Reservegerät. Venera 16 konnte nur die Nordhalbkugel mit einer Auflösung von 1 bis 2,5 km erfassen, insgesamt 115 Millionen km², etwa ein Viertel der Oberfläche. Venera 15 füllte Lücken aus. Es gab nur einen Zyklus, man wiederholte danach keine Messungen und verzichtete auch darauf mit Venera 15 die Südhalbkugel zu erfassen, dabei arbeiteten die Sonden fünf bzw. elf Monate länger als geplant. Die Kartierung wurde durch Magellan wenige Jahre später um den Faktor 10 verbessert und diese eine Sonde kartierte auch den ganzen Planeten.
5VK
Die letzten Sonden sollten nicht nur auf der Venus landen sondern auch den Kometen Halley passieren. Erstmals gab es eine breite Zusammenarbeit mit den ESA Staaten die Instrumente für die Halleybeobachtung stellten. Die beiden Lander führten zwei kleine französische Ballone mit die in einem Bereich ausgesetzt wurden in dem Druck und Temperatur noch einigermaßen „erdähnlich“ warne und einige Tage lang Daten funkten.
Die Landesonden erweisen sich aber als ein Reinfall. Bei Vega 1 wurden durch eine Entladung schon vor der Landung alle Instrumente für Bodenanalysen ausgefahren und beschädigt. Wichtige Instrumente fielen auf beiden Landern aus. Die beiden Busse Vega 1 und 2 passieren Halley in etwa 10.000 km Abstand (die europäische Raumsonde Giotto nährte sich zwanzigmal näher) wurden trotz der größeren Entfernung aber deutlich beschönigt. Ihre Aufnahmen erlaubten es aber aber Giotto besser ans Ziel zu lenken, denn sie zeigten den Kern von Halley, der bei irdischen Aufnahmen in einer Koma genannten Gas- und Staubwolke verborgen war.
Die Bedeutung der Vega-sonden liegt nicht nur im wissenschaftlichen Bereich, sondern auch im politischen Bereich. Bei keiner Mission vorher gab es so eine intensive Zusammenarbeit, nicht nur bei gemeinsamen Experimenten, sondern auch zwischen den Raumfahrtagenturen. Das führte dazu, dass am 18.3.1986 Michael Gorbatschow die Wissenschaftler und Manager zu einem Treffen im den Kreml einlud – das hatten Russlands Forscher bisher in fast 30 Jahren der Erforschung mit Raumsonden noch nie geschafft. Das zeigt aber leider auch, das es auch beim Veneraprogramm primär nicht um Wissenschaft und Forschung sondern um Politik ging.
Bilanz
Es gab insgesamt 18 offizielle Sonden davon waren 13 erfolgreich, fünf teilweise erfolgreich und es gab zehn Fehlstarts. Das ist für mich nun nicht gerade ein Erfolgsprogramm, zumal man auch hier die Vorgehensweise das man ein Programm abbricht sobald eine Erstleistung vollbracht ist sieht.
Derzeit haben wir ja eine Flut von „kommerziellen“ Mondlandern. Mich wundert das Raumfahrtagenturen nicht mal kommerzielle Venuslandesonden ausschreiben. Technisch ist eine Landesonde die beim Abstieg einige Messungen macht und im unteren Bereich der Atmosphäre Aufnahmen und nach der Landung ein Panorama einfacher zu bauen als ein Mondlander. Im Prinzip würde sie selbst ohne Fallschirm nicht zerstört, die Veneras warfen ihn auch ab, weil sonst der Abstieg zu lange gedauert hätte. Ein Bus der sich selbst abbremst könnte die Daten über einige Zeit übertragen bevor er selbst verglüht. Also wenn ich was zu entscheiden hätte mir würde ein Modell mit Basis+Erfolgsprämie vorschweben. Das garantiert auch das die Unternehmen an einem Erfolg interessiert sind.
Ach noch was … Wem meine Artikel zu lang sind, aber das hier zu kurz der findet in meinem Buch „Mit Raumsonden zu den Planetenräumen“ (Hermann Oberth lässt grüßen) eine Zwischenform in der Länge. Ich habe für den Artikel auch daher dort nachgeschlagen. Gibts überall im Buchhandel aber auch auf Amazon.
Der Autor hat hier und in mehreren Blogs und auf seiner Webseite eindrucksvoll über das überwiegende Scheitern der sowjetischen/russischen Raumfahrt (Masse statt Klasse) geschrieben. Ich ziehe mal ein Fazit: Das Beispiel der sowjet./russ. Raumfahrt zeigt exemplarisch, dass in unfreiheitlichen, auf dem Prinziep „Befehl“ aufgebauten Systemen in denen keine Wissenschafts-, Meinungs-, und Gedankenfreiheit herrscht, eben keine wissenschaftlich, techn. Höchstleistungen erbracht werden können.
Der sowjetische Ingenieur war eben nicht frei, seinem Spieltrieb (ich meine das im positiven Sinn) und seiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Er durfte nicht experimentieren, sondern musste sich bei Androhung von Strafe an das enge Korsett der staatlichen Vorgaben halten. Die Missionen von z.B. Luna 17 (Lunochod 1) und Luna 21 (Lunochod 2) nötigen dennoch Respekt ab, wenn man bedenkt, unter welchen prekären Bedingungen sowjet. Ingenieure diese Leistungen erbracht haben.
Mir fällt dazu unsere Lieblingsfirma mit X ein. Da läuft es ja ähnlich.
Sehr schlechter Vergleich.
M.f.G.
Begründung, obwohl ich das Wort nicht mag.
In der Sowjetunion wurde das Individuum, mit seinem Potential sich frei zu entfalten unterdrückt.
Bei Elon Musk handelt es sich um einen Unternehmer/Oligarchen, der frei entscheiden kann, wie er seine finanziellen Ressourcen einsetzt.
Während er sich bei seiner Space x Firma beratungsresistent verhält, spielt er bei der Übernahme von twitter durchaus eine im Sinne von Pluralität (für die jung- und junggebliebenen sozialisten-bedeutet Meinungsvielfalt) positive Rolle. Nicht weil er ein böser Milliardär ist, sondern weil er populistisch gegen die woken wohlfeilen allseits bekannten „linken „ Oligarchen stänkert, indem er den linken Augiustatall twitter mal ordentlich durchgekärchert hat, was nicht heisst, dass das Ergebnis zufriedenstellend ist.