Bernd Leitenbergers Blog

­Eine kurze Geschichte der Erderkundungssatelliten

Heute wieder ein Übersichtsartikel. Am Anfang muss ich aber eine Unterscheidung machen, nämlich zwischen den Satellitengruppen:


Diese waren früher scharf getrennt, mittlerweile gehen die beiden letzten Gruppen ineinander über.

Am deutlichsten fällt die Abgrenzung zu den Wettersatelliten. Diese haben die Aufgabe die Wettersituation wiederzugeben. Damit dies geht, muss ein Wettersatellit ein großes Gebiet ablichten, denn nach 12 Stunden hat er einmal die Erdoberfläche überquert und sollte diese in dieser Zeit komplett erfassen. Ein Wettersatellit lichtet daher ein großes Gebiet ab. Der erste seiner Art – Tiros 1 – erfasste ein Gebiet von 1.200 x 1.200 km in einer Aufnahme. Inzwischen hat er weitere Aufgaben. Er misst auch Temperaturen, bestimmt die Wolkenbedeckung und kann auch die Konzentration von Spurengasen wie Methan oder Ozon bestimmen.

Ein Erderkundungssatellit hat die Aufgabe zwar ein Gebiet regelmäßig zu überfliegen, aber nicht täglich, sondern einem Abstand von typisch zwei bis drei Wochen. Die Bildgröße ist daher kleiner und die Auflösung höher. Daneben haben sie die Aufgabe bestimmte Phänomene hervorzuheben, verwenden daher oft engbandige Kanäle oder Multispektralscanner. Moderne Typen – Hyperspektralscanner haben mehrere Hundert Spektralkanäle, die ersten Typen eher 8 bis 12. Ein Wettersatellit hat heute auch diese Features, bei den frühen Modellen reichten aber reine Schwarz-Weiß Aufnahmen. Ein Erderkundungssatellit soll die Erde periodisch auf Veränderungen untersuchen – das kann menschliche Aktivität sein, die Auflösung der ersten Exemplare (Landsazt 1-3) war mit 80 m aber dafür viel zu grob. Mit ihren engbandigen Sensoren die auch im nahen und mittleren IR operieren, können sie aber die Aktivität von Vegetation (beeinflusst durch Dürre, Düngung etc.) und Temperatur messen.

Der Unterschied zu den Fotoaufklärern lag sehr lange Zeit in der maximal möglichen Auflösung im Sinne von kleinen Features, die erkennbar sind. Dieser Unterschied gibt es heute fast nicht mehr. Ebenso waren die Aufnahmen früher nur Schwarz-Weiß. Heute gibt es auch Erderkundungssatelliten die keine Multispektralaufnahmen machen und hochauflösende Aufnahmen in Schwarz-Weiß und Farbe machen. Der Hauptunterschied ist bis heute, dass Fotoaufklärer eher militärisch genutzte Satelliten sind und Erderkundungssatelliten auch die „Bridge-Satelliten“ ziviler Natur sind, also jeder die Fotos herunterladen kann, wenngleich meist nur gegen Bezahlung.

Technisch sind sich die Gruppen auch ähnlicher geworden. Die ersten zwanzig Jahre der Raumfahrt setzten die Fotoaufklärer fotografischen Film ein, der geborgen wurde. Kein anderes Medium war fähig, gleichzeitig große Gebiete zu erfassen und kleine Details abzubilden. US-Satelliten setzten schließlich 120 mm Film ein viermal breiter als das Kleinbildformat. Ein Foto konnte 1 m lang sein und ein Gebiet von 18,4 x 160 km abbilden und das mit einer Auflösung von 60 cm. Die Informationsmenge liegt bei einem Foto im Bereich von mehreren Gigapixeln. Die ersten Erderdungssatelliten hatten dagegen Scanner mit einzelnen lichtempfindlichen Elementen, die von einem Schrittmotor über die Fokalebene bewegt wurden und bei den ersten Landsat-Generationen auf Vidicons-Kameras die sich aber nicht bewährten.

Es wurde bei der bemannten Skylab-Mission auch Film für die Erderkundung eingesetzt. Aber mit dem Ende des Programms unterblieb die Weiterentwicklung. Es gab jedoch bei Space Shuttle Missionen noch Kameras die mitflogen, so die Metrische Kamera des DLR bei STS-9. Weiterhin entpuppte sich bei dem ersten operativen Erderkungsprogramm Landsat vor allem die kontinuierliche Überwachung sich als Vorteil. So konnte das Wachstum von Pflanzen protokolliert werden, Umweltschäden dokumentiert werden.

Eine Erfindung revolutionierte sowohl die militärische Aufklärung wie die Erderkundung: Die Erfindung des CCD-Sensors. Er wandelt Licht direkt in elektrische Ladungen um, die direkt in einzelnen Speicherzellen landen, jede von der Umseglung isoliert. Er hat so einen ähnlichen Aufbau wie ein Speicherchip, heute ist er so durch die preiswerteren CMOS-Sensoren ersetzt worden, die mit der Fertigungstechnologie für Speicherchips gefertigt werden, und so viel billiger sind. Gegenüber dem Film und den Videocons entfiel beim 1969 erfundenen CCD-Sensor der Umweg über chemische Reaktion oder Veränderung einer lichtempfindlichen Schicht, was die Quantenausbeute erhöhte – CCD waren also lichtempfindlicher. Wichtig, wenn ein Satellit die Erdoberfläche abbildet. Ein erdnaher Satellit bewegt sich relativ zur Erdoberfläche mit 7 km/s. Das verschmiert die Bilder unterhalb einer bestimmten Grenze. Selbst bei einer – für Film – kurzen Belichtungszeit von 1/1000 s für das Bild kann er so keine kleineren Details als 7 m abbilden, sofern die Kamera nicht der Bewegung nachgeführt wird. Gegenüber den Videocons entfiel die analoge Umwandlung und es wird jedes Pixel vom anderen isoliert. Zudem entfällt die Beugung des Bildfeldes durch die Oberfläche der Videoconröhre. Vergleicht man die Aufnahmen von Voyager1+2 mit denen von Galileo – beide Sonden haben die gleiche Auflösung und Pixelzahl, aber Galileo setzte CCD und Voyager Vidicons ein – so fällt auf, dass es viel mehr Helligkeitsabstufungen gibt und die Bilder schärfer sind – jedes Pixel ist eben vom Nachbarn isoliert.

Ein weiterer Vorteil ist das CCD in jeder Form fertigbar sind – Satelliten setzen meist nicht einen „flächigen“ Sensor wie in einer Video- Digital- oder Smartphonekamera ein, sondern eine Zeile wie ein Scanner. Selbst als es noch nicht möglich war, sehr lange Zeilen herzustellen konnte man doch eine lange Zeile aus vielen kleinen kurzen Zeilen zusammensetzen und so eine Zeile mit sehr vielen Pixeln herzustellen die ein großes Gebiet mit hoher Auflösung abbildet.

Mit der Erfindung des CCD-Sensors verschwanden die Unterschiede zwischen militärischen und zivilen Satelliten. Die ersten zivilen Satelliten mit CCD-Sensoren als Detektoren waren ab Mitte der Achtziger Jahre die französischen Spot-Satelliten. Sie steigerten gleich die Auflösung gegenüber den Landsats von 30 auf 10 m. Was den Einsatz noch limitierte war die Computertechnik. Es war einfach nicht möglich große Datenmengen im zivilen Bereich zu speichern oder schnell zu übertragen. Im militärischen Bereich war das kein Problem, die USA betrieb eigene Kommunikationssatelliten nur für ihre Fotoaufklärer. Doch die Computertechnik entwickelte sich rasch weiter und ab der Jahrtausendwende tauchten die ersten nicht von einer Regierung entwickelten, kommerziellen, Erderkundungssatelliten auf. Gegenüber Spot wogen diese Satelliten nur wenige hundert Kilogramm anstatt mehreren Tonnen, sie hatten trotzdem eine Auflösung von wenigen Metern, Daten speicherten sie an großen RAM-Disks – Flashbausteine gab es noch nicht, aber man konnte aus Hunderten von Standard DRAM-Bausteinen einen Massenspeicher aufbauen. Mit Richtantennen wurden diese dann bei der Passage von Bodenstationen übertragen.

Es begann die Epoche der kommerziellen Erdbeobachtern. Firmen wie Digiglobe entwickelten immer leistungsfähigere Geräte – der Satellit Worldview 4 erreichte 25 cm – Auflösung, die sich aber auf Schwarz-Weiß Aufnahmen beschränken, die Multispektralfähigkeit wurde meist aufgegeben. Solche Satelliten eignen sich nicht um die Umwelt zu überwachen (Umweltverschmutzung, Gesundheit der Vegetation, Ernteüberwachung) dafür aber für offensichtliche Veränderungen wie durch Naturkatastrophen, menschliche illegale Abholzungen. Vor allem aber sind die Satelliten mit hoher Auflösung militärisch interessant. Das führte dazu das die USA zwar das erste – und einzige US-System mit CCD-Sensoren – KH-11 „Kennen“ verbesserten, aber kein neues mehr entwickelten, stattdessen sind US-Regierungsstellen wie die NRO der beste Kunde von US-Unternehmen wie Maxar. Die CNES betreibt die Plejades Satelliten, die sowohl militärisch wie zivil genutzt werden.

Limitierend ist bei den heutigen Satelliten die Möglichkeit die Daten zu übertragen. Zwar gibt es inzwischen zwischen Satellit und Bodenstation Datenraten von einigen Gigabit/Sekunde, aber will man den Globus nicht mit Bodenstationen zupflastern kann man nur einen Teil der Zeit nutzen. Deswegen werden vermehrt geostationäre Kommunikationssatelliten genutzt oder Laserterminals die noch viel höhere Datenraten ermöglichen.

Weitestgehend auf Regierungen beschränkt sind die klassischen Erderkundungssatelliten mit Multispektralfähigkeiten. Hohe Auflösung und viele Spektralkanäle schließen sich aus. Sie liefern daher keine hohen Auflösungen. Während die USA ihr Landsat-Programm zurückfuhren, seit der Jahrtausendwende gerade mal zwei Satelliten starteten, hat die EU ihr Kopernikusprogramm ins Leben gerufen. Sechs Satellitenserien namens Sentinel decken die gesamte Palette der Erd- und Umweltbeobachtung ab. Sentinel 1 arbeitet mit Radar, Sentinel 2 sind das Gegenstück zu den hochauflösenden kommerziellen Erderkundungssatelliten. Sentinel 3 überwacht die Meere und Eisflächen, Sentinel 4 iund 5 sind Nachfolgesatelliten für die Meteop-Wettersatelliten und Sentinel 6 überwacht sie Atmosphäre. Sie ersetzen damit auch den ausgefallenen Umweltsatelliten Envisat.

Heute findet man die Aufnahmen der Satelliten als Basis für Maps Dienste von Google, Bing & co, aber auch Regierungsstellen nutzen sie. Die EU z.B. zur Überwachung, ob ein Landwirt der Subventionen dafür bekommt, dass er Ackerland brach liegen lässt auch dies tut. Längst macht die Auswertung Computerprogramme.

Eine Hoffnung, die aufkam als die ersten kommerziellen Erderkundungssatelliten starteten, war die Informationsfreiheit. Aus dem All entgeht einem nichts. Wenn im Krieg Dörfer niedergebrannt werden oder es Massengräber gibt, so fallen die auf, auch wenn das weit jenseits einer größeren Stadt ist oder Journalisten nicht in die „Kampfzone“ dürfen. Doch schon der Afghanistan-Krieg zeigte, dass dem nicht automatisch so ist. Damals kaufte das Pentagon schlicht und einfach alle Bildrechte bei den kommerziellen Anbietern für diese Region.

 

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