Unsinnige Nahrungsergänzungsmittel – Teil 3

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Heute geht es weiter mit meiner lockeren Reihe von unsinnigen Nahrungsergänzungsmitteln. Wie in den vorherigen beiden Artikeln beschäftige ich mich mit Einzelsubstanzen, auch wenn sehr oft damit es natürlicher wirkt diese mit einem Extrakt einer Pflanze kombiniert werden. Bei Pflanzenextrakten ist es aber so das diese eine komplexe und veränderliche Zusammensetzung haben, also ihre Wirkung sehr viel schwerer eingeschätzt werden kann.

Koffein

Koffein, das weiß inzwischen fast jeder, ist mit Sicherheit nicht lebensnotwendig. Im Laufe der Jahre hat sich auch herumgesprochen, dass es nicht schädlich ist. Nun ist Koffein nicht nur im Kaffee, sondern auch im Tee und in den sogenannten „Energy-Drinks“ enthalten. Warum also Koffein einnehmen?

Eine Tablette enthält in der Regel 200 mg Koffein. Um diese Dosis abschätzen zu können, muss man wissen, wie viel Koffein in Getränken enthalten ist. Hier eine Tabelle aus einem meiner Artikel über Kaffee:

 

Getränk Coffein in der Trockenmasse / Zudosierung Mittlerer Coffeingehalt einer Portion Streubreite
Kaffee 1,3 – 2,4 % im Pulver 100 mg 50 – 150 mg
Tee 3,0 – 4 % in den Teeblättern 50 mg 25 – 90 mg
Coca-Cola 6,5 – 12 mg/100 ml 40 mg 35 – 55 mg
Energy-Drink < 32 mg/100 ml 80 mg 80 mg
Kakaogetränk 0,1 % im Kakaoanteil 5 2 – 5 mg
Vollmilchschokolade (100 g Tafel) 0,1 % im Kakaoanteil 15 3 – 35 mg
Zartbitterschokolade (100 g Tafel) 0,1 % im Kakaoanteil 90 50 – 110

Während der Koffeingehalt von Tee, Kaffee und Kakao natürlichen Urspungs ist, aber auch Schwankungen unterliegt, ist bei den Getränken die Dosierung entscheidend, bei Energy-Drinks wird Koffein zugesetzt und der Gehalt gesetzlich auf 32 mg/100 ml begrenzt. Dahinter steht die Überlegung, dass die Gesamtmenge einer Portion geringer ist als die Koffeinmenge einer durchschnittlichen Kaffeeportion.

Mit 200 mg enthält eine Tablette also in etwa so viel Coffein wie zwei Tassen normal starker Kaffee. Entsprechend ist die Wirkung vergleichbar. Für die pharmakologische Wirkung – dazu gehört neben der zentralnervösen Wirkung (mehr in diesem Artikel) auch die Nebenwirkungen. Es fehlen natürlich die Röststoffe, der typische bittere Geschmack des Koffeins ist aber wie bei Kaffee oder Tee vorhanden.

Auch muss die Tablette den Verdauungstrakt passieren, d.h. selbst unter optimalen Bedingungen (nüchterner Magen) dauert es 30 Minuten von der Einnahme bis zur ersten Wirkung.

Für Menschen, die durch Kaffee wach(er) werden, kann eine solche Koffeintablette eine Alternative sein, wenn sie nicht die Möglichkeit oder die Zeit haben, ein koffeinhaltiges Getränk zu sich zu nehmen. Ich habe selbst einmal Koffeintabletten genommen, als ich in meinem zweiten Informatikstudium eine sehr langweilige Vorlesung über Elektrotechnik hatte, also etwas, was eigentlich nichts mit meinem späteren Beruf zu tun hatte, aber weil man die Professoren, die nichts anderes gelernt hatten, weiter Vorlesungen halten ließ. Diese fand am späten Nachmittag nach vielen anderen Vorlesungen statt und damit ich folgen konnte, nahm ich eben vorher eine Koffeintablette. Im Nachhinein weiß ich: Wenn man sich künstlich wachhalten muss, weil das Thema an sich langweilig und uninteressant ist, dann geht man besser nach Hause und ruht sich aus, denn viel habe ich aus der Vorlesung trotzdem nicht mitgenommen.

Quercetin

Beim Quercetin kann man mal wieder sehen, wie es sich auswirkt wenn Laien, die Wikipedia schreiben. Ich stelle hier mal – da es ja jederzeit möglich ist die Einträge zu ändern – die deutsche und englischsprachige Wikipedia gegenüber:

Quercetin ist ein Antioxidans, dem positive physiologische Effekte nachgewiesen werden.[13]

So konnte Quercetin die Entstehung von Muskelkater lindern und zu einer geringen Leistungssteigerung führen.[14]

Quercetin ist je nach Dosierung giftig für Menschen. Im Vergleich zu Taxifolin[15] weist Quercetin eine deutliche Mutagenität auf.[16] Es gibt aus Experimenten mit Zellkulturen Hinweise für eine antitumorale Wirkung.[17] Ein Toxizitätsmodell in vitro hat gezeigt, dass die erhöhte oder längerfristige Gabe von Quercetin toxisch wirken kann.[18]

Weitere in-vitro Untersuchungen zeigten, dass Quercetin die Wirkung des Medikaments Bortezomib durch direkte chemische Reaktion zwischen Quercetin und der Borongruppe hemmt.[19] Außerdem hemmt es ähnlich dem Allopurinol die Xanthinoxidase und somit Hyperurikämie und könnte daraus folgender Gicht entgegenwirken.[20]

Quercetin könnte hemmend auf das für COVID-19 verantwortliche Virus SARS-CoV-2 wirken, da es die für die Vermehrung des Virus verantwortliche Protease 3CLpro hemmt.“

Und in der englischen:

Quercetin has been studied in basic research and small clinical trials.[2][31][32][33] While supplements have been promoted for the treatment of cancer and various other diseases,[2][34] there is no high-quality evidence that quercetin (via supplements or in food) is useful to treat cancer[35] or any other disease.[2][36]

The US Food and Drug Administration has issued warning letters to several manufacturers advertising on their product labels and websites that quercetin product(s) can be used to treat diseases.[37][38] The FDA regards such quercetin advertising and products as unapproved – with unauthorized health claims concerning the anti-disease products – as defined by „sections 201(g)(1)(B) and/or 201 (g)(1)(C) of the Act [21 U.S.C. § 321(g)(1)(B) and/or 21 U.S.C. § 321(g)(1)(C)] because they are intended for use in the diagnosis, cure, mitigation, treatment, or prevention of disease“,[37][38] conditions not met by the manufacturers.“

oder weil die Sprache sehr formal ist, in Deepl Übersetzung:

Quercetin wurde in der Grundlagenforschung und in kleinen klinischen Studien untersucht.[2][31][32][33] Zwar wurden Nahrungsergänzungsmittel zur Behandlung von Krebs und verschiedenen anderen Krankheiten angepriesen,[2][34] doch gibt es keine hochwertigen Beweise dafür, dass Quercetin (über Nahrungsergänzungsmittel oder in Lebensmitteln) zur Behandlung von Krebs[35] oder anderen Krankheiten nützlich ist.[2][36]

Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat mehrere Hersteller gewarnt, die auf ihren Produktetiketten und Websites damit werben, dass Quercetin-Produkte zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden können.[37][38] Die FDA betrachtet solche Quercetin-Werbung und -Produkte als nicht zugelassen – mit nicht genehmigten gesundheitsbezogenen Angaben zu den Produkten gegen Krankheiten – im Sinne von „Abschnitt 201(g)(1)(B) und/oder 201 (g)(1)(C) des Gesetzes [21 U. S.C. § 321(g)(1)(B) und/oder 21 U.S.C. § 321(g)(1)(C)], weil sie für die Diagnose, Heilung, Linderung, Behandlung oder Vorbeugung von Krankheiten bestimmt sind“,[37][38] Bedingungen, die von den Herstellern nicht erfüllt wurden.“

Also die englische spricht an das es keine fundierten Studien gibt und noch bedeutender: die FDA sieht keine bewiesenen Wirkungen und verbietet so eine Werbung mit der Linderung von Krankheiten.

Aber zurück zum Quercetin. Quercetin ist ein Polyphenol, eine Substanzgruppe die in Pflanzen oft vorkommt und vielfältige Wirkungen hat (Fraßschutz, Antioxidantien, Farbstoffe …) in diesem Falle ist Quercetin für die Pflanze ein Farbstoff aus der Falvenoid-Gruppe also gelb-orangenen Farbstoffen. Die meisten Vertreiber dieser Nahrungsergänzungsmittel halten sich mit Werbesprüchen zurück und verweisen nur auf die Funktion als Antioxidans, die im Labor auch bewiesen ist (in vitro). Das heißt, bei Zellkulturversuchen oder Versuchen mit reinen Chemikalien wirkt Quercetin als Antioxidans. Das bedeutet aber nicht, dass dem auch im Körper so ist (in vivo) und gerade das ist eben nicht bewiesen.

Interessanterweise gewinnen alle Hersteller dieser Präparate Quercetin aus dem japanischen Schnurbaum, dabei gibt es etliche Nahrungsmittel die Quercetin enthalten. Die für die Ernährung am wichtigsten „Quellen“ dürften Zwiebeln und Äpfel sein, die zum einen viel Quercetin enthalten und auch häufig gegessen werden.

CBD

Der absolute Schlager bei Nahrungsergänzungsmitteln ist CBD, die Abkürzung steht für Cannabidiol. Ich bekomme regelmäßig Anfragen für Werbung für CBD-Präparate, die leider daran scheitern das ich dafür immer einen neuen Beitrag schreiben müsste und ich habe eben zu dem Stoff wenig zu sagen. Auch bei den Vine Tests wo Nahrungsergänzungsmittel eigentlich nicht so gefragt sind, sind die CBD Angebote meist schnell weg.

Der Hype hat meiner Ansicht nach damit zu tun, dass CBD einer der pharmakologisch wirksamen Stoffe der Hanfpflanze ist. Bekannter ist THC, Tetrahydrocannabinol. Beide Substanzen gehören zur Gruppe der Cannaboiden. Diese haben eine strukturelle Ähnlichkeit zu Botenstoffen des körpereigenen Endocannaboidsystems. THC ist der Stoff in Cannabis der „High“ machen soll (meiner persönlichen Erfahrung nach macht THC aber meist nicht „high“ sondern dämpft den Antrieb, wofür es auch eine Bezeichnung gibt „stoned“). CBD hat keine der pharmakologischen Wirkungen der THC auf das Zentralnervensystem, also Großhirn. Das ist auch der Grund, warum die EU CBD als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen hat. Problematisch sind nach Kontrollen der deutschen Lebensmitteluntersuchungsämter das die meisten CBD Präparate zu viel THC enthalten – zu wenig um „high“ zu werden, aber zu viel um den Verordnungen zu genügen.

CBD hat wie THC Wirkungen bei bestimmten Krankheiten. Recht gut gesichert ist die positive Wirkung bei MS und Epilepsie. Eine positive Wirkung bei Gesunden ist aber nicht belegt. Auch hier hat die FDA zahlreiche Anbieter abgemahnt, weil sie Wirkungen versprechen, die nicht belegt sind.

Glaubt man dagegen den Anbietern von CBD so ist CBD ein Tausendsassa. Hier eine Creme die bei Sportverletzungen helfen soll. Das ist insofern interessant, weil CBD absolut lipophil ist, damit gar nicht in die Haut eindringen kann – alle Untersuchungen über die Wirkung von CBD verwenden normalerweise Sprays oder Öle, die beide oral aufgenommen werden.

Die meisten Anbieter haben aber ihre Hausaufgaben gemacht. Sie versprechen gar keine gesundheitlichen Wirkungen mehr oder schreiben etwas Unverbindliches wie:

Balance – Unsere Premium Cannabistropfen vitalisieren mit der Kraft der Natur, Geist und Körper. Die Natürliche Unterstützung für mehr Ausgeglichenheit, Ruhe und Wohlbefinden.“

Okay, das könnte ich aber auch über eine Tasse Kakao schrieben. Sie verlassen sich drauf, das durch Mundpropaganda schon CBD als Wundermittel gilt. Und muss etwas was zusammen mit THC in Cannabis vorkommt, nicht ähnlich wirken. Nein muss es nicht.

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