Durchgerechnet: Das Raptor Triebwerk – der Schub

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Heute in kurzer Folge ein weiterer Blog zu SpaceX Geheimtechnologie. Er ergab sich aus den Versuchen, meine Simulation mit den Daten des zweiten Testflugs in Übereinstimmung zu bringen. Während die Leermassen relativ gut bekannt sind, gibt es sonst weitestgehend keine Daten. Es war ja noch nie so, dass SpaceX viele technische Basisdaten, von Details will ich gar nicht reden, veröffentlicht. Aber beim Starship ist die Situation noch wesentlich schlechter als bei der Falcon 9 oder Falcon Heavy.

Speziell bei den Raptoren ist die Situation besonders schlimm. Es gibt zahllose Tweets von Elon Musk, eine Medienabteilung hat die Firma ja nicht und bei denen weiß man nicht, worauf sie sich beziehen – erreichte Werte oder Ziele? Werte für den Betrieb auf Meereshöhe oder im Vakuum? Eines kann ich auflösen – es sind meist die Vakuumwerte, da diese generell höher sind und es geht bei Musk ja primär darum anzugeben, nicht zu informieren.

Vor allem sind das natürlich keine verbindlichen Werte. Die einzigen verbindlichen Angaben sind die die SpaceX für Genehmigungen vorlegen muss. Ich zitiere aus einem Dokument der FAA:

„Super Heavy is expected to be equipped with up to 37 Raptor engines, and Starship will employ up to six Raptor engines. The Raptor engine is powered by liquid oxygen (LOX) and liquid methane (LCH4) in a 3.6:1 mass ratio, respectively. Super Heavy is expected to hold up to 3,700 metric tons (MT) of propellant and Starship will hold up to 1,500 MT of propellant. Super Heavy, with all 37 engines, will have a maximum lift‐off thrust of 74 MN, allowing for a maximum lift‐off mass of approximately 5,000 MT. Starship, with six engines, will have a maximum lift‐off thrust of 12 MN, allowing for a maximum lift‐off mass of approximately 1,000 MT.“

Man sieht, das ist noch Zukunft, denn derzeit sind es 33 Triebwerke. Die Verlängerung der Tanks ist beschlossen, aber derzeit fassen sie noch 3.400 und 1.200 t. Offen ist dann ob der Schub von 2.000 kN pro Triebwerk (Sealevel) für die endgültige Version der Raptors gilt, oder für die aktuelle Generation.

Das leitet mich über zu den Generationen der Raptors. SpaceX hat zuerst ein Raptor 1 mit 250 kN Brennkammerdruck entwickelt. Dieses kommt nicht in den Flügen zum Einsatz, sondern dient dazu die Technologie zu entwickeln. Einige Daten des Raptor 1 die auch für das Raptor 2 gelten, findet man in einer Simulation von Sierra Engineering.

Die derzeitigen Raketen fliegen mit dem Raptor 2 mit 300 Bar Brennkammerdruck. Und es soll ein Raptor 2.5 oder 3 kommen, mit einem noch höheren Brennkammerdruck, je nach Aussage 330 bis 350 Bar. In der Physik (es werden auch Veränderungen im Aufbau reklamiert) ändert sich vor allem der Brennkammerdruck während Treibstoffdurchsatz und die Düsen identisch bleiben.

 

Ich versuche soweit es geht, die aktuellsten Daten zu berücksichtigen, doch ich bin dankbar, wenn jemand neuere hat, ich folge schließlich Musk nicht und benutze primär die Wikipedia als Referenz. Dann bitte mit Link in den Kommentaren posten.

 

Schub, Schub, Schub

Ich will den Artikel nutzen, um Grundlagenwissen zu vermitteln. Eigentlich steht das ja alles schon in meiner Grundlagensektion auf der Website, aber die scheint weitestgehend unbekannt zu sein. Ich fange aber mit etwas ganz Einfachem an, dem Schub. Warum steigert SpaceX den Brennkammerdruck dauernd?

Nun der Brennkammerdruck korrespondiert mit dem Schub. Der Schub kann (im Vakuum) berechnet werden durch die Formel: Stirnfläche der Brennkammer x Brennkammerdruck. Bei 300 Bar ist das ein Druck von 300 x 100.000 N/m². Multipliziert man dies nun mit der Stirnfläche, so erhält man den Schub. Man benötigt so nur eine Fläche von 0,07 m², um 2.100 kN Schub zu erzeugen (300 x 100.000 N/m² x 0,07 m² = 2.100.000 N). Das ist nicht viel, eine Kreisfläche von 30 cm Durchmesser liefert bei diesem Druck diesen Schub.

Nun gäbe es natürlich noch eine zweite Lösung, anstatt den Druck zu erhöhen – mehr Triebwerke. Schaut man sich das Heck der Superheavy an, so sieht man aber das Dilemma – da ist wenig Platz und das, obwohl SpaceX ja schon die Triebwerke mit dem höchsten bisher erreichten Brennkammerdruck einsetzt. Die Triebwerke der Saturn V hatten nur 70 Bar Brennkammerdruck, die der N-1 150 Bar. Ist das nicht paradox?

Nein ist es nicht. Es ist ein Problem der Raketenentwicklung. Verändere ich die Form einer Rakete nicht – die schlanke Form ergibt sich ja auch aus physikalischen Gründen – so kann man leicht folgendes feststellen: Vergrößere ich eine Rakete in allen Abmessungen um den Faktor 2, das heißt der Durchmesser und die Höhe steigen um den Faktor 2, so vergrößert sich das Volumen um den Faktor 8. Das meiste dieses Volumens machen die Tanks aus, da auch bei großen Raketen die Strukturfaktoren, also das Verhältnis von Start- zu Leermasse sich kaum noch verbessert bedeutet das: eine Rakete die zweimal in allen Dimensionen größer ist, wiegt achtmal so viel wie die Ausgangsrakete.

Nun das Problem: Die Stirnfläche der ersten Stufe, also da wo ich die Triebwerke anbringen kann, wird nur um den Faktor 4 größer. Das heißt, jedes der Triebwerke muss doppelt so schubstark werden und das geht eben nur durch einen höheren Brennkammerdruck. Bei der Saturn V wären die Triebwerke bei dem viel geringen Brennkammerdruck gar nicht vollständig unter die Rakete gegangen. Man lies die Düsen über den Rand hin ausstehen da ging es. Und bei der N-1 hat man die Rakete spitzkegelig gebaut, sodass die erste Stufe am Triebwerksbereich über 15 m Durchmesser hatte, bei der Saturn V die etwas schwerer war waren es nur 10 m. Die Superheavy ist nochmals schwerer, hat mit 9 m aber einen noch geringeren Durchmesser, so geht es nur durch die Kombination von vielen Triebwerken mit hohem Brennkammerdruck. Die äußeren 20 Triebwerke sind nicht mal schwenkbar, weil der Platz fehlt.

Speziell beim Starship gibt es noch ein zweites Problem, das resultiert aus dem Missionsdesign. Das ist vergleichbar dem einer Falcon 9, die eine Landlandung durchführt. Ich habe das schon bei der Nachlese zum Teststart diskutiert. Für eine Landlandung muss die untere Stufe SuperHeavy die ostwärts gerichtete Bewegung zuerst neutralisieren und dann in eine westwärts gerichtete Bewegung umwandeln. Das erfordert viel Treibstoff – stimmt die Prozentanzeige im Video beim zweiten Teststart so hatte die Superheavy bei Stufentrennung noch 380 t Treibstoff an Bord – bei einem Leergewicht von maximal 200 t. Weiterhin muss die Stufentrennung bei möglichst geringer Geschwindigkeit stattfinden. Je höher sie ist, desto mehr Treibstoff wird für die Umkehrung der Bewegung benötigt. Daher ist das Starship auch so groß – Es wiegt ein Drittel der Super Heavy, bei der Falcon 9 wiegt die Oberstufe nur ein Viertel der ersten Stufe und eine nicht wiederverwendbare Stufe wäre noch leichter (bei der Zenit als ähnliches System wie die Falcon 9 wiegt die zweite Stufe z.B. ein Fünftel).

Das hat zwei negative Folgen. Als Erstes hat das Starship so hohe Gravitationsverluste. Sie resultieren im Allgemeinen dadurch, dass die Erdgravitation dauernd an der Rakete zieht. Eine Rakete die anfangs mit 1,5 g startet, beschleunigt so effektiv nur um 0,5 g. Die ersten Stufen anderer Raketen erreichen deswegen Spitzenbeschleunigungen von 5 bis 6 g, dann macht zu diesem Zeitpunkt der Abzug durch die Erdgravitation nur noch ein Fünftel bis ein Sechstel der Gesamtbeschleunigung aus. Doch durch den Resttreibstoff und die frühe Stufentrennung erreicht die Superheavy nur eine Spitzenbeschleunigung von (geschätzt) 3,6 g. So hat das Gespann hohe Gravitationsverluste auch weil das Starship anfangs mit weniger als 1 g beschleunigt. Insgesamt braucht die Kombination fast genauso lange um einen Orbit zu erreichen wie eine Ariane 5 mit ihren bekannt hohen Gravitationsverlusten.

Die zweite Folge ist eine relativ hohe Leermasse des Starship, da die Stufe relativ groß ist wiegt sie auch viel. Sie macht schon bei einem LEO die Hälfte der Gesamtmasse aus, bei der Falcon 9 macht die zweite Stufe weniger als ein Viertel aus. So kommt SpaceX für höhere Orbits nicht ohne Betankung aus. Das Starship ist in der Masseblianz der kritische Teil, denn beim zweiten Teststart fand die Stufentrennung bei 5.700 km/h statt, für einen Orbit benötigt das Starshp rund 28.000 km/h. So muss diese Stufe den Löwenanteil aufbringen. Das ist deutlich schlechter als bei der Falcon 9, wo die Stufentrennung bei 8.100 km/h stattfindet.

Für diese Analyse muss man übrigens kein Experte sein, man muss nur die beiden Teststarts vergleichen. Beim zweiten Teststart fand die Stufentrennung bei einer Geschwindigkeit von 5.700 km/h statt. Beim ersten Teststart errichte die Rakete nur maximal 2.000 km/h. Das herabsinken der Geschwindigkeit auf ein Drittel war die Folge von sechs von 33 Triebwerken, die ausfielen.

So ist verständlich das SpaceX ständig daran arbeitet den Schub zu steigern. Auf der anderen Seite finden wir den Hinweis, dass schon im November 2022, also vor einem Jahr, mehr als ein Raptor Triebwerk pro Tag als Vorrat für Starts produziert werden. Das macht eigentlich nur Sinn bei einem Triebwerk, bei dem sich nichts mehr ändert. Das Testprogramm sollte abgeschlossen sein. Ergeben sich sonst Änderungen, so muss man die schon gefertigten Triebwerke wegschmeißen. Produziert wird es seit dem 18.12.2021, schon im Februar 2022 sollen fünf Triebwerke pro Woche produziert werden, das heißt in den zwei Jahren seit Produktionsbeginn sollten bei durchschnittlich (mindestens) 6 Triebwerken pro Woche es inzwischen 624 Triebwerke geben, genügend für 16 Starts bei denen sie Totalverluste sind.

Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Meldungen von Musk das man einen neuen Rekord im Schub erreicht habe. Ich persönlich vermute, dass es bei den 33 Triebwerken bleibt und sukzessive eben die derzeitigen durch neue ersetzt werden. Eine kleine Rechnung ergibt, dass das Starship das bei ITF 2 flog durch 10 Prozent mehr Schub (das entspricht 330 Bar, die schon in Tests erreicht wurden) rund 14 t mehr Nutzlast transportieren kann.

Die Physik

Die Physik der Schubberechnung ist relativ einfach. Kennt man den Brennkammerdruck, den Durchmesser der Düse am Ausgang und das Flächenverhältnis, so kann man den Schub berechnen. Genauer gesagt den Schub im Vakuum. Beim Betrieb unter Umgebungsdruck, also beim Start bis in eine Höhe wo der Umgebungsdruck vernachlässigbar ist, ist es komplexer, da dieser natürlich die freie Expansion verhindert, sobald die Düse passiert wird. Aus dem Grund kann eine Düse bei Triebwerken, die schon beim Start gezündet werden, nicht beliebig groß sein. Der Druck an der Düsenmündung kann etwas unter 1 Bar liegen (0,4 Bar gelten meist als Mindestkriterium) aber nicht beliebig niedrig, sonst gibt es in der Düse turbulente Strömungen die Performance kosten aber auch das Triebwerk beschädigen können.

Beim Raptor kann man die Düsen relativ einfach ausmessen, wenn Menschen im Bild sind, das ist aber nicht nötig. Die Daten des Raptor 1 sind bekannt:

Parameter Wert
Brennkammerdruck: 250 bar
Düsendurchmesser: 1,3 m
Flächenverhältnis 34,34

Das Flächenverhältnis gibt wie die Bezeichnung schon verrät, das Verhältnis zwischen der Kreisfläche der Düsenmündung und dem Düsenenghals an. So kann man zuerst die läche am Düsenenghals errechnen:

F = (1,3 m/2)² * π / 34,34

F = 0,03865 m²

Multipliziert man dies nun mit dem Druck, so erhält man den Schub:

S = 0,03865 m² * 300 * 100.000 N/m²

S = ~ 1.160 kN

Das sind deutlich weniger als die 2.000 kN die Reklamiert werden. Das liegt daran, dass sich das Flächenverhältnis auf den Düsenenghals bezieht und nicht die Brennkammer. Da die Form einer Düse aber physikalischen Gesetzen folgt, ist das Verhältnis zwischen Enghals und Brennkammerdurchmesser relativ konstant. Es ein Optimum bei dem Faktor 1,7 bis 1,8, wo genau hängt von den genauen Bedingungen ab. CEA2 nennt für 300 Bar 1,7295 als optimalen Faktor, das wären dann 2.006 kN Schub.

Nun reklamiert Musk aber mehr Schub, 230 t das sind 2.256 kN, inzwischen hat zumindest für kurze Zeit ein Triebwerk 350 Bar erreicht, das entspricht 269 t (2638 kN) Schub. Wie kommt das zustande? Nun eine Erläuterung Musk bei einer Guided Tour des Everyday Astronauts erklärt es: sie haben den Düsenhals aufgeweitet. So ist der Fluss natürlich höher. Man sieht es auch daran, dass das Flächenverhältnis des Raptors mit der großen Vakuumdüsen von 115 beim Raptor 2 auf 80 bis 90 beim Raptor 3 nach den Erläuterungen gesunken ist. Würde das Flächenverhältnis nur von 115 auf 102 sinken, so reicht das schon aus.

Soviel für heute, morgen geht es um den zweiten Teil, etwas komplexer in der Physik, der spezifische Impuls.

2 thoughts on “Durchgerechnet: Das Raptor Triebwerk – der Schub

  1. Was ich nicht verstehe ist warum ihr so auf die „niedrige“ Geschwindigkeit des Boosters herumreitet. Wenn man sich das Space Shuttle anschaut war die Trennung der Feststoffbooster bei etwas unter 4800km/h, also noch mal ein ganzes Stück langsamer.

    Erhöht eigentlich ein höherer Brennkammerdurck auch den Wirkungsgrad oder ist das mehr oder weniger Irrelavant?

    Wie groß ist eigentlich der Einfluß des Luftwiederstandes? In der Raketengrundgleichung (und auch den meisten Kalkulationen) wird er, wenn ich das richtig sehe, nicht berücksichtigt. Wie viel weniger Geschwindigkeit hätte man wenn man eine erste Stufe einer Rakete mit doppeltem Duchmesser und dementsprechend kürzer baut (wenn man davon ausgeht das sonst alle Faktoren gleich bleiben). Das Space Shuttle wir Aerodynamisch gegenüber den meisten anderen Raketen ja auch nicht gerade ein Wunderding gewesen sein.

    1. Das findest Du alles in der Grundlagensektion. Ich gehe nur auf den letzten Punkt ein. Für eine normale Rakete spielt der Luftwiderstand keine große Rolle was die Verluste angeht. Er hat mehr Einfluss auf die Sicherheitsmargen bei den Strukturen da nun mehr Kräfte angreifen, die Rakete wird also schwerer.

      Beim Starship ist das wegend er Landung aber sowieso anders. details bitte bei SpaceX erfahren, die beantworten gerne Fragen zu ihren Raketen.

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