Artemis – so geht es auch ohne SLS

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Auf den heutigen Blog brachte mich meine Unterhaltung mit Gast beim letzten Blog. Artemis ist teuer, die Missionen sind selten und beides hängt zusammen. Selbst SpaceX würde teuer werden, wenn sie nur eine Falcon 9 alle zwei Jahre bauen würden, wie dies bei der SLS der Fall ist. Nun wird man an der NASA-Politik nichts ändern (die wiederum setzt nur um, was politisch gewollt ist, nämlich ein Artemisprogramm, das aber nicht mit einem höheren NASA-Etat korrespondiert). Aber man kann an den Stellschrauben drehen und eine ist es auf die SLS zu verzichten die knapp 50 Prozent der Missionskosten ausmacht. Der „Trick“ ist so profan, dass ich gar nicht wage ihn offen zu sagen: man muss nicht alles zusammen starten. Zum Teil tut man dies auch schon nicht.

Aber ich fange mit dem grundlegenden an, der Erklärung der Mission.

Die Artemismission

Bei Artemis hat man schon gegenüber Apollo optimiert. Nach dem Verlassen des LEO schwenkt die Orion in einen Haloorbit ein. Dort befindet sich das Lunar Gateway, eine Mini-Raumstation. In das Lunar Gateway wechseln die Astronauten und warten auf die Ankunft des Mondlanders (oder der startet zuerst, das ist egal, aber das Gateway ist so eine Art Umsteigebahnhof). Dann landet man mit dem Mondlander auf dem Mond, erforscht diesen, wobei dies länger dauern soll als bei Apollo und kehrt zum Lunar Gateway zurück. Die Orion bleibt solange am Gateway angekoppelt. Dort angekommen, steigt man in die Orion um und kehrt zur Erde zurück.

Die Frage die sich der Laie stellt, aber nicht der Profi: „Was ist daran besser als bei dem Apollo-Bahnregime?“. Also lassen wir mal die NASA Propaganda außen vor, dass man aus dem Haloorbit auch den Mond erforschen kann (das ginge mit Satelliten genauso, nur billiger), was bleibt an Vorteilen übrig?

Nun die Geschwindigkeit, die ich brauche, um auf dem Mond zu landen ist himmelsmechanisch gleich egal aus welchem Orbit ich dies tue. So gesehen ist der Haloorbit äquivalent mit dem niedrigen Mondorbit (100 km Abstand von der Oberfläche) den Apollo hatte. Es gibt aber einen Unterschied, und zwar in den Massen, die bewegt werden müssen:

Bei beiden Missionsregimes werden die Kapsel und der Mondlander in den Orbit gebracht, aber nur der Mondlander landet. Die Kapsel muss aber in den Orbit abbremsen und ihn wieder verlassen. Der Geschwindigkeitsunterschied (Δv) beträgt zum 100 km Mondorbit etwa 900 m/s. Apollo rechnete mit Reserven mit 1.100 m/s. Zum Halo Orbit sind es nur 420 m/s. Die Geschwindigkeit ist nicht eingespart, bei der Landung wird der Zusatzaufwand wieder fällig, denn vom 100 km Orbit müssen 1.640 m/s abgebaut werden, vom Halo Orbit aus 2.390 m/s. Das ist sogar in der Summe mehr (2.540 m/s, mit Reserven 2.740 m/s zu 2.910 m/s). Für den Rückweg gilt das Gleiche.

Aaaaaber: diese Rechnung gilt nur für den Mondlander. Für die Kapsel sieht es so aus: 2 x 1.100 m/s zu 2 x 420 m/s. Und da die Orion trocken mehr als doppelt so schwer wie die Apollokapsel ist, kann man sich denken, warum die NASA auf diese Idee kam.

Δv-Budgets

Hier mal eine Liste der Δv Änderungen, diesmal mit den Reserven, die man bei Apollo vorhersah (900 m/s für die Landung, 600 m/s für den Rückstart, bei den Haloorbits ist dies in den 420 m/s schon eingerechnet). Da die Reserven bei Artemis unbekannt sind muss diese Krücke herhalten.

Manöver Geschwindigkeitsänderung Index
LEO → Fluchtbahn 3.200 m/s 1
Fluchtbahn → Halo Orbit 420 m/s 2
Halo-Orbit → Landung 3.300 m/s 3
Mondoberfläche → Halo Orbit 3.000 m/s 4
Halo-Orbit → Erde 420 m/s 5
Direkte Landung ohne Halo Orbit 3.300 m/s 6

Und nun eine Liste der Manöver (mit dem Index) für die einzelnen Elemente:

Element Geschwindigkeitsänderung Index
Lunar Gateway Modul 3.620 m/s 1+2
Orion 4.040 m/s 1+2+5
Bemannter Mondlander 9.920 m/s 1+2+3+4
Labor auf die Mondoberfläche 6.920 m/s 1+2+3
Labor auf die Mondoberfläche bei direkter Landung 6.500 m/s 1+6

Ein Mondhabitat ist derzeit noch nicht geplant, aber da alle Entwürfe von Mondlandern auch den unbemannten Frachttransport vorhersehen und man mit ihm die Aufenthaltsdauer stark erhöhen kann. Da dieses Habitat unbemannt ist spricht meiner Ansicht nach nichts dagegen es direkt zu landen, das spart etwas Geschwindigkeit ein.

Aus der Höhe der Δv Angaben ist leicht ersichtlich, warum es eine Schnapsidee ist ein 120 t schweres Starship zu landen und mit ihm zurückzukehren. Das Δv ist höher als das Δv, das man braucht um von der Erdoberfläche in einen LEO zu gelangen und dorthin gelangen eben einige Prozent der Startmasse einer Rakete.

Entkoppeln

Das wichtigste um die SLS einzusparen ist es, neben dem Halo Orbit, die einzelnen Elemente zu entkoppeln. Das wird ja schon gemacht, der Mondlander wird separat von der Orion gestartet. Das kann man ausbauen. Im Prinzip kann man alle Antriebsmanöver mit einer Raketenstufe durchführen, verwendet man lagerfähige Treibstoffe, so kann man diese auch lange vor den bemannten Missionen starten. Am Ende der Stufe muss man nur einen Koppeladapter anbringen. Das aktive Koppeln kann die Besatzung dann durchführen.

Die Orion hat derzeit ein Servicemodul, dass wie bei Apollo zwei Funktionen vereint: Lebenserhaltung und Antrieb. Das ist aber nicht kritisch, denn dieses hat nur zum Haloorbit und zurückzufliegen, also 840 m/s an Δv zu absolvieren.

Man könnte es anstatt mit einer SLS zu starten auch im Erdorbit mit einer Stufe koppeln und dann starten. Das verteilt den Transport auf zwei Starts.

Der Mondlander kann ebenso separat in den Erdorbit gestartet werden, von hier mit einer Stufe dann zum Haloorbit befördert werden. Ideal wäre es auch Abstiegsstufe und Aufstufen zu trennen, bei Apollo waren es zwei Stufen, aber ineinander verschachtelt und mussten so gemeinsam befördert werden. Das wird in der Praxis scheitern, weil dies eben nicht reine Stufen sind sondern Landeapparate (Abstiegsstufe) bzw. Raumschiff und Stufe (Aufstiegsstufe)

Ohne größere Probleme könnte man aber folgende Liste aufstellen:

Element Anzahl Starts
Modul in den Haloorbit 2 (Stufe+Modul)
Orion 2 (Stufe + Orion)
Modnlander 2 (Stufe + Mondlander)
Mondhabitat 2 (Stufe + Habitat mit Landestufe)

Im Folgenden habe ich mal eine kleine Rechnung gemacht. Sie geht von einer Stufe mit einem Massenverhältnis von 12 und einem spezifischen Impuls von 3.300 m/s aus. Beides Werte die mit lagerfähigen Treibstoffen und pumpen-geförderten Triebwerken bei den Stufenmassen von denen wir hier reden, problemlos erreichbar sind. Die maximale Startmasse soll 45 t im LEO betragen (Nutzlast der New Glenn, das erlaubt es auch die Falvon Heavy zu nutzen, die etwas höher liegt und so zwei Raketen einzusetzen, das verteilt die Starts auf zwei Firmen und zwei Startplätze und beschleunigt so alles).

Element Nutzlast
Modul in den Haloorbit 16.900 kg
Orion auf Fluchtbahn 21.400 kg

Die Orion wiegt 26,25 t, das ist etwas mehr als die maximal möglichen 21,4 t, aber es gibt eine einfache Lösung: die Orion wird noch etwas schwerer (sie hat ja noch Luft bis zur Nutzlastgrenze von 45 t) und zündet nach Ausbrennen der Stufe ihre Triebwerke um die Restgeschwindigkeit aufzubringen das sind nur 345 m/s, was in etwa 3,1 t mehr Treibstoff entspricht. Alternativ startet man sie mit der Falcon Heavy, deren Nutzlast reicht für die heutige Orion aus.

Das wirklich problematische ist der Mondlander. Im Halo Orbit angekommen wiegt er genauso viel wie damals der von Apollo, aber er muss eine viel höhere Geschwindigkeit für die Landung aufbringen. Dabei dürfte er wie die Orion schwerer sein. Denn heute wird man wohl kaum Astronauten in so wenig Platz zusammenquetschen und als Hülle einige Lagen Alufolie vorhersehen. Dafür hat man andere Komfort- und Sicherheitsansprüche. Wie Blue Origin zu ihren beeindruckenden Daten ihres Blue Moon Landers kommt (20 t Nutzlast zum Mond und zurück. 30 t zum Mond, bei den angegebenen 16 t Trockenmasse kommt, bleibt mir ein Rätsel, eine New Glenn schafft das jedenfalls nicht in einem Start. Selbst mit flüssigem Wasserstoff als Treibstoff und dem hohen spezifischen Impuls dieses Treibstoffs wird der Lander bei 16 t Trockenmasse enorm schwer (die Trockenmasse lag beim Apollo-Mondlander bei beiden Stufen zusammen bei etwa 4,5 t). Ich vermute, man wird auch dort an so etwas wie Auftanken im Orbit oder mehreren Manövern arbeiten – man muss die Fluchtgeschwindigkeit ja nicht auf einmal erreichen. Man die 3.200 m/s auch aufteilen. Dabei hebt jeweils eine Stufe das Apogäum an, wird abgekoppelt und eine neue Stufe koppelt an. Bei vier Starts kann man so mehr als die dreifache Nutzlast befördern, es ist nicht die vierfache, da jede Stufe ja auch auf die höhere Bahn gelangt.

Ich habe das mal mit der maximalen Nutzlast einer New Glenn berechnet:

Mehrfache Starts Wert Einheit
Raketenmasse: 45.000,0 kg
Leermasse: 4.000,0 kg
Nutzlast: 45.000,0 kg
spezifischer Impuls: 3.300,0 m/s
Zielgeschwindigkeit: 3.130,0 m/s
Manöver Nr.: 1
Geschwindigkeitsänderung: 2.006,4 m/s
Masse vor dem Ankoppeln: 45.000,0 kg
Gesamtgeschwindigkeit: 2.006,4 m/s
Apo bei 200 km Ausgangsbahn: 18.497,4 km
Manöver Nr.: 2
Geschwindigkeitsänderung: 1.153,4 m/s
Masse vor dem Ankoppeln: 24.500,0 kg
Gesamtgeschwindigkeit: 3.159,7 m/s
Apo bei 200 km Ausgangsbahn: 540.806,7 km

45 t sind mit zwei Stufen (also insgesamt dreiStarts) auf 3.160 m/s beschleunigbar. Das reicht für die Fluchtgeschwindigkeit. Die 45 t Nutzlast würden – wenn Blue Origin 4.400 m/s als spezifischen Impuls des BE-7 erreicht, bei den obigen Δv Angaben rund 10,7 t Trockenmasse beim Mondlander entsprechen. Das wäre immerhin doppelt so schwer wie bei Apollo und könnte noch verbessert werden, wenn man zwei Stufen einsetzt, was aber soweit ich weiß nicht geplant ist. Für eine reine Landung (beim Habitat) steigt die Trockenmasse (mit Habitat) auf 21,2 t, das wäre dann schon eine große Nutzlast, welche für ein kleines Druckmodul ausreicht.

Noch etwas besser sähe es aus beim gemischten Betrieb mit der Falcon Heavy aus, da diese eine höhere Nutzlast hat, angesichts der Charakter der Firmengründer ist das jedoch eher unwahrscheinlich und SpaceX setzt ja vollständig auf die Starship-Karte.

Ich vermute aufgrund des Hinweises bei der Wikipedia, dass der Blue Moon-Lander mehrfach verwendbar ist, aber eher das Blue Origin wie SpaceX auf eine Betankung setzt, das wäre die einfachste Möglichkeit den Lander erneut zu verwenden.

Das alles ist aber hypothetisch, denn wie man zum Mond kommt, das ist eine der grundlegenden Designentscheidungen, die man vor Beginn des Programms treffen muss, weil sie eben die Art und Größe der Trägerrakete festlegt. Bei Apollo gab es anfangs drei Optionen – direkte Landung und Rückstart, hätte eine Nova, eine noch größere Rakete als die Saturn V erfordert, Erdorbit-Rendezvous – erfordert zwei Saturn V, die Landung erfolgt aber immer noch direkt und dann das umgesetzte Mondorbitrendezvous, dass es erlaubt nicht die schwere Kapsel, sondern nur einen leichten Mondlander zu landen. Die NASA hat sich nun auf die SLS-Karte eingeschossen. Andere Träger kommen, soweit ich weiß, nur bei den Transporten von Modulen zum Lunar Gateway zum Einsatz, wo das Δv wesentlich geringer ist als bei der Orion und dem Mondlander.

2 thoughts on “Artemis – so geht es auch ohne SLS

  1. „Ich vermute, man wird auch dort an so etwas wie Auftanken im Orbit oder mehreren Manövern arbeiten“ Schau dir mal die Grafik an die du fast verlinkt hast.
    https://en.wikipedia.org/wiki/Blue_Moon_(spacecraft)#/media/File:Artemis_V_HLS_concept_of_operations.svg

    Ein Start um den Crew Lander in den LEO zu bringen.
    Ein Start um ein wiederverwendbaren Space Tug in den Leo zu bringen.
    Ein Start um den Space Tug zu betanken.

    Der Space Tug bringt dann den Crew Lander zum Gateway. Da wird der Crew Lander dann betankt (also vermutlich noch mal drei Flüge mehr) und die Besatzung steigt zu. Lander ist wiederverwendbar. Also zumindest deutlich weniger Betankungsvorgänge als beim Starship, aber das von dir als hoch eingeschätzte Technologische Risiko des Betankens besteht trotzdem.

    Wenn ich es richtig in erinnerung habe war zeitweise sogar geplant die erste Landung auf dem Mond zu machen bevor der Gateway fertig ist. Aber gab ja viele verschiebungen in dem Projekt (und werden noch mehr werden).

    Interessant ist mit wie vielen Raketentypen man mehr oder weniger von Anfang an geplant hat. SLS für den Crew-Transport, Falcon-Heavy um den Gateway an Ort und stelle zu bringen. Und Starship (bzw. New Glen) um den Lander zum Habitat zu bringen. Kostentechnisch alles andere als günstig aber begründbar. Mit SLS hat man angefangen, da war von Falcon 9 und erst recht New Glen noch nicht viel zu sehen. SLS wurde aber kostentechnisch ein Faß ohne Boden, aber abbrechen wollte man auch nicht. Falcon Heavy wurde dann die billigste und sicherste möglichkeit etwas großes wie das Habitat in eine Mondumlaufbahn zu befördern, also beauftragt. Die Mondlanderkonzepte von Blue Origin und noch mehr von SpaceX sind so sehr mit New Glen bzw. Starship verbundelt das man die unbedingt braucht.

    Eine Frage die „Gast“ aufwirft frage ich mich auch immer. Wäre es nicht kostentechnisch sninvoller (bei nur einer Mission im Jahr) auf das Habitat in der Mondumlaufbahn zu verzichten und stattdessen „zum umsteigen“ und Betanken eine Raumstation im LEO zu verwenden. z.B. die ISS.

    1. Danke für die Grafik, aber ich denke die zwei Tankflüge reichen aus. Ich habe es mal abgeschätzt:

      Drei Starts entsprechen 135 t in den LEO, zieht man 10 t für zwei Transporter ab bleiben 125 t bei einer Trockenmasse von 16 t und einem spezifischen Impuls von 4400 m/s kann dieser ein dV von 9045 m/s ändern. Das ist knapp unter den 9,9 km/s aber man kann ja Treibstofftanks abwerfen und wenn die Zuschläge auch etwas kleiner als bei Apollo ausfallen, so erscheint das möglich.

      Das Umranken ist beim BE-7 wahrscheinlich nicht so schwierig wie beim Starship. Mit 40 kN Schub ist es in einer Klasse wo man durch reine Druckförderung auskommt. Umranken bei Tanks mit Druckförderung die unter hohem Druck beim Betrieb stehen ist aber erprobt und wird seit Jahrzehnten bei Saljut 7, Mir und der ISS gehandhabt.

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