Bernd Leitenbergers Blog

Die Januar-Nachlese von SpaceX

Diesmal nicht am Monatsanfang, aber weil es aktuelle Nachrichten gibt eben jetzt, einige Neuigkeiten von SpaceX.

Starttermin ITF3

Also als erstes dürfen wir uns auf einen neuen Teststart freuen, der im Februar stattfinden soll. Ich nehme an, der Starttermin wird wie beim letzten Start erst kurz vorher bekannt gegeben. Ich habe überlegt, wie viele Raketen es gab, die bei den ersten drei Starts scheiterten, was – darauf komme ich noch zurück – nicht unwahrscheinlich ist. Spontan fielen mir die Falcon 1 und Europa I ein. Als ich mein Programm zum Auswerten der Startlisten von Jonathan McDowell zu Rate zog, waren es doch noch einige mehr: Atlas Able, Europa I, Falcon 1, Lambda 4s, N-1, NOTS und Wostok-L 8K72. Die Falcon 1 sticht heraus, weil alle anderen Träger ihren Jungfernflug in den fünfziger und sechziger Jahren hatten, die Falcon 9 aber 2006 als man eigentlich schon Jahrzehnte der Erfahrung im Raketenbau hat. Noch ein Hinweis, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit wird bei Kommentaren zu SpaceX aber gerne ignoriert. Die Links sind nicht zum Spaß drin, sondern erlauben es fehlendes Wissen auf der Webseite nachzuholen (obige Links) oder verlinken zu Quellen. Dort nachzuschauen erspart machen Kommentar und Spekulation.

Nachlese Teststart ITF2

Dann gibt es endlich was neues zum letzten Fehlstart. Nach dem ersten Testflug ITF1 lies Elon Musk ja wenige Tage in einem Chat wenigstens einige Details fallen, diesmal war er über fast zwei Monate schweigsam. Ich habe schon vermutet, dsas es wahrscheinlich eine peinliche Erklärung ist, denn wäre es etwas Nachvollziehbares, er hätte es sicher sofort heraus posaunt, so wie er gestrickt ist. Für die Explosion der Superheavy gibt es noch keine Erklärung, aber für die des Starships:

„Flight 2 actually almost made it to orbit,” he said. “If it had a payload, it would have made it to orbit because the reason that it actually didn’t quite make it to orbit was we vented the liquid oxygen, and the liquid oxygen ultimately led to a fire and an explosion.”

Also man hat beim Testflug ITF bei einer noch arbeitenden Rakete während des Flugs, bevor ein Orbit erreicht wurde, Sauerstoff aus dem direkt über den Triebwerken liegenden Tank abgelassen und das hat ein Feuer verursacht und so eine Explosion resultiert (anders als direkt nach dem Start verlautbart wurde also nicht das Selbstzerstörungssystem aktiv).

Ich habe mir überleg,t ob ich das noch sarkastisch kommentieren soll, aber selbst für absolute Raketenlaien sollte klar sein, dass man keinen flüssigen hochkonzentrierten Sauerstoff abgibt, wenn eine Flamme in der Nähe ist, wie sie die Triebwerke ausstoßen.

Ich bin ja bei SpaceX inzwischen schwer zu überraschen, was Erklärungen zu Vorkommnissen angeht, aber das ist wirklich eine neue Dimension. Nun wird mir auch klar, warum die SpaceX-Angestellten hinter dem Kommentator beim Start im Dauerjubel waren, sollte bei einer Rakete, die gut geplant ist eigentlich nicht der Fall sein, aber wenn man weiß wie sie konstruiert ist und jede Sekunde damit rechnet ,das etwas passiert, dann muss man wohl jede Sekunde in der nichts passiert, diese bejubeln.

Aber gehen wir nochmal zu der Erklärung über. Es folgte ja noch etwas:

„That venting, he said, would have been unnecessary if the ship had a payload, presumably because it would have been consumed by the Raptor engines on the vehicle in order to reach orbit. He didn’t elaborate on how the venting triggered the fire, or discuss the explosion of the Super Heavy stage shortly after stage separation. “

Er stellt das Ablassen des Sauerstoffs während des Flugs also in Zusammenhang mit dem Starship ohne Nutzlast. Es wäre nötig, um den Orbit zu erreichen. Das klingt zuerst paradox. Nun ist die Aufstiegskurve jeder Rakete von ihrem Gewicht und damit der Nutzlast abhängig. Ich habe dies einmal simuliert und diese Grafik erstellt:

Die grüne Kurve gibt das Aufstiegsprofil eines Starships mit 80 t Nutzlast an, das am besten zu den Daten über Geschwindigkeit und Höhe bei Boosterbrennschluss passt, in diesem Bereich findet der Großteil der Drehung von der Senkrechte in die Horizontale statt. Man sieht, dass zum Zeitpunkt des Vorfalls (480 s) die Rakete eigentlich schon die spätere Orbithöhe von 150 km erreicht haben müsste.

Ohne Nutzlast die Rakete leichter und bei identischem Neigeprofil erreicht, sie eine größere Höhe. Sie steigt auch bis zum Schluss laufend an. Das relevante ist aber, dass auch diese Rakete einen Orbit erreicht, aber das Apogäum liegt höher nicht bei 150 km, sondern in über 2.600 km Höhe, am Perigäum ändert sich dagegen nichts.

Hätte SpaceX also das Starship mit dem Flugprofil mit Zuladung geflogen, um dieses jetzt schon zu simulieren, so hätte es auch ohne Ablassen von Treibstoff einen Orbit erreicht, allerdings hätte es aus diesem Orbit nicht nach einem halben Umlauf diesen verlassen können, sondern erst nach einem Umlauf und dann würde es nicht bei Hawaii, sondern in der Nähe des Startorts niedergehen.

Aber diese Kurve ist ja nicht die geflogene. Die ähnelt eher der unteren mit Nutzlast. Das heißt man hat die Aufstiegskurve schon an die Realität angepasst. Dann gibt es aber wenige Gründe den Sauerstoff zu entlassen während die Rakete noch arbeitet. Einer der mir einfällt ist das dies nur geht, wenn die Rakete beschleunigt, weil die Ventile unten im Tank sind, aber bei einer Firma die an der Betankung im Orbit arbeitet und dies (siehe unten) als Kleinigkeit darstellt, kann das ja nicht die richtige Erklärung sein, außer natürlich SpaceX belügt einen, so wie als sie behauptete, das Flugterminaktionssystem hätte das Starship gesprengt.

Interessanterweise konnte man, das diese Tatsache nicht stimmt, schon feststellen, als man den Flug verfolgte, denn der Treibstoffverbrauch der beiden Komponenten war zum Ende hin unterschiedlich. 5,4 % beim LOX und 7 % beim Methan. Ebenso sichteten Amateurastronomen nach der Sprengung den oberen Teil unversehrt, was nicht auf eine Zerstörung durch ein Flugterminationssystem hindeutet, außer dieses hätte auch versagt, was eigentlich bei einem Sicherheitssystem ein Unding ist, aber bei SpaceX ja schon beim ersten Flug vorkam.

Vor allem: wenn ich einen realistischen Flug simulieren will, warum führe ich dann nicht Ballast mit? Das ist die gängige Vorgehensweise. Er muss ja nicht der vollen Nutzlast entsprechen, wenn man sich nicht sicher ist, dass man diese erreicht. Aber so viel Treibstoff hat man ja auch nicht abgelassen. 1,6 % des Sauerstoffs, der bei der Mischung von 3,6 zu 1 knapp unter 940 t wiegt sind nur etwa 15 t, also wenig verglichen mit der reklamierten Nutzlast von 150 t.

Nutzlastabschätzung

Immerhin kann man nun die Masse des Starships abschätzen: Es war bei Brennschluss 24.092 km/h schnell, das sind 6692 m/s. Die Geschwindigkeit für einen 150 km Kreisorbit beträgt 7813 m/s. Es sind noch 5,4 Prozent Sauerstoff und 7 % Methan im Tank, das sind 69 t. Formt man die Raketengleichung um so kann man die Leermasse berechnen, wenn der Sauerstoff vollständig verbannt (64,8 t Treibstoff) wird, das Methan ist ja im Überschuss vorhanden. Ich komme auf 176,5 t. Davon gehen noch 5 t Methan, ab das als Überschuss in den Tanks bleibt. Dazu noch unbekannte Treibstoffreste (bei der Superheavy werden 20 t für die Treibstoffreste genannt), doch selbst wenn man 25 t für beides zusammen abzieht ist das Starship 150 t schwer und hat damit 30 t mehr als das Soll.

Mehr noch: Man kann ausrechnen wie viel Nutzlast und Starship wiegen würden, wenn man keinen Sauerstoff abgelassen hätte und den ganzen Treibstoff verbannt hätte, dann aber mit Nutzlast. Das wären rund 228 t, was bei 150 t Masse des Starships nur 78 t Nutzlast entspricht und dabei ist noch nicht berücksichtigt, das es noch Treibstoff für das Verlassen des Orbits und die Landung braucht – das waren bei den Testflügen alleine für die Landungsphase 15 bis 20 t. Interessanterweise habe ich als ich versuchte die Bahn zu modellieren, dass sie an die von ITF2 passt neben den Bahndaten auch die Nutzlast modifiziert und bei 80 t passte sie genau. Zufall? Ich glaube eher nicht…

Das neue Starship

Denn dazu passt auch eine weitere Nachricht, wie immer nicht als offizielle Ankündigung, sondern von Elon Musk beiläufig in einem Video erwähnt: Im Endausbau soll das Starship „V3“ 140 m hoch sein (derzeit 121 m) und 20 Millionen Pfund Startschub ~ 89.000 kN haben. Es gibt ja bei der FAA schon eine Eingabe, bei der von 3.700 t (derzeit 3.400 t) Treibstoff bei der Superheavy und 1.500 (derzeit 1.200 t) beim Starship die Rede ist. Aber immer noch mit 75.000 kN Schub. Dieses Starship wird also nochmals größer. Zieht man 3 m für eine ebenfalls geplante längere Nutzlastspitze ab so ist es um 16 m länger, da diese Verlängerung nur auf die Tanks zurückzuführen ist (die Triebwerke blieben gleich lang, sollen nur mehr Schub durch höheren Brennkammerdruck erreichen), dann sind dies 845 t mehr Treibstoff (1003 t wenn die Nutzlastspitze nicht verlängert wird). Das passt auch zum höheren Startschub, denn dann läge die Startbeschleunigung wieder beim derzeitigen Wert.

Warum sollte man das Starship aber verlängern, wenn es die Sollnutzlast erreicht? Erreicht es dieses Soll aber nicht, so macht das schon Sinn. Ich fühle mich an die Falcon 9 erinnert, die auch 50 % unter der auf der Website angegeben Nutzlast lag, dann musste eben die ganze Rakete länger werden. Bei SpaceX ändern sich bestimmte Muster eben nie.

Artemis III und das Betanken

Zuletzt noch einige weitere Neuigkeiten, die eigentlich keinen verwundern.

Die NASA hat die beiden Missionen Artemis 2 und 3 verschoben. Artemis 3 – mit der ersten Landung des Lunar Starships auf frühestens September 2026, Artemis 2 auf September 2025. Bei Artemis 2, das im Prinzip eine bemannte Wiederholung von Artemis 1 ist, also eine reine Mondumrundung gibt es etliche Dinge in der Orion zu korrigieren, alle nichts so gravierend, dass die Mission gefährdet wäre, aber bei der NASA herrscht eben noch ein anderer Geist, dort will man, nachdem man einmal bei der Sicherheitsphilosophie versagt hat (STS-51 L) alles lieber doppelt und dreifach überprüfen. Da auch Artemis 3 verschoben wurde, kann man sich mit Artemis 2 ja auch Zeit lassen.

Der Termin für Artemis 3 wird als „aggressiv“ beschrieben. Sprich, er könnte sich nochmals verschieben. Offen spekuliert wird, ob die erste bemannte Landung nicht erst bei Artemis 4 erfolgt, derzeit irgendwann für 2028 geplant.

Inzwischen scheint die NASA ja SpaceX nachzueifern, was Verzögerungen angeht. Als der HLS.Kontakt am 16.4.2021 verkündet wurde, war noch von 2024 die Rede. Nun sind es schon zwei Jahre mehr, wenn sich die Landung auf Artemis 4 verschiebt, sogar vier Jahre und das in nicht mal drei Jahren nach Auftragsvergabe.

Die Grundmisere liegt aber am Artemis Programm selbst. Da dieses eine nicht zu Entwicklungen in der Raumfahrt passende Finanzierung hat, nämlich eine konstante, kann die NASA Aufträge nicht sinnvoll vergeben. Bei Apollo wurden die Aufträge für alle Systeme nahezu gleichzeitig ergeben, nur das LM hinkte einige Monate hinterher, aber auch es bekam den Auftrag im ersten Jahr. Der HLS Kontrakt fand 16.4.2021 statt, Artemis wurde als Programm am 11.12.2017 aufgelegt, also schon fast zweieinhalb Jahre nach Programmbeginn. Der Vertrag für Raumanzug von Axiom Space wurde sogar erst im Juli 2022 unterzeichnet.

Bei Apollo hat man verglichen mit heute wirklich schnell gearbeitet, aber selbst da brauchte man von der Programmgenehmigung bis zum ersten bemannten Flug 5 Jahre und 9 Monate, nun sollte der Mondlander, der bei Apollo erst 8 Jahre nach Programmbeginn flugtauglich war, schon in drei Jahren und der Raumanzug in zwei Jahren entwickelt werden. Überflüssig zu erwähnen, dass auch Axiom Space hinter dem Zeitplan hinterherhinkt.

Es gab ja schon im November seitens der NASA eine Verlautbarung, dass sie mit über 10 Betankungsflügen rechnen. So kam es bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von NASA und SpaceX zu der Nachfrage wie viele Auffüllungen es denn nun seien, dem wurde ausgewichen. Schließlich sprach Bill Nelson ein Machtwort:

NASA Administrator Bill Nelson then stepped in. “The question was, how many fuel transfers?”

“I will say it will roughly be ten-ish,” Jensen responded. “It could be lower, depending on how well the first flight tests go, or it could be a little bit higher.”

Also „ten-ish“ sagt mir nichts, aber Übersetzungstools geben das als „Zehn“ an. Jessica Jensen ist vice president of customer operations and integration bei SpaceX. Elon Musk meinte als Blue Origin die vielen Tankflüge bemängelte, ja das es nur acht wären, ja man sogar die Tanks nur halb voll bräuchte, das wären dann 4. Ich hatte das ja mal durchgerechnet, die Physik ist ja bekannt und kam auf 10 bis 11 bei der damals geltenden Starship Masse von 120 t.

Mich wundert eines immer wieder: Von einem Raumfahrt-CEO hört man ja normalerweise nichts über die Technik, die in seinen Produkten steckt. Das ist ja auch nicht die Aufgabe eines CEO, er hat dafür zu sorgen, dass Zeitpläne und Kostenvorgaben eingehalten werden und Gewinn fließt. Elon Musk ist da eine Ausnahme. Aber keine positive. Fast alles, was er von sich gibt, das zeigt sich ja dann, wenn auch oft erst Jahre später, stimmt nicht und ist viel zu optimistisch. Ich glaube inzwischen, dass er die Daten, die er postet, gar nicht weiß sondern einfach seine Wunschvorstellungen als echte Daten herausgibt. Er behauptet ja einen besonders hohen IQ zu haben, da verwundert es mich, dass er 20 Jahre nach Firmengründung von SpaceX noch immer denselben Fehler macht. Er scheint wohl beratungsresistent sein. Das kenne ich sonst nur von Politikern wie Trump oder Putin.

Nun noch der Brückenschlag zum Sauerstoff-Ablassen, das unterscheidet sich vom Umfüllen darin, dass es einfacher ist: Auf der Spenderseite verändert sich nichts, nur landet der Treibstoff eben im All und nicht in einem anderen Tank. Nun hören wir in der oben erwähnten Pressekonferenz:

“Propellant transfer in orbit sounds complex and scary, and it seems like this big nebulous thing,” she said. “But when you really break it down into the various pieces, we’ve actually achieved almost all of the complex parts already on our operational programs.”

Also wen das kein Problem ist, warum hat man den Sauerstoff nicht im Orbit entlassen, wo es viel ungefährlicher ist?

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