Während ich mich gerade in den Lunar Rover von Apollo einlese, fiel mir auf, dass bei Artemis bisher nichts Derartiges genehmigt wurde. Also, wie sollen sich die Astronauten auf dem Mond fortbewegen? Wenn sie dies nur zu Fuß tun wie bei Apollo 11 bis 14, so dürfte der Einsatzradius doch sehr eingeschränkt sein. Damit macht dann auch eine Forschungsstation und ein längerer Aufenthalt auf dem Mond keinen Sinn, weil man sich ja kaum von ihr entfernen kann.
Kleines Schmankerl am Rande. Der eine oder andere erinnert sich vielleicht noch an den Raketenrucksack, den es mal in einem James-Bond Film (Feuerball) gab und wenn ich mich recht erinnere, wurden auch mal in den USA olympische Spiele mit einer solchen Showeinlage (ich glaube es waren die Spiele von 1984 in Los Angeles) bei der Eröffnungsfeier bereichert.
Kurzzeitig wurde wirklich erwogen, dass anstatt einem Lunar Rover sich die Astronauten mit so einem Raketen-Vehikel fortbewegen sollten.
Also zuerst mal zum Raketenrucksack. Der klingt auf den ersten Blick blödsinnig. Die Exemplare auf der Erde erlaubten Flüge von weniger als einer Minute Dauer. Ein Raketenantrieb ist für die Fortbewegung nur bedingt geeignet, weil er ja mindestens die Gravitation des Himmelskörpers aufwenden muss, um nur jemanden in Schwebe zu halten. Nur das was darüber an Schub hinaus geht wird zur Beschleunigung verwendet. Auf der Erde kommt dann noch der Luftwiderstand hinzu der den Passagier weiter abbremst und weiteren Treibstoff erfordert. Etwas besser sieht es auf dem Mond aus. Die Schwerkraft beträgt nur ein Sechstel der irdischen und der Luftwiderstand fällt weg. Die Planungen für das LfV Lunar Flying Vehicle) sahen vor, dass man mit ihm bis zu 55 km (einfache Distanz) zurücklegen konnte. Als man dann eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 110 km/h einführte (vorher wäre so lange beschleunigt worden bis etwa der halbe Treibstoff verbraucht war, dann flog man in einer ballistischen Kurve und hätte über dem Zielpunkt weder abgebremst) sank die Reichweite auf 15 km. Das war also durchaus konkurrenzfähig in der Reichweite zum Rover. Der Treibstoff wäre aus der Apollo-Unterstufe genommen worden, die ja nicht mehr nach der Landung benötigt wird und die über große Reserven verfügte. Apollo 11, die Mission mit der kleinsten Resttreibstoffmenge, hinterließ bei der Landung noch 316 kg nutzbarem Treibstoff, ausreichend für fast zwei Neufüllungen. Zumindest wäre das LFV optisch spektakulär gewesen, die Videos wären sicher eindrucksvoll gewesen, sowohl von der Boden, wie auch der Sicht des Astronauten der fliegt. Das ist ja heutzutage viel wichtiger als während des Apolloprogramms, bei mancher Firma ist es sogar der wichtigste Punkt überhaupt. Heute denke ich aber würden Sicherheitsvorschriften den Einsatz eines Raketenantriebs zur Personenbeförderung verbieten.
Aber zurück zum Lunar Rover und damit auch dem eigentlichen Kernthema, dem Fehler im System. Ich habe das Thema ja schon mehrfach aufgegriffen. Das Grundproblem bei Artemis ist, dass dieses Programm nicht dem Finanzzyklus folgen darf den jedes „normale“ Raumfahrtprogramm hat. Das Diagramm zeigt das Apollo Budget im Vergleich zum NASA Budget. Deutlich sichtbar sind zwei Dinge. Zum einen durchläuft Apollo den typischen Kostenverlauf eines Raumfahrtprojektes. Die Kosten steigen an bis zu einer Spitze und sinken dann ab. Bei einem Raumfahrtprojekt fallen die meisten Ausgaben in Phase C, der Entwicklungsphase, an. Das liegt daran, dass in der Regel etwas Neues entwickelt wird. Das Nachbauen der dann entwickelten Hardware (Phase D, bei Apollo ab 1968) ist dagegen relativ preiswert. Die Öffentlichkeit bemerkt dann erst das Programm, weil dann die Flüge stattfinden.
Das zweite ist, dass das NASA Budget diesem Finanzierungsverlauf weitestgehend folgt. Zwei Ausnahmen gibt es: 1963/64 als das Gemini-Programm in derselben Phase C war und am Schluss, als das Space Shuttle und Skylab dann Mittel erforderten.
Bei Artemis ist es so, das die NASA politisch gewollt diesen typischen Zyklus nicht durchlaufen darf. Stattdessen soll das Budget nur leicht steigen. Da dies nicht zu einem bemannten Programm passt, ergeben sich einige negativ Konsequenzen. Eine Konsequenz ist die niedrige Startrate von einem Flug alle zwei Jahre. Der zweite Punkt ist das Flug sehr teuer ist. Der unbemannte Artemisflug 1 kostete 4,1 Milliarden Dollar. Man kann den Flug in den Elementen und Zielen mit dem von Apollo 8 vergleichen, der 1968 die BASA 310 Millionen Dollar kostete, das wären 2.715 Millionen Dollar im Wert von 2023 (nach Inflationsrechner). Dabei ist Artemis 1 unbemannt gewesen (bemannte Missionen sind meist teurer als unbemannte) und die SLS-Rakete bestand zum Teil aus Resten des Space Shuttle Programms (Feststoffboostersegmente, Haupttriebwerke, Antrieb des Servicemoduls), was weitere Kosten einsparte. Alleine die Neubeschaffung von vier RS-25 Triebwerken pro Start wird in Zukunft weitere 584 Millionen Dollar pro Flug erfordern.
Die größere Einschränkung ist aber, das man so gar nicht alles gleichzeitig entwickeln kann. Und das ist ein echtes Problem. Hier mal einige Fakten über Vertragsabschlüsse:
- Orion: Beschluss der Entwicklung 2005
- SLS: Beschluss der Entwicklung 11.10.2010
- Artemis: als Programm am 11.12.2017 aufgelegt
- HLS (Mondlander) Starship: 16.4.2021
- HLS Blue Moon: Mai 2023
- Axiom Suit (Raumanzug) 7.9.2022
- Cargo versionen der Mondlander: 9.1.2024
Bei Apollo erfolgten die meisten Vertragsabschlüsse innerhalb eines Jahres nach Programmauflage, am schnellsten war der Vertrag für den Bordcomputer, der schon im Mai 1961 vergeben wurde. Der letzte Abschluss war der für das LM, das erst am 7.11.1962 vergeben wurde. Auch bei Apollo gab es noch später Abschlüsse. So wurde der Vertrag über den Mondrover erst am 19.10.1969 unterzeichnet. Der erste Einsatz war bei Apollo 15, die am 26.7.1971 starteten.
Stand heute kann die NASA Astronauten mit den gebauten Elementen um den Mond herum schicken. Sie kann sie weder auf dem Mond landen, noch hat sie Astronautenanzüge, das die Astronauten das Raumschiff verlassen können. Für längere Exkursionen sind die Cargovarianten der Mondlander von Belang. Sie können zum einen anstatt der Aufstiegsstufe ein Habitat, also eine Art Wohnung transportieren. Zum anderen natürlich Vorräte und schweres Gerät, das könnte auch ein Art Mond-Wohnmobil sein, so was war schon in den Sechziger Jahren mal angedacht. Die Fähigkeiten von Artemis sind sechs Jahre nach Projektbeginn bescheiden, vor allem wenn man bedenkt, dass SLS und Orion sich schon viel länger in der Entwicklung befunden haben und beide über ein Jahrzehnt auf dem Buckel haben.
Obama lies Konstellation einstellen, weil es nach Ansicht des Review Kommitees unterfinanziert war und im Zeitplan zurücklag. Man kann darüber streiten, ob es das bessere Programm war – es sah zwei Trägerraketen vor, die Orion als Raumkapsel wäre alleine gebaut worden, anstatt das Servicemodul aus Europa zu beziehen und der Altair Mondlander wäre von der NASA entwickelt worden, anstatt ein Design der Industrie zu nehmen. Aber Constellation war in einem Punkt ehrlicher. Man erkannte, dass heute es nicht möglich ist, dass das NASA-Budget über einige Jahre drastisch ansteigt, obwohl der prozentuale Anteil am US-Haushalt heute erheblich geringer ist als zur Zeiten Apollos, somit auch der Einfluss auf den US-Haushalt. So sollte Constellation erst nach 2010 Fahrt aufnehmen, wenn zuerst das Space Shuttle eingestellt wird – an dem Entschluss wurde dann ja auch nicht mehr gerüttelt – und dann ab 2016 die ISS außer Betrieb geht. Artemis dagegen, wird bei weiter betriebener ISS durchgeführt. Das Space Shuttle gibt es zwar nicht mehr, aber die Transporte von Fracht und Astronauten mit kommerziellen Vehikeln ist fast genauso teuer. Obwohl also ein größer Finanzposten fehlt (2024 macht Artemis etwa 7,9 Mrd. Dollar des NASA Budgets aus, die ISS 4,5 Mrd. Dollar) geht Artemis im Anspruch weiter als Constellation, das selbst der NASA-Administrator als „Apollo on Steroids“ bezeichnete, also im Wesentlichen eine Wiederholung von Apollo:
- Es ist das Lunar Gateway, eine Raumstation im Haloorbit vorgesehen. Zwar mit internationaler Beteiligung (ESA und JAXA werden jeweils ein Modul stellen, andere Staaten arbeiten ebenfalls mit) aber eben doch ein zusätzliches Element, das zusätzliche Kosten verursacht
- Der Mondlander wird weiterentwickelt und diese Cargoversionen machen ja nur Sinn, wenn sie etwas transportieren was eine verlängerte Aufenthaltsdauer ermöglicht, eventuell sogar eine permanente Station auf dem Mond.
Die ISS wird dagegen noch bis 2030 betrieben werden. Dieses Datum hängt weniger von dem Zustand der Station ab, als vielmehr davon, dass die NASA nun auch eine kommerzielle Raumstation im Orbit haben möchte. Deren Module können zuerst an der ISS angedockt werden, so können die Betreiber schon Erfahrungen sammeln, und sparen einen Teil der Kosten, weil sie die ISS-Ressourcen mitnutzen können. Danach werden die Mittel für eine Raumstation im Erdorbit aber nicht frei, denn inzwischen wird schon eine US-Raumstation diskutiert, also ein Nachfolger der ISS, nur eben ohne internationale Beteiligung. Das könnte dann eine kommerzielle Raumstation sein, die nach dem gleichen Konzept umgesetzt wird wie bei den heutigen Fracht- und Crew Transporten: Die NASA legt Anforderungen fest, das Design ist aber Sache der Firmen. Damit wird aber diese Raumstation weiter Mittel erfordern, anfangs sogar mehr als die ISS, weil sie ja erst einmal aufgebaut und finanziert werden muss. Denn das eine Firma eine Raumstation auf eigene Kosten baut und die NASA nur Mieter ist, dürfte nicht funktionieren. Bigelow Aerospace hat es fast zwei Jahrzehnte lang probiert und ist bankrott gegangen. Auch die kommerziellen Starts von astronauten / Weltraumtouristen wie gerade die laufende Mission Axiom 3 nutzen immer nur von der NASA bezahlte Raumstationen und Vehikel. Kein Weltraumtouristenbieter hat jemals einen Transporter selbst entwickelt oder gar eine Raumstation in den Orbit gebracht. Mit Starlab ist zumindest eine geplant, an der sich auch Airbus beteilligt. Ob sie aber auch in den Orbit kommt? Ich bin skeptisch.
Zurück zu Artemis. Ich frage mich wie dieses Projekt weitergehen soll. Auf der einen Seite haben wir immer weitere Aufträge wie für einen zweiten Mondlander, Cargoversioenen dieser. Auf der anderen Seite reicht das Budget derzeit für einen Start alle zwei Jahre. Die Chance ist dann doch relativ groß, das die Öffentlichkeit oder ein Präsident die Lust an dem Programm verliert und man es wieder einstellt. Der nächste Flug Artemis 2 wird erst im September 2023 stattfinden, er ist nur eine Wiederholung von Artemis 1 mit Besatzung. Artemis 3, die erste Mondlandung seit Apollo 17 ist dann für September 2026 vorgesehen, wobei inzwischen auch von einer Verschiebung auf 2027 gesprochen wird. Da braucht man als Raumfahrtinteressierter schon viel Geduld.