Bernd Leitenbergers Blog

Balkonkraftwerk Nummer 2

Seit zwei Wochen habe ich das zweite Balkonkraftwerk in Betrieb und ich will erneut von Erfahrungen berichten und meine Leser animieren sich selbst eines anzuschaffen. Eines vorweg: bei mir liegt eine etwas andere Situation vor als bei den meisten Käufern von Balkonkraftwerken. Ich habe schon auf dem Dach zwei PV-Anlagen, die zusammen etwa 13.000 kWh im Jahr liefern. Der Strom geht ins Netz und wird vergütet, wenn man auch nicht reich davon wird, finanziert das über 20 Jahre in etwa die Anlagekosten. Die Vergütung erfolgt auch mit dem nicht genutzten Strom eines Balkonkraftwerks. Wer diesen Luxus nicht hat, der bekommt für den eingespeisten Strom keine Vergütung. Dafür spart er anders als ich Netzstrom ein, meine Anlagen liefern in der Spitze 14 kW, so viel kann ich nicht mal verbrauchen, wenn ich alle elektrischen Geräte im Haus simultan anschalten würde.

Es hat sich ja auch was getan. Der Gesetzgeber hat die Grenze für Balkonkraftwerke von 600 auf 800 Watt angehoben. Sprich Geräte die mit einem Schukostecker angeschlossen werden, dürfen maximal 800 Watt einspeisen. Natürlich gibt es auch größere Solaranlagen in einem Leistungsbereich der zwischen einem Balkonkraftwerk und einer Solaranlage auf dem Dach liegt, aber die fallen nicht unter diese Regelung und kommen in der Regel mit einem Wielandstecker für den ein Elektriker eine eigene Steckdose installieren muss.
De Fakto halte ich 800 Watt auch für ausreichend, ich glaube die wenigsten werden Platz für deutlich mehr Leistung haben, das erfordert dann drei oder vier Paneele. Meist vier Module, weil Wechselrichter in der Regel zwei Anschlüsse haben, die sie getrennt überwachen können.

Zuerst einmal ein Rückblick, in wenigen Tagen erreicht mein erstes Balkonkraftwerk (siehe dieser Blogeintrag) ihr erstes Betriebsjahr. Bisher hat sie knapp 380 kWh geliefert. Das ist nicht viel, es liegt vor allem an dem Winkel: ich habe sie direkt am Balkon montiert, weil das am einfachsten ging. Der Winkel von 90 Grad zur Horizontalen ist aber der ungünstigste Winkel der geht. Mit 380 kWh liegt sie sogar noch deutlich unter der Erwartung von 450 kWh. Das ist relativ leicht erklärbar. Man muss sich nur den Verlauf der Sonne übers Jahr vergegenwärtigen. Im Sommer wenn eine „normale“ Solaranlage am meisten Strom produziert steht sie in einem steilen Winkel – nahezu senkrecht über der Erde, da streift sie die Anlage im 90 Grad Winkel nur, außer am frühen Morgen und Abend. Die Anlage liefert bei flachem Sonnenstand mehr Energie als im Sommer. Idealerweise wäre das der Winter, doch da scheint bei uns meistens nicht die Sonne. So sind die ertragreichsten Monate März und April und der September. Umgekehrt liefert sie auch bei bedecktem Himmel nicht viel, weil dann auch die Strahlung vorwiegend von oben kommt.

Ich habe mal mit dem PV-GIS (Photovoltaic Geographical Information System der EU) zwei Tabellen erstellt für meinen Standort. Einmal für die Ausrichtung nach Süden, und einmal nach Osten – das gilt mit wenigen Watt Abweichung auch für Westen:

Winkel

Südausrichtung

Ost-Ausrichtung

Azimut

0

-90

0

938

938

10

1021

933

20

1080

920

30

1114

911

40

1124

871

50

1108

830

60

1067

776

70

1001

712

80

910

635

90

797

556

Wie schon gesagt – 90 Grad ist am ungünstigsten, schon 80 Grad bringt einiges mehr. Null Grad sind bei weitem nicht so ungünstig wie 90 Grad, interessant, falls jemand die Module nicht aufständern will, sondern nur auf einer Unterlege ablegen. Er sollte sie aber trotzdem befestigen. Der optimale Winkel bei mir wären 39 Grad. Im Deutschland liegt der optimale Winkel zur Waagerechten zwischen 37 und 40 Grad, abhängig vom Breitengrad.

Nun ist die zweite Anlage in Betrieb. Die hat einen etwas besseren Winkel von 60 Grad und das merke ich auch, wenn ich die beiden Anlagen vergleiche. In 18 Tagen hat sie 43 kW geliefert. Da ich sie nun auferständert habe, wäre auch ein noch günstiger Winkel denkbar, aber da sie direkt an der Wand steht und ich noch an ihr vorbeilaufen muss, war nicht mehr möglich. Immerhin bringt der Winkel von 60 Grad etwa ein Drittel mehr Ausbeute.

Gleichzeitig sind die Preise für die Anlagen gesunken: Die Anlage die ich letztes Jahr zum nahezu selben Zeitpunkt gekauft habe, kostete 700 Euro plus 80 Euro für das Befestigungsmaterial bei zwei Paneelen mit 800 Watt Peakleistung und einem Wechselrichter mit 600 Watt Maximalleistung. Bei dieser Anlage sind es 1.140 Watt Peakleistung und 800 Watt die der Wechselrichter maximal liefert. Dabei kostet sie nur 530 Euro plus 70 (140) Euro für das Befestigungsmaterial.

Auf die Aufständerung gehe ich mal ein. Die Module sind die größten, die heute möglich sind, 570 Watt pro Modul, jedes Paneel ist so über 2 m hoch. Das kann ich mit einem Satz an Aufständerungsmaterial nicht so aufbauen, dass ich den gewünschten steilen Winkel habe, denn das Set besteht aus zwei Schienen von 118 und einer mit 55 cm Länge. Trotzdem würde es nur bis zur Hälfte der Modullänge gehen und es wäre wackelig. Ich habe so zwei Sets gekauft und jeweils nur die langen Stangen genommen. Vier lange Stangen waren übrig, die habe ich zur Querversteifung (siehe Foto) genutzt. Das ist stabil, zumal sie noch an die Wand lehnen.

Dann zur der für Laien wichtigsten Frage: warum nehme ich Module mit 1.140 Watt Leistung, wenn mein Wechselrichter nur 800 Watt einspeist? Die Frage ist leicht beantwortet. Das ist die Spitzenleistung, die in etwa von Ende April bis Anfang September um die Mittagsstunden erreicht wird. Diese Spitzenleistung wird auf 800 Watt gekappt. Den Rest der Zeit, also die Monate Oktober bis März wird die Spitzenleistung auch bei Sonnenschein nur kurz oder gar nicht erreicht. Ebenso im Sommer bei bedecktem Himmel, morgens und abends. In der Zeit liefern die Paneele aber trotzdem mehr Energie als 800 Watt Paneele. Da auch für größere PV-Anlagen bis 2022 die CDU/SPD Regierung eine Drosselung auf 70 Prozent der Spitzenkapazität verfügt,e um die Netze zu schonen (bei der neuen Regierung fiel dies dann weg, obwohl die Netze immer noch die gleichen sind) habe ich eine Anlage auf dem Dach von 2019 bis 2021 mit 70 % Drosselung betrieben und seitdem ohne Drosselung und kann vergleichen: Bei der Anlage ist der Unterschied im Bereich von 5 Prozent der Gesamtleistung, rechnet man dazu, dass die Anlage pro Jahr etwa 1 Prozent an Ertrag verliert, dürften es 8 Prozent sein. 600 von 800 Watt sind aber auch eine Drosselung von 75 Prozent und genauso ist es bei 800 Watt Abgabe von 1.140 Watt Maximalleistung (70,7 Prozent). Das heißt: Meine Anlage wird 8 % weniger liefern als eine 1.140 Watt Anlage ohne Begrenzung der Strommenge auf 800 Watt. Angesichts dessen, dass der Winkel so ungünstig ist, könnte der „Verlust“ noch weniger sein.

Bedeutender ist, dass die Preise gesunken sind. Rechne ich Befestigungsmaterial hinzu, so kostete mich meine Anlage letztes Jahr 1,30 Euro pro Watt installierter Leistung, dieses Jahr waren es nur noch 0,75 Euro pro Watt. Das sind weniger als 60 Prozent der Kosten letztes Jahr.

Allerdings hat die Qualität auch nachgelassen. Ich habe sie vom selben Anbieter gekauft, während es letztes Jahr ein Wechselrichter von Hoymiles war, der zwar eine gewöhnungsbedürftige Installation hat, aber wie ich es von meinen anderen Wechselrichtern kenne, die Info als Seite im lokalen Netz angesehen werden kann, stammt der neue Wechselrichter von Ap Systems. Der ist nur über eine App überwachbar. Ich schrieb deswegen sogar den Support an:

Ich: „I have purchased an EZ1 micro inverter with the serial number E07000097584. I would like to retrieve the data on my PC. I do not have a smartphone and therefore cannot use an app. As the inverter supports wifi, it should be accessible via a wifi connection. Unfortunately, your manual is completely silent on this. How can I access the status page of the web server from a browser?“

Antwort: „Good day.

Thank you for contacting APsystems technical support.

Since there is currently little demand for monitoring EZ1 daily data on PC, this feature is not yet available to individual users.

In the future, if the demand reaches a certain amount, APsystems will consider opening this function to individual users.

Kind regards,“

Also ein Mikrowechselrichter, der sich ja primär an Endverbraucher richtet, kann man nur über eine App überwachen.

App-Zwang

Das leitet mich zu einem anderen Thema über. Ich habe kein Smartphone, nur ein „normales“ Handy, das ich für den Empfang von SMS bei Bankgeschäften brauche und im Urlaub. Das liegt nicht daran, dass ich Smartphone-Verweigerer bin, sie nützen mir nur nichts und ich vermisse sie auch nicht. Fast alles, was ich am PC mache, tue ich per Tastatur und tippen sie mal einen Blogeintrag oder ein Buch über eine Bildschirmstatur oder programmieren sie auf einem Smartphone. Der Hauptgrund warum ich keines habe, ist aber, dass ich eine Sehschwäche habe. Je nach Tagesform sehe ich 30 bis 40 Prozent eines Normalsichtigen. Als Monitore nutze ich zwei 32 Zoll Fernseher, die nur in HD laufen und trotzdem weniger als 50 cm von meinem Kopf entfernt sind. Es muss eben alles zweieinhalb bis dreimal so groß wie bei einem Normalsichtigen sein. Ein Smartphone muss ich so nahe an den Kopf halten, damit ich etwas erkenne, dass ich auch die Brille nicht nutzen kann, die meine extreme Kurzsichtigkeit (-8 und -10 Dioptrien) korrigiert, ohne Brille sinke ich aber auf 10 Prozent Sehfähigkeit ab, kann also noch weniger mit dem Smartphone anfangen.

Ich merke aber immer mehr, dass es bald nicht mehr ohne geht. Zu Corona-Zeiten musste ich trotz Impfkarte einen Fragebogen ausfüllen, wenn ich ins Schwimmbad wollte, App-Nutzer kamen so rein. Beim aktuellen Organspenderegister ist auch eine Eintragung nur mit App möglich und auch das Deutschland-Ticket läuft nur über eine App. Ich habe mal meine Verwandten nach einem alten Smartphone gefragt, ich habe mir 2016 mal eines gekauft, mit wenig Leistung, aber das reichte aus, um festzustellen das es nichts für mich ist. Denn auch ein schnelleres hat dieselbe Bildschirmdarstellung. Alternativ müsste ich zu einem Tablett greifen, nur sind bezahlbare Tabletts auch nur wenig größer als Smartphones und wenn man dann die vorzeigen muss, sind sie unhandlich.

Ich frage mich, muss das sein? Ansonsten redet der Staat immer von Inklusion, hier aber werden alle ausgesondert die kein Smartphone nutzen können. Das sind ja außer Personen mit Sehschwäche auch Ältere die mit der Technik auf Kriegsfuß stehen. Mehr noch, es wird immer mehr vorausgesetzt das man die Dinger immer mit sich dabei hat. Was ich nicht mal mit dem Handy mache und das muss ich anders als ein Smartphone nur einmal pro Woche aufladen. Die Sehschwäche habe ich seit meiner Geburt, sie begleitet mich mein ganzes Leben. Ich wusste schon als Kind, dass ich keinen Führerschein machen kann, als Ausgleich musste ich auch nicht zur Bundeswehr. Aber nie habe ich mich ausgegrenzt gefühlt, bis nun seit einigen Jahren dieser Smartphonezwang aufgekommen ist.

Okay, gehört nicht zum Hauptthema, musste aber mal gesagt werden.

Rechnet sich das?

Wie schon gesagt, für mich ist die Situation eine andere als für Nur-Balkonkraftwerkbesitzer. Für die ist es so, dass sie zwar zum einen enorm viel sparen, wenn sie den Strom selbst nutzen, wenn sie dies aber nicht tun, dann bekommen sie kein Geld. Ich richte mich seit Jahren, wenn es geht, nach der Sonne. Das heißt die Spülmaschine und Waschmaschine laufen wenn sie Sonne scheint, wenn es geht. Aber das war es dann auch schon. Essen kochen verbraucht viel mehr Strom, ist aber nicht schiebbar. Und wenn man keinen Haushalt mit vielen Personen hat, wird man auch die Wasch- und Spülmaschine nicht täglich nutzen. Vom Prinzip her ist die Selbstnutzungsquote um so höher je mehr Personen in der Wohnung wohnen und je mehr tagsüber zu Hause sind.

Ich würde mal raten, wenn man in den Urlaub fährt, sich vorher und nachher den Stromverbrauch zu notieren und daaus den täglichen Grundverbrauch zu errechnen. Das ist der Verbrauch, der immer anfällt, ohne eigene Aktivitäten. Er wird bei mir vor allem von der Gefrier-/Kühlkombination bestimmt die 1,5 kWh/Tag braucht. Teilt man den täglichen Bedarf durch 12 Stunden, so hat man den mittleren Verbrauch pro Tagesstunde. Das kann man dann mit der Leistung eines Paneels vergleichen. Kleiner sollte es nicht sein. Größer kann es durchaus sein, denn das Problem ist ja das der Ertrag im Monat sehr unterschiedlich sein kann. Im Januar leistet es einen Bruchteil dessen, was es im Juni/Juli liefert und dann kann man den Strom auch vollständig nutzen, während man im Sommer dann dem Netzbetreiber Strom schenkt. Es rechnet sich trotzdem, einfach weil der bezogene Strom so teuer ist.

Kleine Überschlagsrechnung: Selbst wenn ich 150 Euro für einen Wechselrichter als Austausch hinzurechne, der im Laufe der 20 Jahre anfällt, dann bin ich bei Gesamtkosten von rund 750 Euro. Bei 30 ct/kwh muss die Anlage also in 20 Jahren 2.500 kWh liefern, die man selbst nutzt, um sich zu amortisieren (vorausgesetzt die Strompreise bleiben konstant). Sie dürfte bei 1 % Leistungsverlust und Drosselung auf 800 Watt je nach Winkel / Ausrichtung zwischen 10.500 und 23.500 kWh erbringen. Das ist so viel mehr, dass selbst, wenn man den größten Teil des Stroms nicht selbst verbraucht, es sich lohnt.

Prinzipiell kann man eine Anlage auch beim Netzbetreiber anmelden und nach EEG Vergütung für den eingespeisten Strom verlangen. Allerdings sind dann meist saftige Gebühren fällig, sodass sich das bei einem Balkonkraftwerk selten lohnt.

Wie geht es weiter?

Es wird nicht das letzte Balkonkraftwerk bleiben. Ich habe noch einen Hühnerstall, der eine gute Dachneigung hat, wenngleich er in Ost-Richtung wie das Dach nicht optimal steht. Dann gibt es noch den zweiten Balkon, noch ungünstiger als der schon bestockte obere Balkon, da stärker abgeschattet und ein Garagendach. Das wäre zwar groß genug für eine größere Anlage, aber dem Dach aus Wellenbeton traue ich nicht, zu größere Lasten zu tragen. Das sind die nächsten drei Balkonkraftwerke, die dann auch für einige Jahre den normalen Leistungsverlust der Dachanlagen abfedern.

Noch was zu den Diagrammen. Das erste ist die Tabelle als Kurve. Sie zeigt den zu erwartenden Ertrag in Abhängigkeit vom Winkel zur Horizontalen für eine reine Süd- und eine reine Ostausrichtung an.

Die folgenden drei Diagramme zeigen für eine Südausrichtung den Monatsertrag einmal für 0 Grad, 45 Grad und 90 Grad an. Deutlich sieht man wie bei 90 Grad sich das Maximum vom Sommer in das Frühjahr / Herbst verschiebt. Alle Diagramme und Daten basieren auf Berechnungen des PV-GIS.

Die mobile Version verlassen