Mein Parteiprogramm – 1
Da inzwischen ja neue Parteien fast monatlich entstehen – meist als Ableger schon bestehender Parteien wie das Bündnis Sara Wagenknecht (Linke) oder die Werteunion (CDU) dachte ich mir, mache ich auch mal ein „Parteiprogramm“. In Anführungszeichen, weil es natürlich nicht den Umfang haben wird wie das Wahl- oder nur Grundsatzprogramm einer schon etablierten Partei, doch beim Durchlesen des Programms vom BSW fand ich auch das es erstaunlich kurz war und voller Allgemeinplätze. Und es ist auch kein echtes Parteiprogramm weil ich niemals eine Partei gründen würde. Der einfache Grund: Zwar sind nach Artikel 38 des Grundgesetzes die Abgeordneten nicht an Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen verpflichtet, aber in der Praxis stimmen sie dann eben doch für die Vorlage der Partei, auch wenn diese in bestimmten Fällen nicht ihrer Meinung entspricht. Das jemand davon abweicht wie Agnes Strack-Zimmermann bei der Abstimmung über die Taurus-Lieferungen ist dann ja schon einen Eintrag in den Nachrichten wert. Ich könnte das nicht, wie sicher jeder Blogleser der schon eine Weile dabei ist sich denken kann.
Den letzten Anstoß bekam ich von einiger Zeit durch ein Video von Mai Thai über Populismus in der sie das exemplarisch zeigte und damit anfing in der Politik müsste es mehr „Wissenschaft“ geben. Nun man braucht nicht mehr Wissenschaft in der Politik, aber wenn sich die Politik mehr nach Fakten und Logik orientieren würde und weniger nach den Interessen von Gruppen die aber den Allgemeininteressen widersprechen.
Wie immer bei Politik kochen die Emotionen hoch, wenn man etwas lies was dem eigenen Weltbild widerspricht, ich meine aber das man trotzdem diskutieren kann, wenn man respektvoll miteinander umgeht und erwarte das von meinen Bloglesern in den Kommentaren.
Grundsätze
Jedem Parteiprogramm liegt eine Grundsatzposition über eine Gesellschaft zugrunde, und dieses Weltbild will ich mal hier skizzieren. Schauen wir uns unter den Industrienationen um, so haben wir als Extreme im Gesellschaftsbild die USA und die skandinavischen Staaten. In den USA gilt ja das Bild des „amerikanischen Traums“. Sprich, jeder soll, es in diesem oft bemühten Bild vom Tellerwäscher zum Millionär bringen. Eigentlich liegt schon in diesem Bild die Kehrseite dieses Modells – da der Reichtum ja nicht sich automatisch erhöht, bedeutet das das der finanzielle Aufstieg einiger, immer mit der Armut anderer verknüpft ist. Wir haben in den USA das Leitbild eines weitestgehend ungezügelten Kapitalismus, der davon ausgeht, dass wenn jeder nach persönlichem Reichtum strebt, es allen besser geht. Das dies falsch ist wissen wir schon seit es zur Verarmung der Arbeiter in der industriellen Revolution kam. Das ein Weltbild trotzdem eine Gesellschaft prägen kann und obwohl es große Nachteile hat, nicht hinterfragt wird, sehen wir daran welchen Widerstand nur die Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherung für alle dort hat. Clinton versuchte das erfolglos 1994 und Obamas „Weihealtar“ Programm wollte Trump ja auch wieder rückabwickeln.
Auf der anderen Seite haben wir die skandinavischen Ländern in denen der Sozialstaat viel ausgeprägter ist, es viel mehr kostenlose Angebote für die Bürger gibt und es für jedes Kind Kitaplätze und Ganztagesbetreuung in der Schule gibt. Dies muss finanziert werden und obwohl so die Steuerlast höher ist, wird dies akzeptiert.
Solche Gesellschaftsmodelle hängen aber wie erwähnt mit der gesellschaftlichen Kultur zusammen. In Untersuchungen zeigt sich oft, das die Menschen in Skandinavien zu den gehören die am „glücklichsten“ oder man sollte vielleicht besser sagen am zufriedensten mit ihrer Lebenssituation sind und das obwohl andere Länder ein viel höheres Pro-Kopf Einkommen haben. (Position im Glücksatlas 1: Finnland, 2: Dänemark, 3: Island, 4: Schweden, 7: Norwegen … 23: USA, 24: Deutschland) So gibt es in diesen Ländern viel weniger Neid. Ein Marker dafür ist das Einkommen. In Schweden, das weiß ich seit ich einen Film über Abba gesehen habe, kann jeder die ersten Seiten der Einkommenssteuererklärung jedes anderen schwedischen Bürgens, auch Björn Ulvaeus anfordern. Wäre bei uns unvorstellbar. Bei uns ist es nicht mal üblich mit seine Einkommen oder Vermögen anzugeben. Also ich würde mich hüten mein Einkommen zu veröffentlichen, obwohl das wohl weniger Neid als vielmehr Mitleid auslösen würde. Umgekehrt ist es in den USA, wo ja Reichtum als Synonym für (gesellschaftlichen) Erfolg gilt, es auch üblich mit seinem Reichtum zu prahlen. Ich war mal, als ich mit einem US-Amerikaner korrespondierte erstaunt als er meinte das er „xxx k worth“ wäre, also nicht er ein Vermögen von xxx Dollar hätte, sondern so viel „wert“ sei. Ich würde den Wert eines Menschen nie mit seinem Reichtum assozieren.
Ich meine, wenn die Politik sich mehr in die Richtung eines skandinavischen Modells orientieren würde, das der Gesellschaft gut tun würde, dafür müsste sie sich mehr auf die Bevölkerung ausrichten und weniger auf die Wirtschaft.
Das zweite Standbein meines Programms ist das man sich Fakten und Logik richtet. Ich möchte dies an einem Beispiel verdeutlichen: 2018 beschloss die Bundesregierung den Kohleausstieg und wollte (nach den damaligen Plänen) bis 2038 dafür 40 Mrd. Euro investieren, zum einen als Kompensation von Firmen die Kohle abbauen und verstromen, zum anderen für die Ansiedlung neuer Industrien und Aufbau neuer Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen. Betroffen sind 20.000 Arbeitsplätze. Im Jahr zuvor verlor die Windenergiebranche 26.000 Arbeitsplätze in einem Jahr. Diese Branche hat Zukunft und der Erhalt dieser Arbeitsplätze hätte keine Investitionen erfordert, sondern nur das man nicht immer mehr bürokratische Hürden aufbaut. Die Kohle hatte schon damals auch ohne „Abwicklung“ keine Zukunft, denn im gleichen Jahr wurde die Einführung derCO2-Steuer beschlossen und die verteuert Kohle von allen fossilen Energien am stärksten. Eine Politik die sich nach Fakten und Logik richtet gibt nicht Geld für eine Branche aus, die keine Zukunft hat.
Natürlich kann man sich nicht nur nach Fakten richten, man muss immer auch die Leute mit ins Boot holen, aber wenn sie mehr Gewicht haben, als die Interessen von Verbänden oder parteipolitische Dogmen, dann wäre dies keine schlechte Politik.
Sozialpolitik
Sozialausgaben machen heute den Großteil der Staatsausgaben aus. Entsprechend widersprüchlich sind hier auch die Positionen der etablierten Parteien, da man hier am meisten finanziell bewegen kann. Praktisch täglich bekommt man dies mit. Aktuell gibt es eine Diskussion über die Kindergrundsicherung in der Koalition. Die FDP lehnt das Projekt das ja im Koalitionsvertrag (mit ihr) beschlossen wurde komplett ab und will stattdessen Steuererleichterungen. Nur hat eine Steuersenkung ja gar nichts mit der Kindergrundsicherung zu tun, denn die soll ja dafür sorgen dass auch Kinder aus Familien mit geringerem Einkommen nicht benachteiligt werden, darunter denen die gar keine Steuern zahlen und Sozialleistungen erhalten. Steuererleichterungen würden nur Steuerzahlern nutzen und damit um so mehr, je mehr man Steuern zahlt und die höchsten Steuern zahlen die Personen die gar nicht finanziell auf die Kindergrundsicherung angewiesen sind. Wir haben also zwei extreme Positionen: einmal die die Ärmsten zu unterstützen und einmal die die Reichsten zu unterstützen.
Niemanden zurücklassen
Eine grundlegende Erkenntnis der Wissenschaft ist, das anders als dies manche Politiker sehen, die Investitionen in Bildung sich lohnen. Jeder der einen Arbeitsplatz findet zahlt Steuern, zahlt in die Rentenkasse ein. Jeder der arbeitslos ist, bezieht staatliche Leistungen und hat später auch eine geringe Rente. Ich halte es daher für wichtig, dass das Bildungssystem mehr darauf achtet alle zu fördern. In der Schule bedeutet dies das es kostenlose Angebote für schlechte Schüler geben sollte damit diese aufholen können. Es gibt nach einer Studie rund 7,5 Millionen Menschen in Deutschland die Defizite beim Lesen und Schreiben haben. Für sie sollte es niederschwellige Angebote geben, um aufzuholen, und diese sollten auch beworben werden. Langfristiges Ziel ist aber, dass jeder der die Schule verlässt zumindest einen Mindeststandard an Bildung erhält. Gerade daran hapert es ja derzeit, denn die 7,5 Millionen Analphabeten haben ja zum größten Teil eine Schule abgeschlossen.
In der Schule gehört dazu auch eine Ganztagsbetreuung. Die gewährleistet zum einen das die Hausaufgaben auch gemacht werden. Sie stärkt den Zusammenhalt in der Klasse und meiner persönlichen Erfahrung profitieren auch gute Schüler davon, wenn sie schwächeren Schülern Nachhilfe geben. Das ist möglich wenn die Hausaufgaben in kleinen Gruppen zusammen gelöst werden. Zudem ist dies auch die Möglichkeit das sich pädagogische Kräfte besonders um schlechtere Schüler kümmern. Ergänzt sollte dies durch andere Angebote in der Schule werden die kulturellen, sportlichen oder naturwissenschaftlichen Charakter haben wie Theater-AG, Chemie -Experimentalkurse, Sportliche Aktivitäten und Spiele.
Der zweite Vorteil einer solchen Ganztagesbetreuung ist das die Eltern so ganztägig berufstätig sein können. Damit sind Kinder mehr mit dem Beruf vereinbar und sie zahlen mehr Steuern was schlussendlich dann diese Angebote auch finanziert. Vor allem bedeutet das aber nicht das ein Elternteil sich zwischen Beruf oder Kindern entscheiden muss.
Das setzt sich fort bei den Kindern im Vorschulalter. Wir haben zwar einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kita-Platz, aber es gibt zu wenige und es gibt auch zu wenige Kräfte die sich um die Kinder in der Kita und später im Kindergarten kümmern. Das muss geändert werden und sie müssen für Empfänger von Bürgergeld kostenlos sein. Ein Großteil dieser Empfänger sind nämlich Alleinerziehende. Für viele bedeutet die Tatsache das man alleinerziehend ist nämlich eine Armutsfalle, weil solange sie sich um die Kinder kümmern sie keiner Arbeit nachgehen können und wenn diese dann in der Schule sind, haben sie Jahre verloren und kommen wieder schwer an eine äquivalente Arbeit.
Dazu gehört auch das Leute die arbeitslos geworden sind nicht nur ALG oder Bürgergeld zahlt, sondern dafür sorgt das sie diese Zeit für eine Qualifikation oder – wenn wir von einer sterbenden Industrie wie dem Kohlebergbau reden – zu einer Umschulung nutzen und zwar nicht einer „Maßnahme“ wie ich sie erleben konnte an der Anbieter primär etwas verdient, sondern eine Maßnahme die den Arbeitslosen etwas nützt.
Natürlich ist mir klar, dass man für all das mehr Personal braucht und es erfordert einen finanziellen Aufwand. Aber es wird sich langfristig auszahlen. Personen die höher qualifiziert sind zahlen mehr Steuern und beziehen weniger staatliche Hilfen. Eltern die voll berufstätig sein können, und nicht nur ein Elternteil werden wohl eher sich für ein Kind entscheiden als wenn dies nicht so ist und helfen so den demokratischen Wandel zu bekämpfen. Daneben zahlen sie auch mehr Steuern und finanzieren letztendlich das veränderte System.
So, nun habe ich viel geschrieben, das ist hier ein guter Punkt einen Schlussstrich zu ziehen und beim nächsten Blog hier weiterzumachen.
Noch ein Fakt, der gerne vergessen wird: Höhere Einkommen bedeuten auch, dass dieses Geld wieder ausgegeben wird. Das ist letzten Endes nichts anderes als eine Wirtschaftsförderung auf Umwegen. Jede Kürzung bei den Sozialausgaben schadet so nicht nur den Menschen, sondern auch der Wirtschaft. Eigentlich einfach zu kapieren, nur nicht von den „Wirtschaftsförderern“ in der Politik.
„da der Reichtum ja nicht sich automatisch erhöht, bedeutet das das der finanzielle Aufstieg einiger, immer mit der Armut anderer verknüpft ist.“
Die Annahme ist falsch. Das weltweite Reichtum steigt mehr oder weniger Automatisch immer weiter. z.B. im Bergbau oder Landwirtschaft werden „aus dem Nichts“ Werte geschaffen. Über das Tauschmedium Geld verteilt sich dieser Wert dann auf alle Menschen der Erde. Ob die Verteilung Gerecht ist oder nicht ist ein anderes Thema.
Das Problem ist das man mit Kapital sehr gut weiteres Kapital schaffen kann. Das ist gleichzeitig Fluch und Segen des Kapitalismus. Es ist bis jetzt die beste Steuermöglichkeit der Wirtschaft. Aber dummerweise sorgt er auch genau deswegen dafür das die Reichen immer Reicher werden. Denn ob man 100000 EUR oder eine Milliarde EUR „verwaltet“ macht vom Arbeitsaufwand praktisch keinen unterschied.
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Das Problem bei Sozialleistungen ist das sie immer ungerecht sein werden. Je nachdem aus welcher Richtung man schaut sind sie immer zu hoch oder zu niedrig. Daher bin ich ja auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen, auf Höhe im Bereich zwischen Existenzminimum und Bürgergeld. Das ist meiner Meinung nach am Ehesten gerecht.