Bernd Leitenbergers Blog

Noch ne Starship Modellierung – Teil 1

Ja ich weiß, ich habe das Starship schon einige Male modelliert, aber der letzte Testflug lässt nun eine neue Modellierung zu. Anders als früher nehmen diesmal ich nicht die Angaben von SpaceX, sondern berechne im Umkehrschluss wie schwer das Vehikel sein muss, um die Nutzlast zu haben, die es bei ITF-3 hat.

Natürlich geht es nicht ohne die offiziellen Angaben, aber ich habe sie ergänzt. Die große Unbekannte beim Starship ist die Bergung. Für sie braucht es Treibstoff, Treibstoff der nicht für den Antrieb zur Verfügung steht und sogar „Totes Gewicht“ darstellt, also beim Starship direkt von der Nutzlast abgeht.

Daher zuerst einmal ein kleines Essay, wie ich vorging.

Aus der erfolgreichen Landung des Starships bei SN10 habe ich den Treibstoff für die Landung abgeleitet. Das sind rund 21 t, da hier die Triebwerke nur Sekunden lang arbeiten ist diese Zahl alleine durch die Reaktionszeit beim Ablesen oder stoppend es Videos mit einem hohen Fehler behaftet. Offen ist auch, wie weit die Leermasse dieses Prototyps dem späteren Starships ähnelt. Zumindest fehlt ihm der 10 t schwere Hitzeschutzschild und es gibt durch drei anstatt sechs Raptors, was weitere 7 t ausmacht. Das ist wichtig, weil dieser Treibstoffanteil proportional zur Masse ist. Das heißt: wiegt dieser Prototyp nur 100 t und das operative Starship 120 t, so braucht das nicht 21 t, sondern 25 t zur Landung.

Auch die Superheavy braucht Treibstoff für die Landung. Beim zweiten Testflug waren bei MECO noch 11 Prozent in den Tanks, beim dritten Test waren es 9 Prozent. Zusätzlich braucht ein Starship noch Treibstoff für einen Deorbitburn, das sind bei 100 m/s Geschwindigkeitsänderung (typisch für einen 200 km Orbit) und bei Nutzung der Raptors mit den kleineren Düsen etwa 3 Prozent der aktuellen Masse. Zählt man beides zusammen, so benötigt das Starship pro Tonne Trockenmasse 243 kg Treibstoff für die Landung,

Die anfängliche Leermasse bei meiner Simulation sind die bei SpaceX angegebenen 120 bzw. 200 t und die Treibstoffladung sind die angegebenen 3.400 bzw. 1.200 t.

Der Schub und spezifische Impuls der Raptors ist eine weitere schwankende Größe. Bei allen Testflügen war es so das die Raptoren nicht den Schub hatten, den SpaceX bzw. Musk reklamiert. Ebenso sind die von Musk reklamierten spezifischen Impulse zum Teil nicht physikalisch erreichbar. Das muss ihm inzwischen jemand gesagt haben, denn als er mal darauf angesprochen wurde, meinte er das dies eine „aspirational number“ sei. Das ist Musk-Englisch für „Nicht erreichbar“.

Ich habe daher die spezifischen Impulse genommen, die ich mit Tools wie CEA2 und RPA ermittelt habe und der Schub für ITF3 ist der bei diesem Test, beim Modell des Starships V1 ist es der volle Schub, der einem Brennkammerdruck von 300 Bar entspricht.

Aufgrund der verbliebenen Resttreibstoffmenge bei ITF-3 kann man die Nutzlast dieses Starships auf maximal 50 t beziffern. Maximal, weil diese Bahn weder einen Deobritburn erforderlich machte, noch SpaceX verlautbart hat, ob das Starship wie bei den Prototypentests eine Abbremsung vor der „Wasserung“ durchführt, die auch treibstoff erfordert. Ein echter Orbit würde zudem eine etwas höhere Geschwindigkeit erfordern als diese suborbitale Bahn. Das alles senkt die Nutzlast ab und zwar um bis zu 25 Prozent des Gesamtgewichtes von Starship und Nutzlast.

So gibt es eine Reihe von offenen Punkten, die sich natürlich auf die Modellierung auswirken. Das Erste was ich tat, war ITF-3 nochmals zu modellieren und dabei habe ich die Leermasse des Starships stufenweise so erhöht das zu Brennschluss wie beim Testflug noch 6 Prozent Resttreibstoff übrig blieben (in der Realität war die Menge bei Sauerstoff und Methan leicht unterschiedlich), aber die Bahn und die Neigung des Starships gleich blieben. Ergebnis: Ein Starship, das die 120 t Trockemasse hat, die SpaceX angibt, hätte bei diesen Test ein Apogäum in 12.300 km Höhe erreichen müssen, wenn keine Nutzlast an Bord ist. Das Apogäum lag aber nur in 234 km Höhe.

Nun ist das aber nicht der Fall und so habe ich das Starship immer schwerer gemacht bis die Bahn in etwa mit der Erreichten übereinstimmt. Ich habe mich auf das Starship konzentriert, weil ich die 200 t Leermasse bei der SuperHeavy für eine vernünftige Größe halte – das ist ein Voll-/Leermaseverhältnis von 18, dasselbe hat auch die Saturn V oder Atlas V Erststufe. Bei der Falcon 9 und der Innendruckstabilisierten ersten Atlas liegt es höher SpaceX reklamiert 30 für die Falcon 9, die Atlas kam auf 21.

Ganz genau traf ich es nicht. Ein Problem ist die selbst bei Brennschluss noch hohe Neigung des Starships zur Horizontalen, da sollte eigentlich das Starship tangential fliegen oder sogar mit der Nase zum Boden hin. So begnügte ich mich mit einer Energie-äquaivalenten Bahn. Das ist das zweite modellierte Starship:

Rakete: Super Heavy / Starship ITF3-2

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
Nutzlastanteil
[Prozent]
Sattelpunkt
[km]
Perigäum
[km]
Apogäum
[km]

5.230.000

0

7.895

1.498

0,00

110,00

234,00

Startschub
[kN]
Geographische Breite
[Grad]
Azimut
[Grad]
Verkleidung
[kg]
Abwurfzeitpunkt
[s]
Startwinkel
[Grad]
Konstant für
[s]
Starthöhe
[m]
Startgeschwindigkeit
[m/s]

64.104

29

90

0

210

90

15

10

0

Stufe Anzahl Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez. Impuls (Vakuum)
[m/s]
Schub (Meereshöhe)
[kN]
Schub Vakuum
[kN]
Brenndauer
[s]
Zündung
[s]

1

1

3.640.000

381.800

3.443

64104,0

68402,0

164,00

0,00

2

1

1.590.000

290.000

3.546

12407,0

13578,0

339,50

164,00

 

Simulationsvorgaben

Azimut Geografische Breite Höhe Startgeschwindigkeit Startwinkel Winkel konstant
90,0 Grad 28,8 Grad 10 m 0 m/s 90 Grad 15,0 s
Abbruch wenn Ziel-Perigäum und -apogäum überschritten
Perigäum Apogäum Sattelhöhe
Vorgabe -55 km 234 km 110 km
Real -302 km 961 km 110 km
Inklination: Maximalhöhe Letzte Höhe Nutzlast Maximalnutzlast Dauer
28,0 Grad 209 km 209 km 0 kg 216 kg 503,4 s
Umlenkpunkte Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4
Zeitpunkt 89,5 s 164,0 s 333,8 s 503,5 s
Winkel 54,0 Grad 35,0 Grad 7,0 Grad 7,0 Grad

Wichtige Aufstiegspunkte

Bezeichnung Zeitpunkt Höhe: Distanz: v(x): v(y): v(z): v: Perigäum: Apogäum: Beschleunigung:
Start 0,0 s 0,01 km 0,0 km 0 m/s 0 m/s 0 m/s 0 m/s -6378 km -6378 km 2,5 m/s
Rollprogramm 15,0 s 0,31 km 0,0 km 1 m/s 42 m/s 0 m/s 42 m/s -6370 km 0 km 3,2 m/s
Winkelvorgabe 89,5 s 15,80 km 0,0 km 387 m/s 409 m/s 0 m/s 563 m/s -6344 km 21 km 9,9 m/s
Winkelvorgabe 164,0 s 66,89 km 1,6 km 1772 m/s 1000 m/s 0 m/s 2035 m/s -6111 km 106 km 25,1 m/s
Verkleidung 216,6 s 115,02 km 8,2 km 2179 m/s 743 m/s 0 m/s 2302 m/s -6378 km -6378 km 0,3 m/s
Sim End 503,4 s 208,53 km 434,5 km 7382 m/s -1036 m/s 0 m/s 7454 m/s -302 km 961 km 37,6 m/s
Winkelvorgabe 503,5 s 0,00 km 0,0 km 0 m/s 0 m/s 0 m/s 0 m/s 0 km 0 km 0,0 m/s

 

Dieses Starship wiegt bei Brennschluss 290 t also mehr als doppelt so viel wie SpaceX reklamiert. Auch bei der Superheavy habe ich 40 t addiert. Trotzdem hat diese in meiner Simulation bei ~ 2000 m/s Brennschluss, während es real unter ~1.800 m/s waren. Das würde immerhin die Orbitmasse des Starships auf etwa 280 t senken, dass entspricht wenn noch Treibstoff für die Landung an Bord ist einer Trockenmasse von etwa 226 t.

Der Schub ist bei ITF-3 niedriger als die SpaceX Angaben, bei der SuperHeavy im Vakuum 2.072 kN anstatt 2.256 kN und bei dem Starship 2.263 kN anstatt 2.452 kN.

Nun ist die Bahn bei ITF-3 nicht optimal, also habe ich mal bestimmt wie hoch der Nutzlast wäre wenn die 40 t Resttreibstoff nicht da wären und man eine optimierte 200 km Bahn erreichen würde, aber mit denselben Daten bis zur Abtrennung der Superheavy. Ich komme auf maximal 60 t. Das Starship wiegt dabei 240 t.Das Starship wiegt dabei 240 t. (Die 290 t bei der ersten Simulation sind ja mit Resttreibstoff, sind es nur 40 t Resttreibstoff. so sinkt die Nutzlast um weitere 10 t auf 50 t)

Rakete: Super Heavy / Starship ITF3-3

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
Nutzlastanteil
[Prozent]
Sattelpunkt
[km]
Perigäum
[km]
Apogäum
[km]

5.240.000

60.000

7.831

1.453

1,15

110,00

200,00

200,00

Startschub
[kN]
Geographische Breite
[Grad]
Azimut
[Grad]
Verkleidung
[kg]
Abwurfzeitpunkt
[s]
Startwinkel
[Grad]
Konstant für
[s]
Starthöhe
[m]
Startgeschwindigkeit
[m/s]

64.104

29

90

0

210

90

15

10

0

Stufe Anzahl Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez. Impuls (Vakuum)
[m/s]
Schub (Meereshöhe)
[kN]
Schub Vakuum
[kN]
Brenndauer
[s]
Zündung
[s]

1

1

3.640.000

381.800

3.443

64104,0

68402,0

164,00

0,00

2

1

1.540.000

240.000

3.546

12407,0

13578,0

339,51

164,00

 

Simulationsvorgaben

Azimut Geografische Breite Höhe Startgeschwindigkeit Startwinkel Winkel konstant
90,0 Grad 28,8 Grad 10 m 0 m/s 90 Grad 15,0 s
Abbruch wenn Ziel-Perigäum und -apogäum überschritten
Perigäum Apogäum Sattelhöhe
Vorgabe 200 km 200 km 110 km
Real 180 km 303 km 110 km
Inklination: Maximalhöhe Letzte Höhe Nutzlast Maximalnutzlast Dauer
27,9 Grad 201 km 190 km 60.000 kg 59.660 kg 503,4 s
Umlenkpunkte Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4
Zeitpunkt 89,5 s 164,0 s 333,8 s 503,5 s
Winkel 56,0 Grad 35,0 Grad 10,0 Grad -14,0 Grad

Wichtige Aufstiegspunkte

Bezeichnung Zeitpunkt Höhe: Distanz: v(x): v(y): v(z): v: Perigäum: Apogäum: Beschleunigung:
Start 0,0 s 0,01 km 0,0 km 0 m/s 0 m/s 0 m/s 0 m/s -6378 km -6378 km 2,4 m/s
Rollprogramm 15,0 s 0,31 km 0,0 km 1 m/s 42 m/s 0 m/s 42 m/s -6370 km 0 km 3,2 m/s
Winkelvorgabe 89,5 s 15,84 km 0,0 km 366 m/s 415 m/s 0 m/s 554 m/s -6345 km 21 km 9,8 m/s
Winkelvorgabe 164,0 s 68,10 km 1,5 km 1724 m/s 1022 m/s 0 m/s 2004 m/s -6122 km 108 km 24,9 m/s
Verkleidung 213,8 s 115,00 km 7,2 km 2104 m/s 781 m/s 0 m/s 2244 m/s -6378 km -6378 km 0,2 m/s
Sim End 503,4 s 189,68 km 418,1 km 7216 m/s -1775 m/s 0 m/s 7432 m/s 180 km 303 km 36,0 m/s
Winkelvorgabe 503,5 s 0,00 km 0,0 km 0 m/s 0 m/s 0 m/s 0 m/s 0 km 0 km 0,0 m/s

Was mich in beiden Simulationen stört, ist die relativ hohe Leermasse, die ich für das Starship annehmen muss, nämlich 100 Prozent Aufschlag. Ich glaube nicht, dass SpaceX so schlecht arbeitet, dass sie sich um 100 Prozent verhauen haben. Bei der Superheavy spielt die Leermasse nur eine untergeordnete Rolle, da ihre Trenngeschwindigkeit so niedrig ist und sie Treibstoff für die Landung braucht. Aber das Starship muss alleine rund 6000 m/s aufbringen, die zum Orbit fehlen, dazu kommen noch Gravitationsverluste. Es wird noch etwas besser, weil in meiner Modellierung die Trenngeschwindigkeit von der Superhevy 300 m/s höher ist als in den Testflügen, das liegt daran, dass ich mich leider nur an den Videodaten orientieren kann und versuchte meine Simulation mit denen in Einklang zu bringen. Ich kenne aber die genauen Bahnparameter natürlich nicht.

Die für mich beste Erklärung für diese krasse Differenz ist, ist dass das Starship noch wie die Falcon 9 noch weiteren Treibstoff beim Wiedereintritt braucht, um abzubremsen. Dies entfällt ja bei der SuperHeavy, allerdings sah man beim letzten Testflug ITF 3 auch, das dieses Konzept nicht funktionierte und der Booster in niedriger Höhe explodierte.

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