Apollo: Trägerraketenwahl

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So allmählich nähert sich wieder ein Jubiläum, nämlich das 55-ste der ersten Mondlandung. Ich habe schon an den letzten Jubiläen 2019 und 2014 viel über das Apolloprogramm geschrieben und will dies nun um einen weiteren Punkt ergänzen: die Wahl der Trägerrakete, das heißt, wie groß ist sie und wie ist sie aufgebaut.

Die Wahl der Trägerrakete ist die grundlegende und erste Entscheidung, die in einem Raumfahrtprojekt getroffen werden muss. Denn ihre Nutzlastkapazität ist die Grenze, die nicht überschritten werden kann. Beim Apolloprojekt gab es zwei wesentliche Unterschiede zu den beiden vorhergehenden Projekten Mercury und Gemini: Es wurde keine existierende Trägerrakete verwendet, sondern ein neuer Träger entwickelt. Wie schwer die Nutzlast war, stand damals noch nicht fest. Das erste Jahr war daher davon geprägt von Diskussionen über die Technologie. Was es zu dem Zeitpunkt (1961) schon gab war das die Entwicklung der Saturn I angelaufen war. Deren erster Teststart am, 27. Oktober 1961 konnte man auch Kennedy vorführen als Beweis, wie gut das Mondprojekt nach nur wenigen Monaten läuft. Ebenso war das F-1 Triebwerk schon in der Entwicklung. Diese war zwei Jahre vorher beschlossen worden. Es war klar, dass man ein schlagkräftigeres Triebwerk für mehr Nutzlast brauchte, auch wenn damals als Einsatzzweck wohl eher eine Raumstation vorgesehen war als eine Mondrakete. Nach Beschluss des Apolloprogramms wurde das F-1 dann aber von 4,45 auf 6,67 Millionen Newton Schub gesteigert. Da man schon vor dem Programm mit der Entwicklung der F‑1 und H‑1 Triebwerke begonnen, hatte sollten die Trägerraketen diese Triebwerke in der ersten Stufe einsetzen.

Nebenbemerkung: die vielen „krummen“ Werte bei Schub oder Abmessungen im US-Programm haben nicht ihre Ursache in genauen Berechnungen, sondern der Tatsache das die im imperialen System erfolgten. Das F-1 wurde mit 1 Million „Pfund Kraft“ (pounds of force) designt und dann auf 1,5 Millionen Pfund Kraft gesteigert. Ebenso entsprechen die krummen Durchmesser der Stufen der Saturn bzw. der Kommandokapsel von 10,06, 6,67 und 3,91 m im US-System 33, 22 Fuß (30,48 cm) und 154 Zoll (2,54 cm).

Die Wahl ergab sich aus der Diskussion über das Verfahren der Mondlandung. Es gab drei mögliche Verfahren mit den Bezeichnungen EOR, LOR und Direct Ascent. O stand für Orbital und R für Rendezvous. E für die Erde und L für den Mond (Lunar). Das missionsärztlich einfachste Verfahren war die direkte Landung. Sie kommt ohne Kopplung aus. Es gibt nur ein Raumfahrzeug, die Kommandokapsel mit Hitzeschutzschild und aerodynamischen Form. Sie sitzt auf einer oder zwei Raketenstufen.

Eine Rakete bringt die Kombination auf Mondkurs. Sie landet dann auf dem Mond – entweder direkt oder über den Umweg über einen Mondorbit. Die Rückkehr läuft dann genauso ab. In der Kapsel landet dann die Besatzung. Außer der Vermeidung von Kopplungen hatte dieses Konzept aber nur Nachteile. Da man die schwere Kommandokapsel zur Mondoberfläche und wieder zurückbringen muss – die Aufstiegsstufe des Mondlanders wiegt ohne Tranks nur ein Drittel der Kommandokapsel – musste die Rakete riesig sein. Nach Verlassen des Erdrotbits wog das Gespann fast so viel wie eine Atlas Trägerrakete vor dem Start.

Das EOR Verfahren variierte das Konzept davongehend dass man zwar immer noch nur ein Raumschiff hatte, aber man die einzelnen Stufen im Erdorbit koppelt. So braucht man anstatt einer großen Rakete (mindestens) zwei Raketen in der Größe einer Saturn V. Das Erdorbitverfahren machte zwar Kopplungen nötig, aber im Erdorbit konnte die Missionskontrolle Schützenhilfe leisten. Gemini sollte ja solche Kopplungen erproben sodass man deise beherrschen würde wenn das Apolloprogramm beginnt.

Erst spät kam das später durchgeführte LOR Verfahren auf. Sein Vorzug war das man anstatt einer Kommandokapsel, die auch den Start und Wiedereintritt überstehen muss, nur einen sehr leichten, nur im Weltraum operierenden Mondlander für die Landung einsetzt. Da man diesen um rund 5.000 m/s abbremsen und beschleunigen musste, sparte man so viel Treibstoff ein und kam mit einer einzigen Saturn V aus. Der Haken war, dass die Kopplung nach der Rückkehr von der Mondoberfläche im Mondorbit erfolgen musste. Bei Funklaufzeiten von 3 Sekunden konnte hier die Missionskontrolle wenig für die Astronauten tun, weshalb dieser Bereich de NASA auch anfänglich am stärksten gegen dieses Verfahren war.

Maßgebliche Überzeugungsarbeit für das LOR Verfahren leistete John C. Houbolt vom Langely Research Center. Neben der Einsparung an Trägerraketen versprach vor allem die rasch fortschreitende Entwicklung der Computertechnik, das man einen Computer der die notwendigen Berechnungen für die erforderlichen Kurskorrekturen in die Mondlandefähren, würde integrieren könnte, wodurch die Astronauten wenig Hilfe von der Missionsleitung brauchten. Dies und vor allem, dass man so nur die Hälfte der Masse die beim EOR oder Direkten Verfahren in einen Erdorbit gelangte, starten musste, führten dazu, dass am 22.6.1962 das LOR-Verfahren definitiv gewählt wurde. Erst danach konnte die Entwicklung des Mondlanders starten. Im Juli 1962 forderte die NASA die Industrie auf Entwürfe einzureichen. Da zu dem Zeitpunkt die Entwicklung der beiden anderen Projekte – Saturn V und Apollo CSM schon ein Jahr lief, wurde der Vertrag sehr schnell finalisiert. Schon am 7.11.1952 erhielt Grumman den Auftrag für das LM.

Zuerst favorisierte das MSFC die Technik des Earth Orbit Rendezvous (EOR). Die favorisierte Lösung dafür war die Saturn C-2. Die Saturn C-2 hatte zwei Triebwerke von 4,45 MN Schub (die erste Version des F‑1, erst später wurde der Schub auf 6,672 MN erhöht) in der ersten Stufe, eines in der zweiten Stufe und ein J-1 Triebwerk in der dritten Stufe. Mit einer Startmasse von etwa 700 t hätte man viele Starts pro Mondlandung benötigt, um den Treibstoff in den Orbit zu befördern. Später wurde die Saturn C-2 noch verkleinert um die H-1 Triebwerke in der ersten Stufe einzusetzen. Je nach Version hätte sie 21 bis 25 t Nutzlast für einen Erdorbit gehabt.

Für Wernher von Braun, in dessen Vision eine Raumstation vor den Missionen zu Mond oder Mars entstand, damit man in ihr die einzelnen Bauteile dafür zusammenbauen oder zumindest zusammenkoppeln konnte, hatte die C-2 noch den Vorteil, das ihre Nutzlast ausreichend für einzelne Module einer Raumstation war. An diese Phase erinnern auch das für die Saturn I/IB drei Startplätze entstanden. Die Saturn V kam mit zwei aus, wobei der zweite nur 1969 als in einem Jahr vier Missionen abhoben, gebraucht wurde.

Parallel verlief am MSFC die Planung für die Saturn C-8 oder Nova, da die STG (Space Task Group) die direkte Landung favorisierte. Sie hätte acht F‑1 Triebwerke in der ersten Stufe benötigt. Die STG war eine Gruppe in der NASA, welche die bemannten Programme designte. Mercury wurde weitestgehend von der STG geleitet.

Während die Wahl von Sauerstoff und Kerosin für die ersten Stufen aller Versionen nie zur Disposition stand, war die Frage des Treibstoffs der Oberstufen offen. Im Laufe des Jahres 1959 fiel die Entscheidung für die Benutzung von Wasserstoff in den Oberstufen. Wernher von Braun war besorgt, weniger wegen des Antriebs als vielmehr wegen des Handlings der großen Mengen an Wasserstoff am Startplatz. Er konnte aber durch die Erfahrungen, die beim Lewis-Forschungszentrum in den vergangenen Jahren mit wasserstoffbetriebenen Flugzeugen gewonnen wurden, überzeugt werden. Im Herbst 1961 stand die Forderung für den Antrieb der Oberstufe: er sollte 150.000 Pfund (667,2 kN) Schub aufbringen. Das wurde zu Jahresende auf 200.000 Pfund (890 kN) erhöht. Das war die Vorgabe für das J‑2 Triebwerk. Es half allerdings auch, dass das RL-10 Triebwerk für die Centaur keinerlei Probleme in der Entwicklung hatte, während die Centaur etliche hatte. Die Saturn I setzte dann auch sechs RL-10 ein, allerdings in einer Stufe mit herkömmlicher Bauweise ohne die Innovationen der Centaur. Alle Starts verliefen anders als die der Atlas-Centaur problemlos und so hob die letzte Saturn I ab, bevor die Atlas-Centaur überhaupt qualifiziert war.

Im Februar 1961 gab das MSFC die C-2 auf und plante die C-3 mit drei Trieb­werken in der ersten Stufe. Damit benötigte man weniger Flüge für das EOR-Verfahren. Im Laufe des Jahres 1961 tauchten dann noch die Entwürfe für die C-4 mit vier Triebwerken in der ersten Stufe und die C-5 mit fünf Triebwerken zu Jahresende auf. Weitere Varianten kamen hinzu, indem die Zahl der J‑2 Triebwerke in den Oberstufen wechselte oder F‑1 Triebwerke in den Oberstufen durch J‑2 ersetzt wurden. So sollten C-2 und C-3 zuerst das F‑1 Triebwerk in der zweiten Stufe einsetzen. Ein späterer Vorschlag für die C-3 sah vier J‑2 in der zweiten, zwei J‑2 Triebwerke in der dritten Stufe aber nur noch zwei F‑1 in der ersten Stufe vor.

Dieses Durcheinander endete am Jahresende 1961, als sich das MSFC intern auf die Entwicklung der Saturn C-5 einigte. Die erste Version der Saturn C-5 hatte noch vier J‑2 Triebwerke in der zweiten Stufe S‑II. Am 6.11.1961 wechselt das MFSC, um die Nutzlast zu erhöhen, von vier auf fünf Triebwerke in der S‑II. Am 25.1.1962 gab das NASA‑Hauptquartier das Okay für die Entwicklung der Saturn C-5. Sie hatte damals eine projektierte Nutzlast von 113 t in den Erdorbit und 41 t zum Mond.

Im Frühjahr 1962 gab das MSFC die Entwicklung der Nova endgültig auf. Sie hätte acht bis zehn F‑1 Triebwerke in der ersten Stufe erfordert. Dazu ein neu ent­wickeltes M-1 Triebwerk, das Wasserstoff verbannte, in der zweiten Stufe. Der Hauptgrund für die Aufgabe war die Terminvorgabe. Die größere Nova brauchte länger für die Entwicklung und es gab seit dem 25.5.1961 die Deadline „bis zum Ende des Jahrzehnts“. Die C-5 war kleiner, aber dadurch ein Jahr früher fertig. Damals rechnete man mit einem operationellen Betrieb ab November 1967. Real erfolgte der erste Start zwar im November 1967. Doch in den operationellen Betrieb ging der Träger erst ab Dezember 1968.

Anders verlief die Entwicklung der Saturn I. Sie wurde als Saturn C-1 vor dem Apolloprogramm entwickelt, mit dem Ziel, die NASA‑Flotte um eine Trägerrakete mit einer Nutzlast von 10 t zu erweitern. Geplant als dreistufige Trägerrakete (S-I / S‑IV / S-V), wurde zwischen Januar und Mai 1961 die dritte Stufe S-V gestrichen. Dadurch blieb die Saturn I auf Erdorbitmissionen beschränkt. Mit dem Beschluss des Baus der Saturn V wurde die Entscheidung getroffen, die letzte Stufe S‑IVB auf der Saturn I einzusetzen. Diese Version, Saturn IB, wurde damit zu einen Testvehikel. Die neue Oberstufe war deutlich größer war als die bisher geplanten Stufen S‑IV und S-V. Damit war es möglich, Teile von Apollo, wie das CSM ohne Treibstoff oder den Mondlander, alleine im Erdorbit zu testen. Dies ent­lastete den Zeitplan.

Die Nutzlast der Saturn V wurde durch bessere Leistungswerte, aber auch Gewichtseinsparungen (vor allem bei der S-II Stufe) bis zum Ende des Programms von 45 t (erste Version) auf 49 t gesteigert. Das machte die verlängerten Missionen (ab Apollo 15) erst möglich.

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