Bernd Leitenbergers Blog

Die (kurze) Geschichte von fünf Schwerlastraketen

Nun da gerade zwei Schwerlastraketen in Dienst gestellt werden, ist es vielleicht an der Zeit, mal die Geschichte der bisherigen Schwerlastraketen anzuschauen. Dich zuerst einmal muss man den Begriff „Schwerlastraketen“ definieren. Also eine einfache Definition wäre eine Rakete, die gedacht ist Menschen zu anderen Himmelskörper zu befördern. Dafür braucht man eine hohe Nutzlast. Das würde aber das Starship aus dieser Rubrik ausschließen. Das Lunar Starship soll das zwar auch leisten, doch nur mit etlichen Tankstarts. Bei dem Gewicht einer normalen Kapsel würden das auch normale Raketen wie die Vulcan oder Ariane 6 (mit weniger Tankflügen) schaffen. Zudem wurde sie für LEO-Transporte designt.

Ein anderes Kriterium wäre eine Nutzlastmasse von über 100 t im Erdorbit. Dann wäre aber die erste Version der N-1 draußen, die diese Grenze nicht schaffte. Auf der anderen Seite wäre das Space Shuttle bei dieser Definition mit drin, denn das wog beim Eintritt in den Erdorbit über 100 t.

Daher wende ich das einfachste Kriterium an: Der Autor definiert einfach, was eine Schwerlastrakete ist.

Saturn – Schedule Driven

Bei der Saturn waren die Entwickler mit dem Problem konfrontiert, in sechs Jahren eine Rakete zu entwickeln, die 20-mal schwerer als die bisher größte im Einsatz befindliche Rakete, die Atlas war.

Dies ging nur, wenn man mehrere Triebwerke bündelt. Bisher setzten Raketen nur ein oder zwei Triebwerke ein. Dieses Konzept wurde – wie die Drittstufe auf der kleineren Saturn I und IB erprobt, die ursprünglich die ersten bemannten Missionen durchführen sollte. Aber durch Veränderungen des Zeitplans gab es keine bemannten Saturn I und nur eine bemannte Saturn IB Mission davor der Mondlandung.

Wernher von Braun setzte auf Kerosin/LOX als erprobte Treibstoffkombination in der ersten Stufe und Wasserstoff in den oberen Stufen. Sicherheit wurde großgeschrieben. Es gab, wo immer es ging, Redundanzen: so drei Sensoren um ein Triebwerk bei Störungen abschalten, zwei unterschiedliche Systeme um das Triebwerk der dritten Stufe erneut zu starten. Die Triebwerke der ersten Stufe wurde vor dem Start dreimal gezündet und arbeiteten dabei länger als später im Betrieb.

Kennzeichnend für das ganze Programm war das es „schedule driven“ war. Sprich, nicht die Minimierung der Kosten zählte, sondern die Einhaltung des Terminplans. Die NASA zahlte alle Kosten der Unterauftragnehmer und legte noch eine Prämie obendrauf, wenn sie den Zeitplan einhielten. Um möglichst Flüge einzusparen, entstanden so Teststände in denen man eine ganze Saturn V Erststufe mit einem Schub von 34.000 kN am Boden über die volle Brennzeit testen konnte. So war die Entwicklung für heutige Verhältnisse sehr teuer, die Saturn machte 40 % der Aufwendungen für das Apolloprogramm aus.

Der Lohn war, dass alle 33 Starts einer Saturn I / IB und V gelangen. Nur bei einem Saturn Start gab es gravierende Probleme: Beim zweiten Teststart fielen Triebwerke in der S-I und S-II aus. Die Mission (Erprobung des Apolloraumschiffs) konnte mit dem Treibstoff des CSM aber durchgeführt wurden.

N-1

Die N-1 als Gegenstück hat eine andere Geschichte als die Saturn. Zuerst einmal wurde sie lange Zeit nicht genehmigt. Chruschtschow investierte das Geld lieber in die Versorgung der Bevölkerung als in eine Rakete. Erst mit seiner Entmachtung bewilligte Breschenjew die Mittel. Die N-1 lag so Jahre hinter der Saturn V zurück.

Koroljow war weitaus weniger wagemutig als Wernher von Braun, musste es vielleicht auch wegen der viel geringeren Mittel und des engeren Zeitplans sein. Er setzte LOX/Kerosin bei allen Stufen ein. Anstatt den Schub wie bei den F-1 der Saturn gegenüber bisherigen Triebwerken zu verzehnfachen, blieb er beim doppelten Schub und benötigte so 30 Triebwerke für die erste Stufe. Teststände, bei denen man eine ganze Stufe testen konnte, gab es aus Kostengründen nicht, nicht mal jedes Triebwerk wurde einzeln geprüft.

Dazu kam ein Zerwürfnis mit Gluschko, der dem führenden Kombinat für russische Triebwerke vorstand. Koroljow musste sich einen anderen Partner suchen und fand ihn im Hersteller von Strahlturbinen Kusnezow. Seine Ingenieure hatten aber bisher keine Raketentriebwerke entwickelt. So verwundert es nicht, das alle vier Starts der N-1 an Triebwerksproblemen scheiterten.

Die erste Version der N-1 hätte auch eine zu geringe Nutzlast für eine Mondmission gehabt, obwohl diese mit nur zwei Kosmonauten durchgeführt wurde. Erst die verbesserte N-1 F wäre dazu fähig gewesen. Sie wurde aber eingestellt, als Gluschko das OKB 1, das Koroljow dann Mischin leiteten, übernahm.

Die Kosten des Mondprogramms (mit 16 Flugmustern der N-1) wurden auf 4,97 Milliarden Rubel angegeben. Davon hatte man bis zur Einstellung schon 3,6 ausgegeben, davon wiederum 2,4 Milliarden für die N-1. Die Umrechnung des Rubels ist eine westliche Währung ist schwer. Aber Schätzungen basierend auf den Preisen für andere Raketen und Vergleiche mit westlichen Gegenstücken lassen die 2,4 Milliarden Rubel in einem Bereich von 3 bis 4,8 Milliarden US-Dollar einordnen. Die USA gaben für die Entwicklung der Saturn V 7,5 Milliarden Dollar aus.

Ares I+V

In einer viel besseren Lage befand sich die NASA als sie von Bush beauftragt wurde neue Schwerlastraketen für das Constellationprogramm zu entwickeln. Geeignete Antriebe gab es nämlich. Die NASA konstruierte zwei Raketen – die Ares I die bemannt eingesetzt wurde und die Ares V die unbemannt die Lasten transportieren sollte. Diese Trennung erhöht nicht nur die Nutzlast leicht. Sie senkt die Anforderungen für die Sicherheit der Ares V auch ab und macht sie so billiger.

Die Space Shuttle SRB lieferten in beiden Raketen den meisten Schub. Diese sind aus Segmenten aufgebaut und können jeweils um ein halbes Segment verlängert werden, so konnte man die Performance leicht anpassen.

Bei den Triebwerken wurde dagegen diskutiert. Ursprünglich sollte die zweite Stufe der Ares I von einem SSME angetrieben werden. Dann schwenkte die NASA auf das J-2X auf, das aus dem J-2 der Saturn V entwickelt werden sollte. Es trieb schon die letzte Stufe der Ares V an. Für die Zentralstufe der Ares V waren die in der Delta 4 verwendeten RS-68 vorgesehen. Es waren die schubkräftigsten Triebwerke die Wasserstoff als Treibstoff nutzten. Sie waren nicht man-rated, was aber bei der unbemannten Ares V keine Rolle spielte. Das SSME wurde evaluiert, es war aber einfach nicht schubkräftig genug.

Das Constellation Programm sollte vor allem dadurch finanziert werden, das die beiden bisherigen bemannten Programme Space Shuttle und ISS eingestellt werden. So war es noch nicht weit gediehen, als 2012 es die neue Regierung unter Obama einstellen lies. Bis dahin hatte es nur einen Teststart der Ares I mit Ballast in Form der Oberstufe gegeben.

SLS

Die Geburt des SLS war schon seltsam. Als Ares I und V eingestellt wurden, gab es Widerstand von den Senatoren in Bundesstaaten, in denen diese Raketen produziert werden sollten. So beauftragte der Senat und nicht der Präsident die NASA ein neues Konzept auszuarbeiten, das der SLS, die deswegen oft nicht als Space Launch System, sondern Senate Launch System abgekürzt wird.

Die SLS ist im Prinzip eine billigere Version der Ares V. Es werden erneut die SRB eingesetzt, nur ein halbes Segment kürzer. Die Zentralstufe wurde im Durchmesser von 10,06 auf 8,38 m verringert. Das ist der Durchmesser des Space Shuttle Tanks, dadurch waren keine neuen Fertigungsanlagen nötig. Auch wurden verbesserte RS-68 durch SSME ersetzt, die man nach dem Ausmustern des Space Shuttles noch auf Lager hatte. Langfristig verteuert das einen Start, aber da diese Triebwerke extrem teuer sind.

Die Oberstufe wurde komplett gestrichen. Die ersten Flüge werden mit einer Delta 4 Oberstufe durchgeführt, erst später wird eine größere Oberstufe konstruiert werden, aber nicht mit dem J-2X dessen Entwicklung beendet wurde, aber von der NASA als zu schubstark eingestuft wurde. Die derzeitige SLS kann daher nur Mondorbit Missionen durchführen. Trotzdem wurde die Rakete sehr teuer, weil das US-Parlament nicht der NASA die Mittel für einen typischen Entwicklungszyklus bewilligte. Sie mussten gestreckt werden, was bei festen Fixkosten die Entwicklung ausbremste und verteuerte. Aufgrund dessen ist ein Start einer SLS nur alle zwei Jahre möglich und er ist inflationsadjustiert teurer als der einer Saturn V.

Immerhin absolvierte die erste SLS aber im Dezember 2023 ihre Mission ohne Probleme – das kann man weder von der N-1 noch dem parallel entwickelten Starship behaupten.

Starship

Das Starship ist einerseits Bestandteil von Elon Musk Mars-Vision, auf der anderen Seite ist es Kernbestandteil des Starlink-Netzwerks. Dessen Satelliten in der zweiten Ausbaustufe wiegen mit 1,5 t sechsmal mehr als die der ersten Generation und können so mit Falcon 9 nicht mehr in ausrechnender Zahl befördert werden.

Pläne für ein vollständig wiederverwendbares Gefährt veröffentlichte SpaceX seit langem. Doch konkret nach Abschluss der Designphase wurde es erst 2016 vorgestellt. 2019 erhielt das Programm nach weiteren Änderungen den Namen Starship und Elon Musk kündigte den ersten Start schon in einem Jahr an.

Daraus wurde nichts. Prototypen explodieren schon bei Druckbeaufschlagungstests oder knickten von alleine um. SpaceX brauchte fünf Prototypen und über ein Jahr bis nur die Landung des Starships aus 10 km nach einem freien Fall klappte.

Dann tat sich zwei Jahre lang gar nichts, bis im April 2023 der erste Start anstand. Viele Triebwerke der Superheavy fielen aus, es gab Brände im Heck und die Stufentrennung scheiterte. Selbst das Flight Termination System reagierte nicht und die Rakete drehte antriebslos über eine Minute Loopings bis sie gesprengt wurde. Die beim Start angerichteten Zerstörungen auf der Startrampe aber auch der Umgebung führten zu scharfer Kritik an der FAA welche diesen Start erlaubte und riefen andere US-Behörden auf den Plan.

Beim zweiten Start fielen keine Triebwerke der SuperHeavy aus, die Stufentrennung gelang, nur die Superheavy konnte nicht geborgen werden, da sie kurz darauf explodierte. Eine Turbopumpe war explodiert und hatte die anderen Triebwerke beschädigt. Auch das Starship erreichte keinen Orbit. Die Ursache war bizarr: Man lies während die Triebwerke arbeiteten flüssigen Sauerstoff ab, das führte zu einem Brand und zur Explosion, 30 Sekunden vor Erreichen des Orbits.

Beim dritten Teststart vier Monate später gelang die Rückführung der Superheavy zum Startplatz, doch ihr Landemanöver fiel aus und sie wurde durch die aerodynamischen Kräfte zerrissen. Das Starship auf einer suborbitalen Bahn absolvierte einen Teil der Tests. Auch hier konnte ein Raptor nicht erneut gezündet werden. Die Ursache waren wohl die unregelmäßige Rotation des Starships, die auch vor dem Wiedereintritt nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte. So fehl orientiert verglühte das Starship in 65 km Höhe.

Es wird weitere Tests geben. Schon alleine, weil ohne das Starship das Starlink als Cash-Cow von SpaceX auf wackeligen Füßen steht. Die Nutzlast ist bei derzeitigen Starship auf die Hälfte des Sollwertes gesunken: von 100 azuf 40 bis 50 t. So plant SpaceX Upgrades Der Triebwerke und Verlängerungen der Stufen um die Zielnutzlast zu erreichen und zu übertreffen. Natürlich kann hier das gleiche wie beim Starship V1 passieren, das auch diese Starships V2 und V3 die Nutzlast nicht erreichen. Von neuen Problemen mit neuen Triebwerken und verlängerten Stufen ganz zu schweigen.

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