Einsatzgeschichte der Saturn I

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Heute als Vorgängerin der Saturn IB und des Apolloprogramms fast vergessen, war die Saturn I ein wichtiger Zwischenschritt bei der Entwicklung der Saturn V. Dies ist eine Übersicht über ihre Starts. Der folgende Text entstammt meinem Buch über die Saturn Trägerraketen. Das gibt es überall im Handel, bei meinem Verlag BOD und bei Amazon. Heute kommt Teil 1, morgen Teil 2 mit den Starts mit Oberstufe.

Kurzzusammenfassung

Die ersten vier Flüge Saturn-Apollo SA‑1 bis SA‑4 (Block I) waren Tests der Erststufe ohne Ober­stufe. Die Block I Starts führten anstatt Oberstufen Wasser als Ballast mit, welches in der Hochatmosphäre als „Highwater“ Experiment frei­gesetzt wurde. Bei SA‑2 wurden 90 t Wasser in 95 km Höhe freigesetzt. Dort bildete es innerhalb von fünf Sekunden eine 7 km große Wolke. Sie stieg bis in eine Höhe von 144 km auf. SA‑3 testete die Retroraketen der ersten Stufe mit einer Dummy-Oberstufe und erprobte die Stufentrennung. Bei SA‑4 wurde eines der acht H‑1 Triebwerke nach 100 s abgeschaltet, um zu testen, ob die Saturn die Mission noch durchführen konnte. Die Block I Typen nutzten die erste Serienversion des H‑1 Triebwerks mit einem Schub von 734 kN, die Block II Typen dann die 836-kN-Version. Durch den geringeren Schub des Triebwerks wurden die S-I Stufen nicht voll betankt. Bei den ersten beiden Starts waren sie nur zu 83 Prozent betankt.

Die Block I Raketen setzten eine S-I ohne Finnen ein. Diese wurden erst bei der Block II montiert. Die Finnen von Block II waren ein Aus­gleich dafür, dass die Triebwerke nur noch um 8 anstatt 14 Grad wie bei Block I schwenkbar waren.

Die folgenden drei Flüge (Block II) qualifizierten die Oberstufe S-IV. Bei SA-5 wurde ein Prototyp der späteren IU eingesetzt. Die Nutzlast war Ballast unter einem Konus der Jupiter Rakete. Die Gesamtmasse, die in den Erdorbit gebracht wurde, lag bei 38.000 Pfund (17.230 kg, inklusive der leeren S‑IV). Dies entsprach damals der höchsten Bruttomasse in einem Erdorbit.

SA‑6 brachte zum ersten Mal ein Modell der Apollo-Kapsel in den Orbit. Es zeigte sich, dass die „Engine-out capability“ nützlich war, denn eines der H‑1 Triebwerke fiel ungeplant aus. Trotzdem konnte mit den restlichen sieben Triebwerken ein Orbit erreicht werden. Der Bordcomputer kompensierte den Ausfall vollständig und das Modell erreichte die vorgesehene Umlaufbahn.

Nachdem alle Testflüge erfolgreich waren, wurde das Erprobungsprogramm der Saturn I vor­zeitig abgeschlossen. SA‑7 brachte erneut eine Apollokapsel in den Orbit. Neben deren Erprobung ging es um das Testen einer neuen Methode, den Fluchtturm von der Trägerrakete zu trennen. Der Fluchtturm wurde im Normalfall nach 168 Sekunden, 12 s nach Zündung der zweiten Stufe, abgetrennt. Danach war die Rakete um 3.000 kg leichter. Das neue Verfahren trennte ihn 7 Sekunden früher ab.

Die letzten drei Flüge transportierten neben einem Modell des Apollo-Raumschiffs einen Pegasus Satelliten. Er war fest mit der Oberstufe S‑IV verbunden und sollte feststellen, ob Mikro­meteoriten eine Gefahr für zukünftige Missionen darstellen können. Dazu verfügte er über große, mit Metall überzogene Flächen, die unter Spannung standen. Sie wurden nach dem Start wie Solarpaneele entfaltet. Wurden sie von einem Staubteilchen durchlöchert, so erzeugte dies einen Stromimpuls, der gemessen wurde. Es zeigte sich, das Mikrometeoriten keine Gefahr darstellten, selbst wenn sich die Besatzung in einem Raumanzug außerhalb des Raumschiffs befand. SA‑8 war die erste Trägerrakete, deren Stufen von der Industrie gebaut wurden. Außerdem war es die erste Saturn, die nachts startete. Bei diesem Flug wurde die Internal Unit (IU, Bordelektronik) IU der Saturn IB und V erstmals im „geschlossenen Kreislauf“ erprobt. Der Bordcomputer berechnete in regelmäßigen Abständen die beste Aufstiegsbahn, mit welcher der gewünschte Orbit mit minimalem Treibstoffverbrauch erreichbar war.

Die beiden letzten Saturn I, SA‑9 und SA‑10 wurden von der NASA genutzt, um zwei weitere Pegasus Satelliten zu starten. Die NASA hatte ursprünglich 16 Saturn I bestellt. Doch schon Ende 1964 hatte die NASA die Bestellung auf 13 Erststufen, elf IU und zehn S‑IV begrenzt. Es gab noch genügend Hardware, um mindestens eine weitere Saturn I zu fertigen.

Die Saturn I Entwicklung und die Produktion von zehn Trägern kosteten 880,1 Millionen Dollar. Bis zu 12.400 Personen arbeiteten an dem Programm.

Die Starts ohne Oberstufe SA1- bis SA-4

Dieses Kapitel enthält eine kurze Beschreibung aller Starts der Saturn, was die Mission der Trägerrakete angeht. Verglichen mit heute ging die Entwicklung enorm schnell. So wurde die Startrampe LC-34 erst am 5.6.1961 eingeweiht. Keine vier Monate später startete die erste Saturn von LC-34.

Die erste Saturn I, SA‑1 hob am 27.10.1961 ab. Die erste Stufe, die als einzige Stufe aktiv war, wurde am 15.8.1961 ausgeladen und auf LC-34 errichtet. Auf ihr waren nur zwei Modelle von Oberstufen (geplant war damals eine Oberstufe mit der Bezeichnung S-V, sie wurde durch eine Attrappe von der Größe einer Centaur modelliert) angebracht. Sie hatten ein Gewicht von 52.240 kg (kombiniert) als Ballast.

Die erste Stufe wurde nicht voll mit Treibstoff betankt, sondern nur zu 83 Prozent. So wog die Rakete 460 t beim Start und war 49,38 m lang. Das war der ersten Generation H‑1 Triebwerken geschuldet, die nur 734 kN Schub hatten. Die folgende Generation würde 836 kN Schub liefern und damit auch das Vollbefüllen der Tanks zulassen. Die inneren vier Triebwerke schalteten nach 109 Sekunden ab, die äußeren nach 115 Sekunden. Eine Spitzengeschwindigkeit von über 1.600 m/s wurde erreicht. 500 Messparameter wurden zu den Bodenstationen übertragen.

Die Rakete er­reichte eine Gipfelhöhe von 136,5 km und schlug nach acht Minuten 345,7 km vom Startort entfernt im Atlantischen Ozean auf. Das einzige Vorkommnis war, dass sich die Triebwerke 1,6 s vor dem geplanten Zeitpunkt abschalteten. Die Untersuchung des Ereignisses er­gab, dass man 400 kg zu viel Sauerstoff und 410 kg zu wenig Kerosin zugeladen hatte. Die Triebwerke hatten beim Verbrauchen des Kerosins vorzeitig abgeschaltet. Dies würde bei den operativen Starts, mit vollen Tanks, nicht vor­kommen und erforderte so keine Korrektur.

Ein halbes Jahr später stand der zweite Teststart an. Er war er im Wesentlichen eine Wiederholung des Ersten. Es sollte die Antriebs­leistung gemessen werden, die aerodynamischen Belastungen bestimmt und die Genauigkeit der Rakete und ihres Steuersystems untersucht werden.

Die wichtigste Änderung war der Einbau zusätzlicher Blenden in die Tanks, nachdem man bei Auswertung der Daten von SA‑1 ein zu starkes Schwappen der Treibstoffe festgestellt hatte.

Die erste Stufe der SA‑2 kam am 27.2.1962 an. Bald stellten sich zahlreiche kleine Probleme ein. Das größte war ein Leck zwischen dem Sauerstofftankdom und den Leitungen zu Triebwerk 4. Die Reperaturen hielten den Start jedoch nicht auf.

Erneut wurden die Oberstufen durch Modelle ersetzt, die diesmal mit Wasser als Ballast gefüllt waren. Im Projekt „Highwater“ setzte die Saturn I das Wasser in der Ionosphäre frei. Dabei wurde sie von Teleskopen beobachtet. In der Höhe, in der das Wasser freigesetzt wurde, herrscht ein Vakuum (es gab sogar einige Satelliten, die sich bis auf 100 km der Erde näherten, das wäre in einer dichten Atmosphäre unmöglich). Deswegen war offen, was passieren würde, wenn man das Wasser freisetzt. Stufe 2 enthielt 44 t Wasser, Stufe 3 weitere 42 t. Explosions­ladungen rissen fußballgroße Löcher in die Stufen – groß genug, dass das Wasser austreten konnte, aber zu explosionsschwach, als dass sich das Wasser sofort zu einer Wolke geformt hätte. Die Löcher waren so bemessen, dass der Austritt einige Sekunden dauerte.

Die erste Stufe S-I war erneut nur zu 83 Prozent befüllt, da noch die erste Charge der H‑1 Triebwerke mit 734 kN Schub (zweite Charge: 836 kN) zum Einsatz kam. Zugeladen wurden 283 t Treibstoff.

Die H‑1 hatten wie vorgesehen Brennschluss nach 115 s in 56 km Höhe. Eine Spitzengeschwindigkeit von 6.400 km/h wurde erreicht. Als die Rakete nach 160 Sekunden 105,3 km Höhe erreichte, löste man durch Funkkommando die Dynamitsprengladungen aus. Beobachter sahen nach wenigen Sekunden eine Wolke, die etwa 5 Sekunden lang sichtbar blieb. Die Überwachung durch Mess­instrumente wies nach, dass die Wolke bis auf 160 km Höhe stieg.

Der nächste Start SA‑3 wiederholte das Highwater-Experiment, erprobte neue Hardware und war der erste mit voller Tankbefüllung von 340.000 kg. Diesmal dürften die vier äußeren Triebwerke arbeiten, bis Sensoren den Verbrauch des Treibstoffs signalisierten. SA‑2 wurde dagegen abgeschaltet, wenn eine vorgegebene Ziel­geschwindigkeit erreicht wurde. Erstmals installiert und erprobt wurden die Retro­raketen, welche die S-I als Teil der Stufentrennung abbremsten. Um ihren Ein­fluss zu messen, gab es 18 Temperatursensoren in der Oberstufenattrape. Daneben wurde neues Equipment für die folgenden Block II Flüge erprobt, so neue Tele­metriesender, ein Prototyp der ST-124 Kreiselplattform, welche für die Saturn IB/V vorgesehen war, eine neue Antenne, Sender im UHF-Band und PCM-Modulation.

Die erste Atlas Centaur war kurz vorher am 8.5.1962 bei einem Start explodierte. Da die S-V Dummystufe die Abmessungen einer Centaur hatte, montierte man dort ein Aluminiumblech mit 11 Drucksensoren, um die Belastungen beim Durchlaufen der unteren Atmosphäre zu messen. Nachdem ein Isolationspaneel vom Wasserstofftank abriss, war die Atlas Centaur nach 55 Sekunden kurz vor Erreichen von Max-Q explodiert. Daneben wurde an der Startbasis schon Equipment für Block II eingesetzt, unter anderem der neue 110 m hohe Serviceturm.

Die Dummyoberstufen wurden mit 87.330 kg Wasser gefüllt. Neue Spreng­ladungen schnitten nun Längsrisse anstatt kreisrunde Löcher in die Stufen.

Die S-I für SA‑3 kam am 19.9.1962 an, wurde aber, da ein Wirbelsturm heranrückte, erst am 21.9.1962 aufgerichtet. Am 24.9.1962 wurden die beiden Oberstufenmodelle angebracht. Der Start erfolgte am 16.11.1962. Die vier inneren Triebwerke wurden durch die IU nach 141,7 s in 61 km Höhe abgeschaltet, gefolgt von den vier Äußeren nach 149,1 s in 71 km Höhe. Das war etwas später als be­rechnet. 4 Sekunden später wurden die Retroraketen aktiviert. Als die Rakete nach 292 s eine Höhe von 167 km erreichte, wurden die Sprengladungen ausgelöst. Erneut war die entstehende Wolke rund drei Sekunden lang visuell sichtbar.

Der Start war im Wesentlichen erfolgreich. Es gab jedoch einige Abweichungen. So erzeugten die Retroraketen an den Dummyoberstufen viel höhere Temperaturen als vorgesehen und induzierten ein Rollen der S-I. Daneben war die Telemetrie teilweise unleserlich. Die Daten der Sensoren am Alupaneel, als Simulation der Centaurhülle, zeigte in der Tat eine Zone mit besonders niedrigem Druck, sobald die Rakete Mach 0,7 erreichte. Das half es die Befestigung des Isolationspaneels zu verbessern.

Der Start SA‑4 war der letzte Einsatz von Block I, also noch ohne Oberstufe. Wichtigstes Ziel des Tests war die Erprobung der Engine-Out-Fähigkeit der Saturn. Nach 100 Sekunden wurde Triebwerk #5 abgeschaltet. Wasser wurde diesmal in den Oberstufenattrappen nicht mit­geführt, stattdessen Ballast mit einem Gewicht von 52 t.

Nach nur 54 Tagen Vorbereitungszeit, der kürzesten bisher, hob SA‑4 am 28.3.1963 ab. Nach 100 s wurde planmäßig das Triebwerk 5 abgeschaltet. Das Verteilen des Treibstoffs über die Spinne im Schubgerüst in die anderen sieben Triebwerke klappte reibungslos. Anders als erwartet, zerlegte sich das Triebwerk durch die Notabschaltung (also nicht wie normal, indem zuerst der Sauerstofffluss unterbrochen wird und danach das Kerosin) nicht. Die noch im Triebwerk vorhandene Restmenge an Kerosin stellte sich als wirksame Kühlung heraus. SA‑4 erreichte eine Gipfelhöhe von 129 km und eine Spitzengeschwindigkeit von 5.900 km/h. Damit waren die Block I Flüge abgeschlossen. Der nächste Start würde mit aktiver Oberstufe sein. Der erfolgreiche Test der Engine-Out Fähigkeit war ein wichtiger Meilenstein für das Apolloprogramm, denn auf ihr beruhte auch ein Teil der Sicherheitsarchitektur der ersten beiden Saturn V Stufen.

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