Vor dem viertem Testflug des Starships (ITF-4) – Teil 1

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Es ist noch nicht ganz Juni, aber da es aktuelle Neuigkeiten von meiner Lieblingsfirma gibt, will ich euch diese nicht vorenthalten. Zum einen gibt es einen Starttermin für den vierten Testflug des Starships, TF-4 (Integrated Test Flight = ITF). Er soll nun am 5. Juni stattfinden.

Da dieser Artikel etwas umfangreich wird, habe ich ihn in zwei Teile aufgeteilt, der zweite Teil folgt morgen. Bitte haltet euch bis dahin mit Fragen zurück, kommentieren dürft ihr um was es hier geht aber natürlich immer gerne.

Vorher hatten Musk und Shotwell ja einen Start im Mai angekündigt, an den ich nicht glaubte (ich hätte dagegen wetten sollen). Denn die Halbierung der Zeit von vier Monaten auf zwei Monate zwischen zwei Teststarts ist dann doch sehr optimistisch. Nach Musk können sie zwar sechs Starships pro Jahr fertigen, aber es müssen die Daten aus dem letzten Flug ja auch ausgewertet werden und Änderungen umgesetzt werden, sonst passiert den beiden Stufen das Gleiche wie beim letzten Testflug.

Bei diesem Testflug wird es wieder eine suborbitale Bahn geben. Sie gewährleistet, dass das Starship von alleine wieder in die Erdatmosphäre eintritt. In einem Orbit müsste es aktiv abgebremst werden und scheitert das, so hat man ein 120+ t schweres Gefährt im Orbit, dessen Wiedereintrittspunkt nicht mehr vorhersehbar ist, was ziemlichen Ärger mit der FAA einbringen würde.

Ebenso gibt es keine Demonstrationen im Orbit. Beim letzten Testflug waren es ja drei: der Transfer von Treibstoff, das Öffnen und Schließen der Nutzlastsektion und das Wiederzünden eines Raptors im Orbit. All diese Dinge sind wichtig für das spätere Programm. Ohne Treibstofftransfer wird es nichts mit dem HLS-Kontrakt. Ohne sich öffnende Nutzlastsektion kann man weder Satelliten aussetzen noch das Starship wiederverwenden (bei offener Sektion geht die aerodynamische Gestalt verloren und es verglüht beim Wiedereintritt). Und ohne wiedergezündetes Raptor-Triebwerk klappt weder der Wiedereintritt noch alles, was höhere Bahnen erfordert, wie SSO- oder GTO-Transporte und eben auch der Start zum Mond.

Nachlese ITF-3

Es gibt Neuigkeiten vom letzten Testflug. So klappte der Treibstofftransfer: Es wurde Sauerstoff vom Nebentank zum Haupttank umgepumpt. Da dies ein bezahlter Auftrag seitens der NASA war, ist das natürlich nicht nur finanziell wichtig, sondern auch für den Fortschritt des HLS-Projekts. Da sieht es nämlich derzeit so aus, dass Blue Origin, obwohl sie ihren Entwicklungsauftrag erst später erhielten, weiter ist, und die NASA erwägt, die beiden Testflüge zu tauschen, was eine ziemliche Blamage für Elon Musk wäre, der ja seinen Entwicklungskurs, der einmalig in der Raumfahrt ist, so anpreist.

Was mich daran mehr verwundert hat, ist, dass der Transfer vom Nebentank zum Haupttank ging. Wenn ich den Treibstofftransfer beim HLS möglichst genau nachbilden will, dann ist das logisch, denn es fehlt ja das zweite Starship, in dessen Tank ich in diesem Szenario umpumpen muss. Aber will ich die Nutzlast optimieren, so macht die umgekehrte Reihenfolge Sinn. Wie bei jeder Rakete bleiben Treibstoffreste übrig, die unvermeidlich sind, will man nicht riskieren, dass die Triebwerke durchbrennen, wenn eine Komponente ausgeht. Bei der Superheavy sind es nach Elon Musk 20 t. Die große Menge kommt dadurch zustande, dass die Tanks in Domen enden. Die Löcher für die Triebwerke verteilen sich aber über die ganze Domfläche, anstatt wie bei einem Triebwerk nur eine Leitung im tiefsten Punkt des Doms anzulegen. So muss der Triebwerksbetrieb gestoppt werden, sobald die äußeren Triebwerke mit Öffnungen oben am Dom keinen Treibstoff mehr bekommen. Beim Starship dürfte die Situation mit sechs Triebwerken besser sein, aber es wird immer Treibstoff übrig bleiben, und den könnte man für die Landung nutzen, wofür es im Starship einen eigenen Tank gibt. Man müsste also in diesen umpumpen.

SpaceX ging wohl den anderen Weg, weil dieser Headertank noch unter dem Startdruck steht, während der Druck im Haupttank abgesunken ist, er hat sich ja entleert. So ist das Umpumpen einfach: Man muss eigentlich nur in den Tank eine Gummiblase einziehen, die sich bei Entleerung ausdehnt und so immer den Treibstoff an die Wand presst (eben die klassische Konstruktion, wie sie bei Satelliten Anwendung findet). Wenn man dann ein Ventil öffnet, strömt der Treibstoff automatisch in den Haupttank. Nur ist das eben keine Simulation des Auftankens eines zweiten Starships. Da wird man noch Arbeit investieren müssen.

Zu den beiden anderen Testzielen von ITF-3 ist SpaceX dagegen kleinlaut. Dass das Wiederzünden eines Raptors nicht klappte, war ja schon beim Testflug klar. Das Starship rollte, da sammelt sich durch die Zentrifugalkraft der Treibstoff an der Wand, und das Risiko eines Triebwerksausfalls ist auch groß. Daneben kann unter den Umständen auch das Raptor je nach Orientierung dieses Rollen verstärken.

Über das Öffnen der Nutzlastsektion erfuhr man gar nichts. Das war ja beim Testflug zu sehen. Was man aber nicht sah, war das Schließen der Tür, und das klappte nach inoffiziellen Angaben eben nicht. Das ist wichtig. Denn so kann zwar das Starship Satelliten transportieren, aber nicht wiederverwendet werden. Dass man dies nicht wiederholen will, spricht dafür, dass man noch Zeit braucht, um hier Änderungen umzusetzen.

Ob man das Rollen im Orbit unter Kontrolle bringen kann, wird sich zeigen. Beim zweiten Ariane-5-Testflug stellte man auch so ein Rollen fest. Als Folge hat man damals bei der Ariane 5 den Schub der dazu nötigen Verniertriebwerke verdoppelt und ihren Treibstoffvorrat vergrößert. Ebenso rotierte die erste Falcon 9 im Orbit, und das bekam SpaceX dann bis zum nächsten Testflug auch unter Kontrolle. Beim Starship scheint das System schon unterdimensioniert zu sein, um nur im Orbit die Orientierung aufrechtzuerhalten, ganz zu schweigen von der Weideeintrittsphase, wo dann auch noch äußere Kräfte und nicht nur Ausgasungen einwirken.

Hier das Statement von SpaceX:

„Several minutes after Starship began its coast phase, the vehicle began losing the ability to control its attitude. Starship continued flying its nominal trajectory but given the loss of attitude control, the vehicle automatically triggered a pre-planned command to skip its planned on-orbit relight of a single Raptor engine.“

Und

„The most likely root cause of the unplanned roll was determined to be clogging of the valves responsible for roll control. SpaceX has since added additional roll control thrusters on upcoming Starships to improve attitude control redundancy and upgraded hardware for improved resilience to blockage.“

Was ein Dauerproblem ist ist das Wiederzünden der Raptors. Vineyard hat ja schon einen Kommentar aus einem anderen Forum übersetzt, das ein Licht auf die Ursache wirft. Hier das offizielle Statement von SpaceX:

„Following stage separation, Super Heavy initiated its boostback burn, which sends commands to 13 of the vehicle’s 33 Raptor engines to propel the rocket toward its intended landing location. All 13 engines ran successfully until six engines began shutting down, triggering a benign early boostback shutdown.

The booster then continued to descend until attempting its landing burn, which commands the same 13 engines used during boostback to perform the planned final slowing for the rocket before a soft touchdown in the water, but the six engines that shut down early in the boostback burn were disabled from attempting the landing burn startup, leaving seven engines commanded to start up with two successfully reaching mainstage ignition. The booster had lower than expected landing burn thrust when contact was lost at approximately 462 meters in altitude over the Gulf of Mexico and just under seven minutes into the mission.

The most likely root cause for the early boostback burn shutdown was determined to be continued filter blockage where liquid oxygen is supplied to the engines, leading to a loss of inlet pressure in engine oxygen turbopumps.“

Die Ursache findet man im Triebwerksdiagramm. Um den Tankdruck aufrechtzuerhalten, während sie sich entleeren, zweigt SpaceX Gas aus dem Triebwerk ab. Beim Sauerstoff ist das flüssiger Sauerstoff aus der Treibstoffleitung, der am Triebwerk erwärmt und als Gas zurückgeleitet wird. Beim Methan ist das das Gasgemisch nach Verlassen des Vorbrenners, das aus unverbranntem Methan und den Verbrennungsprodukten Wasserdampf und Kohlendioxid besteht. Sinkt die Gastemperatur, so fallen beide Substanzen als Eis aus, das als Festkörper eine Turbopumpe beschädigen kann. So geschah es beim ersten Testflug, wo reihenweise Triebwerke ausfielen. Beim zweiten Testflug hat man Filter eingebaut. Trotzdem explodierte die Superheavy nach Abtrennung aufgrund einer blockierten Turbopumpe, und auch diesmal fielen zuerst sechs, dann elf von 33 Triebwerken aus.

Dass die Triebwerke vor allem ausfallen, wenn sie erneut zünden sollen – so ja bei drei Gelegenheiten bei ITF-2 und ITF-3 vorgekommen, weiß wohl nur SpaceX. Eine mögliche (spekulative) Erklärung von mir wäre, dass bei runterfahren des Schubs durch weniger Triebwerke auch weniger Gas in den Tank kommt, das Gas kühlt sich dann schneller ab und es fällt eher Eis aus als beim Betrieb. Bedingt durch die Beschleunigung wird das Eis dann beim Start nach unten getrieben und kann den Filter verstopfen.

Warum man beim Methan nicht dieselbe Technik wie beim Sauerstoff anwendet, ist unbekannt. Meine Idee ist, weil Elon Musk das öfters betont hat, er will ein ästhetisches Raptor haben mit wenigen Leitungen und Drähten. So werden eben Leitungen eingespart. Das gleiche Problem mit Fremdkörpern, die Turbopumpen zur Explosion bringen, hatte übrigens auch die N-1. Auch dort hat man Filter eingebaut, um das zu verhindern.

Dass die Ventile der Lageregelungstriebwerke verstopften (siehe oberer Absatz), lässt den Rückschluss zu, dass auch das Lageregelungssystem dasselbe Problem hat. Es kann aber auch sein, dass dieses mit lagerfähigen Treibstoffen arbeitet (die meisten Lageregelungstriebwerke sind im Schub unter 400 N und da ist diese Treibstoffkombination üblich) und der Treibstoff in den Leitungen durch die Kälte in den Haupttanks ausfror.

10 thoughts on “Vor dem viertem Testflug des Starships (ITF-4) – Teil 1

  1. Wie gesagt, ich habe deine Bitte im anderen Post erst jetzt gesehen. (Email ist raus.)

    Zu Bezos vs. Musk gab es übrigens vor einigen Wochen eine sehr gute Videoreihe.

    https://www.youtube.com/watch?v=1slJdJTzfzc

    Hier mal der zweistündige „Supercut“. (Die ursprünglichen Videos waren ein Vierteiler.)

    Die Konklusio ist eine ähnliche wie bei dir. Dass Bezos dabei ist Musk allmählich einzuholen.

    1. Ach ja und zu Bezos habe ich überhaupt nichts geschrieben, weil man von den Aktivitäten bei Blue Origin eben noch viel weniger weiß als über SpaceX. Aber er hat zumindest eine andere Herangehensweise und testet erst alles aus bevor er fliegt. Also genauso wie es sonst andere Raumfahrtunternehmen machen. Zumindest bei HLS Kontrakt ist er aber nach NASA und eigenen Angaben inzwischen vorne.

      1. Ich halte nichts von dieser „Kindergartenargumentation“ so von mir so benannt, es weil im Kindergarten die häufigste Ausrede ist „Aber Lukas hat das auch so gemacht“. Man kann nicht Versäumnisse und Probleme einer firma damit rechtfertigen das auch andere firmen Probleme haben, außer diese hätten eine gemeinsame Ursache (Covid-19, Lieferengpässe etc.)

  2. Textauszug:
    Die Ursache findet man im Triebwerksdiagramm. Um den Tankdruck aufrechtzuerhalten, während sie sich entleeren, zweigt SpaceX Gas aus dem Triebwerk ab. Beim Sauerstoff ist das flüssiger Sauerstoff aus der Treibstoffleitung, der am Triebwerk erwärmt und als Gas zurückgeleitet wird. Beim Methan ist das das Gasgemisch nach Verlassen des Vorbrenners, das aus unverbranntem Methan und den Verbrennungsprodukten Wasserdampf und Kohlendioxid besteht.

    Kommentar:
    Ist eine schlüssige Erklärung für das Zusetzen der Filter. Findet man sonst nirgends. Danke für die Erklärung

    Meine Fragen:
    1) Wenn ich den Text von SpaceX richtig interpretiere, wurden die Sauerstofffilter zugesetzt und nicht die Methanfilter.
    Da reiner Sauerstoff zum Tank zurückgerführt wird, verstehe ich die Klumpenbildung nach wie vor nicht.

    2) Hab mir das Triebwerksdiagramm angeschaut. In meinen Augen wird reines Methan zum Tank zurückgeführt.
    Dieses Methan wird vorher an der Triebwerksdüse erwärmt. Eine Abzweigung aus dem „methan preburner“ kann ich nicht erkennen.
    Oder hab ich ein falsches Diagramm erwischt ?

    1. Also erst mal ist das Diagram eine Vermutung „estimate“ wie es im Diagram steht. Es kann auch sein das sie Vorbrennergas aus dem Lox Preburner abzweigen, da es keinerlei Angaben von SpaceX gibt ist das nur Spekulation.

      Ich sehe auch austretendes gas als Pfeile aus dem Methan Proburner auf dem Diagram. Hier noch das Orginal-Zitat des NASA Ingenieurs aus der PM die mir Vineyard zukommen lies:

      They’re reusing preburner gas or something to keep their tanks pressurized without a heat exchanger… which leads to the formation of water ice, from methane impurities, clogging the engines inlets and ultimately failure as the engines blow up when they run empty at those speed. SpaceX added some sort of colander but it eventually failed when the tanks are emptied enough, the ice forms bellow the „colander“. It only delayed the issue.

      1. Danke. Damit wird das ganze für mich stimmig. Das Wort „estimate“ hatte ich übersehen. Wollte ich vermutlich nicht wahrhaben. Damit sind wohl NASA Ingenieure eine der gesichertsten Informationsquellen. Wäre interessant zu wissen, in wie weit sie einem „non disclosure agreement“ unterliegen.

    1. Das ist so was typisches SpaceX, das mich an die ersten Jahre erinnert. Da wruce für die Falcon 1 eine Kundenliste präsentiert, dann verzögerte sich das, es wurden die Kunden zuerst auf die Falcon 1e und dann die Falcon 9 umgebucht und die die nicht absprangen kamen dann bei den ersten Testflügen dran – einige warteten fast ein Jahrzehnt auf einen Start.

      Das der Milliardär erst jetzt abspringt wundert mich viel mehr. Er hat ja schon Erfahrungen mit SpaceX gemacht, weil deren Crew Dragon ebenfalls hinterher hinkte flog er schon mit den Russen zur ISS. Spätestens nach dem Jungfernflug hätte ich gekündigt.

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