Einsatzgeschichte der Saturn IB – Teil 2
In diesem Blog, der weil er etwas länger ist und sich über zwei Teile erstreckt – der erste Teil kam gestern – geht es um die Starts der Saturn IB die wie ihre Vorgängerin, die Saturn I ein bisschen im Schatten der Saturn V stand. Aber sie absolvierte immerhin fünf bemannte Missionen.
Wie bei meinem vorherigen Beitrag habe ich diesen Textteil meinem Buch über die Saturn Trägerraketen entnommen, das man bei Amazon, im Buchhandel (nach Bestellung), beim Verlag oder anderen Portalen für wenig Geld erwerben kann. Mir als Autor würde eine Bestellung beim Verlag eine etwas höhere Marge einbringen, der Versand ist dort auch versandkostenfrei und der Preis dank Buchpreisbindung überall der gleiche.
Die Starts der Saturn IB
Der erfolgreiche und frühe Abschluss des Saturn I Projektes, drei Flüge vor den geplanten zehn Starts, führte dazu, dass für die nachfolgende Saturn IB erheblich weniger Testflüge geplant waren. Neu war nicht nur die Rakete selbst, sondern auch die immer stärkere Automatisierung der Überprüfungen vor dem Start. Dafür wurde ATOLL (Acceptance Test Or Launch Language) als Computersprache für die Startvorbereitung eingeführt. Beim AS‑201 wurden sechs Prüfprozeduren automatisiert durch ATOLL durchgeführt. Die Zahl der ATOLL-Routinen stieg rapide an. 21 waren es schon bei AS‑501, 43 bei AS‑507 und 105 bei AS‑509. Für die Durchführung wurden im Startzentrum RCA-110A Computer (RCA-110 mit vergrößertem Speicher), einer der ersten interruptgesteuerten Rechner, installiert. Sie wurden auch für die Saturn V Starts eingesetzt. Der RCA110 war ein 24 Bit Rechner mit maximal 40.000 Instruktionen pro Sekunde. Das war selbst damals langsam, aber es ging um Prüfungen vor dem Start, nicht der Verarbeitung von vielen Messwerten während des Starts.
Mit dem Start von AS‑201 wurden die Umbauarbeiten von Launch Complex 37 beendet. Sie beinhalteten nicht nur die Umrüstung von der Saturn I auf die Saturn IB, sondern auch die Aufrüstung auf einen „Man rated“ Startkomplex. Dazu gehörten alle Anlagen für die Astronauten wie White-Room und Rettungseinrichtungen. AS‑201 startete aber noch von LC-34.
Der erste Start einer Saturn IB AS‑201 zeigte dann die beschleunigte Entwicklung. Die erste Saturn IB wurde gleich mit zwei aktiven Stufen getestet. Bei der Saturn I wurde zeurst nur die erste Stufe alleine mit Ballast getestet. Dazu kam als Nutzlat ein funktionsfähiges Apollo-Raumschiff, kein Boilerplate. Das Raumschiff mit der Seriennummer CSM-009 war eines der Block I Serie. Die Saturn IB hätte es in einen Erdorbit befördern können. Doch da geplant war, den Hitzeschutzschild möglichst stark zu belasten, wurde es auf eine ballistische Bahn mit einem Apogäum von 492 km geschickt. Mit dem eigenen SPS-Antrieb beschleunigte es zusätzlich Richtung Erde. Dabei treten beim Wiedereintritt höhere Belastungen auf, als bei einem normalen Erdorbit und flachem Eintrittswinkel.
Die Automatisierung durch ATOLL machte im Vorfeld Probleme. Der Start sollte ursprünglich Ende Januar 1966 erfolgen. Dieser Zeitpunkt wurde nach Eintreffen der beiden Stufen und deren Überprüfung am 25.10.1965 festgelegt. Doch es gab massive Probleme mit dem RCA 110A Computer, der für die Prüfungen vorgesehen war. Zuerst waren es Hardwaredefekte. Man musste Platinen im Computer austauschen. An Weihnachten hinkte man dem Terminplan schon 13 Tage hinterher. Später funktionierte die Hardware, aber die Arbeiter, die bisher die Tests von Hand machten, kamen mit dem neuen Konzept nicht zurecht. So wurde einmal ein Programm gestartet, der Speicher, der aber noch die alten Ergebnisse enthielt, nicht gelöscht und die Ergebnisse dann als Eingaben akzeptiert. Wenn der Rechner über Mitternacht lief, sprang die interne Uhr von 2400 auf 0001, was ihn zum Absturz brachte. Der Countdown dauerte deswegen sechs Tage. Allerdings entfielen darauf drei Tage auf Pausen durch schlechtes Wetter, während derer der Countdown angehalten wurde.
Seitens der Saturn IB war es ein problemloser Flug. Im Vorfeld wurde der Countdown am selben Tag 4 s vor dem Abheben vom Computer angehalten, weil der Druck im LOX-Tank der S‑IVB zu gering war. Anstatt den Start abzubrechen und die Rakete zu enttanken, beschloss man nach einer Berechnung, den Start nicht abzubrechen. Der Tankdruck war noch ausreichend hoch. Wenn die S‑IVB zündet, würde Sauerstoffgas, durch Wärmeaustauscher erhitzt, den Tankdruck erhöhen. Man nahm den Countdown erneut auf und startete noch am 26.2.1966.
Die Saturn IB setzte nicht nur das CSM erfolgreich aus. Es gelang auch das zeitgleiche Entlassen von LH2 und LOX nach dem Absetzen des Raumschiffs. Das war wichtig, weil bei einer Saturn V auf der S‑IVB der Mondlander war. Die Stufe mit LM sollte nicht durch austretenden Resttreibstoff taumeln. Das hätte das Ankoppeln des Kommandomoduls unmöglich gemacht.
Der nummerisch folgende Start, AS‑202 war noch nicht startbereit. Das CSM musste überarbeitet werden, nachdem man beim Flug AS‑2o1 einige Probleme, vor allem beim Antrieb, festgestellt hatte. So zog man den Start von AS‑203 vor. Er würde vom Pad LC-37B erfolgen. Dort wiederholte sich das Problem mit dem RCA 110A Computer. Bei den Platinen waren Lotbrücken abgebrochen. Man tauschte 2.000 Platinen aus und plante, sobald man die Zeit dazu hatte, den Austausch von allen 6.000 Platinen in beiden Rechnern.
AS‑203, der nächste Start, sollte ohne Apolloraumschiff erfolgen. Es gab nur eine aerodynamische Verkleidung auf der S‑IVB. Vielmehr sollte die S‑IVB ihre Fähigkeit zur Wiederzündung, die für den Einschuss in den TLI nötig war, demonstrieren. Bisher startete keine Saturn unter Schwerelosigkeit und nach einer längeren Freiflugphase erneut. Es zündeten immer Beschleunigungsraketen vor dem Start der zweiten Stufe. Dieser fand unmittelbar nach Brennschluss der ersten Stufe statt, mit noch vollen Tanks. Damit der Status der S‑IVB möglichst dem einer S‑IVB der Saturn V nach Erreichen des Erdorbits entsprach, wurde der Sauerstofftank nicht voll befüllt, damit man so viel Wasserstoff mitführen konnte, wie eine S‑IVB der Saturn V zu diesem Zeitpunkt hatte. Zwei Fernsehkameras wurden in die Tanks eingebaut und 88 Sensoren maßen das Verhalten. Hauptaugenmerk galt dem Wasserstoff. Wie steigt der Druck im Wasserstofftank an? Wie hoch sind die Verluste im Orbit durch Verdampfen?
AS‑203 startete beim ersten Versuch am 5.7.1966 in einen 184 × 219 km hohen Erdorbit. Eine erneute Zündung des J‑2 war nicht vorgesehen, stattdessen wurden zahlreiche Experimente mit den Treibstoffen durchgeführt. Man überwachte vor allem Temperaturen und Verhalten des Wasserstoffs. Längere Zeit ließ man den Tankdruck ansteigen, um den Einfluss auf die Bahn durch das periodische Öffnen von Überdruckventilen und durch den abgegebenen Treibstoff erzeugten Impuls zu messen. Dann wurde der Tankdruck schnell entlassen. Zuletzt lies man den Tankdruck im LH2-Tank steigen und öffnete das Überdruckventil im LOX-Tank, bis der Zwischenboden zwischen LOX und LH2-Tank brach. Das geschah wie bei Bodentests bei 2,72 Bar Überdruck.
Aus den Daten war ableitbar, dass ein kompletter Restart des J‑2 möglich war, wenn noch mindestens 1.800 kg LOX und 1.400 kg LH2 sowie Druckgase vorhanden waren. Das Verhalten der S‑IVB in der Erdumlaufbahn entsprach den Erwartungen.
AS‑202, gestartet am 25.8.1966, war eine Wiederholung des suborbitalen Flugs von AS‑201, was die Saturn anging. Es gab einige Änderungen im CSM, das erstmals die vollständige Navigationsausrüstung und die Stromversorgung durch Brennstoffzellen hatte. Zudem waren vier anstatt zwei Zündungen des Servicemodulantriebs geplant. Die Saturn IB setzte das CSM-017, ein Block I CSM, auf eine suborbitale Bahn aus. Es war mit über 15 t Nettonutzlast (mit SLA und Fluchtturm sogar über 20 t) die bisher schwerste Nutzlast einer Saturn IB. Das Servicemodul hob die Bahn zuerst an, drehte sich dann und beschleunigte die Kombination Richtung Erde. Nach 93 Minuten wurde die Kommandokapsel im Atlantik geborgen.
Die einzigen Probleme der Saturn IB waren einige Probleme im Rezirkulationssystem zur Vorkühlung durch festsitzende Ventile bei der S‑IVB. Das J‑2 zündete trotzdem problemlos. Es gab im Vorfeld die gleichen Probleme wie bei AS‑201 und AS‑203 mit dem RCA-110A Computer. Erneut waren die Platinen fehlerhaft. Als schnelle Problemlösung transferierte man alle nicht benötigten Platinen von LC-37 nach LC-34, von wo aus der Start erfolgte. Da man schon einen Vorrat an Platinen aufgrund der vorherigen Probleme hatte, hielt dies den Start nicht mehr so lange wie bei AS‑201 auf.
Nachdem drei Testflüge der Saturn IB und zwei des Block I CSM problemlos erfolgt waren, sollte der nächste Flug bemannt erfolgen. Am 21.2.1967 sollte Apollo 1 mit den Astronauten Grissom, Chaffee und White starten. Sie kamen bei einer Übung am 27.1.1967 bei einem in der Kapsel ausbrechenden Brand ums Leben. Die Saturn IB (AS‑204) wurde trotzdem eingesetzt, und zwar bei der nächsten Mission, Apollo 5, dem ersten Test des LM.
Der Start von AS‑204 fand erst nach einem Jahr Pause am 22.1.1968 statt. Der Grund war einfach: Bemannte Flüge waren nach der Katastrophe vorerst ausgesetzt und unbemannte Flüge des CSM, die nun in hochelliptischen Bahnen den Wiedereintritt aus einer Mondumlaufbahn simulieren sollten, erfolgten mit der stärkeren Saturn V. Lediglich ein Mondlander ohne CSM war leicht genug, um von einer Saturn IB in den Orbit gebracht zu werden. Das LM hinkte jedoch hinter dem Zeitplan her. Für den ursprünglich geplanten Termin im April 1967 hätte es bis zum September 1966 zum Cape gebracht werden müssen. Es wurde aber erst am 23.6.1967 ans Cape geflogen. Nachdem es am 17.11.1967 auf die Saturn IB montiert war, fiel ein weiteres LM bei Grumman durch die Prüfungen beim Zusammenbau. Bei einem Drucktest zitterten die Fenster des LM. Es wurde beschlossen, da bei AS‑204 keine Mannschaft an Bord war, die Fenster durch Aluminiumplatten zu ersetzen und den Start nicht erneut zu verschieben.
Ursprünglich sollte der Start des Mondlanders auf der Saturn AS‑206 stattfinden. Doch nach dem Feuer beim Probecountdown von Apollo 1 wurde beschlossen, die Saturn IB dieser Mission zu verwenden, die vom Feuer nicht in Mitleidenschaft gezogen war. Apollo 5 setzte daher die Saturn IB der ersten geplanten bemannten Mission Apollo 1 ein.
Das LM wurde von einer aerodynamischen Hülle umgeben, was die Höhe der Saturn IB auf 55 m verringerte. Mit einem CSM und Rettungsturm war sie 68 m hoch. Am 22.1.1968 beförderte die Saturn IB das LM-1 im einen 167 × 222 km hohen Orbit, nachdem zuerst der Nasenkonus abgetrennt wurde. Das LM absolvierte die vorgesehenen Tests des Abstiegs- und Aufstiegstriebwerks, auch wenn sich der Bordcomputer beim ersten Test weigerte, das Triebwerk zu starten. Die nur zum Teil befüllten Tanks standen nicht unter dem hohen Druck, als wenn sie voll gewesen wären. Dadurch brauchte das Triebwerk zu lange, um den Sollschub zu erreichen. Der Bordcomputer erkannte dies und schaltete es wieder ab. Die Missionsführung hatte jedoch Ausweichpläne und konnte das Programm erfolgreich abschließen. Apollo 5 (AS‑204) war der letzte Start einer Saturn IB von LC-37B aus.
Nach dem zweiten Testflug der Saturn V mit Apollo 6 folgte mit Apollo 7 (AS‑205) der erste bemannte Einsatz. Die Mission von Apollo 7 hatte die Aufgabe, die CSM-Systeme über einen Zeitraum zu testen, der einer Mondmission entsprach, also 12 Tage. Der Flug konnte mit den vorhandenen Ressourcen bis zu 14 Tage ausgedehnt werden, um den bisher von Gemini 6A gehaltenen Rekord für die Flugdauer zu brechen. Apollo 7 war der letzte Start von LC-34, das danach eingemottet wurde.
Die Saturn IB brachte das CSM-101, das erste CSM von Block II, in einen 162 × 222 km hohen Erdorbit. Doch damit war die Mission der Saturn IB noch nicht beendet. Die S‑IVB diente als Navihationsziel. Mehrfach wurde der Kurs des CSM geändert, um zur S‑IVB zurückzukehren. Die meisten Fotografien, die eine S‑IVB im Orbit zeigen, entstanden bei dieser Mission. Etwas Sorge bereitete anfangs der Umstand, dass sich eine der vier Flächen, die zwischen dem Durchmesser der Saturn IVB und dem des Servicemoduls vermittelten (SLA), nach innen neigte. Bei einem Mondflug befindet sich in dem Zwischenraum der Mondlander. Man befürchtete, dass sich nach innen neigende Flächen die Ankopplung des CSM verhindern könnten. Doch da für die Saturn V vorgesehen war, zwei der vier SLA abzutrennen, gab es Entwarnung.
Walter Schirra, Kommandant der Mission und Veteran, der schon mit der Atlas und Titan ins All geflogen war, beschrieb den „Ritt“ auf der Saturn IB als sehr sanft. Die Saturn IB war die erste Trägerrakete, die speziell für bemannte Starts konstruiert war. So achtete das MSFC darauf, dass die Spitzenbeschleunigung nicht zu hoch war und die Vibrationen verringert wurden. Zu der Missionsverlängerung, um einen neuen Rekord für den Aufenthalt im All aufzustellen, kam es nicht. Die Mannschaft ging kurz nach dem Start auf Konfrontationskurs zur Missionskontrolle, weil sich alle drei erkältet hatten.
Das war der letzte Einsatz der Saturn IB für fünf Jahre. Mit Apollo 4 hatte die erste Saturn V ihren Jungfernflug und alle folgenden Apollomissionen fanden ab jetzt mit der Saturn V statt.
Die nach vier Jahren Pause 1973 folgenden Starts AS‑206, AS‑207 und AS‑208 brachten die drei Besatzungen der Raumstation Skylab in einen Orbit. Zur Steigerung der Nutzlast und als Bestandteil des Transferorbits transportierte die Saturn IB die Raumschiffe nicht in den Orbit von Skylab in 435 km Höhe, sondern einen 150 × 346 km hohen Orbit. Danach wurde der Resttreibstoff aus der S‑IVB entlassen und so die Stufe um 30 m/s verlangsamt, was nach 6 Stunden zum Verglühen über dem Pazifik führte. Es war das erste Mal, dass eine Stufe aktiv deorbitiert wurde, lange bevor der Begriff des „Weltraumschrotts“ aufkam. Skylab 4 war mit einem 14.916 kg schweren CSM die schwerste Nutzlast einer Saturn IB in einem Orbit. Dazu kamen die SLA von 1,8 t Gewicht und der nach 160 s abgetrennte Fluchtturm mit 4 t Gewicht.
Die Saturn IB mit der Bezeichnung AS‑209 war für einen Rettungseinsatz für die Skylab 4 Mission vorgesehen. Bei Skylab 2 und 3 war dies das nächste regulär startende Raumschiff. Skylab 1 war der Start des Labors mit einer Saturn V. Die Saturn IB wurde nach dem Start von Skylab 4 (AS‑208) mit dem zugehörigen CSM am Startplatz montiert. Als Skylab 4 landete, wurde die Saturn IB wieder demontiert.
Die letzte Saturn IB, AS‑210, gleichzeitig die letzte Saturn überhaupt, transportierte 1975 das Apollo-Raumschiff mit Docking-Adapter für das Apollo-Sojus-Testprojekt in einen 162 km × 224 km × × 51,78 Grad Orbit.
Am Ende des Programms war somit nur eine Saturn IB übrig. Es wurden zwei weitere Saturn IB komplett gefertigt, als 1968 die Produktion eingestellt wurde. Doch deren zweite Stufen wurden zu den Raumlaboren Skylab A (geflogen) und Skylab B (Ersatzexemplar, ein Start wurde zeitweise erwogen) umgebaut. Da es aber auch zwei komplette Saturn V zum Programmende noch gab hätte man deren zweite Stufen auf die Saturn IB transferieren können. So gab es ernsthafte Planungen das Reserveexemplar Skylab B mit einer Saturn V zu starten und mit den beiden verbliebenen Saturn IB dann zwei Besatzungen auf die Station zu schicken. Doch aufgrund Budgetkürzungen kam es nie dazu.
Eigentlich schade, man hätte mit Skylab B die Lücke bis zu Beginn der Shuttle Flüge schießen können. Abgesehen davon dass die Hardware ja gebaut und bezahlt war und nur noch Kosten für die Missionsdurchführung angefallen wären