Pannen in der Raumfahrt – Skylab Teil 2

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Den folgenden Text habe ich weitestgehend unverändert aus meinem Buch „Skylab“ entnommen, das umfassend über die Raumstation und ihre Missionen informiert. Man findet es überall im gut sortierten Buchhandel, wenngleich meistens nur auf Bestellung, aber auch bei allen Onlinediensten wie Libri, Amazon oder kann es direkt beim Verlag bestellen, wodurch der Autor eine höhere Marge bekommt. Der Preis von 24,99 Euro für 332 Seiten ist aber überall der gleiche. Da dieses Ereignis aber so bedeutend ist, nimmt es in meinem Buch zwei Kapitel ein und daher findet ihr es hier in der Website in drei Teile aufgeteilt. Das ist der Teil 2 über die Skylab 1 Mission, die primäre Rettungsmission. Gestern folgte schon der erste Teil über Skylab 1. Morgen folgt dann noch Teil 3 über die Skylab 3 Mission bei der der endgültige Schutzschild montiert wurde.

Skylab 2 – „We can fix anything

Die erste Besatzung startete am 25.5.1973, zehn Tage später als vorgesehen. Kommandant war Pete Konrad, Paul Weitz war Pilot und Joe Kerwin Wissenschaftsastronaut. Nach dem Einsatz von Harrison Schmidt als ausgebildetem Geologen bei Apollo 17 war es der zweite Flug eines Wissenschaftsastronauten. Sowohl für Kerwin, wie auch Weitz, war es die erste Mission ins All. Pete Conrad war schon zweimal mit Gemini und einmal im Apollo-Programm gestartet. Für ihn war es der letzte Flug.

Primäres Ziel war nun nicht mehr, das Forschungsprogramm durchzuführen, sondern die Station in einen Zustand zu bringen, in dem Forschung überhaupt möglich war. Als die Saturn IB abhob, rief Conrad der Bodenkontrolle zu „We can fix anything“ ― und brachte damit das Motto der Mission auf den Punkt.

Als das Raumschiff nach siebeneinhalb Stunden bei Skylab ankam, stellte sich heraus, dass eine Solarzellenfläche komplett abgerissen war anstatt, wie manche noch hofften, nur nicht entfaltet. Das Apollo-Raumschiff umkreiste Skylab, um den Schaden zu begutachten. Danach machte die Besatzung Mittagspause und ruhte sich aus. Am Abend stand dann eine Stand-up EVA an, um den Schaden am zweiten Solarpaneel genauer zu betrachten und es eventuell zu lösen. Gleich zu Beginn gab es Probleme, weil eines der 16 Triebwerke des RCS-Systems nicht feuerte und Weitz so Probleme hatte, das Raumschiff zu stabilisieren. Der ungleich verteilte Schub bewirkte eine Drehbewegung, die durch die Gyros kompensiert werden musste. Conrad konnte erkennen, dass der Flügel nur durch einen etwa 12 mm breiten Draht gehalten wurde, aber bei mehreren Versuchen kam er nicht nahe genug heran, um ihn von der Luke des CM aus mit einem Schneidwerkzeug zu lösen. So wurde die Aktion beendet, und die Besatzung sollte nun an die Station ankoppeln.

Das Ankoppeln klappte erst im sechsten Anlauf, weil es Probleme mit den elektrischen Anschlüssen gab. Die Sonde rastete in den Kopplungsadapter ein, zog sich aber nicht zurück. Schließlich musste das CM erneut entlüftet werden, und Conrad öffnete die Luke. Er verknüpfte die Kabel von Hand, indem er die Isolierung entfernte und die Kabelenden verzwirbelte. Danach zündete er die Triebwerke des Servicemoduls und fuhr das Raumfahrzeug in den Adapter hinein, wodurch die zwölf Riegel zuschnappten und die Verbindung fixierten. Die Crew verschloss erneut die Luke, stellte den Kabinendruck wieder her und konnte nach 22 Stunden endlich schlafen gehen.

Am nächsten Tag wurde die Luke geöffnet. Weitz war der Erste im MDA. Er prüfte mit einem Gerät, ob es toxische Gase gäbe und meldete, dass es sehr heiß war, aber trocken. Sie konnten sich bis zu fünf Stunden in der Station aufhalten.

Eine der ersten Aufgaben war es, den Parasol zu montieren und zu entfalten. Es dauerte 6 bis 7 Stunden, um ihn in der Hitze zu montieren, auch weil die Besatzung immer wieder die Arbeit unterbrechen und sich in das kühle CM zurückziehen musste. Das Entfalten durch die Luftschleuse klappte reibungslos, und das Heck des OWS war nun vor Sonneneinstrahlung geschützt. Innerhalb von zwei Tagen sanken die Temperaturen von 43 auf 27 Grad Celsius und blieben auf diesem Niveau stabil über die Skylab-2 Mission. Trotzdem schliefen die Besatzungsmitglieder die ersten Nächte noch im CM, wo die Temperaturen bei 20°C lagen. Der provisorische Schutz entfaltete sich nicht komplett und bedeckte nur 75% der Oberfläche. Die Astronauten konnten an der Wand fühlen, wo die Oberfläche nicht bedeckt war, da es dort wärmer war.

Doch nach wie vor hatte Skylab zu wenig Strom. Der Betrieb war dadurch eingeschränkt, und dies war keine akzeptable Lösung. So machte Pete Conrad den Vorschlag, nochmals zu versuchen, den Flügel zu entfalten, aber diesmal von der Außenseite des OWS aus. Das war riskant: Die scharfen Kanten der Halterung könnten den Raumanzug beschädigen, und aufgrund der Position des Flügels war Conrad außerhalb des Sichtbereiches von Kerwin in der Luftschleuse.

Die Backup-Crew erprobte die Vorgehensweise im NBS einem Schwimmbecken mit dem Backupmodell von Skylab, während die Besatzung daran ging, Skylab von der Startkonfiguration in die Betriebskonfiguration zu bringen. Am 29-sten Mai konnten die ersten Experimente durchgeführt werden. Doch der fehlende Strom machte sich bald bemerkbar – bei einer Erdbeobachtung ertönte der Alarm. Skylab hatte durch das Wegdrehen von der Sonne noch weniger Strom, und die Batterien waren nicht genügend aufgeladen und wurden nun schnell entladen. Die Station musste wieder in Richtung Sonne gedreht werden. Vorerst waren so keine Erdbeobachtungen möglich. Als dann noch vier der 18 Akkus an Bord des ATM ausfielen, erwog die Missionskontrolle zeitweise, die Mission auf 17 Tage zu verkürzen. Die Akkus waren durch die veränderte Ausrichtung während der letzten 10 Tage zu starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt und hatten sich dadurch überhitzt.

Ohne die seitlichen Solarzellenflügel SAS lieferten die ATM-Solarzellen im Mittel 4,6 kW Leistung (gemittelt über Tag-/Nachtseite und nach Aufladen der Batterien). Davon benötigte die Station 3,6 kW für die eigenen Systeme, sodass nur 1 kW für Experimente übrig blieb. Das schränkte vor allem die Sonnenbeobachtungen ein. Die Crew entwickelte zwar nach einer Woche Routine, vor der Inbetriebnahme von Experimenten Lüfter und Lampen auszuschalten, aber dies alleine konnte den Leistungsverlust nicht kompensieren.

Rusty Schweickart hatte im NBS eine Vorgehensweise erarbeitet um den zweiten Flügel zu lösen. Nach dem Ausstieg aus der Luftschleuse würde Conrad sich an der Antenne am ATM Mechanismus fixieren, wo es durch die Gitterrohrstruktur die Möglichkeit gab, sich zu verhaken. Er würde dann aus Stangen einen 7,9 m langen Schneider zusammenbauen und diesen erst einmal in einem Stück des abgerissenen Mikrometeoritenschutzschildes, das noch an der Seite des OWS hing, verhaken, ohne ihn durchzutrennen. Die Stange benutzt er nun als Kletterhilfe, um sich am OWS entlang zu bewegen, der keinerlei Haltemöglichkeiten bot. Dabei sollte er ein Nylonseil mitziehen. Dieses Seil hat Klammern an beiden Seiten. Auf einer Seite befestigt Conrad es an der Befestigung der Nutzlasthülle an der Luftschleuse und an der anderen Seite am SAS. Nun kann er mit dem Schneider den Draht durchtrennen, der den Flügel noch festhielt, und durch Ziehen des Seils das Array entfalten. Um Letzteres zu bewerkstelligen, musste er das Seil über die Schulter spannen und sich aufrichten.

Nominell sollte sich nach Freigabe das SAS alleine entfalten. Allerdings rechnete die Missionskontrolle damit, dass in der Kälte (diese Stelle war nun von der Sonne über zehn Tage abgewandt gewesen) der Entfaltungsmechanismus eingefroren war. Die Vorgehensweise hatte Schweickart unter Wasser erprobt, und dort funktionierte sie, was den Schluss nahelegte, dass sie auch in der Schwerelosigkeit klappen könnte.

Am 13-ten Tag stiegen dann Conrad und Kerwin aus. Conrad blieb in der Luftschleuse und assistierte Kerwin. Capcom war Rusty Schweickart, der das Ganze erprobt hatte und sie vor dem Ausstieg nochmals mit Details zur Vorgehensweise versorgte. Zuerst setzten sie die 7,5 m lange Blechschere aus Einzelteilen zusammen. Kerwin platzierte sich am Ende des Workshops und versuchte die Schere an dem Draht zu verhaken. Doch das klappte nicht. Das Grundproblem, das die NASA schon seit Gemini kannte, war das dritte Newtonsche Gesetz: Jede Kraft erzeugt eine gleich große, entgegengerichtete Kraft. Anders ausgedrückt: Wenn Kerwin versucht, die Schere zuzudrücken, so bewirkt die dabei entstehende Kraft, dass er sich langsam in die Gegenrichtung bewegt. Ohne Möglichkeit, sich mit den Füßen zu verankern, führt das zu einer Drehbewegung um die eigene Achse. Er versuchte es, indem er die Leine um sich wickelte und mit einer Hand festhielt, konnte aber mit der verbliebenen Hand die Schere nicht schließen.

Als er nach 30 Minuten wieder in den Empfangsbereich einer Bodenstation kam, hatte er eine Lösung gefunden: Er hatte sich mehr Halt verschafft, indem er die Leine doppelt nahm und die Länge so halbiert hatte. Er berichtete, dass sich nun die Scheren verhakt hätten und er anfangen könnte, zu sägen. Doch so sehr, wie er auch an den Seilzügen zog – der Draht wurde nicht durchschnitten. Conrad verlor nun die Geduld und bewegte sich entlang der Stange zum SAS. Gerade dort angekommen riss der Draht, und Conrad wurde mit der Stange weggeschleudert. Während er durch die Verbindungsleine gesichert ins All hinaus schwebte, ging das Solarpanel um 20 Grad auf. Wie befürchtet war das Dämpfergestänge eingefroren. Nun galt es, das Panel durch Zug ganz zu entfalten.

Das Befestigen der Leine an beiden Positionen klappte nicht. Auf Seite der Luftschleuse waren die Löcher dazu zu klein. Nur mit dem Einsatz von Zugkraft an dem Scharnier war der Flügel nicht entfaltbar. So stellte sich Conrad mit einem Fuß auf das Scharnier, zog das Seil über seine Schulter und richtete sich auf, während Kerwin gleichzeitig am Seil zog. Dies reichte aus, das Dämpfergestänge brach und der Flügel ging auf – und Conrad wurde mit Kerwin in den Weltraum hinaus gestoßen. Während Sie sich an den Leinen zurück in die Luftschleuse hangelten, bekamen sie von der Bodenstation die Bestätigung, dass das Solarpanel funktionierte. „Wir sehen Ampere“ funkte Schweickart zu den Astronauten.

Nach dreieinhalb Stunden wurde die bisher erfolgreichste EVA im amerikanischen Weltraumprogramm beendet. Die Protokolle des Sprechfunks wurden allerdings lange Zeit unter Verschluss gehalten. Die Schwierigkeiten im Einsatz führten dazu, dass beide Astronauten viele Kraftausdrücke benutzten. Nachdem die NASA schon Proteste bekommen hatte, als Eugene Cernan bei einem Problem bei der Apollo 10 Mission die Worte „Son of a Bitch“ und „Goddamn“ rausrutschten, war die NASA vorsichtiger geworden.

Skylab hatte nun 3 kW mehr elektrische Leistung – und die Besatzung kam nun auch in den „Luxus“ einer warmen Dusche und warmen Mahlzeiten, die vorher nicht möglich waren, weil die Solarzellen des ATM zu wenig Energie lieferten. Mit 75 Prozent der Sollleistung hatte die Station genug Strom für das vorgesehene Messprogramm. Lediglich sechs Experimente konnten nicht durchgeführt werden, weil die Zeit fehlte oder sie die Luftschleuse benötigten, die nun vom Parasol blockiert war. Beide Paneele zusammen lieferten zwischen 6.700 und 8.400 Watt. Die Station benötigte 4.700 ohne Versorgung des CSM und 5.900 Watt mit angedocktem CSM. Der Rest stand für Experimente zur Verfügung.

Auch sonst mussten sich die Astronauten als Handwerker betätigen. Der Motor für den drehbaren Spiegel des Experiments S019 lief nicht mehr. Nach dem Auseinandernehmen und Neuzusammensetzen funktionierte er wieder.

Zu Missionsende am 26-sten Tag stand dann die einzige EVA nach dem ursprünglichen Plan an. Kerwin sollte den vor dem Start im ATM deponierten Filmkanister bergen. Conrad entschied, dass dies Weitz durchführen sollte, damit auch er in den Genuss einer EVA kam. Weitz musste nur entlang einer vorher festgelegten, mit Hand- und Fußhaltevorrichtungen bestückten Route zum Boden des ATM klettern. Diese Route, „EVA Trail“, war farblich markiert, und an fünf Positionen gab es Schilder, die allerdings kaum lesbar waren, weil die Farbe verblasste. Unterstützt wurde Weitz durch einen ausfahrbaren Ausleger, den „ATM-Baum“. Er wurde von der Luftschleuse aus von Conrad gesteuert. Neben dem Bergen des Kanisters reinigte Weitz die Optik des Koronografen mit einem Pinsel und „reparierte“ einen blockierten Stromunterbrechungsschalter, indem er mit dem Hammer auf ihn einschlug. Diese rustikale Vorgehensweise war allerdings erfolgreich – der Schalter machte nun keine Probleme mehr. Vor dem Einstieg zog Weitz noch ein Blatt vom Experiment S230 ab und kehrte nach zweieinhalb Stunden zurück ins Labor.

Als die Besatzung am 22.7.1973 landete, hatte sie rund 80 Prozent der geplanten Experimente durchgeführt. Alle 16 medizinischen Experimente konnten absolviert werden. Die medizinischen Experimente waren die wichtigsten, und es gab deswegen sogar eine Auseinandersetzung am Anfang der Mission, als Conrad diese wie geplant aufnehmen wollte, Kerwin aber die Belastungstests wegen der Hitze zurückstellen wollte. Die Bodenkontrolle vermittelte, und Untersuchungen und Probenentnahmen begannen erst am dritten Tag der Mission. Das Experimentalprogramm wurde reduziert von 25 Prozent der gesamten Zeit auf 20,6 Prozent.

Dagegen gab es keine Probleme mit der Übelkeit und bei dem Experiment, das den Gleichgewichtssinn irritieren sollte (M131). Bis sich Symptome einer Irritation zeigten, konnten alle drei Astronauten eine erheblich höhere Rotationsgeschwindigkeit aushalten als beim Kontrollexperiment vor dem Start. Dies machte das „Space Adaption Syndrome“, das damit erforscht werden sollte, noch rätselhafter.

Diese Untersuchungen gingen nach der Landung weiter. Die Besatzungsmitglieder sollten noch eine Woche Atemschutzmasken tragen, um sich nicht zu infizieren, und 21 Tage weiter die bilanzierte Diät zu sich nehmen. Es gab nur ein Problem: Nach der Landung erhielt die Crew von Nixon eine Einladung zu einem Staatsbesuch von Breschnew. Vor dem Treffen mit dem Präsidenten nahmen sie daher die Masken ab, um sie danach wieder aufzusetzen. Die Nachuntersuchung zeigte, dass Conrad im besten Zustand von den drei Astronauten war. Kerwin und Weitz hatten deutlich mehr Probleme, sich wieder zu akklimatisieren. Es dauerte einige Tage, bis sie wieder ihre alte Leistungsfähigkeit erlangt hatten. Kerwin litt unter Übelkeit nach der Landung, die sich jedoch innerhalb eines Tages legte.

Conrad, der auch mit Apollo 12 auf dem Mond war, bezeichnete Skylab 2 als die weitaus schwierigere Mission von beiden. Zum einen, weil es darum ging, die Station zu retten und bewohnbar zu machen – 14 Tage lang war nicht sicher, ob die Besatzung nicht vorzeitig landen sollte. Zum anderen, weil der Arbeitsalltag auf der Station mit den durchgeplanten Tagen viel mehr Disziplin erforderte als zwei kurze Spaziergänge auf dem Mond.

Beobachtungen Erreicht Geplant
ATM Beobachtungszeit 81 h 101 h (81%)
S052 Aufnahmen 4.519 8.025
S054 Aufnahmen 6.739 6.979
S056 Aufnahmen 4.276 6.000
S082A 219 201
S082B 1.608 1.608
Gesamt ATM Aufnahmen 17.377 22.810 (76%)
H-Alpha Film 13.000 16.000
EREP Überflüge 11 (5 nur teilweise) 14
Andere EREP Beobachtungen 6 10
Fotos 7.460 9.000
Medizinische Experimente 137 147 (93%)
Stunden für Untersuchungen 148 158 (94%)
Beobachtungen durch die Luftschleuse 32 h 38 h (84%)
Andere wissenschaftliche Untersuchungen 22 h 14 h (157%)
Untersuchungen im UV 10 16
Materialwissenschaftliche Experimente 9 10
Entfallene Experimente: S015, S020, T025, M555
Schülerexperimente: 4 h 4½ h
Durchgeführte Experimente: ED11, ED23, ED26, ED31 ED12, ED22

 

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