Die europäische Rakete mit dem Prometheus
Eigentlich wollte ich im letzten Blog auf von mir schon durchgerechnete Prometheus Konzepte verlinken. Aber ich finde sie auch mit Google nicht mehr, obwohl ich mir sicher bin, dass ich welche erstellt habe, aber ich fand eben immer Einsatzmöglichkeiten nur eben nicht eine komplette Raketenfamilie auf der Basis fes Triebwerks. Daher das ganze nochmals.
Die Triebwerke
Zuerst mal einige Kennzeichen der Triebwerke. Für die ersten Stufen habe ich das Prometheus gewählt, für die Oberstufen das M10 Triebwerk, dass ebenfalls mit Methan arbeitet und derzeit die Qualifikation für die Vega E durchlauft. Hier einige für die Modellierung wichtige Kennzahlen:
Prometheus | M10 | |
---|---|---|
Schub Vakuum: | 1.200 kN | 98 kN |
Schub Meereshöhe: | 1.100 kN (geschätzt) | |
Spezifischer Impuls: | 3.531 m/s (Vakuum?) | 3.551 m/s |
Mischungsverhältnis: | 3,6 zu 1 | 3,4 zu 1 |
Schubreduktion: | Auf minimal 30 % |
Beim Prometheus wurde in der Entwicklung der Schub von 1.000 auf 1.200 kN gesteigert. Leider wird nicht gesagt, ob es der Schub auf Meereshöhe oder im Vakuum ist. Da normalerweise immer die bessere Angabe verwendet wird, habe ich den Schub im Vakuum angenommen und den Schub bei Meereshöhe konservativ geschätzt.
Bei allen Simulationen bin ich von einer minimalen Startbeschleunigung von 1,25 g, dass sind 12,3 m/s ausgegangen.
Die Architektur des radikalen Ansatzes
Es gibt zwei mögliche Ansätze. Beide mit Vor- und Nachteilen. Man kann aus dem zwirnten Ansatz noch einen dritten Ansatz ableiten, der besonders flexibel ist, dafür andere Nachteile hat.
Die produktionstechnisch einfachste Lösung ist: Es gibt nur eine Stufe mit genau einem Raptor Triebwerk. Auf ihm sitzt eine Oberstufe mit dem M10 Triebwerk. Will man die Nutzlast steigern, so erweitert man diese Stufe, die nun zur Zentralstufe wird, um einen bis sechs Booster. Sie alle zünden gemeinsam beim Start. Um eine Beschleunigungsspitze beim Brennschluss zu vermeiden, wird, sobald eine Maximalbeschleunigung, zum Beispiel 5 g erreicht wird, das zentrale Triebwerk im Schub reduziert. Es brennt so etwas länger.
Für die asymmetrische Konfiguration mit einem Booster und der Zentralstufe möchte ich noch was schreiben. Es gibt kein Gesetz, dass Raketen symmetrisch aufgebaut werden kann. Sofern man durch Schwenken der Triebwerke dafür sorgen kann, das der Gesamtschubvektor in die Richtung geht, die man haben will, kann eine Rakete auch asymmetrisch aufgebaut sein. Real wurde das bei der Atlas 401 und dem Space Shuttle verwirklicht. Bei der japanischen H-2A wurde eine solche Konfiguration aus zwei identischen Stufen sogar mal erwogen.
Es leuchtet ein, dass man alleine durch die vielen Booster auf eine Serienproduktion kommt, welche die Stückkosten reduziert. Würde man die im letzten Artikel zitierten jährlichen Starts von
5,5 Ariane 5E (Mittel zwischen 5 und 6 Starts pro Jahr)
3 Sojus
2 Vega
Mit diesen Raketen im Einzelstart (11 Satelliten mit der Ariane 5) befördern, so bräuchte man dafür 52 dieser stufen und 16 Oberstufen, also selbst bei den Oberstufen eine dreimal höhere Stückzahl als sie die ESC-A heute hat.
Der Nachteil des Konzepts ist, dass die Rakete so sehr breit wird. Der optimale Durchmesser der Stufe dürfte bei 2,5 bis 2,7 m liegen. Die Länge bei 19 bis 22 m. Die Oberstufe addiert dann noch etwas Höhe. Eine über 5 m breite Nutzlastverkleidung wie sie heute eingesetzt wird, würde also im Durchmesser um 2,5 bis 3 m aufweiten. Sie würde daher relativ schwer werden. Ebenso sind die aerodynamischen Kräfte dann andere als wie bei einer langen und schmalen Rakete. Das könnte dagegen sprechen. Das Zusatzgewicht der Nutzlastverkleidung ist dagegen tolerierbar, sie wird ja abgeworfen. Ihr Gewicht senkt die Nutzlast etwas ab, aber nicht entscheidend. Es gäbe sogar die Möglichkeit diesen konischen Übergang von 2,7, auf 5,4 m Durchmesser zu nutzen. Hier könnte man um die Oberstufe Ringe anbringen, an denen Kleinnutzlasten angebracht sind, die so der Hauptnutzlast keinen Platz wegnehmen, oder man designt die Oberstufe so, das die Nutzlastverkleidung direkt am Triebwerk angebracht wird und sie dann diesen sich ausweitenden Raum ausnutzt, die EPS-Oberstufe ist so ein Beispiel dieses Prinzips.
Das konventionelle Prinzip
Die Umsetzung, die von vielen Beispielen wie der Langen Marsch 5-8 oder Ariane 4 bekannt ist, ist die eine Zentralstufe mit mehreren Prometheus Triebwerken, die von Boostern mit jeweils einem Prometheus Triebwerk umgeben sind. Wir haben also zwei Stufen mit unterschiedlichem Durchmesser das reduziert die Stückzahl der gefertigten Stufen, die der Triebwerke bleibt gleich. In jedem Falle fällt die Version mit nur einem Triebwerk weg, da weniger als zwei Triebwerke in der Zentralstufe nicht möglich sind. Damit würde ein Ersatz für die Vega wegfallen.
Sollte Europa Ambitionen für ein Mondprogramm haben, so spielt aber ein anderer Faktor eine Rolle: Die Zentralstufe hat einen größeren Durchmesser, so hat sie nicht nur mehr Triebwerke, sondern sie kann auch mehr Booster aufnehmen. Eine Stufe mit fünf Triebwerken könnte acht Booster aufnehmen, das wären dann maximal 13 Triebwerke oder ein Startschub von 14.300 kN, was für eine Rakete von 1.144 t Startmasse reichen würde – die transportiert 13 t zum Mond. Bei vielen Boostern könnte man auch daran denken die Oberstufe durch einen Booster zu ersetzen. Das wäre so etwa ab sechs Boostern sinnvoll.
Eine Konfiguration mit zwei Triebwerken in der Zentralstufe hätte einen Durchmesser von 3,4 und würde 245 t Treibstoff aufnehmen. Sie könnte mit bis zu sieben Boostern von je 2,7 m Durchmesser ergänzt werden. Diese wögen je 70 t.
Der aufmerksame Leser wird bemerken, dass zwei Triebwerke nicht ausreichen 245 t Treibstoff geschweige anzuheben. Ich habe diese Durchmesser und Längen deswegen so gewählt, weil der integrale Treibstofftank der Booster dann in etwa so lang wie der (untere) Methantank der Zentralstufe ist. Man kann dann also die Booster an der Zwischentanksektion anbringen. Das ist für die Auslegung ein wichtiger Faktor.
Denn was man bei dieser Architektur machen kann, ist etwas was nicht neu ist, und schon bei der Ariane 4 eingesetzt wurde: Man betankt die Rakete abhängig von der Anzahl der Booster. Mit sieben Booster fasst sie 245 t Treibstoff, ohne müssen es weniger als 150 t Treibstoff sein. Jeder Booster von 70 t Gewicht produziert einen Schubüberschuss der 18 t Masse entspricht. Der Preis ist nur ein bei Nicht-Vollbetankung etwas höhere Leermasse der Zentralstufe gegenüber einer optimalen Stufe und damit eine leichte Nutzlasteinbuße.
So muss durch die längere Brennzeit der Zentralstufe diese auch nicht heruntergeregelt werden, was die Gravitationsverluste absenkt und aus der Rakete praktisch eine zweieinhalb-stufige Rakete macht. Das heißt dieses Konzept ist an und für sich eleganter. Man hat aber erst eine Rakete ab in etwa der Nutzlast einer Sojus und der Effekt durch Serienproduktion Kosten einzusparen ist nicht so hoch wie beim Clusterkonzept.
Wählt man die Oberstufe hinreichend klein und im Durchmesser, dem der Booster angepasst, so könnte man als Option auch eine Oberstufe direkt auf einen Booster setzen und so doch noch die kleine Version realisieren.
Das flexible Konzept
Das obige Konzept kann man noch etwas flexibler gestalten. Die zentrale Stufe besteht aus verschiedenen Teilen, die vom Triebwerk aus zum Stufenadapter diese sind:
- Triebwerk
- Schubgerüst
- Tankdom Methantank
- zylindrischer Teil Methantank
- Tankdom Methantank
- Zwischentanksektion
- Tankdom LOX-Tank
- zylindrischer Teil LOX-Tank
- Tankdom LOX-Tank
- Stufenadapter
Die Länge der Tanks und damit die Treibstoffmenge kann man relativ einfach durch die zylindrische Länge anpassen, diese könnte zum Beispiel aus Ringen fester Länge in festen Schritten vergrößert werden.
Für den Schub sind die Triebwerke verantwortlich. Setzt man einen Triebwerksrahmen ein, der drei Positionen hat, so gibt es drei symmetrische Fruktifikationen mit einem Triebwerk (in der Mitte), zwei Triebwerken (jeweils außen) und eben allen drei Triebwerken. Wir hätten dann eine Stufe die je nach Betankung und Triebwerkszahl eine variable Länge (oder wenn man damit die Versorgungsleitungen am Startturm immer auf der gleichen Höhe sind, eine konstante Länge aber variable Betankung) hat. Bis zu einer Startmasse von etwa 270 t bräuchte man bei drei Triebwerken dann keine Booster.
Noch interessanter wird das Konzept bei der Oberstufe: Eine Oberstufe, die für 180 t Startmasse (zwei Triebwerke keine Booster) ausreichend dimensioniert ist, ist bei Hinzunahme von sieben Boostern und einer Startmasse von 870 t zu klein. Auch hier würde man durch einen Triebwerksrahmen mit drei Positionen, dann eines oder zwei Triebwerke einsetzen können (drei sollten nicht nötig sein und würden wegen der großen Expansionsdüsen auch nicht in den Stufenadapter passen) und so die Treibstoffladung verdoppeln.
Der Vorteil dieses flexiblen Konzepts ist, dass man nur einen Triebwerkrahmen für bis zu drei Triebwerken hat und die Länge der Tanks einfach angepasst werden kann. Der Nachteil eine leicht höhere Leermasse. Mehr dazu im entsprechenden Grundlagenartikel.
Triebwerksausfälle
Die wahrscheinlichste Ursache für einen Fehlstart ist ein Triebwerksausfall. Mit sehr vielen Triebwerken ist ein solcher natürlich wahrscheinlicher. Dies war ein Grund, warum man früher lieber ein oder zwei Triebwerke pro Stufe eingesetzt hat. Leider gibt es nur wenige Daten zu der Ausfallwahrscheinlichkeit von Triebwerken, aber es gibt welche für Raketen. Hier die Bespiele in der europäischen Raketenentwicklung:
Rakete | Zuverlässigkeit | Triebwerke |
---|---|---|
Araine 1 | 0,9 | 6 |
Ariane 4 | 0,95 | 10 |
Ariane 5 ohne Oberstufe | 0,99 | 3 |
Ariane 5 mit Oberstufe | 0,985 | 3 |
Ariane 64 | 0,99 | 6 |
Bricht man die Zuverlässigkeit auf die Triebwerke herunter, so wurde diese von 0,983 auf 0,998 gesteigert, wurde also um den Faktor 10 besser in rund 40 Jahren. Nehmen wir den Zuverlässigkeitswert von Ariane 64 für unsere Rakete an, so würde die größte Clusterlösung mit acht Triebwerken eine Zuverlässigkeit von 0,983 haben oder ein Fehlstart alle 66 Starts. Das ist in etwa genauso gut wie beim Ariane 5 Entwurf.
Die Oberstufe
Verzichtet man auf das Konzept mehr Triebwerke in der Oberstufe einzubauen und sie flexibel zu verlängern, so muss sich die Größe der Oberstufe nach der kleinsten Konfiguration richten – der Schub des M10 ist zu klein als dass es bei Zündung die Aufstiegsverluste ausgleichen könnte, so muss die Stufe leicht sein, wenn die Endgeschwindigkeit bei der Zündung gering ist und diese ist natürlich am geringsten bei einem Booster.
Als optimale Treibstoffladung ermittelte ich bei einem Prometheus eine Masse von 12-13 t. Bei 11 t Treibstoff sinkt die Nutzlast um 100 kg ab, bei 14 t ebenfalls um 100 kg und dann rapide um je 100 kg je 1 t mehr Stufenmasse.
Bei sehr vielen Triebwerken in der ersten Stufe bzw. einem Cluster ist auch denkbar die Oberstufe durch einen Booster zu ersetzen. Ich habe dies einmal für die Clusterlösung mit sieben Raketen durchgerechnet.
Die Entscheidung
Ich habe drei Ansätze präsentiert wie man mit nur einem Triebwerk eine ganze Raketenfamilie bauen könnte. Der technisch ausgefuchste ist die flexible Lösung. Rein rechnerisch wären mit drei Zentraltriebwerken und bis zu sieben Boostern und zwei Oberstufenvarianten nicht weniger als 42 Konfigurationen denkbar. Die meisten lägen aber in der Nutzlast nahe beieinander, sodass ich denke, dass etwa ein Dutzend sinnvolle Umsetzungen übrig bleiben.
Aus produktionstechnischer Sicht ist es aber klar, dass die Clusterlösung die beste ist. Hier kann ich auch eine grobe Kostenabschätzung machen: Ein Konzept von Airbus sieht das Ersetzen der Feststoffbooster durch Booster mit drei Prometheus vor. Das macht natürlich nur Sinn, wenn diese billiger sind als die derzeitigen Booster, die nach den Planungen zwischen 12,5 und 15 Millionen Euro kosten. So halte ich 6 Millionen Euro für einen Booster und 6 Millionen für die Oberstufe für denkbar. Auch hier: bei geplanten 9 bis 12 Starts der Ariane 6 pro Jahr und im Mittel drei Boostern pro Start kommt man auf 81 bis 108 Triebwerken pro Jahr. Auch hier wird auf die Serienproduktion gesetzt.
Das Ergebnis
Ich habe hier mal die Varianten durchgerechnet. Ich spare mir alle Daten, da ich denke nur die wenigsten Leser sie alle studieren. Hier die wesentlichen Daten:
Booster | Oberstufe | |
---|---|---|
Vollmasse: | 80 t (variable Füllung) | 14,65 t (mit VEB) |
Leermasse: | 5 t | 1,65 t (mit VEB) |
Kosten: | 6 Mill. Euro | 6 Mill. Euro + 6 Mill. für Nutzlastverkleidung und VEB |
Nutzlastverkleidung: | 20 m Länge x 5,4 m Durchmesser + Adapter 3 t Gewicht |
Ich habe hier bei den Boostern auch das Konzept der variablen Betankung umgesetzt und sie so um 10 t schwerer gemacht.
Kosten | Nutzlast LEO 5 Grad | Nutzlast GTO 5 Grad | Kosten pro Tonne in LEO | Kosten pro Tonne in GTO | |
---|---|---|---|---|---|
1 Booster | 16 Mill. Euro | 2,3 t | – | 7.000 € | – |
2 Booster | 22 Mill. Euro | 6,0 t | 1,9 t | 3.700 € | 11.600 € |
3 Booster | 28 Mill. Euro | 9,0 t | 3,3 t | 3.200 € | 7.400 € |
4 Booster | 34 Mill. Euro | 13,4 t | 4,4 t | 2.600 € | 7.800 € |
5 Booster | 40 Mill. Euro | 16,3 t | 5,3 t | 2.500 € | 7.500 € |
6 Booster | 46 Mill. Euro | 19,2 t | 6,1 t | 2.400 € | 7.600 € |
7 Booster | 52 Mill. Euro | 21,8 t | 6,9 t | 2.400 € | 7.600 € |
7 Booster + 1 Booster als Oberstufe | 52 Mill. Euro | 31,7 t | 12,2 t | 1.700 € | 4.300 € |
Vega | 32 Mill. Euro | 2,3 t | 13.900 € | ||
Vega C | 32 Mill. Euro | 3,5 t | 9.200 € | ||
Sojus | 70 Mill. Euro | 9,0 t | 3,25 t | 7.800 € | 21.600 € |
Ariane 5 E | 160 Mill. Euro | 21,6 t | 10,9 t | 7.400 € | 14.700 € |
Ariane 62 | 90 Mill. Euro | 11,5 t | 4,5 t | 7.900 € | 20.000 € |
Ariane 64 | 115 Mill. Euro | 21,6 t | 11,5 t | 5.400 € | 10.000 € |
Bei dem Einsatz eines Boosters als Oberstufe habe ich die Treibstoffladung auf 70 t bei den Boostern limitiert, sonst wäre der Orbit nicht erreichbar.
Sehr deutlich ist, das der Nutzlastgewinn zuerst stark ist, dann immer weiter abnimmt, die Kosten gemessen an der Nutzlast sind bei LEO/GTO ab drei bzw. 4 Booster als Konstant anzusehen. Um keinen Irrtum aufkommen zu lassen: Niemand rechnet bei Verträgen mit den Kosten pro Kilogramm Nutzlast, sondern was ein Start konkret kostet, es ist aber ein einfaches Kriterium, das zeigt ob man das Optimum schon erreicht hat.
Ich habe in die Tabelle auch die bekannten Nutzlasten und Startpreise der letzten europäischen Träger mit aufgenommen, damit kann man vergleichen.
Bevor man übrigens zu sehr auf Ariane 6 meckert: Rechnet man den Startpreis einer Ariane 1 von 1983 inflationsjustiert auf den heutigen Wert um, so liegt diese zwischen der Ariane 62 und 64 und das bei nur 1,86 t GTO-Nutzlast