Ariane 6 Weiterentwicklungen – durchgerechnet 2

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Ich schließe an den ersten Teil der Ariane 6 Erweiterungen an, die hier aufgeführten sind anders als die im ersten Teil nicht mehr als Planspiele, wenngleich einige Komponenten wie Prometheus und Themis Stufe derzeit entwickelt werden. Eine Beschreibung der Erweiterungen findet ihr im ersten Teil dieser Trilogie.

Prometheus Triebwerke anstatt des Vulcain 2.1

Weitaus komplizierter ist das Ersetzen des Vulcain durch das Prometheus. Wir haben hier einen anderen Treibstoff und ein anderes Mischungsverhältnis, aber auch die Triebwerke unterscheiden sich. Hier die für die Simulation wesentlichen daten:

Vulcain 2 Prometheus
Masse: 1.930 kg
Schub: 980 / 1.370 kN / 1.000 kN
Brennkammerdruck: 119 bar 100 bar
Expansionsverhältnis: 62 28
LOX/Treibstoff: 6,2 3,5

Inzwischen wurde das Prometheus auf 1.200 k Schub gesteigert, allerdings gibt es davon noch keine neuen technischen Daten. Man kann vieles an dem Triebwerk ändern, wenn man es auf Wasserstoff umstellt – Düsenlänge, Turbopumpen, man wird die Brennkammer beibehalten, weil sie die meisten Tests und Entwicklungskosten verursacht.

Ich habe es mir einfach gemacht und eine Analyse der DLR genommen, demnach hat ein Prometheus für eine wasserstoffangetreibene Stufe folgende technische Daten:

Parameter Wert
Schub SL/Vac 1164 / 1.292 kN
Masse: 1.385 kg
Spez. Impuls SL/Vac 365 / 405 s (3.581 / 3973 m/s)

Damit habe ich nun die Ariane 62+ und 64+ mit zwei dieser Prometheus anstatt den Vinci erneut durchgerechnet. Ich habe den Schub und spezifischen Impuls angepasst und 1000 kg für das zweite Triebwerk addiert (beinhaltet auch Änderungen am Schubrahmen)

In meiner Simulation sinkt die Nutzlast aber bei der Ariane 64+ wieder ab von 12,8 t auf die ursprünglichen 11,5 t. Das liegt an dem niedrigeren spezifischen Impuls. Bliebe er gleich, so würde die Nutzlast sich praktisch nicht ändern, was zeigt das Ariane 64 schon durch-optimiert ist. Ariane 62 würde dagegen von 5,9 auf 7,3 t zulegen, weil die Gravitationsverluste von 2.528 auf 1.913 m/s sinken und bei Beibehaltung des spezifischen Impulses wären es sogar 8,4 t. Auch hier sehen wir, das die kleinere Version überproportional von Verbesserungen profitiert.

Real wäre natürlich eine Reduktion der Startkosten um 8 Millionen Euro – wenn die preislichen Zielvorgaben des Prometheus eingehalten werden – dem Nutzlastverlust bei Ariane 64 gegenzurechnen. Für Ariane 62 lohnt es sich der Tausch in jedem Falle: Die Nutzlast steigt um 1,4 t an und die Kosten sinken.

Für die Konstellationen von Bedeutung ist, nun das man weniger Treibstoff im ULPM weglassen muss. Bei Ariane 64 wahrscheinlich gar keinen mehr. Für die Ariane 64 errechne ich eine Nutzlast von 31 t in eine 500 km große SSO-Bahn, das wäre das doppelte der 15,5 t die das User-Manual angibt. Wahrscheinlich wird man dann auch die Nutzlastverkleidung verlängern müssen.

Insgesamt halte ich den Austausch des Vulcain aber für die fragwürdigste der Vorstellungen. Der Aufwand ist groß und ich erinnere gerne an das Vulcain 2 wo man meinte, das man nur die Turbopumpen austauschen müsste und es schlussendlich auf eine Triebwerksneuentwicklung herauslief. Der einfachste Weg wäre in der Tat, dass man den Gasgenerator (das obige PDF spricht davon, das das Prometheus ein Gasgeneratortriebwerk ist) anpasst und dann eine neue Turbopumpe für den Wasserstoff konstruiert. LOX-Turbopumpe, Brennkammer und Düse bleiben unverändert. Dann würde der Schub etwas absinken, da der Treibstoffdurchsatz absinkt, um etwa 10 Prozent. Der spezifische Impuls läge dann bei etwa 4191 m/s im Vakuum und 3965 m/s auf Meereshöhe, bei einem Treibstoffverlust von 3 Prozent für den Gasgenerator.

Diese Version habe ich im Datenblatt verwendet.

Rakete Nutzlast GTO Gewinn zu „+“ Version
Ariane 62 7.700 kg 1.800 kg
Ariane 64 13.000 kg 200 kg

 

Prometheus Booster

Der nächste Schritt ist es die P120C durch LRB, mit flüssigen Treibstoffen betriebene Booster zu ersetzen. Ein Modell namens Themis wird schon getestet, durfte aber wohl eher als erste Stufe einer eigenen Trägerrakete zum Einsatz kommen, zumal eine französische Firma auch gerade an einer Trägerrakete mit drei Prometheus in der ersten Stufe arbeitet.

An der Stelle will ich nochmals – weil mir SpaceX Fans so gerne unterstellen ich hätte generell die Wiederverwendung als unwirtschaftlich abgetan – die Problematik zeigen, denn diese Booster sollen ja wiederverwendet werden. Das Prometheus ist auf mehrere Zündungen ausgelegt. Das Grundproblem für Europa, anders als in den USA, sind die Startzahlen. Beim Prometheus sind fünf Zündungen möglich. Ariane 6 ist auf 9 bis 11 Starts in der Produktion ausgelegt. Die Vega auf etwa 3-4. Würde man 5 x pro Jahre je eine Ariane 62 und eine Ariane 64 starten und bei der Vega ebenfalls den LRB als erste Stufe einsetzen, so käme man ohne Wiederverwendung auf eine Stückzahl von 34 Stück pro Jahr. Geteilt durch 5 Einsätze sind das 7-8 neue Booster pro Jahr und damit liegt man in der Region in der auch derzeit die Ariane 6 Produktion ausgelegt ist. Dann lohnt sich eine Wiederverwendung. Wenn ich, wie es bei Ariane 6 bisher der Fall ist, aber 9 bis 11 Vulcain 2 pro Jahr produziere dann eher nicht. Nebenbei: der niedrige Preis eines Prometheus von 1 Million Euro pro Triebwerk ist auch an eine Zahl gekoppelt: an eine Produktion von 35 bis 40 Triebwerke pro Jahr. Das erreicht man aber bei Wiederverwendung auch nicht, sondern maximal 20 Stück pro Jahr, während es ohne Wiederverwendung 99 wären. Das bedeutet jedes Prometheus würde teurer werden.

Daneben ist die Wiederverwendung mit einer Nutzlasteinbuße verknüpft, denn man braucht ja noch Treibstoff zum Landen. Bei einer Falcon wiegt der Landetreibstoff das genauso viel wie die erste Stufe selbst wiegt. Dieser Treibstoff fehlt für den Antrieb.

Ich habe mal die Ariane 62/64 – in der Version mit dem Vulcain, da dessen Daten ja feststehen mit zwei Prometheus Boostern untersucht. Deren Masse – noch mit dem 1.000 kN Prometheus betrug je 150 t, realistisch beträgt dann die Trockenmasse etwa 10 t und in der wiederverwendbaren Version kommen noch 100 % Massenaufschlag bei der Trockenmasse hinzu.

Rakete Nutzlast GTO nicht wiederverwendbar Nutzlast GTO wiederverwendbar
Ariane 62 9.500 kg 7.300 kg
Ariane 64 20.000 kg 15.300 kg

 

Es gibt also einen Nutzlastverlust von in beiden Fällen etwa 23 bis 24 Prozent. Demgegenüber muss gerechnet werden, was man an Kosten einspart. Bei den P120C machen zwei Booster 27 Prozent der Kosten einer Ariane 62 und vier Booster 43 Prozent der Kosten einer Ariane 64 aus. Daneben sinkt durch die Wiederverwendung die Produktionszahl was die wiederverwendbaren Booster teurer macht und zuletzt fallen durch die Bergung und Inspektion auch Kosten an. Ich wage zu prophezeien, das wenn man die Startrate einer zukünftigen Ariane 6 nicht entscheidend erhöht, es für Europa immer noch billiger sein wird die Booster nicht wiederzuverwenden, zumal man so auch auf eine hohe Stückzahl kommt.

Der Themis Booster könnte auch bei der Vega eingesetzt werden. Bei der aktuellen Vega C würde er auch im wiederverwendbaren Fall die Nutzlast für den 700 km Referenzorbit von 2.300 auf 3.500 kg erhöhen. Neben dem höheren spezifischen Impuls brennt er länger und macht so die Freiflugphasen unnötig. Ohne Wiederverwendung wären es sogar 4.900 kg.

Die eigene Einschätzung

Die meisten Optionen offerieren mehr Nutzlast. Das benötigt man aber eigentlich nicht. Die Ariane 64 hat schon nicht mehr Nutzlast als die Ariane 5 ECA, weil die vorgesehenen Hauptnutzlasten – Kommunikationssatelliten seit etwa 20 Jahren kaum noch an Gewicht zulegen. Für niedrige Orbits, die Konstellationen, wäre mehr Nutzlast wünschenswert, aber da gibt es eher das Problem, dass die Nutzlasthülle zu klein ist. Eventuell kann man die aber noch verlängern.

Das Prometheus-Triebwerk offeriert Einsparpotenziale. Wenn es gelingt das Triebwerk nur mit kleinem Aufwand auf Wasserstoff umzurüsten so könnte man Kosten einsparen, mit den LRB käme man – auch wenn man die nötige Startzahl nicht für eine Wiederverwendung zusammenbekommt – auf eine relativ hohe Stückzahl an Triebwerken pro Jahr, zumal man diesen Booster dann auch auf der Vega einsetzen könnte. Ich persönlich würde aber für einen Nicht-Wiederverwedbaren Booster dessen Masse etwas verkleinern, sodass man nur zwei Triebwerke braucht, dafür liegt dann die Nutzlast sowohl bei Ariane 6 wie Vega eher bei der Größe die man derzeit hat, denn die reicht aus. Trotzdem käme man so auf mindestens 30 Triebwerke pro Jahr, also eine Stückzahl die Produktionskosten deutlich absenkt. Die Prometheus-Booster sehe ich als die beste Option für Ariane NEXT. De Fakto kann man auch mit nicht-wiederverwendbaren Themis Boostern beginnen und sich dann an die Wiederverwendung herantasten.

Alle Optionen kosten aber Geld. Gerade ist nun Ariane 6 geflogen, die erste neue Version seit 2002 und ich denke 20 Jahre lang wird sie auch mit den im ersten Artikel angesprochenen Verbesserungen fliegen müssen. Europa hat ja inzwischen Ariane 6 zum „institutionellen“ Träger erklärt, also einer Rakete die wir brauchen um einen Zugang ins All zu haben. Das verwundert mich nicht, denn ich habe das schon 2015 kritisiert, als ich die zweite Auflage meines Buchs über europäische Trägerraketen schrieb. Damals gab es schon Preiskalkulationen für die Ariane 6, und aus denen ging hervor, dass die entscheidenden Kostenvorteile eben in einer höheren Stückzahl – 12 pro Jahr wurden damals angenommen – liegen. Ariane 5, der Vorgänger flog niemals mehr als 7-mal pro Jahr, durchschnittlich 5-6 mal, woher sollten diese Starts also herkommen? Alle Optionen mit dem Prometheus basieren auf einer höheren Stückzahl an Triebwerken und für die Tonerverwendung müsste man nochmals mehr Starts haben, da jedes Triebwerk ja mehrere Male eingesetzt wird. Das wird es nicht geben und ich glaube, ein zweites Mal wird man von der ESA nicht in den nächsten Jahren das Geld für eine solche Entwicklung bekommen.

Die US-Vorgehensweise – einen Startauftrag auszuschreiben und der Hersteller finanziert die Rakete zum größten Teil selbst (es gibt immer noch Subventionen durch Entwicklungsaufträge oder „Anpassungen“) klappt bei den wenigen Starts pro Jahr nicht. Zieht man von den US-Starts 2023 die Starlink-Satelliten für das Firmennetz von SpaceX ab, so wurde 38-mal gestartet, das ist eine Stückzahl, auf die kommt Europa nie.

Wenn man den Weg der Prometheus Triebwerke geht – ob dies günstiger als die P120C+ wird – weiß wohl nur die Arianegroup – dann würde ich aber auch das Vinci durch ein Prometheus ersetzen. Es müsste im Schub herunter geregelt werden und würde die Nutzlast nicht steigern, da die Stufe dann mehr wiegt und der spezifische Impuls kleiner ist. Aber so hätte ich überall das gleiche Triebwerk, wenn auch mit Anpassungen. Auch das Vinci liegt bei etwa 10 Millionen Euro pro Triebwerk. Da lohnt sich ein Prometheus, auch wenn die Nutzlast absinkt.

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