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Ich dachte mir, ich knüpfe mal an meinen letzten Blog an – diesmal etwas einfacher und ohne Formeln – um etwas Wissen zu vermitteln, mit dem man zumindest beim Smalltalk punkten kann. Ich will in diesem Blog die wichtigsten Einzelbausteine der Kohlenhydrate erläutern. Einige Fachbegriffe müssen sein, aber auch damit kann man beim Smalltalk punkten: die elementaren Bausteine von Kohlenhydraten nennt man „Monosaccharide“, das kann man in schlechtes Deutsch als „Einfachzucker“ oder besser als „elementare Zucker“ übersetzen und leitet sich davon ab, das alle Monosaccharide mit sechs C-Atomen süß schmecken.
Ich nehme es mit der chemischen Einordnung aber nicht ganz genau und bespreche auch Reaktionsprodukte von Kohlenhydraten wie Zuckeralkohole, da diese vor allem als Lebensmittelzusatzstoffe eine Bedeutung haben. Die Reihenfolge orientiert sich nach meiner (gefühlten) Wichtigkeit.
Ribose
Das meiner Ansicht nach absolut wichtigste Kohlenhydrat ist die Ribose. Erstaunlicherweise kennen sie die wenigsten. Die Ribose ist ein Monosaccharid mit fünf C-Atomen, sonst haben ja nur die mit sechs Kohlenstoffatomen eine Bedeutung. Während der Mensch aber relativ gut ohne diese auskommen kann (relativ, weil der Verzicht auf Kohlenhydrate ja das Grundkonzept der Low-Carb oder No-Carb Diäten ist, und diese bei Ernährungswissenschaftlern als nicht empfehlenswert gelten) würde er ohne Ribose nicht existieren.
Ribose ist Bestandteil der RNS. Der Ribonukleinsäure. Sie besteht aus mit Phosphatgruppen veresterten Ribosemolekülen als Grundgerüst und diese wiederum verbunden mit Nukleinbasen als das informationstragende Element. Die RNA ist im Körper dafür notwendig die Information der DNA als Kopie zu den Ribosomen zu tragen, die aus dieser Information dann Proteine aus den einzelnen Aminsoäuren aufbauen. Es gibt Viren die haben RNA auch als Erbsubstanz.
Aber auch die Erbsubstanz von allen Lebewesen egal ob Bakterium oder Mensch, besteht aus Ribose, aber nicht der Ribose selbst, sondern der Desoxyribose. Diese hat an dem C2 Atom ein Wasserstoffatom anstatt einer Hydroxylgruppe. (Für den Smalltalk besser zu merken: „H-Atom“ „OH-Gruppe“). Sie ist Speicher der genetischen Information, egal ob Bakterium oder Mensch. Leben wäre ohne DNA nicht vorstellbar.
Die Ribose findet man aber auch als Bestandteil einiger wichtiger Coenzyme wie AMP, ADP und ATP, NAD/NADH und NADP/NADPH. AMP bis ATP gelten als die energetische Währung der Zelle. Der Abbau und Aufbau von Substanzen geschieht schrittweise in Stoffwechselzyklen und immer wenn bei einer Reaktion Energie frei oder benötigt wird kommen die Verbindungen AMP bis ATP ins Spiel, sie unterscheiden sich in der Anzahl der gebundenen Phsophatreste und je mehr das Molekül enthält, um so mehr Energie ist in ihm gespeichert. Meist wird beim Abbau von Substanzen aus dem ADP ein ATP gebildet und dabei Energie gespeichert. Beim Aufbau von Substanzen findet der umgekehrte Vorgang statt, aus einem ATP wird ein ADP gebildet und dabei Energie frei und auf die zu synthetisierte Substanz übertragen.
Ribose steckt auch in den beiden Molekülen NAD/NADP (ich erspare mir das Ausschreiben, da ich davon ausgehe das sich kein Nichtchemiker die Bezeichnung „Nicotinsäureamid-Adenin-Dinukleotid-Phsophat“ merken kann). Diese Moleküle werden immer benötigt wenn im Körper Oxidationen oder Reduktionen stattfinden. Sie können Wasserstoff auf andere Moleküle übertragen oder eben selbst speichern. Dabei wird immer auch ADP/ATP benötigt.
Man sieht also, ohne Ribose gibt es kein Leben!
Glucose
Glucose ist in der Natur das Hauptkohlenhydrat für Speicherenergie. Stärke besteht aus zu langen Ketten verbundenen Glucosemolekülen, das Glykogen, das einzige Speicherkohlenhydrat von Tieren, besteht ebenfalls aus Glucosemolekülen. Die physikalischen Eigenschaften hängen sehr stark davon ab, wie die Glucose-Bausteine miteinander verbunden werden.
Glykogen und eine Fraktion der Stärke, das Amylopektin sind stark verzweigt, die Amylose als zweite Stärkefraktion dagegen eine lineare Kette. Eine lineare Kette bildet auch die Zellulose. Sei unterscheidet sich von der Amylose nur dadurch, das die Glucosemoleküle anders verbunden sind: bei der Zellulose ist jedes zweite Molekül gegenüber der Amylose um 180 Grad gedreht. Diese kleine Änderung reicht aus, das der Körper Cellulose nicht abbauen kann und Cellulose so als Ballstoff gilt. Wir brauchen aber Ballaststoffe für die Darmgesundheit. Sie tragen zum einen zum Volumen des Darminhalts bei und verhindern so Darmträgheit zum anderen können Darmbakterien sie abbauen und sie liefern uns dafür Vitamine. Da Cellulose auch ein Bestandteil der verholzten Teile der Pflanzen ist, ist Glucose das mengenmäßig bedeutendste Kohlenhydrat in der Natur.
Als Monosaccharid kommt es in Früchten vor, als Dissacharid ist es Bestandteil des Haushaltszuckers und Milchzuckers.
Fructose
Geht man nach der aufgenommenen Menge in der Nahrung, so rangiert Fructose an zweiter Stelle in der Ernährung. Das liegt vor allem an der Saccharose die aus Glucose und Fruktose besteht und die als „Zucker“ heute massenhaft eingesetzt wird. Jeder Deutsche isst im Durchschnitt 90 g Zucker pro Tag. (Empfohlen werden 60 g pro Tag). In der Natur ist Saccharose eher selten. Fructose als ihr Baustein findet sich aber als Hauptzucker in Früchten und hat daher auch den Namen bekommen. Natürlich findet man Fructose auch in Honig und als Inulin in der Süßkartoffel.
Nimmt man Fructose in Mengen auf, die die in der normalen Ernährung weit überschreiten – das kann bei Diabetikern der Fall sein, da Fructose insulinunabhängig verstoffwechselt wird – dann kann es zu Übergewicht und Fettleber kommen, da Fructose anders als Glucose nur in der Leber abgebaut wird und diese überfordert sein kann.
Galaktose
Galaktose ist Bestandteil des dritten wichtigen Disaccharids, der Lactose, des Milchzuckers. Für Babys ist er das einzige Kohlenhydrat und sie können ihn auch problemlos abbauen. Diese Fähigkeit verliert der menschliche Körper beim Erwachsenen. Genauer gesagt, er verliert die Fähigkeit die Lactose aktiv aus dem Darminhalt in die Zellen aufzunehmen. Ohne diese Fähigkeit gelangt relativ viel Lactose in den Dickdarm, wird dort von den Darmbakterien vergoren und führt zu Befähigungen und Koliken. Die Milchzuckerunverträglichkeit ist weltweit gesehen der Normalfall. Bei uns in Mitteleuropa sind aber nur etwa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung betroffen, weil durch den Milchkonsum durch die Viehhaltung innerhalb der letzten Jahrtausende, die Personen sich besser vermehrt haben, die Milchzucker vertragen können. Wird Milch fermentiert oder bei der Käseherstellung das Eiweiß mit dem Fett ausgefällt, dann wird der Gehalt an Milchzucker stark reduziert.
Das Oxidationsprodukt der Galaktose, die Galacturonsäure ist der Hauptbestandteil von Pektinen, einem Bestandteil der Zellwände von Pflanzen. Pektine gehören auch zu den Ballastastofen sind aber auch ein wichtiger Lebensmittelzusatzstoff, weil sie sehr viel Wasser stabil binden können. Sie werden so bei der Herstellung von Konfitüre eingesetzt.
Xylose / Xylit
Xylose ist ebenfalls ein Monosaccharid mit nur fünf Kohlenstoffatomen (Pentose). Aus Xylose bestehen die Xylane, die wiederum der Hauptbestandteil der Hemicellulosen sind, dem dritten wichtigen Ballaststoff und ebenfalls Bestandteil der pflanzlichen Zellmembranen. Für unsere Ernährung ist aber der aus Xylose gebildete Zuckeralkohol Xylit wichtig. Er wird auch „Birkenzucker“ genannt, weil er zuerst in Birkenholzspänen entdeckt wurde und Holz, das enzymatisch gespaltet wird ist auch die Hauptquelle für Xylit. Birken enthalten aber keinen Zucker.
Xylit – der Chemiker erkennt an der Endung „-it“, das es kein Saccharid ist, denn sonst würde es auf „-ose“ enden. Die Vergabe der Endung ist allerdings auch nicht systematisch den Xylit ist ein Zuckeralkohol, chemisch ein Polyol und müsste somit mit „-ol“ enden, wie das bekanntere Ethanol.
Xylit ist wichtig weil, es ein Zuckerersatzstoff ist. Da Zucker ein extrem mieses Image hat, wird er gerne durch Zuckeraustauschstoffe ersetzt. Das sind zum einen Süßstoffe die eine viel höhere Süßkraft haben als Zucker und zum anderen Zuckerersatzstoffe, das sind andere Saccharide oder in diesem Falle Zuckeralkohole. Der Vorteil ist, das alle diese Zuckerersatzstoffe den Blutzuckerspiegel gering oder gar nicht beeinflussen und sich so für Diabetiker eignen und viele sind auch nicht kariogen, werden daher vor allem in Kaugummis und Bonbons verwendet. Als Nebeneffekt das der Körper nicht auf diese Stoffe eingestellt ist, liefern sie auch weniger Energie als Zucker.
Xylit ist meiner Meinung nach der beste dieser Zuckerersatzstoffe, er hat die gleiche Süßkraft wie Haushaltszucker und ist nicht kariogen, hat einen kleinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel und wirkt – das ist die Schattenseite fast aller Zuckerersatzstoffe – nur leicht abführend. Das liegt daran das unser Verdauungssystem Zuckeralkohole nicht aktiv in die Darmzellen befördert und so die Resorption langsamer ist und auch unvollständig. Der im Dickdarm angekommene Xylit wird dort vergoren und das führt bei großen Mengen zu einer Diarrhö.
Sorbose / Sorbit
Ebenfalls ein Zuckeralkohol ist Sorbit. Sorbit wurde zuerst in der Eberesche gefunden und daher nach ihr benannt (Sorbus aucuparia). Industriell wird er heute aber aus Glucose gewonnen, da Sorbit entsteht, wenn Glucose, Fructose oder die Sorbose hydriert werden. Er wirkt hygroskopisch, zieht also Luftfeuchtigkeit an und wird daher auch als Feuchthaltemittel verwendet. Gegenüber Xylit wirkt er aber leicht kariogen und hat eine geringere Süßkraft.
Isomalt / Isomaltose
Isomalt ist ein weiterer Zuckeralkohol. Er entsteht aus der Isomaltose, ein Isomer der Maltose, einem Disaccharid, nur sind die beiden Glucosemoleküle über eine 1-6 anstatt 1-4 Bindung verbunden. Isomalt ist auch ein Zuckerersatzstoff. Es hat ähnliche Eigenschaften wie der Sorbit, ihm wird aber ein reinerer, d.h. dem der Saccharose mehr ähnelnden Süßeindruck zugeschrieben. Wie bei Sorbit hat es nur die Hälfte der Süßkraft von Rohr- und Rübenzucker. In den USA ist übrigens noch Isomaltulose zugelassen, das ist eine ähnliche Verbindung, nur ersetzt hier die Fructose ein Glucosemoelkül. Es ist ein Isomeer der Saccharose.
So, das war jetzt viel Stoff, aber ich denke wer ihn behalten kann punktet bei der nächsten Party vor allem bei ernährungsbewussten Frauen, was vielleicht für den einen oder anderen ein Motivation sein könnte den Artikel doch zu lesen. Für alle die bis dahin durchgehalten haben ein Schwank aus meinem Leben, an den ich denken musste als ich die Monomere im Geiste Revue passieren ließ. Das ist mittlerweile 30 Jahre her und wohl inzwischen verjährt. Und zwar an mein erstes Hauptsemester in Lebensmittelchemie. Eine der ersten Analysen war die von Dickungsmitteln, das Lebensmittelzusatzstoffe die Lebensmittel verdicken oder stabilisieren, es sind meist exotische Pflanzenkohlenhydrate oder Algenextrakte aus unverdaulichen Kohlenhydraten in denen auch andere Monosaccharide vorkommen, die ich hier weggelassen habe, wie die Mannose oder Gulose.
Diese Analyse war sehr zeitaufwendig. Man musste erst die Kohlenhydrate vom Eiweiß und Fett trennen, dann die Verdickungsmittel von der Stärke und dann wurden diese mit verdünnter Säure in ihre Monosaccharide gespalten, die Säure neutralisiert und die Lösung reduziert. Das dauerte alleine etwa zwei Tage. Zum Schluss wurde die Lösung in einer Chromatographiekammer auf Papier aufgetrennt.
Jeder der mal Papierchromatographie betrieben hat, kennt die Nachteile des Mediums. Proben laufen auseinander bilden breite Banden anstatt dünne Flecke. Als weiterer Nachteil sieht man die Monomere nicht, bis man das Papier mit einem Nachweisreagenz besprüht, dann färben sie sich ein, erst dann sieht man wie gut die Trennung war. Wir fanden bald raus, das die normale Laufzeit nicht ausreichte, die Balken sauber zu trennen, also verlängerten wir die Inkubationszeit. Wir machten morgens vor der Vorlesung den Auftrag und das letzte, was man abends machte, bevor man heimging, war das Entwickeln. Vergaß man das, so war die Arbeit umsonst. Selbst dann war die Sache nicht eindeutig, denn viele Verdickungsmitteln bestanden aus denselben Bestandteilen nur unterschiedlicher Menge oder ein Bestandteil war spezifisch aber in so kleiner Menge vorhanden, dass er schwer nachweisbar war.
Bei uns galt die regel das man eine Analyse (allerdings jedes mal mit neuer Probe) so oft wiederholt, bis das Resultat korrekt ist. Ich hatte die Analyse schon zweimal gemacht und war frustriert. Nur deswegen erinnere ich mich auch noch so genau an die Anweisungen, während ich Analysen die beim ersten Mal klappten, längst vergessen habe. Beim dritten Mal war das Resultat wieder nicht auswertbar und ich schrieb alle Monosaccharide die vorkommen konnten, auf einen Zettel und hatte so um die sieben Substanzen. Dann ging ich durchs Labor und fragte jeden Studenten nach einer Zahl von 1-7 und machte einen Strich neben dem Monosaccharid. Am Schluss suchte ich das Verdickungsmittel heraus das die beiden am meisten genannten Zahlen = Monosaccharide enthielt und gab das als Ergebnis ab.
Es war korrekt! Seitdem zog sich ein Wahlspruch durch mein Studium das ich einem kleinen Heft über Murphys Gesetz und andere „Weisheiten“ entnommen habe: Glaube nicht an Wunder, verlass Dich auf sie!