Miese Werbung für Nahrungsergänzungsmittel und frei verkäufliche Medikamente
Ich bekomme, da ich nur öffentlich-rechtliche Sender anschaue, relativ wenig Fernsehwerbung mit, aber wenn dann finde ich sie meist störend. Zum einen, weil offensichtlich das Publikum dieser Sender sehr alt und vor allem sehr gebrechlich sein muss, denn es gibt Werbung für Inkontinenzprodukte, Hörgeräte und eben sehr viele frei verkäufliche Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel. Zum anderen, weil ich finde das viele Spots doch sehr schlecht gemacht sind.
Wir finden heute Spots aus früheren Jahrzehnten belustigend, wie der „Persil-Mann“ „Da weiß man was man hat“, die burschikose Klementine, das Eintauchen von Händen in Pril-Spülmittel bei der Pediküre oder das schlechte Gewissen durch die Geistfrau bei Jakobs Krönung. Aber vielleicht ist das gerade das Erfolgsrezept: ich weiß noch Jahrzehnte nachdem die Spots liefen, für welche Produkte sie waren.
Anders kann ich mir nicht erklären, warum man heute wo man doch viel umfassendere Erkenntnisse hat, wie Werbung wirkt und was erfolgreiche Spots ausmacht, man so laienhafte Spots dreht. Vielleicht sollen sie gerade durch die Laienhaftigkeit in schlechter Erinnerung bleiben.
Medipharma Cosmetics
Schon vor Jahren fiel mir die Werbung von Medipharma Cosmetics auf. Gestylte Frauen, gut geschminkt geben sich als Kunden aus. Rein zufällig stehen sie vor einem Regal das nur mit den Produkten dieser Firma bestückt ist (selbst wenn der Hintergrund nur unscharf abgebildet ist, leicht erkennbar an der monotonen Flächentextur, denn alle Packungen der Firma sind weiß-grün). Welche Apotheke kann es sich leisten für einen Hersteller ein ganzes Regal freizuräumen? Besonders auffällig ist natürlich, dass die Modelle die Werbebotschaften wiederholen müssen, die auch durch den Sprecher im Off vorgetragen wird. Da fällt jedem auf, das sie nicht frei reden, vor allem wenn sie Fachausdrücke benutzen, die wohl beim Hersteller üblich sind, aber nicht bei den normalen Menschen wie Parabene – jeder würde wohl von Konservierungsstoffen reden und nicht der Substanzgruppe, die eingesetzt wird. Selbst unter Chemikern wäre PHB-Ester der geläufigere Begriff.
Wie ich übrigens bei dem Schreiben des Artikels feststellte gehört Medipharma Cosmetics ebenfalls zum weiter unten besprochenen Unternehmen „Dr. Theiss“.
Kijimea
Dann kam die Werbung für Kijimea bei der immer ein Kind oder in einem Spot auch ein Papagei dabei sein muss. Das Kind dient als Auflockerung, indem es den Erwachsenen blamiert (es geht um ein Abführmittel) dabei aber so künstlich rüberkommt, das man sofort merkt wie die Szene gestellt ist. Mein Lieblingsspot ist mit einem Mädchen das zuerst teilnahmslos in die Ferne schaut und dann erst aktiv wird, wenn die Oma daneben „Wie weg“ sagt. Ja so sehen Laienschauspieler, aus die auf Stichwort agieren.
Dr. Theiss
In der letzten Zeit fällt mir dann die Werbung von Dr. Theiss auf. Relativ gut fand ich noch den Spot über Melatonin. Wie immer fehlt in solchen Werbungssports aber die wichtigste Information: Melatonin gilt zwar als „Einschlafhormon“, aber eine Supplementierung hilft nur, wenn man einen Mangel hat, man kann nicht, wenn man genügend Melatonin selbst produziert durch mehr Melatonin schneller einschlafen oder überhaupt einschlafen. Im Gegenteil das BfR warnt vor zu hohen Dosierungen in den meisten Präparaten die zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Das man diese wichtige Einschränkung nicht nennt, ist aber bei fast allen Nahrungsergänzungsmitteln so, seien es Vitamine oder Mineralstoffe. Sehr oft wird suggeriert das irgendwelche Beschwerden auf einen Mangel eines Vitamins, Mineralstoffs oder sogar Hormons (Melatonin) zurückzuführen seien. Es gibt zum Beispiel unzählige Ursachen für Muskelkrämpfe. Eine Ursache kann Magnesiummangel sein, geht es nach der Werbung für Nahrungsergänzungsmittel, so scheint Magensiummangel die einzige Ursache zu sein.
Aber das ein Hersteller neutral informiert erwarte ich nicht, er will ja seine Produkte verkaufen und etwas Intelligenz und Eigenverantwortung sollte man beim Verbraucher oder Käufer schon vorauszusetzen können.
Dr. Theiss „Elektrolüte“
Doch der neueste Spot, denn ich gerade während einer Hitzewelle sehe, ist dann schon starker Tobak. Hier der Spot auf der Herstellerwebsite und hier der gesprochene Text:
„Ganz schön heiß heute. Da schwitze ich und mein Körper verliert wichtige Mineralstoffe. Also mus ich mehr trinken als sonst, vergesse ich aber oft. Deshalb habe ich die Elektrolüte aktiv, so trinke ich mehr und die Elektrolüte aktiv gibt meinem Körper zurück was ihm fehlt. Dr. Theiss Elektrolüte aktiv, die mit dem „ü“. In der Apotheke“.
Also Elektrolyte ist eigentlich die Mehrzahl von Elektrolyt, es müsste also heißen „geben meinem Körper zurück“, aber die Firma erfindet ja einen neuen Namen und bezieht das wohl die Aussage auf eine Dosis. Ich vermute diese komische Benennung erfolgt, damit man diesen Namen markenrechtlich schützen kann, da man das “ly“ bei uns ja wie ein „lü“ ausspricht, geht das. Bei Melatonin würde das nicht gehen.
Das Produkt selbst besteht aus den Vitamin Niacin, B6,B12 und C. Den Mineralstoffen Magnesium, Kalium und Natrium und vor allem aus Glucose.
Die Vitamine haben mit dem Schwitzen nichts zu tun. Sie werden nicht mit dem Schweiß abgegeben, sondern für Stoffwechselvorgänge benötigt und der Stoffwechsel ist bei Hitze ja eher geringer als bei Kälte, wer nicht gerade viel körperlich arbeitet oder Sport betreibt, bei dem beistimmt der Grundumsatz den Vitaminbedarf und der sinkt bei steigender Umgebungstemperatur ab, weil der Körper weniger Energie produzieren muss, um die Körpertemperatur von 37 Grad aufrechtzuerhalten. So bleiben noch die drei Elektrolyte, sprich die Kationen Magnesium, Kalium und Natrium.
Die relativen Verhältnisse sind im Produkte in etwa 1:4:6, während im Schweiß fast nur Natrium vorkommt. Im Schweiß macht Kalium macht etwa ein Viertel des Gehalts an Natriums aus und den Verlust an Magnesium durch den Schweiß kann man vernachlässigen.
Was der Körper bei Hitze sicher nicht braucht, ist Glucose als Kohlenhydrat und Energieträger.
Was dieser Spot aber vor allem verschweigt ist das wichtigste was man tun sollte wenn man viel schwitzt: wenn es heiß ist und wir schwitzen, dann verlieren wir Wasser. Unser Körper ist darauf eingestellt, das es überall, sowohl in den Zellen wie im extrazellulären Raum eine bestimmte Konzentration gibt. Alle Zellorganellen schwimmen in Wasser, Stoffwechselprodukte und Elektrolyte haben eine gewisse Konzentration. Das sich im Schweiß die Hauptionen des Intrazellularraums (Kalium) und Extrazellularraums (Natrium) finden, liegt ja gerade daran, das der Körper diese Konzentration an Elektrolyten aufrechterhalten will und so die Elektrolyte mit ausscheidet damit die Konzentration im Körper nicht ansteigt.
Verlieren wir aber Wasser, das heißt wir gleichen den Verlust durch Schweiß nicht aus, so senkt das zuerst die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit und führt bei weiterem Verlust schließlich zum Tod.
Daher ist es wichtig das Wasser zu ergänzen und nicht (nur) die Elektrolyte. Wenn man wie heute Temperaturen über 30 Grad hat, dann verliert man durch Schwitzen so viel Wasser das man dies mit einem Glas Wasser und einer Dosis „Elektrolüte“ nicht ausgleichen kann, da kommt man leicht auf einen Liter oder mehr die man zusätzlich am Tag trinken sollte. Und das kann einfaches Wasser sein, aus dem Wasserhahn oder eine Billig-Tafelwasserflasche aus dem Supermarkt.
Die noch offene Frage ist ob es bei so viel Schweißabgabe denn dann doch zu einem Elektrolytmangel kommen kann. Eher nicht. Was wir hauptsächlich mit dem Schweiß ausscheiden ist Natrium. Natrium ist als das Kation des Speisesalzes in der Nahrung reichlich vorhanden, die DGE empfehlt sogar den Natriumkonsum zu senken. So gesehen ist die Wahl von Natrium als Hauptbestandteil der „Elektrolüte“ sogar kontraproduktiv, denn die meisten Wassersorten sind natriumarm oder natriumfrei (ein kleiner Test: enthält ein Wasser viel Natrium, so schmeckt das Wasser leicht salzig). Das zweite Ion, das man durch den Schweiß verliert ist Kalium. Die Zusammensetzung von Schweiß ist nicht normiert. Angegeben wird ein Gehalt von 200 bis 700 mg Kalium/Liter. Doch selbst der höhere Wert von konzentriertem Schweiß ist klein gegenüber dem Tagesbedarf von 4000 mg/liter. Man müsste also rund 20 l leicht konzentrierten oder 6 l stark konzentrierten Schweiß angeben, um auf den Tagesbedarf an Kalium zu kommen. Bei diesem Wasserverlust wäre man aber bereits tot. Daneben hat der Körper ein Kaliumdepot, durch das er solche Verluste ausgleichen kann. Wenn man Kalium zuführen will, geht dies einfacher durch Obst. Alle Obstsorten enthalten Kalium. Sie sind auch reich an Wasser und so eine Alternative für die, die nicht so viel trinken wollen oder können.
Fazit
Ich persönlich halte das Produkt in seiner Zusammensetzung für überflüssig und weitestgehend unwirksam. Den Fernsehwerbespot, der suggeriert das man mit einem Glas Wasser plus einer Dosis Elektrolüte (15 Dosen kosten 11 Euro) aber etwas gegen den Wasserverlust bei Hitze tun kann halte ich für eine gefährliche Fehlinformation. Das wäre anders, wenn man – was ja auch möglich gewesen wäre – die „Elektrolüte“ als zusätzliche Ergänzung neben einer ausreichenden Wasserzufuhr beworben hätte.
Ähm, wenn Sie nicht auf QVC oder anderen Shopping Sendern zuschauen dann entgeht Ihnen etwas. Es gibt schlicht nix Entspannenderes als Dr. Peter Hartig bei einer Flasche Bier dabei zuzuhören, wie er Dinge, deren rechtlich Einordnung der einer Currywurst entspricht, als Heilmittel anpreist. Der Mann ist genial weil er immer die rechtlichen Normen einhält ohne justiziable Versprechungen zu machen. Mein absolutes Highlight ist „damit machen wir auch im Tumorbereich eine ganze Menge Dinge“. Sagt nix aus, ist nicht zu reklamieren und suggeriert Verzweifelten Heilung.
Mehr als eine Flache Bier geht aber nicht, sonst komme ich auf dumme Gedanken.
Bei einer Sache habe ich andere Erfahrungen gemacht.
„Die noch offene Frage ist ob es bei so viel Schweißabgabe denn dann doch zu einem Elektrolytmangel kommen kann. Eher nicht. “
Ich habe früher regelmäßig geklettert. Insbesondere wenn es warm war und man viel schwitzte fehlte ganz schnell irgend Etwas, vermutlich Kalium. Als isotonische Getränke noch unerschwinglich waren mußten zur Not Aprikosen herhalten. Der Effekt war deutlich. Bananen sollen auch funktionieren, die überlebten im Rucksack aber nicht lange.
Ich glaube der Effekt der Aprikosen liegt weniger an den Elektrolyten als eher am Zucker. Der kann kurzfristig nochmal spürbar Energie liefern wenn man überanstrengt ist.
Ich würde auch eher auf etwas anderes tippen. Zum einen den Placebo-Effekt (https://www.bernd-leitenberger.de/blog/2024/04/25/placebos-und-nocebos/) der einem suggeriert das wenn man nun etwas zu sich nimmt es einem besser gehen muss. Zum anderen enthalten isotonische Getränke meit kein Kalium sondern Natrium und eben wie Simon schon sagt: Kohlenhydrate wie sie auch in Obst vorhanden sind.