Am 19 und 20. August wird JUICE seinen ersten Vorbeiflug an der Erde absolvieren. Solche Swing-Bys sind, seit Galileo das erste Manöver 1990 durchführte, Routine. Die Erde ist nun mal der massereichste und am leichtesten erreichbare Körper für Swing-Bys. Solche sind inzwischen Routine, fast alle Raumsonden die nicht zu Venus und Mars aufbrachen, haben solche Swing-Bys durchgeführt. Ein Vorfeinlug an der Erde kann eine Raumsonde abbremsen (wenn man ins innere Sonnensystem aufbrechen will) oder beschleunigen (wenn man ins äußere Sonnensystem gelangen will) oder auch die Bahnneigung erhöhen, das ist der Hauptgrund für Swing-Bys auf dem Weg zu Asteroiden.
JUICE muss zu Jupiter und bei einer Startmasse von 5,9 t hätte keine Rakete, die es derzeit gibt, inklusive der SSLS sie direkt zu Jupiter starten können. JUICE ist die schwerste Raumsonde, die nicht von China und Russland stammt. So absolviert JUICE nicht weniger als vier Vorbeiflüge um zu Jupiter zu gelangen:
Ereignis | Datum | Distanz | Geschwindigkeitsänderung: |
---|---|---|---|
Start | 14. April 2023 | ||
1.tes SwingBy an Erde und Mond | 19/20. August 2024 | 750 km Distanz (Mond) und 6.800 km Distanz (Erde) | -3.300 m/s |
2.tes Swingby an der Venus | 31. August 2025 | 5.100 km | +3.800 m/s |
3.tes SwingBy an der Erde | 28. September 2026 | 8.600 km | +3.500 m/s |
4.tes SwingBy an der Erde | 17. Januar 2029 | 4.600 km | +3.500 m/s |
Einschwenken in Jupiterorbit | Juli 2031 |
JUICE braucht also acht Jahre zu Jupiter, ein Jahr länger als ursprünglich geplant, denn der Start war ursprünglich für den Mai 2022 geplant, dann wäre sie schon im Oktober 2029 bei Jupiter angekommen. Die Corona-Pandemie führte aber zur Verschiebung des Starts um elf Monate. Etwas schneller wird die zweite Mission zu Jupiter unterwegs sein, Europa Clipper. Sie soll im Oktober 2024 starten, aber schon im April 2030 bei Jupiler ankommen. Sie kommt mit zwei anstatt vier Swing-Bys an Mars und Erde aus, benötigt aber auch eine viel größere Trägerrakete zum Start, eine Falcon Heavy. Zeitweise war sogar der Start von Europa Clipper mit der SLS geplant.
JUICE wird als erste Raumsonde ein kombiniertes Mond-Erde Swing-By Manöver durchführen. Am 19. August passiert sie zuerst den Mond in knapp über 700 km Distanz, dann einen Tag später die Erde in minimal 6800 km Distanz, wobei der nächste Punkt im Pazifik liegt. Thailand, Vietnam und Kambodscha werden dabei überflogen.Die Relativgeschwindigkeiten betragen maximal 4,2 und 8,4 km/s. Beide Körper verändern die Geschwindigkeit der Sonde, sodass die ESA von LEGA (Lunar-Earth Gravity Assist) spricht. Klar kann man immer den Mond beobachten, wenn man die Erde passiert, aber bisher sind mir nur Aufnahmen von Galileo und Rosetta bekannt, beide aus großer Distanz. Die besten Aufnahmen von JUICEs Kamera JANUS werden trotz ihrer geringen Brennweite bei einer Auflösung von rund 10 m liegen. Vor allem der Mond, da ohne Atmosphäre ähnlicher den galileischen Monden die das vorrangige Beobachtungsobjekt von JUICE sind (vor allem Kallisto und Ganymed) ist wichtig, denn so kann man die Instrumente an einem realen Objekt kalibrieren. Daneben wird der Mond wesentlich näher als die Erde passiert. Zwei wichtige Beobachtungen sind vorgesehen: Die Radarantenne RIME hatte nach dem Start zuerst Probleme beim Entfalten, später zeigte sich, dass die Störstrahlung der Raumsonde selbst die Empfindlichkeit beeinträchtigte. Radaruntersuchungen beim Vorbeiflug sollen zeigen wie stark dieser Effekt in der Praxis ist. Das zweite ist das man die Kamera JANUS und den Laserentfernungsmesser GALA genauer zueinander ausrichten will, so kann man genauer bestimmen, wohin der Laserstrahl von GALA schaut. Das ist ein Experiment, denn die Kamera ist nicht dafür ausgelegt und nicht so empfindlich wie die Empfangsoptik von GALA. Zusätzlich verwendet GALA einen Infrarotlaser, dessen Wellenlänge von 1.064 nm in einem Bereich liegt in dem der Sensor von JANUS nicht sehr empfindlich ist.
Die Instrumente von JUICE werden je eine Stunde vor und nach dem Mondvorbeiflug aktiv sein. Bei der Erde sind es vier Stunden. Die Passagegeschwindigkeit am Mond beträgt 4,2 km/s bei der Erde sind es 8,4 km/s weil die Distanz höher ist, ist die Steigerung nicht so hoch. Geplant ist alle zehn Instrumente zu aktivieren. Das ist das erste Mal das alle Instrumente aktiv sind. Vorher gab es nur Kaslibrierungen und Einzelbeobachtungen einzelner Instrumente.
Der Vorbeiflug von JUICE wird die Sonde abbremsen, so kann sie beim nächsten Vorbeiflug die Venus passieren, das war vorher nicht möglich, das Perihel lag nach dem Start bei 0,86 AE. Der Vorbeiflug in etwas mehr als einem Jahr wird dann sicher noch interessantere Aufnahmen liefern, denn JANUS hat eine 3 Mpixel Kamera. Das entspricht zwar nicht den heutigen Standards, aber man darf nicht vergessen, dass sie für den Betrieb, bei Jupiter ausgerichtet ist, wo es 28-mal weniger Licht gibt und so müssen die Pixel größer sein. Aber bisher liegt der Rekord bei Venusaufnahmen bei der 1 Mpixel Kamera von Akatsuki,
Für mich ist interessant, was wir an Aufnahmen zu sehen bekommen. Denn die Veröffentlichung von Aufnahmen der Raumsonden ist ein trauriges Kapitel bei der ESA. So richtig funktionierte das eigentlich nur bei der HRSC von Mars Express. Von den Aufnahmen der Kamera von Venus Express wurden nur wenige veröffentlicht. Als dies bei Rosetta genauso erfolgte, gab es Proteste, von denen einer es sogar ins Fernsehen schaffte. Gelernt hat man nichts daraus. Die offizielle Website der Kamera CASSIS vom Exomars Orbiter verzeichnet nach sechs Jahren gerade mal acht Aufnahmen. Die ESA weist in einer Bildersuche 110 Aufnahmen aus. Dabei feierte die ESA schon vor vier Jahren die 20.000-ste Aufnahme von CASSIS, inzwischen müssen es an die 40.000 sein.
Bei CASSIS war die Schweiz verantwortlich, bei JANUS ist es Italien. Mal sehen, ob das was ändert. Wer meint, dass es bei deutschen Instituten besser ist: leider nicht. Für die VMC Kamera von Venus Express, die Kamera von Philae und die des Rovers Mascot von Hayabusa 2 waren jeweils deutsche Forschungsinstitute oder das DLR verantwortlich und da gab es keine oder nur wenige veröffentlichte Aufnahmen.
Gut, es gibt das ESA Planetary Data Archive. Doch das ist für Laien praktisch unbrauchbar. Es enthält Rohbilder, die kann man schon nicht lesen, weil sie eben nicht in einem normalen Bildformat vorliegen. Dann bleiben wohl nur die Aufnahmen der Ingenieurskameras: das sind Kameras die eigentlich aufnehmen, sollen ob Systeme korrekt entfaltet wurden also die Solarpaneele, Instrumente und Antennen. Es sind aber Schwarz-Weiß Weitwinkelkameras. Aufgrund der nahen Distanz dürften aber trotzdem beeindruckende Aufnahmen entstehen.
Etwas anderes zum Thema. Ich hatte kürzlich eine Konversation mit jemanden, der meint, das das ESA-System ineffektiv ist. Also das System des Geographical Returns. Es besagt, dass jeder Staat der sich finanziell an einem ESA-Projekt beteiligt, Aufträge in dem Maße zurückbekommt wie er Gelder stellt. Das klingt nach Proporz und man ist leicht dabei zu unterstellen, das dies ineffektiv ist. Der Mailschreiber ließ sich sogar zu dem Ausdruck „Geldwäsche“ hinreißen. Aber in der Praxis ist es doch so, dass jede Nation ermittelt, was die eigenen Entwicklungen am Projekt kosten und beteiligt sich entsprechend. Niemals würde sich eine Nation bei einem Projekt beteiligen bei der sie keine eigenen Kompetenzen hat, also keine Firmen und Forschungsinstitute die für das Projekt Hardware, Software oder Instrumente einbringen können.
Letztendlich müssten dann ja europäische Projekte deutlich teurer sein als Projekte der NASA und das sehe ich nicht. Nehmen wir JUICE. Sie ist in der Startmasse, Instrumentenmasse mit Europa Clipper vergleichbar. Sie hat sogar mehr Instrumente als ihr NASA Pendant. Während Europa Clippers Kosten aber schon 2022 auf 5 Milliarden Dollar kletterten, lagen sie bei JUICE beim Start mit den geplanten Kosten für die Mission bei 1,6 Milliarden Euro, also nur einem Drittel. Ein ähnliches Beispiel wären die Aufwendungen für Euclid vergleichen mit dem für das Nancy Grace Roman Telescope.
Ich denke, dieses System führt eher zu mehr Kostenkontrolle, denn Preisüberschreitungen müssen dann nicht von einer Raumfahrtagentur, sondern mehreren Forschungsministern aller beteiligten Staaten bei einem ESA Concil genehmigt werden. Man muss also mehr als eine Instanz überzeugen, Geld zuzuschießen.
Der Vorbeiflug verlief ganz nach Plan, sowohl Vorbeiflugdistanz (754 km vom Mond und 6842 km von der erde) wie auch zeitpunkt wurden eingehalten. JUICE Bahn ist nun um 100 Grad nach innen gedreht und sie auf dem weg zur Venus. Anbei ein Bild der Monitorkamera JMC1 von der Erde. Die viel besseren Bilder der hochauflösenden wissenschaftlichen JANUS Kamera wurden bisher nicht veröffentlicht.