Heute vor genau 35 Jahren fand der letzte Vorbeiflug der beiden Voyager Sonden an einem Planeten statt, der von Voyager 2 an Neptun. Für den heutigen Blog habe ich es mir leicht gemacht – ich habe den entsprechenden Teil aus meinem Buch „Voyagers Grand Tour“ übernommen. Wer also noch mehr wissen will und wen die Informationsmenge nicht geistig überfordert – das Buch ist für Leute geschrieben die sich nicht mit einer einzeiligen Antwort einer Suchmaschine auf Fragen zufriedengeben – der kann dieses 600 Seiten Werk über die Mission für 49 Euro käuflich erwerben, z.B. bei Amazon oder beim Verlag oder überall wo es Bücher gibt.
Der Artikel nimmt natürlich Bezüge auf die Programmierung der Sonde (Movable Blocks) und die Instrumente (WAC, IRIS UCS …) das alles ist im Buch erklärt, an dieser Stelle geht dies leider nicht, ich verweise zumindest bei den Instrumenten auf meinen nicht ganz so ausführlichen Website-Artikel dazu.
Ereignis |
Distanz Oberfläche / Mittelpunkt |
Zeitpunkt (Empfangszeitpunkt EDT) |
---|---|---|
Beginn Near Encounter: |
24.8.1989 20:05 |
|
Bestes Bild von Nereid: |
4.655.000 / 4.638.180 km |
24.8.1989 21:02 |
Suche nach Ringbögen: |
25.8.1989 04:47 |
|
Innere Ringebene durchstoßen: |
71.371 km |
25.8.1989 12:01 |
Passage von Proteus: |
97.860 km |
25.8.1989 12:46 |
Passage von Neptun: |
4.824 km / 29.183 km |
25.8.1989 13:03 (4:03 UTC) |
Erdbedeckung durch Neptun: |
25.8.1989 13:09 – 13:58 |
|
Sonnenbedeckung durch Neptun: |
25.8.1989 13:09 – 13:59 |
|
Äußere Ringebene durchstoßen: |
79.540 km |
25.8.1989 14:24 |
Triton bedeckt β-Canis Majoris: |
25.8.1989 18:16 |
|
Passage von Triton: |
38.360 km / 39.983 km |
25.8.1989 18:17 |
Triton Sonnenbedeckung: |
/ 51.183 km – 53.387 km |
25.8.1989 18:48 – 18:52 |
Triton Erdbedeckung: |
/ 51.063 – 53.313 km |
25.8.1989 18:48 – 18:52 |
Start Post Encounter: |
30.8.1989 05:21 |
Der Near Encounter ist unsymmetrisch. Er erstreckt sich von -12 Stunden bis über vier Tage nach dem Vorbeiflug. Das liegt an den zahlreichen Beobachtungen von Neptun und Triton nach der Passage – der Planet dreht die Bahnebene sehr stark, sodass die Sichel deutlicher ist als bei Uranus. Daneben finden im Gegenlicht Aufnahmen der Ringe statt. Ab der Radiobedeckung wird alles auf den Bandrekorder aufgezeichnet. Der volle Bandrekorder wird übertragen, solange das DSN noch durch Parkes und das VLA verstärkt ist. Für das Auslesen wird die doppelte Zeit veranschlagt, da Daten verloren gehen können. In anderen Dokumenten wird der Near Encounter auf realistischere 53 Stunden angesetzt. Die Bildzahl (225 pro Tag) erhöht sich im Vergleich zum Far Encounter nicht. Nur am 25.8.1989 werden 300 Aufnahmen angefertigt. Die 75 zusätzlichen Bilder landen auf dem Bandrekorder und werden später übertragen.
Der Near Encounter startet mit dem 2.200 Worte langen Programm B951, dem umfangreichsten der ganzen Begegnung. Es sendet zuerst die Trägerwelle. Das ist die letzte Gelegenheit, Neptuns Masse durch den Dopplereffekt zu bestimmen. Später ist der Plan mit Beobachtungen vollgestopft. Immer wieder dreht Voyager 2 seine Instrumentenplattform. Es gibt Beobachtungen von Neptun und der Ringe. Triton wird periodisch erfasst, um ihn über eine halbe Rotationsperiode (knapp 3 Tage) zu verfolgen. Für die Monde Nereid, Proteus und Cressida wurden Slots im Beobachtungsprogramm reserviert. Allerdings nicht bei der nächsten Distanz, sondern wo es eben möglich war. Bei Proteus z. B. in 140.000 km Distanz (Passagedistanz: 97.840 km).
IRIS und PPS richteten ihre Augen auf den dunklen Fleck und danach auf den Horizont, um die Atmosphäre in der Durchsicht zu studieren. Danach beobachtet IRIS von ‑10 bis -8 Stunden die Zone bei -40,4 Grad. Dieser Punkt wird später von RSS bei der Erdbedeckung durchleuchtet. Beide Daten zusammengenommen erlauben es, die Heliumkonzentration an diesem Punkt zu bestimmen.
Das LECP schaltet auf einen höheren Datenmodus und liefert alle 6 Minuten einen kompletten Scan. Zwischen -7 Stunden 22 Minuten und -6 Stunden 16 Minuten finden Ringbeobachtungen mit der NIMC Technik statt. Es sind zwei Beobachtungen, zwischen denen die NAC noch vier Aufnahmen von Cressida macht. Sie war in einer guten Position für eine Aufnahme. Danach wird bei -5 Stunden 18 Minuten nochmals der Horizont Neptuns von UVS und PPS abgetastet. Dann stehen weitere Ringbeobachtungen zwischen -4 Stunden 55 Minuten und 3 Stunden 3 Minuten auf dem Programm. PPS und UVS schauen auf den Stern Sigma Sagittarii („Nunki“), während ein Teil der Ringe durch die Bewegung Voyagers durch das Blickfeld läuft.
Ab -3,5 Stunden bis +9 Stunden haben alle Beobachtungsprogramme einen Movable Block, sind also in 48 Sekunden Intervallen verschiebbar. Während Voyager 2 noch die Beobachtungen des Horizonts und des Ringsystems macht, bekommt sie die Korrekturen für den ersten dieser Blöcke. Er dauert von -3 h 20 m bis +1 h 46 min. Es folgt der Vernier Movable Block, der die kritische Phase der Radiobedeckung von -5 Minuten bis + 50 Minuten abdeckt. Er überlappt sich mit den Movable Blocks, betrifft aber nur das RSS, wo die Zeiteinheit minimal 1 Sekunde ist. Danach steht der Triton Movable Block an, der von 1 h 50 bis 8 h 38 min läuft. Jetzt werden die Daten für die Bewegungskompensation bei Neptun hochgeladen.
Nach Beendigung der Ringbeobachtungen macht Voyager 2 bei -3 Stunden ein letztes Bild von Triton. Danach bedeckt ihn Neptuns Südhalbkugel, bis die Sonde den Planeten passiert hat. LECP schaltet einen nochmals schnelleren Datenmodus ein. Nun liefern auch alle anderen Instrumente mehr Daten. Die optischen Instrumente werden dagegen bei -1 Stunde 41 Minuten weggedreht, um sie bei Passage der Ringebene nicht zu beschädigen. Das erlaubt es, ein letztes Mal vor der Bedeckung die reine Trägerwelle für die Kalibration zur Erde zu senden. Das dauert bis -20 Minuten. Bei -56 Minuten wird die Ringebene passiert. Danach dreht sich Voyager 2 um 61 Grad, damit die Teilcheninstrumente auf Neptun schauen – Forscher erwarteten einen Strom von Ionen, die von dem auf Neptuns Atmosphäre auftreffenden Staub stammen.
Bei +45 Minuten entsteht das beste Bild von Proteus. Gleichzeitig, zwischen -60 und +5 Minuten, sind beide Sender aktiv, weil nun die Ringe zwischen Voyager und der Erde vorbeiziehen. Eine Stunde lang gibt es erneut das reine Trägersignal. Auf der Erde steigt Voyager 2 in Australien über den Horizont. Durch die Kopplung der Antennen des DSN, Parkes und Usuda gibt es die besten Bedeckungsdaten. Sie waren der Hauptgrund, warum die Missionsleitung den Vorbeiflugpunkt auf diesen Zeitpunkt gelegt hat.
Zwischen -5 Minuten und +1 Stunde schaltet Voyager 2 die Düsen wieder auf die normale Impulsdauer zurück (von 4 auf 10 ms). Damit kann sich die Sonde besser gegen die Kräfte einer eventuell vorhandenen Gaswolke um Neptun wehren.
Als die Countdown-Uhr am 25.8.1989 auf 0:00 sprang, weinten einige Ingenieure. Bisher war es so, dass sie immer auf die nächste Begegnung hinarbeiteten. Doch nun gab keine weitere Begegnung mehr. Doch zuerst wurde Voyager 2 stumm – sie war in die Bedeckungszone eingetreten.
Der Vorbeiflug erfolgte mit einer Spitzengeschwindigkeit von 27,32 km/s, 4.400 km über der messbaren Atmosphäre und 4.900 km über den Methanwolken. Bei der nächsten Annäherung passierte Voyager 2 den 77 Breitengrad von Neptun. Danach folgten automatisiert 24 Manöver. Bei denen bewegt sich die Antenne entlang Neptuns Horizont nach Süden, um schließlich bei -40,4 Grad zur Ruhe zu kommen. So wird ein Großteil des Durchmessers bei der Radiobedeckung durchleuchtet. Danach, mit abgeschalteten Sendern, wird die Kamera wieder aktiv. Die WAC macht drei Aufnahmesequenzen der Ringbögen. Bei der letzten bewegt sie die Scanplattform während der Belichtung, um ein Verschmieren zu vermeiden. Die ganze Sonde darf sich nicht drehen, denn die Hauptantenne muss auf die Erde gerichtet bleiben. Nach 55 Minuten 8 Sekunden sollte die Erde aus der Bedeckungszone herauskommen, 8 Sekunden später die Sonne, das wird von UVS genutzt. Danach steht eine Ringbedeckung an. Während Voyager 2 die Ringebene ein zweites Mal nach eineinhalb Stunden kreuzt, wird der Versuch unternommen, die Ringe in Kantenstellung zu fotografieren. Zwanzig Minuten später macht die Sonde das erste Foto von Neptun als Sichel.
Voyager 2 befand sich im Schatten von Neptun. Sie war in einer Position, in der sie die Ringe im Gegenlicht aufnehmen konnte. Neptuns Ringe erweisen sich schon vorher als sehr dunkel. Im Gegenlicht erscheinen sie etwas heller. Also opferte das Team Zeit für Langzeitbelichtungen. 288.000 km von Neptun entfernt, nahm Voyager 2 die Region links und rechts von Neptun in zwei Langzeitbelichtungen von 591 Sekunden auf. Darauf waren die Ringe deutlich sichtbar. Neben den beiden eng begrenzten Ringen waren zwei neue, schwache Ringe zu sehen, die vorher den Beobachtungen entgangen waren.
Das Teilcheninstrument detektierte innerhalb von Tritons Orbit ein extrem energiereiches Plasma – die Dichte war mit 0,00026 Protonen/Kubikzentimeter gering. Aber die Temperatur betrug 700 Millionen Kelvin, was 28.000 bis 43.000 eV entsprach. LECP war das einzige Instrument, dass die Aurora detektieren konnte. UVS blieb hier erfolglos. Wie spätere Auswertungen zeigten, hat die Aurora auf Neptun eine Stärke von 1 Million Watt – bei der Erde sind es 100.000-mal mehr. Die Aurora befindet sich durch die Neigung der Magnetfeldachse näher an der Äquatorregion als an den Polen. Neptun hat „Äquatorlichter“, keine Polarlichter!
Danach trat Voyager 2 in eine kurze Bedeckungsphase durch Triton ein, die voll ausgenutzt wurde. UVS und PPS durchleuchteten die dünne Atmosphäre Tritons. Das Radio Experiment machte das gleiche. Dabei wurden die wichtigsten Informationen über die extrem dünne Atmosphäre des Mondes gewonnen.
Nach Verlassen der Bedeckungszone gab es eine erneute Aufnahme von Triton – nun als Sichel. UVS, PPS und IRIS untersuchen über zwei Stunden die Nachtseite des Mondes und seine Sichel. Bedingt durch die Stellung der Sonne über dem 43 Breitengrad konnte Voyager 2 nur 40 Prozent der Oberfläche Tritons erfassen. Währenddessen trafen die ersten Bilder von Triton auf der Erde ein.
Schon durch die Aufnahmen einige Tage zuvor war klar, dass der Mond anders ist als alles, was Voyager bisher gesehen hatte. Es waren eine blau gefärbte und eine gesprenkelte braun gefärbte Region zu erkennen. Nun tauchte ein Bild des ersten Mosaiks nach dem anderen auf. Selbst die auf „Instant-Science“ geschulten Wissenschaftler wussten nicht, wie sie erklären sollten, was sie da sahen. Eine deutsche Tageszeitung brachte es auf den Punkt „Triton – Mond stiehlt Neptun die Show“. Mit jedem Bild wurde klarer, dass die blaue Region, die mit seltsamen Mustern durchzogen war, weitestgehend kraterfrei und damit jung war. Die schwarzen und weißen Streifen, so wurde vermutet, könnten von Kryovulkanismus herrühren, denn sie erstreckten sich immer in die gleiche Richtung. Niemand konnte erklären, wie das funktionierte. Schließlich meldete IRIS bei Triton nur eine Temperatur von 36 bis 38 K. Zählungen ergaben 100 dieser Streifen. Sie entstehen durch Winde, die das Material vom Ursprungsort wegtragen.
Ein Journalist prägte den Namen für die Blaue Region „it looks like the pattern of Cantaloupe melons“. Seitdem heiß dieses Muster „Cantaloupe Terrain“. Das braune Terrain, das ohne Übergang an das Cantaloupe Terrain angrenzt, hat einige Verwerfungen und ist mit hellen Flecken durchsetzt.
Die Daten des RSS und IRIS zeigten, dass Triton eine Atmosphäre hat. Sichtbar gegen den Horizont war ein Wolkenband in 5 bis 10 km Höhe. Die Atmosphäre erstreckt sich bis in 800 km Höhe und besteht vor allem aus Stickstoff mit etwas Methan.
Die nächsten 17 Stunden befand sich Voyager 2 im Magnetotail Neptuns. Die Instrumente der Scanplattform untersuchten weiter den Gasriesen. Die Datenrate sank nun ab. 13 Stunden nach der Begegnung verschwand Voyager am Horizont von Canberra. Madrid übernahm – der einzige Komplex ohne Verstärkung durch Radioastronomieantennen. Doch der Bandrekorder war gut gefüllt.
Nach einem Tag war Voyager 2 wieder 1,5 Millionen km von Neptun entfernt und nur noch 16,9 km/s schnell. Bei +21 Stunden bis +1 Tag 16 Stunden führten UVS und IRIS weitere Scans durch. Der Hauptgrund war, dass der Speicher im Programm B951 ausgeht. Damit waren weitere aufwendige Beobachtungen nicht möglich. 42 Minuten danach beendet sich B951 und B952 übernimmt. B952 macht weniger Beobachtungen. Es überspielt den Inhalt des Bandrekorder zweimal mit niedriger Geschwindigkeit, sodass dies bei +4 Tagen noch nicht beendet ist. Dann beginnt der Post Encounter mit Programm B971. UVS ist während der Zeit mit einigen Beobachtungen und dem Suchen nach Polarlichtern beschäftigt. Die Kameras nehmen die Region, in der es Ringe gibt, im Gegenlicht auf und erstellen von ihr Mosaike. In dieser Zeit dreht sich Voyager zweimal, damit die Teilcheninstrumente, insbesondere LECP, bessere Bedingungen haben.