Ich habe angefangen erneut das Buch „Unternehmen Zufall“ zu lesen. Das Buch ist eine sehr persönliche und auch von dem Autor ausgeschmückte Sammlung von Geschichten wie der PC entstand, es endet etwa bei der Einführung von Windows 95. Auf Basis des Buchs gibt es auch eine dreiteilige Fernsehserie „Triumph of the nerds“ die sogar mal deutsch synchronisiert als „Unternehmen Zufall“ im Fernsehen lief.
Am Anfang schreibt Cringles, wie er zu seinen Informationen als Kolumnist der Zeitschrift InfoWorld kommt und die Hauptquelle sind Mails und Anrufe von Insidern aus den Firmen. Er schreibt, dass er Techniker liebt, den Techniker können nicht lügen. Techniker sagen die Wahrheit.
Ich habe nachgedacht und er hat recht. Zumindest unter dem Aspekt den er erwähnt. Techniker würden nicht lügen, wenn es um Technik geht. Wenn ein Computer Bugs hat so würden sie nicht sagen er sei bugfrei und wenn etwas nicht richtig läuft würden sie nicht die Stabilität loben. Wahrheit ist der Technik und Naturwissenschaften üblich. Einfach, weil sie auf Natursetzen beruht. Es hat wenig Sinn etwas zu Behaupten was aufgrund chemischer oder physikalischer Gesetze nicht möglich ist, z.B. das man Refuels ohne Energieverlust herstellen kann oder ein Triebwerk einen spezifischen Impuls hat, den es physikalisch nicht erreichen kann.
Als Lebensmittelchemiker dürfte ich auch einigen Prozessen beiwohnen. Wenn ein Hersteller es bis zum Prozess kommen lässt, hat er meist einen Gegengutachter. Der hat nie die Analyseergebnisse bezweifelt, sondern immer nur versucht Zweifel zu schüren, indem er bekannte Schwächen einer Methode hervorhebt. Bei Arbeiten gilt ein Labortagebuch, in dem man einträgt, was man gefunden hat, als Dokument, obwohl man natürlich auch Dinge reinschreiben kann die nicht der Wahrheit entsprechen. Betrug gibt es auch in den Wissenschaften, aber er ist selten und deswegen meist spektakulär. Vor einigen Jahrzehnten machte die „kalte Fusion“. Schlagzeilen, also die Energieerzeugung ohne Plasma von mehreren Millionen Grad Temperatur. Es kam bald raus, das dem nicht so ist, denn das ist das System in der Wissenschaft: wenn man etwas entdeckt so gibt es viele die es überprüfen oder einfach nur an dieser neuen Erkenntnis weiterforschen wollen. Betrug macht hier keinen Sinn.
Das gleiche gilt für die Technik, wobei es hier noch leichter ist Vergleiche zu ziehen, weil sie sich evolutionär weiterentwickelt. Also ein Autobauer wird es nicht schaffen von einer Motorgeneration zur nächsten den Verbrauch bei sonst identischen Leistungsdaten zu halbieren, sondern eben etwas zu senken. Das galt sogar für Computer als diese noch alle paar Jahre die mehrfache Leistung hatten – allerdings, nur wenn man nicht die Leistung pro einer bestimmten Anzahl an Transistorelementen nimmt. Sprich: ein 16-Bit-Prozessor war viel schneller als ein 8-Bit-Prozessor, aber rechnete man die Geschwindigkeit pro 1000 Transistoren aus, um Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen, so war die Verbesserung nicht da oder er war sogar langsamer.
In den letzten Jahren hat sich vieles geändert. Seit Trump Präsident war, gibt es den Begriff der „alternativen Fakten“ und aus den realen Fakten wurden die „Fake news“. Mit Lügen werden Wahlkämpfe entscheiden, wie Russlands Eingriff in den Präsidentschaftswahlkampf der USA 2016 zeigte. Trolle beeinflussen Stimmungen auf sozialen Plattformen oder verbreiten Falschinformationen. Kürzlich kam in den Nachrichten das X ehemals Twitter in Brasilien gesperrt ist, weil die Plattform Fehlinformierten verbreitet, aber in -brasilien keinen Rechtsvertreter hat, der dagegen Einspruch erheben könnte. Innerhalb der EU ist eine milliardenschwere Klage anhängig, aufgrund derselben Tatsache. Seit Elon Musk Besitzer der Firma ist, hat sich vieles verschlechtert. Ich glaube auch er will nicht wirklich etwas gegen die Fake News tun, sondern er selbst gibt ja seit Jahrzehnten Fehlinformationen von sich. Es werden Erwartungen geweckt, die nicht eingelöst werden (Reduktion der Startpreise) Fantasie-angaben veröffentlicht für Nutzlasten, spezifische Impulse oder Triebwerksgewichte. Gut nachprüfen kann man vieles nicht, aber doch die Nutzlasten und da fällt dann doch auf das diese nicht in der Realität erreicht werden. Würden sie aber, wenn die anderen Fantasieangaben stimmen würden. Das Starship hat nun komischerweise nur 40 bis 50 t Nutzlast anstatt 100 t. Was Musk aber nicht hindert zu prognostizieren, das ein um 25 % schwereres Starship dann sogar 150 t erreicht. Also 300 % mehr Nutzlast mit 25 % mehr Startmasse. Musk baut offenbar darauf, dass seine Anhänger nicht mal den Dreisatz beherrschen. Was ich übrigens auch glaube. Nur solchen Leuten kann man auch weismachen das ein Triebwerk das mit höherem Schub und Brennkammerdruck arbeitet, leichter ist als sein Vorgänger. Spinnt man diesen Gedanken weiter so müsste bei den Raptoren, wenn man einen Schub von 650 t erreicht hat, das Triebwerk nicht nur nichts wiegen, sondern sogar ein negatives Gewicht haben … (Siehe die unetre Grafik einer linearen Regressionsanalyse der Triebwerksmassen und des Schubs).
Eine wichtige Säule beim Lebensmittelchemiestudium ist das Lebensmittelrecht. Eigentlich sind Gesetze ja eindeutig. Nur müssen sie auch eindeutig formuliert sein. Im Lebensmittelrecht sind Vorschriften oft so allgemein, das vieles Auslegungssache ist. Das gilt vor allem für die Angaben, die nicht verpflichtend sind, also alles außer Zutatenverzeichnis, Nährwertkennzeichnung, vor allem aber für die Werbung. Was da erlaubt ist und was nicht ist weniger durch die Wissenschaft als durch Gerichtsurteile festgelegt. Also was „Wahrheit“ und was „Erfindung“ ist, ist nicht so eindeutig. Meiner Erfahrung aus meiner aktiven Zeit befassen sich die für die Untersuchung verantwortlichen Behörden daher gar nicht mit diesem Aspekt (der Print- Fernseh- oder sonstigen Werbung), beurteilen also nur die Zusammensetzung und Inhaltsstoffe. Immerhin dafür gibt es ja dann Verbrauchervereinigungen die bei einigen Fällen auch klagen.
Ich denke meine Erwartungshaltung an Andere ist von dieser naturwissenschaftlich-technischen Grundbildung geprägt. Schlussendlich ist die Wahrheit ja eine Folge der Logik oder der Naturgesetze. Natürlich bin ich es gewohnt, wenn man lügt, ist im Alltag ja tagtäglich. Meist nicht aus böser Absicht, sondern weil man besser dastehen will, die Wahrheit etwas abmildern will oder sich schlicht und einfach selbst belügt. Aber bei Lügen bei technischen Dingen – wir reden hier letztendlich über Zahlen – reagiere ich allergisch. Die lassen sich ja nachprüfen oder zumindest nachvollziehen. Da denke ich mir immer „Firma Xy hält wohl alle Interessierten für dumm“.
Natürlich gibt es Berufe wo es diese Zusammenhänge nicht gibt. In der Wirtschaft verläuft vieles nicht logisch und ein Börsenberater kann Kurse nicht wirklich vorhersagen. In den Geistes- oder Sozialwissenschaften wo es um den Menschen, sein Verhalten und seine Gedanken geht, wird man auch nicht viele nachprüfbare Tatsachen finden und in dem Sinne gibt es in der Philosophie oder Psychologie nur wenige „Wahrheiten“.
Ja manche Berufe müssen mit der Lüge arbeiten. Wer dem Blog folgt weiß, ich bin kein Fan der FDP. In den letzten Monaten haben Mitschnitte der SDR/SWR Hitparade meine Playlist auf dem MP3 Rekorder ersetzt. Der Sender hat ab 1989 zunächst alle paar Jahre, seit 2011 jährlich eine Nonstop-Hitparade über mindestens 5 Tage gemacht. Da bekomme ich auch die Nachrichten von damals mit. Es ist erstaunt wie wenig sich in Jahrzehnten ändert. Bei jeder Hitparade gab es mindestens eine Meldung über Konflikte von Israel mit seinen Nachbarn. Und es gibt natürlich Nachrichten über die bundesdeutsche Politik und da krachte es schon immer auch in der Regierung. Ich stellte fest, dass das Verhalten der FDP – sich über Jahrzehnte nicht geändert hat: sie hat ihre Kernpunkte und die sind unverrückbar und sie ändern sich auch nicht. Während die CDU mal Richtung „links“ mal in Richtung rechts oder wie man dort sagen würde „konservativ“ driftet. Die SPD unter Schröder unternehmerfreundlich war und zu anderen Zeiten mehr auf Seite der arbeitenden Bevölkerung war, hat sich das Profil der FDP nicht geändert und wenn sie das in einer Regierung nicht durchbekommt dann blockiert sie. So war es auch 2012 als ich die Nachrichten von damals wieder hörte.
Die Lüge der FDP folgt dann im Wahlkampf. Gut da „versprechen“ alle Parteien etwas, aber vieles wird ja auch umgesetzt. Bei der FDP sind es oft Halbwahrheiten. Ihr Kernpunkt sind drei Dinge: Steuererleichterungen, schlankerer Staat und Subventionen kürzen. Was sie nicht sagt: sie will nicht die Steuern für alle kürzen, sondern nur für ihr Klientel, das sind Besserverdienende. Also entweder die Einkommens-Obergrenze, ab der der Spitzensteuersatz gilt anheben oder diesen Spitzensteuersatz senken. Interessanterweise hat sie das in über 50 Jahren, in denen sie mit in der Regierung war (länger als jede andere Partei) nicht geschafft. Die größte Reform fand unter Rot-Grün statt als der Spitzensteuersatz von 53 auf 45 Prozent abgesenkt wurde. Der schlankere Staat ist eine Folge davon, weil dann ja Steuern wegbrechen. Hier soll am größten Posten, den Sozialausgaben gespart werden. Das betrifft vor allem alle die vom Staat Leistungen bekommen wie Bürgergeld oder Rentenzuschuss. Auch derzeit will sie ja das Bürgergeld kürzen oder Teile davon durch Sachleistungen ersetzen. Und wenn sie von Subventionen abbauen spricht, dann meint sich nicht die milliardenschweren Zuschüsse an Firmen, Dienstwagenprivileg oder verbilligte Strompreise. Sie meint damit „Subventionen“ für die Allgemeinheit wie Deutschlandticket, Kilometerpauschale.
Die Lüge beginnt im Wahlkampf, wenn sie nicht sagt was sie genau will. Wer ist denn nicht für Steuererleichterungen, schlankeren Staat oder Subventionsabbau? Die FDP belügt sich aber auch selbst. Denn sie glaubt allen Ernstes das ihr Wahlprogramm eines ist, das große Teile der Bevölkerung anspricht. In ihrer Logik – die ist nicht neu und längst durch Untersuchungen widerlegt – ist es so das wenn Reiche mehr Geld haben, sie mehr Geld ausgeben und das so über weniger Arbeitslose wieder dem Staat zugutekommt (real haben Untersuchungen solcher Maßnahmen gezeigt, das nur etwa 25 Prozent des Geldes auf das verzichtet wurde so wieder zurückkommt). Das muss also für alle gut sein. Nimmt man die Äußerungen von führenden FDP-Politikern so liegen die desaströsen Niederlagen bei Wahlen und Umfragen nicht etwa daran, dass viele der Personen die die FDP letztes Mal gewählt haben erkannt haben, das die FDP gar nicht ihre Interessen vertritt und Entscheidungen in der Koalition blockiert, sondern daran, dass sie zu viele Kompromisse machen und zu sehr von ihrem Kernprogramm abgerückt sind – sie stellen jede Entscheidung in der Koalition infrage, was ihren Ruf noch mehr schädigt.
Immerhin als Politiker kann man den größten Unsinn von sich geben und wird gewählt. Das Wahlprogramm der AfD wurde ja analysiert und der verband der Familienunternehmen gab eine Wahlempfehlung gegen diese Partei ab, weil das Programm der Wirtschaft massiv schaden würde. Trotzdem bekam die AfD in den beidne letzten Landtagswahlen über 30 Prozent und wird es wohl auch bei der nächsten Landtagswahl bekommen. Mein Vorschlag: opfern wir mal ein Bundesland. In Thüringen haben AfD und BSW zusammen eine Mehrheit. Sei könnten doch mal koalieren. Das geht schon deswegen so gut weil das BSW gar kein Wahlprogramm für Thüringen hat, sondern alle Punkte die Bundespolitik betreffen. Da die aber nicht in Thüringen entscheiden wird kann man dann koalieren. Mehr noch, es gibt zu keiner anderen Partei so viele Überschneidungen im Programm wie Stop der Waffenlieferungen an die Ukraine, verbessertes Verhältnis zu Russland, Gendern, Flüchtlinge am besten gleich an der Grenze wieder ausweisen. Sollen sie doch mal zeigen was sie können und wenn Thüringen dann den Bach runtergeht dann lernen vielleicht einige was daraus. Denn nur die aller-dümmsten Kälber wählen sich ihre Schlächter selber.
Es gibt aber einen Beruf von dem halte ich noch weniger halte als Politiker, das sind Rechtsanwälte. Den die arbeiten nur mit Lügen. Sie kennen eigentlich die Rechtslage die sich ja nicht aus Gesetzen, sondern vor allem auch Gerichtsurteilen zusammensetzt. Davon ist in den Schreiben die sie an Laien verfassen nichts zu sehen. Ich habe dadurch das ich ab und an mal ein Produkt rezensiere mit diesem Beruf zu tun. Da wird mit Klage und Schadensersatzforderungen in fünfstelliger Höhe gedroht und der letzte Rechtsanwalt brachte es sogar fertig eine Rechnung über 2.200 Euro dem Anwaltsschreiben beizulegen. Kein Wort davon, das man nicht dafür bestraft werden kann, wenn man die Wahrheit sagt, ja selbst lügen darf man als Privatperson, sonst gäbe es enorm viele Verfahren dieser Art. Durchgekommen ist damit bisher keiner. In allen Fällen wurde die Werbung später geändert. Der bekannteste Fall ist der der Werbung von Jörg Pilawa für die Rügenwalder Mühle. Beim letzten Fall (der mit dem Rechnungsschreiben) zahlte die Firma später 1,800 Euro an mich das ich den Artikel offline nehme und da sie mit Klage drohten, habe ich die Lebensmittelüberwachung verständigt und die verhängten auch noch ein Bußgeld über 4.000 Euro.
Das schlimme ist aber das Anwälte nicht mal daran denken, was das beste für ihren Mandanten ist, sondern Verfahren in die Länge ziehen, damit sie noch mehr verdienen. Anwälte haben die Auflösung der Erbengemeinschaft nach dem Tode meiner Mutter jahrelang verzögert. Meiner Schwester, die sie beauftragt hatte, haben sie keinen Cent mehr eingebracht, sondern 1.000 Euro weniger, weil sie auf die gesetzliche Teilung bestanden, ich aber Mieteinnahmen, die nach dem Tode meiner Mutter auf die Konten eingingen, noch den beiden Erben zuschlug. Meine Schwester selbst hat weitaus mehr einen vierstelligen Betrag dafür gezahlt, das es einige Jahre länger dauerte und sie weniger Geld bekam.
Ab und an lüge ich auch im Blog – genauer gesagt ich erfinde etwas – aber selbst dann bleibe ich bei der wahrheit. Er wird in die Kategorie „Münchhausens Kolumne“ einsortiert. Erst kürzlich erschien ein neuer Beitrag.