Nachgerechnet: eine Marsexpedition mit dem Starship – Teil 2
So nun gehts weiter. Ich schließe direkt an den Teil 1 von gestern an.
Es gibt hier noch eine Unwägbarkeit. Diese Geschwindigkeit muss abgebaut werden, aber – das findet nun nahe der Oberfläche statt – währenddessen zieht der Mars mit einer Beschleunigung von 3,8 m/s² und beschleunigt weiter. Je schneller man also abbremst um so besser. Die sechs Triebwerke könnten bei vollem Schub ein 300 t schweres Starship mit über 40 m/s² abbremsen, doch halten dies die Astronauten nach mehreren Monaten der Schwerelosigkeit auch aus? Bei einem g Abbremsung – das ist die Erdbeschleunigung und die müssen sie nach der Landung von der ISS auch aushalten – braucht man zuerst mal 40 % der Zeit länger um die dann aufgebaute Beschleunigung abzubauen, dann muss man diese zusätzliche Zeit auch kompensieren und so weiter, das läuft auf eine Funktion der Art (1+(1/x))n heraus. Hier typische Verlängerungsfaktoren:
Beschleunigung in g | Verlängerung |
---|---|
1 | 68,3 % |
1,5 | 37,3 % |
2 | 25,5 % |
2,5 | 19,4 % |
3 | 15,6 % |
Es wäre somit eine Abbremsung um mindestens 1,5 g wünschenswert, darüber hinaus ist der zusätzliche Treibstoffverbauch nicht mehr so hoch. Dazu käme noch eine Reserve, um eine Zeitlang zu schweben und den Landeplatz auszusuchen oder Abweichungen vom Zielpunkt zu kompensieren. Bei Apollo waren dies 90 Sekunden der Schwebephase was weitere 340 m/s Geschwindigkeitsbedarf addiert. Bei unbemannten Flügen kann diese Phase sicher verkürzt werden.
Wie viel Treibstoff auf den Monaten der Hinreise verdampft ist natürlich unbekannt. Idealerweise ist es gar keiner und damit rechne ich mal.
Die Landung wäre damit erledigt und damit auch der Geschwindigkeitsbedarf für unbemannte Flüge, die nur Fracht zur Oberfläche bringen. Bei denen gehe ich davon aus das sie direkt landen, also nicht vorher in eine Umlaufbahn einschwenken, so wie dies derzeit auch bei den US-Landesonden der Fall ist. Bei bemannten Flügen sind zwei Szenarien denkbar – ebenfalls die direkte Landung oder das Einschwenken in eine Umlaufbahn und dann die Landung, die dann mit einem anderen Starship erfolgt, als dem das in der Umlaufbahn verbleibt.
Beim Rückstart gibt es ebenfalls zwei Optionen. Es ist ein direkter Rückstart zur Erde möglich oder zuerst in eine Umlaufbahn, dann Umsteigen in das dort geparkte Transfer-Raumschiff. Für das Erreichen des Orbits habe ich als Geschwindigkeit einfach die Zielgeschwindigkeit relativ zur Oberfläche und 600 m/s als Verluste für Luftwiderstand und Gravitationsverluste gerechnet.
Fracht direkte Landung | Bemannte direkte Landung | Bemannt einschenken in den Orbit | Bemannt, Landung aus dem Orbit | |
---|---|---|---|---|
Verlassen der Erde | 3.700 m/s | 3.700 m/s | 3.700 m/s | 3.700 m/s |
Einschwenken in den 24 Stunden Orbit | 1.400 m/s* | 1.400 m/s* | ||
Landung Abbremsung | 2.200 m/s | 2.200 m/s | 2.200 m/s | |
Landung Gravitationsverluste | 400 m/s | 900 m/s | 900 m/s | |
Landung Schwebephase | 100 m/s | 300 m/s | 300 m/s | |
Summe | 6.400 m/s | 7.100 m/s | 5.100 m/s | 8.500 m/s |
* Dieser Punkt ist stark abhängig von dem Startfenster, ich bin vom größeren Wert ausgegangen. Alle Angaben sind auf 100 m/s gerundet, da es sich bei einigen Punkten sowieso nur um Schätzwerte handelt.
Bei einem spezifischen Impuls von 3.600 m/s (im Mittel) und einer angenommenen Trockenmasse von 300 t – sowohl für Fracht- wie auch bemannte Starships kommen wir so auf folgende Startmassen:
Fracht direkte Landung | Bemannte direkte Landung | Bemannt einschenken in den Orbit | Bemannt, Landung aus dem Orbit | |
---|---|---|---|---|
Startmasse | 1.775 t | 2.155 t | 1.240 t | 3.110 t |
Maximal kann das Starship aktuell 1.200 t Treibstoff aufnehmen und soll 120 t leer wiegen, sodass jede Startmasse über 1.470 t derzeit nicht möglich ist. Beim Starship V3 soll der Treibstoff auf 2.300 t anwachsen, dessen Trockenmasse ist aber noch unbekannt. Doch eines kann man jetzt schon sagen: eine Landung mit viel Zusatzgewicht an Bord aus dem Orbit ist nicht möglich. Es wäre zu schwer für einen Rückstart. Dieses Starship wird wohl eher nur eine kleine Kapsel tragen oder man landet direkt.
Von der Marsoberfläche aus gibt es nun zwei Optionen: Entweder man startet direkt zurück oder koppelt erst an das vorher geparkte Transfer-Starship an:
Direkter Rückstart | Ankoppeln an Transfer Starship | |
---|---|---|
In den Orbit | 4.000 m/s | 5.300 m/s |
Verlassen des Marsorbits | 1.600 m/s | 300 m/s |
Summe | 5.600 m/s | 5.600 m/s |
Es ist de Fakto die gleiche Geschwindigkeit da der anfangs und Endzustand der gleiche ist. Das Massenverhältnis (Startmasse/Landemasse) für diese Geschwindigkeit ist 4.7. Damit ist es unmöglich von der Oberfläche in einem normalen Starship zurückzukehren, es geht nur eine leichte Kapsel wie eine Dragon. Wiegt diese z.B. 15 t so kommt man mit dem 120 t schweren Starship auf 135 t Trockenmasse die 640 t Startmasse entsprechen. Doch da ich schon im günstigsten Falle (bei der direkten Landung) für 300 t Landemasse 2.155 t Startmasse benötige, bekommt man das eigentlich nicht gewuppt.
Alle Berechnungen sind übrigens noch ohne die Vorräte die benötigt werden. Bei 8 Monaten Hinreise sind das bei fünf Astronauten 5,7 t um die das Starship nach dem Start von der Erde leichter wird. Auf der Oberfläche verbrauchen die Astronauten weitere 13 – 14 t und auf dem Rückflug weitere 7 t. Da sie an den Gesamtmassen nicht viel ändern habe ich dies nicht berücksichtigt.
SpaceX somit eigentlich nur zwei Optionen: Entweder sie bekommen schon bei der allerersten Mission die Treibstofferzeugung auf dem Mars hin – ich habe da bei dem iterativen Konzept und dem Ausgang der ersten vier Testflüge des Starships da so meine Bedenken – oder sie verabschieden sich komplett vom Starship, das bei allen Betrachtungen eben mindestens die Hälfte der Masse ausmacht.
Eine Kapsel könnten sie z.B. mit Fallschirmen und etwas Treibstoff für die Endphase durch aerodynamische Abbremsung wie Raumsonden landen. Eine mit einem Fracht-Starship (da machte es noch Sinn) transportierte Stufe könnte diese Kapsel dann für die Rückreise in den Orbit befördern. Für eine 15 t schwere Kapsel wäre eine rund 80 t schwere Stufe ausreichend um sie in den Orbit zu befördern. Die wiegt leer (bei einem Voll- /Leermasseverhältnis von 15, die Superheavy hat eines von 18) eben 5,5 und nicht 120 t.
Der letzte Weg ist dann der zurück zur Erde. Dafür braucht man aus dem Orbit heraus nun nicht mehr viel Geschwindigkeit, maximal 1.000 m/s. Das würde die auf 1.240 t berechnete Startmasse des Transfervehikels (von einem Erdorbit aus) auf 1.630 t erhöhen. Das ist etwas mehr als derzeit in die Tanks gehen, aber es sind ja schon größere Starships geplant. Dei Trockenmasse des Starships ist in meinen Augen auch das Hauptproblem. Auch bei ITF-5 blieben nur 35 t Treibstoff in den Tanks (nach der Anzeige im Video). Diese 35 t wären bei einer Orbitmission die normale Nutzlast, das ist weit weg von 100 t und damit ein Starship die 100 t Sollnutzlast erreicht müsste es gewaltig an Masse abspecken, nämlich 65 t. Ich glaube aber nicht, das dies möglich ist und die geplanten Vergrößerungen um mehr Treibstoff zuzuladen, vergrößern die Orbitmasse wegen der Gesetze der Physik nur linear, nicht exponentiell wie dies nötig wäre. (SpaceX meint mit 40 % mehr Startmasse 200 % mehr Nutzlast befördern zu können. Bei der Falcon 9 brachten 80 % mehr Startmasse aber nur 95 % mehr Nutzlast. Der Gewinn ist, weil die Masse der Oberstufe nicht so stark ansteigt immer höher als linear, aber eben nicht exponentiell.
Immerhin eine Mission wäre theoretisch möglich, allerdings müssten alle Starships nach meinen Berechnungen beim Abflug voll betankt werden (Elon Musk meinte drei Auftankmissionen – also ein Viertel dessen was in die tanks hineingeht – würden reichen – würde es, wenn das Starship ohne Nutzlast fliegt und ungebremst auf der Marsoberfläche aufschlägt). Aber mit dem Auftanken dürfte SpaceX bis in 4 Jahren, wenn es los geht Übung haben, alleine schon durch das Artemisprogramm.
De Fakt gibt es neben dem relativ unbedeutenden Umstand, das man bei SpaceX aber bisher noch gar nichts für eine Marsmission entwickelt und das bei der iterativen Vorgehensweise dann auch noch testen muss – das Starship selbst ist nun ja schon seit eineinhalb Jahren im Testprogramm und hat noch keine Nutzlast befördert, nicht mal einige Cubesats oder Starlinksatelliten für das eigene Netzwerk – auch noch das Problem den Treibstoff über die lange Reise flüssig zu halten. Das ist ein Unterschied zum Lunar Starship, bei dem es immerhin bescheidene Fortschritte gibt, weil die Entwicklung von der NASA bezahlt wird. Bei einer Mondmission ist die Dauer erheblich kürzer. Ein Starship kann in drei Tagen beim Lunar Gateway sein, eine Mission auf dem Mond dauert auch nur einige Tage. Dagegen reden wir bei einer Marsmission von Monaten. Mehr noch: Während es denkbar ist beim Lunar Starship mit passiven Maßnahmen wie einer Isolation auszukommen – selbst auf dem Mond ist es von Vakuum umgeben, dass Wärme nur durch Strahlung leitet wird es auf dem Mars in eienr wenn auch dünnen Atmosphäre stehen die Wärme auch durch Konvektion leitet. Immerhin: die Hälfte der Zeit ist Marsnacht und da können die Temperaturen sehr stark abfallen.
Ich denke aber, solange SpaceX nicht Starships in sehr kurzen Zeitabständen starten kann benötigen sie auch beim HLS eine Rückverflüssigungsanlage, denn gerade bei der ersten Betankung ist die Vierdampfrate am höchsten. Je mehr Treibstoff in den Tanks ist um so besser, denn die Wärmeabgabe ist proportional zur Oberfläche und nicht zum Inhalt.
Fazit
Meine Meinung ist die: Physikalisch ist es unsinnig eine 120+ Tonnen schwere Stufe zu nutzen um zum Mars zu fliegen, weil sie einfach zu schwer vergleichen mit der Nutzlast ist. Ein nur in groben Zahlen durchgerechneter Gegenentwurf: SpaceX baut eine kompakte Stufe mit einem Merlin Triebwerk als Oberstufe. Bei einer Masse von 75 t kann diese 25 t zum Mars transportieren. Landet man diese wie Raumsonden, so kommen noch 13 t auf der Oberfläche an, also 13 % der Startmasse. Beim Starship wären es nur 7 %. Dies gilt für den optimalen Fall der direkten Landung von Fracht. Bei allen anderen Szenarien wird die Differenz noch größer, weil man eben immer eine 120 t schwere Stufe die 1.200 t Treibstoff aufnimmt aber weitestgehend leere Tanks hat als „Totgewicht“ hat. Nebenbei kann dies sich auch finanziell lohnen, denn die Starship die zum Mars fliegen kann man ja nicht wiederverwenden. Teilt man die 2 Millionen Dollar die Elon Musk nach dem ersten Testflug noch 2023 in das Starship stecken zu wollen durch die von ihm geplanten weiteren fünf Flüge für 2023 so kostet ein Starship mit Booster das nicht wiederverwendet wird 400 Millionen Dollar.
Ich oute mich mal.
In Kerbal Space Program habe ich fast die gleiche Taktik wie Herr Musk verfolgt.
Grosse Schiffe und immer wieder nachtanken.
Ich verstehe auch nicht, warum man zu Stainless Steel uebergegangen ist, weil das Gewicht ja doch nun ausgeartet ist.
Anfangs hatte Musk ja eine neue Legierung und Gewicht similar zu carbon fibre angekuendigt. Aber bis heute hat sich and der Front nichts getan und das Gewicht macht das ganze doch sehr fraglich.
Ich frage mich immer, ob man nicht doch grosse Teile zumindest gegen neue Aluminium legierungen relativ einfach austauschen koennte (nicht zu start belastete Teile, verkleidungen etc.) aber denke das waere dann auch wieder ein Korrosionsrisiko und ich bin mir nicht sicher wie gut diese Legierungen zusammenarbeiten.
Waere dies relativ einfach moeglich, oder sind die Strukturfaktoren schon ausschliessend?
Stahl wird normalerweise mit Aluminium verklebt, bin mir aber nicht sicher bei Stainless
Was ist denn schon Verkleidung bei einer Rakete? Die Aussenwand (die ja jetzt aus Stahl ist) ist tragende Struktur und wird teilweise Thermisch stark belastet. Das war ja auch einer der gründe warum man weg ist von CFK. Man hatte gehoft bei Stahl ohne Hitzeschild auszukommen.
Und ja man könnte alles umkonstruieren, aber das würde viele Jahre zurück bedeuten und das Wegschemeißen eines großteils der Fabrikationsmittel. Der Zug ist schon vor Jahren abgefahren.
Stahl ist erheblich preiswerter aber auch viel leichter zu verarbeiten als CFK.
Das Argument habe ich aber nie verstanden wenn ichw irklich alles wiederverwenden will, dann würden sich höhere Herstellungskosten doch auf viele Flüge umlegen (es ist von 1000 Starts pro schiff die Rede), die Nutzlast Einbuße hat man aber bei jedem Start. Eine sehr kurzsichtige entscheidung von Musk, wie viele Entscheidungen, obwohl er sich ja als Visionär ausgibt.
Naja, wenn man, wie damals geplant ganz ohne Kühlung oder aber mit Flüssigkeitskühlung auskommen würde (und bei CFK nicht). Dann hätte das ganze schon Sinn gemacht. Problem eben, da man ja schnell was vorzeigbares brauchte muste man sich zu früh im Entwicklungsprozess festlegen.