Bernd Leitenbergers Blog

Die Geburt des Bastelcomputers (1)

In wenigen Wochen, im Januar 2025 jährt sich das Erscheinen der Januar Ausgabe der US-Zeitschrift „Popular Elektronic“. Diese Ausgabe der Zeitschrift titelte mit dem der Headline „Project Breakthrough“ und „The World’s First Minicomputer Kit to Rival Commercial Models… ALTAIR 8800 SAVE OVER $1000“.

Dieser Artikel gilt als die Geburtsstunde des PCs. Ich habe mir überlegt, ob ich das Wort „PC“ in der Überschrift verwenden sollte, spielte mit dem Gedanken das Wort „Heimcomputer“ zu verwenden, weil in den Achtzigern IBM den Begriff „PC“ erfolgreich mit der Vorstellung eines Computers, der geschäftlich genutzt wurde und in einem Büro steht, besetzen konnte. Ein Computer zum Experimentieren zu Hause nannte man damals „Heimcomputer“, auch wenn der Begriff urdeutsch klingt, stammt er doch vom englischen „Homecomputer“ ab. Aber ich denke, Bastelcomputer trifft es besser. Das gibt es heute mit den Raspberry Pis und Arduinos wieder. Ich denke, weil der Hersteller ihn als „Micocomputer“ – als nächst kleinere Klasse nach „Minicomputern“, die es schon seit etwa 10 Jahren gab, bezeichnete wird wohl dieser Bezeichnung die beste sein.

Um den Aufbau des Rechners zu verstehen, muss man die Geschichte von MITS der Firma, die ihn herausbrachte und vor allem ihres Firmengründers Edwards „Ed“ Roberts verstehen. Ed Roberts arbeitete bei der US-Air Force und machte bei ihr eine Ausbildung zum Elektroniker. Als er 1968 die USAF verließ, gründete er zusammen mit drei anderen Air-Force Angestellten die Firma MITS (Micro Instrumentation and Telemetry Systems). Wie der Name verrät, baute die Firma in den ersten Jahren vor allem Sender mit denen man von Raketen oder Modellflugzeugen aus Daten übertragen konnte. Diese wurden als Bausatz verkauft.

Ein Jahr nach Firmengründung zahlte Roberts seine Miteigentümer aus und betrieb MITS alleine. Er hatte bald Kontakte zu Leslie „Les“ Solomon, der technische Redakteur von Popular Electronics. Diese Zeitschrift wandte sich an Hobbyisten die elektronische Dinge jeder Art selbst bauten wie Empfänger für Radio, mit einem Blitz koordiniere Verschlüsse für Kameras etc. Das war eine fruchtbare Zusammenarbeit: Ed Roberts konnte über Produkte seiner Firma schreiben – die primär als Bausatz (Kit) verkauft wurden und Popular Electronics bekam Artikel, die die Auflage steigerten.

Ed Roberts wechselte die Firmenausrichtung weg von Telemetriesystem zu Bausätzen für Tischrechner. Das war nun durch integrierte Schaltungen bei denen vier bis sechs Bausteine bisher 80 ersetzten auch für eine kleine firma möglich. 1971 kam das erste Modell „816“ auf dem Markt, aufgebaut aus sechs Schaltkreisen. Tischrechner waren vor den Mikrocomputern der erste Vorbote, dessen was kommen sollte. Sie wurden Anfang der Siebziger Jahre erschwinglich und zogen – oft mit einem kleinen Drucker kombiniert – in die Büros ein. Etwas später folgten dann die ersten Taschenrechner. Nun kreuzten sich Roberts Wege mit der Mikroprozessorentwicklung.

Intel hatte 1971 den ersten Mikroprozessor, den Intel 4004 auf den Markt gebracht. Er war eine Auftragsentwickelung für einen japanischen Tischrechner, bevor das Design aber stand, erkannten die Verantwortlichen des Projekts, das der Mikroprozessor den sie erfunden hatten, universell nutzbar war und sie kauften die Rechte wieder zurück. Intels 4004 war der erste kommerziell verfügbare Mikroprozessor, doch erfunden hatte ihn eigentlich Texas Instruments, die schon vorher für ihren TMS-1000 ein Patent beantragten und erhielten. Nachdem Intel vorgeprescht war vertrieb auch Texas Instruments verbesserte Versionen des Chips gedacht als CPU für Tischrechner.

Es gab aber einen Unterschied zu Intel. Intel entwickelte integrierte Schaltungen und verkaufte diese, meist an Großabnehmer. Texas Instruments entwickelte elektronische Produkte und verkaufte diese an den Endverbraucher. Die Firma kam bald darauf, das sie viel mehr verdienen konnte, wenn sie nicht nur die Chips für die Tischrechner verkaufte, sondern die Tischrechner selbst baute.

MITS hatte mit den Bausätzen für Tischrechner eine Marktlücke gefunden und die Umsätze stiegen an. Die Firma zog in ein größeres Gebäude um und 1973 wurde das bisher beste Jahr für die Firma die nun einen Mitarbeiterstamm von 100 Personen hatte. Da brauchte Texas Instruments die ersten Tischrechner auf den Markt. Das erste Modell kostete 120 Dollar, weitere Modelle für 95 und 85 Dollar folgten. Jedes neue Modell von TI war billiger als das vorherige. MITS bezog die Bauteile auf dem freien Markt. Texas Instruments als Hersteller der Bausteine die MITS verwendete, konnte so leicht die Firmen unterbieten die ihre Kunden waren. MITS machte Verluste, nicht als einzige Firma, auch Commodore, die später noch eine gewichtige Rolle in der PC-Geschichte spielen, geriet in eine finanzielle Schieflage. Texas Instruments wollte andere Hersteller von Tischrechnern vom Markt drängen und nahm auch Verluste in Kauf :1974 machte die Sparte die Tischrechner 14 Millionen Dollar Verlust. Am Ende des Jahres kostete das preisgünstigste Modell von Ti noch 26,25 Dollar!

Edward Roberts sah, das er ein neues Produkt brauchte, eines das einzigartig war. Nun zahlte sich die Zusammenarbeit mit Les Solomon aus. Der bekam als technischer Redakteur immer mehr Bauvorschläge von Bastlern zugeschickt, die einen Computer auf Basis des 8080 Prozessors bauen wollten. Popular Electroncis hatte schon einen Bauvorschlag auf Basis des Vorgängers von Intel des 8008, den „Mark-8“ veröffentlicht. Der 8008 war ebenfalls eine Auftragsentwickelung, diesmal für einen Terminalcontoller. Ein Bildschirmterminal war damals weit verbreitet. Es sah aus wie ein Computer, mit einem Bildschirm und einer Tastatur, war aber kein richtiger Rechner. Man konnte auf ihm Befehle eintippen die es über eine Telefonleitung zu einem Großrechner schickte. Es gab die Antworten des Großrechners und die eingetippten Eingaben auf dem Bildschirm aus. Der 8008 war ein 8-Bit-Prozessor, da er nun auch Buchstaben verarbeiten musste (der 4004 und TMS-1000 kamen mit 4 Bit aus, weil Sie nur Zahlen verarbeiteten).

Doch der 8008 war langsam, umständlich zu programmieren und weil Intel ihn in das gleiche Gehäuse wie den 4004 gepackt hatte, waren die Pins doppelt belegt, was etliche Zusatzbausteine zum Dekodieren und Entwirren der Signale erforderlich machte – keine gute Voraussetzung für einen Bausatz für Bastler.

1974 erschien das Nachfolgemodell Intel 8080. Ed Roberts schaut sich die Pläne, an die er von Solomon vorgelegt bekommt und erkennt, das dies das Produkt sein könnte, das seine Firma rettet. Er kann seine Bank überzeugen ihm einen letzten Kredit einzuräumen, weil er sie von einer Stückzahl an Computern überzeugt an die er selbst nicht glaubt. Der Banker fragt wie viele Rechner MITS wohl verkaufen könnte und Roberts meinte, es könnten 700 bis 800 im ersten Jahr sein. Der Banker meinte, Roberts wäre sehr optimistisch, er bekam aber trotzdem den Kredit über 65.000 Dollar. Er stand schon mit 250.000 Dollar in der Kreide. Als der Rechner erscheint, sind die 700 bis 800 Stück die Bestellungen, die in drei bis vier Tagen eingehen und da viele Käufer mit Barschecks als Vorkasse bezahlen, trudeln in eineinhalb Monaten in etwa die Summe mit der er in der Kreide steht auf seinem Girokonto ein.

Als Popular Electronics im Januar 1975 erscheint, ist der Rechner noch nicht fertig. Also er ist noch nicht Produktionsreif. Die Prototypen der CPU und Speicherplatine stehen. Was auf dem Titelbild abgebildet ist, ist eine Attrappe – das reine Gehäuse. Der Prototyp ging auf dem Weg zur Redaktion verloren, weil die Lufttransportfirma genau am Versandtag Bankrott anmeldet. So findet man im Heft auch keine Aufnahmen der Platinen.

Mit dem Altair ist auch die Geschichte von Bill Gates, Microsoft und BASIC verbunden, doch diese will ich in einem anderen Blog erzählen. Ed Roberts konzipiert den Altair 8800 wiederum als Kit. Er bleibt seinem bisherigen Geschäftsmodell treu, hat aber auch keine andere Wahl, denn er musste die meisten Mitarbeiter entlassen. Ein Kit benötigt keine Mitarbeiter die es zusammenbauen.

Der Namen für den Altair 8800 kam von Solomons zwölfjähriger Tochter. Solomon will den Rechner nach dem Computer der populären Fernsehserie „Star Trek“ benennen. Doch der Rechner in dem Raumschiff Enterprise heißt nur „Computer“. Lauren Solomon schlägt Altair vor: „da fliegt die Enterprise in der nächsten Folge hin“. (Es handelt sich um die Folge 30, „Amok Time“, deutsch: „Weltraumfieber“). Als der zweite, nun fertige Rechner bei Solomon eintrifft, ziert Frontblende noch die Aufschrift „PE-8“ für „Popular Electronics 8-Bit“. Roberts hatte noch keine Zeit, sich einen Namen zu überlegen. Der einzige Vorschlag, den es von einem seiner beiden verbliebenen Ingenieure gab, war „Litte Brother“. Mit PE-8 wollte er eine Reminiszenz an die Zeitschrift Popular Electronics machen, die mit ihrer Coverstory schließlich Werbung für den Rechner betrieb. Solomon ruft Roberts an und der ist mit dem Namen einverstanden.

In Popular Electronics erscheint eine allgemeine Beschreibung des Rechners, die eigentlich nicht eine des Rechners ist, sondern des 8080 Mikroprozessors ist. Der Rechner ist im Januar 1975 noch nicht fertig. Roberts hat, weil er in finanziellen Schwierigkeiten ist, nur zwei Ingenieure. Sie alleine müssen den ganzen Rechner entwickeln und vor allem auch testen. Es dauert Monate, bis der erste Altair ausgeliefert werden kann.

Ed Roberts beweist Verhandlungsgeschick und kann von Intel einen enormen Rabatt für den 8080 heraus handeln, indem er eine große Menge abnimmt. Intel verkauft den Prozessor der gerade erschienen ist für 360 Dollar. Der Preis hat relativ wenig mit den Herstellungskosten zu tun, es war ein symbolträchtiger Preis. Intel argumentierte so: Mit dem 8080 Prozessor kann man einen Computer bauen, der in etwa die Leistung, hat die, man an einem IBM System 360 im Time-Sharing Betrieb hat. Der Chip hatte aber nur etwa doppelt so viele Transistorfunktionen wie der 4004 Mikroprozessor und der steckte in Taschenrechnern für weniger als 50 Dollar Endkundenpreis. Den 8008 verkauft Intel in Volumenstpckzahlen für 30 Dollar. So war der enorme Preisnachlass auch möglich. Diese enorme Ersparnis – das Kit kostet so wenig mehr, als wenn man den 8080 Prozessor als Einzelexemplar kostet, trug sicherlich zu seinem Erfolg bei, denn Bedingung für die Vorstellung durch Popular Electronics war, das MITS nicht nur Kits anbot, sondern auch die komplette Bauanleitung für Leser der Popular Electronics, sie sich so die Bauteile selbst besorgen und den Rechner selbst zusammenbauen konnten.

So viel im ersten Teil. Im nächsten Teil schauen wir uns mal den Altair 8800 an und ich erzähle, wie es weiterging nach der Veröffentlichung des Artikels in der Popular Electronics. Wer noch mehr wissen will, dem empfehle ich dieses Buch, das es auch bei Amazon gibt.

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