Hochdrucktriebwerke

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Zeit mal für einen neuen Grundlagenblog. Ich will nicht die ganzen Grundlagen nochmals durchkauen, aber mal auf eine Triebwerksserie eingehen, die derzeit ihren Einstand in den USA feiert: Hochdrucktriebwerke nach dem Prinzip des „Staged Combustion“. Die deutsche Übersetzung „Gestufte Verbrennung“ finde ich so gar nicht toll und verwende lieber den englischen Begriff.

Aktive Treibstoffförderung

Wie schon gesagt, die ganzen Grundlagen lasse ich mal weg, aber das Prinzip der Treibstoffförderung muss ich mal erläutern. Gelangt der Treibstoff in die Brennkammer – meist noch flüssig – und verbrennt er dort so steigen Volumen und Temperatur an. Nach den Gesetzen der Thermodynamik steigt dann auch der Druck an, die Brennkammer steht unter Druck, dem Verbrennungsdruck. Würde der Treibstoff nicht unter Druck eingespritzt werden, es käme keiner durch diesen Gegendruck mehr in die Brennkammer, die Verbrennung würde erlöschen.

Daher wird der Treibstoff immer unter Druck eingespritzt. Bei einer passiven Förderung stehen die Tanks selbst unter Druck, bei einer aktiven Förderung wird der Druck durch eine Pumpe aufgebaut. Beide Verfahren müssen berücksichtigen, dass der Druck durch die Passage der Leitungen und vor allem des Injektors, der die beiden Komponenten Oxidator und Verbrennungsträger durchmischen muss, abnimmt bis die Brennkammer erreicht wird.

Erklärung des Gasgeneratorprinzips

Das älteste aktive Treibstoffförderverfahren ist das Gasgeneratorprinzip, erfunden für die A-4, wird es auch in den USA als „Gas generator cycle“ bezeichnet. Es ist das wichtigste Nebenstromverfahren. Wie dieser Begriff aussagt, gibt es neben dem Hauptstrom des Treibstoffs noch einen Nebenstrom im Triebwerk.

Die A-4 nutzte dafür eigene Treibstoffe: Es wurde Kaliumpermanganat und Wasserstoffperoxid hinzugeladen. Das Kaliumpermanganat zersetzte das Wasserstoffperoxid katalytisch, es entstand heißer Wasserdampf zusammen mit Sauerstoff. Auch die frühen US- und russischen Raketen wie Redstone, R-4, R-5 und R-7 setzten dieses Prinzip ein. Später verwandte man die Treibstoffvorräte, die sowieso schon vorhanden waren.

Egal ob nun separate Treibstoffe oder aus den Haupttanks: Die Treibstoffe kommen in eine kleine Brennkammer wo sie verbannt werden. Diese heißt bvei diesem Prinzip „Gasgenerator“ und daher kam auch der Name zustande. Das Mischungsverhältnis ist dabei so gewählt, dass die Temperaturen nicht zu hoch sind, typisch zwischen 700 und 800 Grad Celsius. Das erlaubt es eine sehr einfache Brennkammer zu konstruieren, die man nicht kühlen muss. Erreicht wird dies bei Verwendung der eigenen Treibstoffe durch die Veränderung des Mischungsverhältnisses: Die Mischung ist so gewählt, dass eine Komponente komplett umgesetzt wird, die andere nur zum Teil. Bei LOX/Kerosin würde man sie sauerstoffreich gestalten, um das Kerosin vollständig umzuwandeln, denn ist das nicht der Fall so enthält das Gemisch auch zahlreiche höher molekulare Substanzen, die beim Abkühlen fest werden und die sich dann an unerwünschten Stellen niederschlagen können. Der Rest des Sauerstoffs wird nicht verbrannt und stellt so praktisch eine inerte Masse dar, sie aber mit erwärmt wird. Bei der Ariane 1-4 hat man zusätzlich Wasser eingespritzt, um den Anteil an Wasserdampf zu erhöhen, das ist wichtig für die Turbine. In den Gasgenerator gelangt aber nur ein kleiner Teil des Treibstoffs, typisch einige Prozent des Flusses zur Brennkammer.

Eine Turbine wandelt die thermische Energie des Gases in mechanische Energie um, indem sie einen Rotor in schnelle Drehungen versetzt. Das Gas kühlt dabei ab. Das Wasser im Gasgemisch unterschreitet dabei den Siedepunkt, wird flüssig, das erzeugt einen Unterdruck, der weitere Gase ansaugt.

Auf dem durch den Rotor in Drehung gebrachten Schaft der Turbine sitzt nun eine Pumpe, die den Treibstoff aus den Hauptleitungen zum Tank ansaugt und unter Druck entlässt. Die frühesten Pumpen entstanden aus Kreiselpumpen der Feuerwehr für die A-4. Heute gibt es auch andere Pumpen, wie die Axialpumpe die bei hohen Förderleistungen für die Förderung von Wasserstoff zum Einsatz kommt. In der Regel bilden Turbine und Pumpe eine Einheit in einem gemeinsamen Gehäuse. Sie werden daher als „Turbopumpe“ bezeichnet. Das ist aber nicht immer so, es kann auch nur eine Turbine für beide Pumpen geben die dann eine Pumpe direkt und die andere über ein Übersetzungsgetriebe antreibt. Die Funktion der Pumpe ist die gleiche wie die in einem Hochdruckreiniger: sie entlässt den Treibstoff unter hohem Druck.

Zurück zu dem Gasstrom aus der Turbine. Der wird beim Nebenstromverfahren nach Passage der Turbine entlassen. Meist über einen „Auspuff“ neben dem Triebwerk. Er trägt so etwas zum Schub bei. Das heiße Gas, das immer noch etwas unter Druck steht, kann aber auch für andere Zwecke eingesetzt werden, z.B. als Pneumatikgas für das Schwenken der Triebwerke oder als Lagekontrollgas für Düsen an den Rollachsen.

Der große Nachteil des Nebenstromverfahrens ist, dass der Energiegehalt des Gases für den Nebenstrom kaum ausgenutzt wird. Würde man es vollständig verbrennen so würde man Temperaturen von über 3000 Grad Celsius erreichen. Macht man eine Effizienzberechnung, so ist es so, das für die Steigerung der Förderleistung der Treibstoffbedarf für den Nebenstrom ansteigt. Die Ausströmgeschwindigkeit des Gases nach Verlassen der Brennkammer steigt dabei zuerst stark an, dann jedoch immer langsamer. So gibt es ein Optimum, bei dem ein Antrieb den maximalen Gesamtimpuls (das Produkt aus Schub × Zeit) erreicht, das ist bei etwa 90 bis 100 Bar Brennkammerdruck der Fall.

Alle US-Triebwerke mit aktiver Treibstoffförderung bis 1970 setzten ausschließlich dieses Prinzip ein. Seitdem wird es für neue Triebwerke mit einer Ausnahme nicht mehr verwandt. Die einzige Ausnahme ist das Merlin Triebwerk von SpaceX. Das liegt aber auch daran, das seit 1970 kaum noch neue Triebwerke in den USA entwickelt wurden und nur vorhandene verbessert wurden.

Erklärung des Tap-Off Verfahrens

Das zweite wichtigste Nebenstromverfahren ist das Tap-off Verfahren, für das es soweit ich weiß, keine deutsche Übersetzung gibt. Bei diesem Verfahren ist die Brennkammerwand an einer stelle nicht geschlossen, sondern enthält z.B. kleine Löcher. Das Verbrennungsgas tritt aus und wird eingesammelt, z.B. indem man einen Ring um die Stelle zieht. Das Gas steht natürlich auch unter hohem Druck und ist heiß. Es kann so direkt für den Antrieb der Turbine eingesetzt werden. Der Gasgenerator entfällt bei dieser Variante. Danach ist der Weg aber der gleiche, auch hier wird das Gas nicht mehr zurück in die Brennkammer geleitet. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, das hier das Gas vollständig verbrannt wird, anstatt das eine Komponente im Überschuss verwendet wird. Dafür muss man die hohen Temperaturen beherrschen, die das Gas in der Brennkammer hat. Das J-2S war das erste Triebwerk das es einsetzte. Neuere Triebwerke mit de, Tap-off Zyklus sind das Miranda von Firefly Aerospace oder das BE-3 von Blue Origin.

Erklärung des staged combusion Verfahrens

Hauptstromverfahren heißen so, weil es nur einen Gas- / Flüssigkeitssstrom gibt, also im Idealfall nur eine Treibstoffleitung von den Tanks zu den Triebwerken. Das eigentliche Prinzip ist aber das gleiche: Auch hier wird eine Komponente im Überschuss mit der anderen verbrannt. Nur ist es diesmal die gesamte Menge der Komponente im Überschuss, also z.B. der gesamte Sauerstoff mit einem kleinen Teil des Kerosins. Anstatt Gasgenerator spricht man dann von einem Vorbrenner (Pre-Burner), er funktioniert aber genauso. Auch der Weg danach ist der gleiche: zu einer Turbine und einer Turbopumpe, nur das das Verbrennungsgas nun nicht nur die Turbine antreibt, sondern direkt in die Pumpe gelangt, während der Teibstoffstrom beim Nebenstromverfahren eine eigene Leitung für den zu fördernden Treibstoff hat.

So gelangt der ganze Treibstoff in die Brennkammer. Die wichtigste Folge dieses Verfahren der Staged Combustion ist, das die Gasmenge nach Passage des Vorbrenners viel größer ist als beim Gasgeneratorverfahren. Dort werden typisch 2 bis 5 Prozent des Treibstoffs dafür genutzt. Hier wird eine Komponente vollständig verbrannt. Selbst bei hohen Mischungsverhältnissen, wie 6:1 beim SSME ist das mindestens 17 % der gesamten Treibstoffmenge. Es ist viel mehr Gas das dann eine viel größere Antriebsleistung hat und das schlägt sich in einem höheren Brennkammerdruck nieder. Deshalb spreche ich auch von Hochdrucktriebwerken, weil diese eigentlich nur mit dieser Technologie arbeiten, auch wenn das nicht korrekt ist.

Russland ist schon Mitte der Sechziger Jahre auf dieses Prinzip umgeschwenkt. Die meisten seitdem entwickelten russichen Raketentriebwerke arbeiten nach diesem Prinzip. Die ersten Staged Combustion Triebwerke waren die RD-253 Triebwerke der Proton. Die USA haben zuerst nur das SSME nach diesem Prinzip entwickelt. Wobei das nicht ganz korrekt ist, denn das Verfahren hat MBB entwickelt und auch ein Patent darauf erhalten. Inzwischen gibt es mit dem BE-4 und Raptor weitere Triebwerke nach dem Prinzip. Die russischen Triebwerke für die Treibstoffe LOX/Kerosin und NTO/UDMH verbrennen jeweils den Oxidator vollständig mit einem Teil des Verbrennungsträgers. (Im US-Jargon: „oxygen rich“) So wird vermieden, dass es teilverbannte Kohlenwasserstoffe gibt, die sich zu höhermolekularen Produkten verbinden. Das bekannteste dieser Produkte ist Ruß. Sie können sich ablagern und so Pumpe oder Injektor schädigen.

Beim SSME wird dagegen der Wasserstoff vollständig verbrannt. Die beiden Verfahren werden im Englischen als „oxygen-rich“ und „fuel-rich“ bezeichnet. Was vollständig verbrannt wird orientiert sich primär am Treibstoff, auf die Performance hat das wenig Einfluss. Eine Variante setzt das Raptor ein, bei dem beide Prinzipien eingesetzt werden. Die Methanturbopumpe hat einen Vorbrenner mit methanreichem Gemsich und die Sauerstoffturbopumpe einen zweiten Vorbrenner mit sauerstoffreichem Gemisch. Da man in beiden Vorbrennern die Mischungsverhältnisse einstellen kann, was bei nur einem Vorbrenner nicht möglich ist, kann man die Temperaturen des Gases begrenzen, was der Lebensdauer der Turbopumpe zugutekommt. Für nicht-wiederverwendbare Triebwerke ist das nicht nötig, aber für die weiterverwendbaren Raptors schon.

SpaceX Fans werden nicht müde zu betonen, das das was gaaanz besonderes sei. Nun ja es ist deswegen was gaaanz besonderes wie auch die Rutherford-Triebwerke der Electron oder das Miranda von Firefly oder die beiden BE-3/4 Triebwerke von Blue Origin was gaaaanz besonderes sind, weil die USA seit dem SSME von 1972 kein neues Triebwerk entwickelt haben. Es gibt deswegen wenig Vergleichbares und so hat jede Firma eine Lösung gefunden, die kein anderer einsetzt.

Wenn man eine funktionierende Technologie hat, dann setzt man diese ein, anstatt was neues zu entwickeln. Nur wer neu im Geschäft ist, hat die Wahl welche Technologie er einsetzt. Er kann ja nicht auf etwas schon vorhandenes aufbauen. Das ist so wie bei der deutschen Automobilindustrie: klar kann die auch Elektroautos bauen, aber solange die Verbrenner gekauft werden, entwickelt sie eben keine. In Russland geht man genauso vor: dort hat man so viel Erfahrung mit staged Combustion, dass man sogar das im Auftrag von Indien entwickelte Wasserstoff-Triebwerk für eine Oberstufe in dem Verfahren entwickelt hat, obwohl bei so kleinen Schüben und Wasserstoff als Treibstoff das Expander-Cycle Verfahren als zweites wichtigstes Hauptstromverfahren deutliche Performance- und Gewichtsvorteile hat.

Vorteile des staged combustion Verfahrens

Neben der vollständigen Ausnutzung des Treibstoffs – es wird zwar ein Teil der Energie immer noch benötigt, um die Pumpe anzutreiben, aber der Rest der chemischen Energie wird vollständig ausgenutzt – ist der Hauptvorteil der hohe Druck mit dem die Treibstoffe in die Brennkammern gelangen. Wie beschrieben liegen die meisten Nebenstromtriebwerke unter einem Brennkammerdruck von 100 bar, die einzige Ausnahme ist das Vulcain der Ariane 5/6 das bei 120 Bar liegt. Dagegen sind 200 Bar Druck bei Nebenstromtriebwerken nicht ungewöhnlich. Die Raptor 2 von SpaceX haben 300 Bar Druck, das SSME 220 Bar und das BE-4 134 Bar. Das RD-191 als aktuelles russisches Triebwerk hat einen Druck von 258 Bar. Andere russische Triebwerke erreichen bis zu 270 Bar.

Der Schub einer Brennkammer berechnet sich nach Brennkammerfläche x Brennkammerdruck. Gemeint ist dabei die Stirnfläche bevor sich die Brennkammer zur Düse verengt. Es ist klar, das wenn ich den Brennkammerdruck von 100 auf 200 Bar verdoppele, ich den doppelten Schub erhalte, oder wenn ich den konstanten Schub erhalten möchte, ist die Fläche halb so groß, die Brennkammer und damit auch das Triebwerk kleiner. Die Brennkammer wird dabei wenig an Gewicht verlieren – sie ist zwar kleiner muss aber mehr Druck aushalten, weshalb die Wandstärke dicker wird, was sich dann ausgleicht. Ähnliches gilt für die Turbopumpen. Man spart aber einige Leitungswege ein. Vor allem an der Düse kann man Gewicht sparen. Eine Kennziffer der Düse ist ihr Flächenverhältnis. Sie gibt das Verhältnis der Fläche am Düsenbeginn zum Düsenende an. Ein Flächenverhältnis von 25 bedeutet, dass die Düse an der Mündung die 25-fache Fläche der Brennkammerstirnfläche hat. Das entspricht dem fünffachen Durchmesser.

Ist die Brennkammerfläche nun durch höheren Brennkammerdruck kleiner, so ist es die Düse bei einem gegebenen Flächenverhältnis auch und das spart Gewicht ein. Selbst wenn man denselben Düsenmündungsdruck haben will, also eine definierte Restenergie im ausströmenden Gas, so spart man Gewicht ein, weil die Druckabnahme exponentiell erfolgt, das Flächenverhältnis aber nur quadratisch ansteigt.

Der spezifische Impuls ist schon alleine durch die vollständige Nutzung des Treibstoffs höher. Leider kenne ich nur ein Beispielm wo man den Effekt illustrieren kann: die sowjetische Mondrakete N-1 setzte zuerst Nebenstromtriebwerke ein. Später sollten diese durch Hauptstromtriebwerke mit in etwa demselben Schub und demselben Treibstoff ersetzt werden (die Testflüge erfolgten, aber mit den Nebenstromtriebwerken, die Triebwerke werden heute in der Sojus 2.1v und früher in der Antares eingesetzt). Hier ein Vergleich der Daten:

Größe NK-15 NK-15V NK-33 NK-43
eingesetzt in 1 Stufe 2 Stufe 1 Stufe 2 Stufe
interner Produktcode 11D51 11D52 11D111 11D112
Entwicklungszeitraum 1962-1972 1962-1972 1970-1974 1969-1974
Einsatz N-1 Flug 1-7 N-1 Flug 1-7 N-1F Flug 8ff
Antares
N-1F Flug 8ff
Höhe 2.34 m 2,70 m 3.71 m
Breite 1.50 m 2.00 m 1.50 m 2.50 m
Gewicht 1247 kg 1345 kg 1354 kg 1471 kg
Schub Boden 1510 kN 1510 kN
Schub Vakuum 1544 kN 1648 kN 1690 kN 1770 kN
spez. Impuls Boden 2913 m/s 2923 m/s .
spez. Impuls Vakuum 3118 m/s 3334 m/s 3247 m/s 3404 m/s
Brennkammerdruck 78.5 Bar 78.5 Bar 145.7 Bar 145.7 Bar
Technologie: Nebenstromverfahren Hauptstromverfahren
Schub/Gewichtsverhältnis 123-124 120-125

Wir haben also eine Steigerung des spezifischen Impulses um 70 m/s im Vakuum und 130 m/s beim Start auf Meereshöhe. Ähnlich hoch steigt auch der Schub an. Er ist also nicht wie beim Brennkammerdruck fast doppelt so groß, weil natürlich das Gas in der Düse expandiert und relevant nur der Düsenmündungsdruck ist. Auch das Schub/Gewichtsverhältnis als wichtige Kenngröße hat sich nicht wesentlich verbessert. Dieses hängt weniger davon ab, welches Verfahren der Treibstoffförderung man einsetzt, sondern wie viele Reserven man bei dem Design einkalkuliert. Früher waren Triebwerke erheblich „robuster“ hatten mehr Reserven für Schubspitzen, dickere Gehäuse für Turbopumpen, dickere Wände bei Kühlkanälen als heute. Das ist der Hauptgrund für die besseren Schub-/Gewichtsverhältnisse neuerer Triebwerke. Nicht zuletzt können neuere Herstellungstechnologien wie 3D-Druck die Massen senken, weil vieles nicht geschweißt werden muss, sondern ohne Naht direkt Kühlkanäle aus dem Metall „gedruckt“ werden.

Der spezifische Impuls lässt sich aber alleine durch den Brennkammerdruck nicht steigern. Das zeigt eine Betrachtung der Entwicklung des Raptors:

Triebwerk Raptor 1 Raptor 2 Raptor 3 Schub Raptor ? Raptor ?
Druck [bar] 250 300 350 400 450
Expansionsdruck e=34 [bar] 0,606 0,731 0,845 0,981 1,104
Expansionsdruck e=80 [bar] 0,198 0,237 0,278 0,320 0,361
Temperatur e=34 [K] 1.313 1.329 1.342 1.353 1.364
Temperatur e=80 [K] 1.048 1.062 1.077 1.085 1.092
Spezifischer Impuls Gleichgewicht) e=34 [m/s] 3.603 3.606 3.609 3.612 3.614
Spezifischer Impuls Gleichgewicht) e=80 [m/s] 3.758 3.761 3.763 3.765 3.767
Spezifischer Impuls (eingefroren) e=34 [m/s] 3.382 3.391 3.400 3.407 3.413
Spezifischer Impuls (eingefroren) e=80 [m/s] 3.494 3.505 3.513 3.521 3.528
Impuls gemittelt e=34, SL [m/s] 3.559 3.563 3.569 3.571 3.574
Impuls gemittelt e=80, Vakuum [m/s] 3.705 3.710 3.713 3.716 3.719

Die Mittlung in den letzten beiden Zeilen erfolgte nach den Erfahrungswerten für Kerosin/Wasserstoff, da Methan auch ein Kohlenwasserstoff ist: 80 % freies und 20 % eingefrorenes Gleichgewicht.

Man sieht nur ein leichtes Ansteigen von maximal 15 m/s, also rund 0,4 Prozent, obwohl der Druck um 80 Prozent erhöht wurde. Ein höherer Brennkammerdruck selbst steigert den spezifischen Impuls per se nicht. Relevant ist der Düsenmündungsdruck und die Temperatur, denn das ist ein Maß für die Restenergie, die noch im Treibstoff steckt. Die Zahlen oben beinhalten auch nicht den Treibstoff der benötigt wird, um die Pumpe anzutreiben, denn dessen Energie fehlt ja dann im Abgasstrom.

Real sank beim Übergang vom Raptor 1 zum Raptor 2 der spezifische Impuls sogar leicht, allerdings war die Hauptursache das man den Düsenhals aufweitete, wodurch das Flächenverhältnis von beim Triebwerk für die Superheavy 34 auf 27-28 absank. Die Steigerung des Brennkammerdrucks hat ihre primäre Ursache darin, das SpaceX die Masse des Starships um 41 % bis zur Version 3 steigern will und mehr Masse macht mehr Schub erforderlich – mehr Triebwerke können sie aber bei der SuperHeavy kaum noch unterbringen, wie ein Foto des Hecks zeigt. Hochdrucktreibwerke sind daher ein Muss für sehr große Raketen. Der Grund ist relativ einfach: Man hat für die Installation der Triebwerke eine Kreisfläche, die gegeben durch den Durchmesser der ersten Stufe ist. Verdoppelt man in einem Gedankenexperiment den Durchmesser der Rakete, so steigt die Fläche um den Faktor 4 (das heißt im Quadrat) die Masse aber, wenn die Proportionen erhalten bleiben, um den Faktor 8 (das heißt in der dritten Potenz). Raketen von einem Durchmesser der Saturn V oder Superheavy haben daher eng gedrängte Triebwerke.

SpaceX hat also praktisch keine andere Möglichkeit als den Brennkammerdruck zu steigern, wollen sei die Rakete verlängern wie dies geplant ist, doch die Ausströmgeschwindigkeit als für die Nutzlast wichtigste Größe beeinflusst das nicht.

Gerne würde ich aktuelle Triebwerke vergleichen, es würde sich ein Vergleich von Merlin und Raptor anbieten, doch dazu braucht man weitere Daten der Triebwerke, wie die Massen der einzelnen Ströme, Turbinen- und Pumpenleistungen und solche Daten liegen eben nicht für die Öffentlichkeit vor.

Fazit

Staged Combustion ist eine Evolution des Gasgeneratorprinzips. Wenn ich ein neues Triebwerk konstruiere, so verwende ich natürlich dieses bessere Verfahren. Aber es ist jetzt keine Revolution oder ein komplett anderes Verfahren wie dies zum Beispiel der Expander-Cycle ist, an den sich bisher noch keine der neuen US-Firmen herantraut.

Der höhere Brennkammerdruck erlaubt kompaktere und etwas leichtere Triebwerke, man kann die im Treibstoff steckende Energie besser ausnutzen, das alles sind Vorteile, die man gerne mitnimmt wenn man ein Triebwerk sowieso neu konstruiert.

4 thoughts on “Hochdrucktriebwerke

  1. Das mit dem Expander-Cycle hat mich dazu bewogen ein wenig zu googlen. Klingt nicht wirklich so, als ob es was stark Neues unter der Sonne wäre, auch wenn einige der alten Hasen schon seit Ewigkeiten an der Technik rumwerkeln.

    Andererseits lässt sich grundsätzlich schwer sagen, wann undwie eine entsprechende Technologie den Durchbruch schafft.

    Es erschreckt mich persönlich ja immer wieder, wenn bestimmte Ethusiaststen mit Äpfel/Birnen Vergleichen ala „Es hat X Jahre gebraucht zwischen dem ersten Automobil und Flugzeugt dann ähnlich X Jahre bis zu Raketen und eigentlich sollten wir schon JETZT rotierende Raumstationen haben, wie es uns im Jahr xy VERSPROCHEN wurde , yada yaa…..“

    1. Es gibt bei den Antriebstechniken eigentlich überhaupt nichts „neues unter der Sonne“. Alle fundamentalen Techniken
      wurden schon vor 1970 erfunden. Relevant ist beim Einsatz einfach nur welche Erfahrung man mit einer Technologie hat, und warum was neues entwickeln, mit neuen Risiken, wenn man eine technologie schon beherrscht selbst wenn sie vielleicht einige Prozent weniger Leistung bringt. In der Raumfahrt mit relativ wenigen Einsätzen einer Rakete spielen die Entwicklungskosten eine wichtige Rolle.

      1. Wobei die „Wiederverwertung“ interessanterweise nun ebenfalls als ein Contrapunkt gegen Neuentwicklungen bzw. komplexere Techniken genannt wird. (Zumindest im Fandom.)

        Immerhin fliegen ja nun dank „Wiederverwertung“ Raketen gefühlt im „Flugzeugtakt“.

  2. Gab es eigentlich schon die Idee die „Auspuffgase“ eines oder besser mehrerer Open-Cyle Triebwerke zusammenzulegen und dann in einer extra Düse nach Zugabe von Sauerstoff (bzw. Brennstoff) zu Verbrennen. Man hätte dann mehrer Düsen mit eher hohem Druck und einen mit niedrigem Druck.

    Interessant fand ich die Aussage von Peter Beck zum Rocket Lab Archimedes. Das sollte Ursprünglich ja Open Cycle sein. Man hat aber umgestellt auf Closed Cycle Staged Combusting. Begründung war einerseits das man dieses besser herunter regeln kann man andererseits währe ein hochleistungs Open Cycle Triebwerk deutlich anspruchsvoller als ein einfaches (nicht zu extreme Drücke) Staged-Combusting Triebwerk.

    Expander Triebwerke sind ja leider was Schub und Druck betrifft begrenzt. Ich vermute auch das Sie relativ langsam auf Schubänderungen reagieren. Aber sie scheinen derzeit in Mode zu kommen mit BE-3U, Vinci und LE-5A/LE-9. Allerdings nicht so viel Marketing wie bei SpaceX mit dem „Full Flow Staged Combusting“.

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