Der nächste Start eines Starships wird der erste mit der„V2“ Version sein. Das möchte ich mal mit einer Diskussion verbinden und mit einer Wette abschließen.
Die Starships V2
Seit das Starship entwickelt wird, verspricht uns Elon Musk, inzwischen auch SpaceX eine Nutzlast von 100 Tonnen, auch wenn er nach der Entwicklung zugab, die ersten Starships – die man inzwischen als „V1“ bezeichnet, diese 100 t nicht erreichen werden, sondern etwa 80 Tonnen Nutzlast haben werden.
Dieses Starship hat folgende Eckdaten:
- Treibstoffkapazität SuperHeavy: 3.600 t
- Leermasse SuperHeavy: 200 t (mit Resttreibstoffen)
- Treibstoffkapazität Starship: 1.200 t
- Leermasse SuperHeavy: 120 t
- Raptor 2 Triebwerke mit maximal 2.230 kN Vakuumschub: 33 / 6 pro Stufe
Wäre dem so, das zeigt eine Simulation eines Starts, so hätte dieses Starship tatsächlich die angegebene Nutzlast, selbst wenn man nicht die extrem hohen spezifischen Impulse die SpaceX reklamiert, sondern die mit Tools wie RPA oder CEA2 errechneten Ausströmgeschwindigkeiten für die Berechnung verwendet.
Nun sind inzwischen sechs Teststarts von „V1“ absolviert, die letzten vier erreichten auch einen Orbit. Dank der Anzeige des Treibstoffs im Videostream kann man dann abschätzen wie viel Treibstoff in den Tanks bleibt. Die Starships erreichten nur eine suborbitale Bahn, es fehlt also noch etwas Geschwindigkeit, um den Orbit zu erreichen. Auf der anderen Seite könnte der Resttreibstoff noch verbrannt werden um die Geschwindigkeit zu steigern. Eine genaue Analyse zeigt, dass der Resttreibstoff auf diesen suborbitalen Bahnen relativ genau der späteren Nutzlast entspricht. Dann erhält man folgende Tabelle:
Flug | ITF-3 | ITF-4 | ITF-5 | ITF-6 |
---|---|---|---|---|
Resttreibstoff | ~ 42 t | ~30 t | ~20 t | ~ 25 t |
Allerdings kann die Füllung nur auf 1 Pixel genau ermittelt werden, das sind beim Starship gleich ein Fehler von rund 6 t. Es kann also sein, dass die Nutzlast von ITF-6 identisch zu ITF-5 ist. Die starke Abnahme von ITF-3 zu ITF-4 liegt daran, dass Bestandteil dieses Flugs das Umpumpen von 10 t Sauerstoff vom Haupttank in den Landetank war, dieser also leer war. Bei den folgenden Flügen war er dagegen gefüllt. In einer Ansprache vor SpaceX-Angestellten gab Elon Musk denn auch zu, dass das Starship bei ITF-3 nur eine Nutzlast von 40 bis 50 t habe, ich habe das in meiner Nachlese zum Test schon vorher berechnet. Inzwischen ist die Nutzlast weiter gesunken, zwischen ITF-4 und 5/6 ist die offensichtlichste Erklärung das der Hitzeschutzschild nicht ausreichend war und hier nachgebessert werden musste.
Woran liegts?
Nun man kann sehr viele Gründe anführen. So war bei allen Teststarts die Tanks bisher nie ganz voll, das korrespondierte auch damit, dass die Raptors nicht den Schub hatten, der reklamiert wird. Dies wird aus dieser Abbildung deutlich:
Damit kann man die große Differenz von 50 bis 60 t aber nicht erklären. Der Schub der Raptoren ist weitestgehend ohne Einfluss, weil die Rakete sowieso einen hohen Schubüberschuss in beiden Stufen hat. Und ein Weglassen von einigem Prozent Treibstoff kann ebenso nicht so viel Nutzlast kosten.
Für mich die überzeugendste Erklärung ist das vor allem das Starship Übergewicht hat. Und die Abnahme der Nutzlast zwischen ITF-3 und 6 spricht dafür, das sich dies während der letzten Tests nicht gebessert hat. Das ist nichts Ungewöhnliches. Alle bemannten Raumfahrzeuge der USA wurden schließlich schwerer als geplant. Der beste Vergleich sind die Space Shuttles. Sie sollten mal trocken, ohne Flüssigkeiten und Nutzlast/Besatzung 68 t wiegen. Die erste flugfähige Fähre, die Columbia wog 82 t, später gelang es bei den letzten Fähren die Masse auf 78 t abzusenken. Immer noch 10 t mehr als geplant, was bei knapp 30 t Maximalnutzlast natürlich eine Reduktion der Nutzlast um ein Drittel bedeutete. Später wurde im Programm durch Verbesserungen die Nutzlast auf 27 t also nur 3 t weniger als geplant angehoben.
Ähnliches hat SpaceX vor: schauen wir auf die Abbildung oben: Das Starship V2 ist nur wenig länger als das von ITF-3, hat 5.150 anstatt 4.500 t Treibstoff, also 14,4 % mehr. Das soll die Nutzlast aber von „Null“ (nach Grafik) oder 45 t (eigene Abschätzung) auf 100+ t anheben. Kann man glauben, muss man aber nicht. Wenn man rechnen kann, so wird klar, das dies nicht geht. Man muss aber nicht mal rechnen, sondern kann einfach mal seinen Verstand einschalten und sich die Abbildung ansehen: eine so kleine Verlängerung mit relativ wenig mehr Treibstoff soll die Nutzlast mehr als verdoppeln? Wie soll das gehen?
Das Starship V3 wird dann deutlich länger und nimmt 41 % mehr Treibstoff als V1 oder 23 % mehr als V2 auf. Und diese 23 % mehr bedeuten dann nochmals eine Verdoppelung der Nutzlast. Klar, es wird vor allem das Starship verlängert. Es bekommt auch drei Triebwerke mehr. Das macht Sinn, denn es bringt den Großteil der Orbitalgeschwindigkeit auf. Eine Verlängerung der Treibstofftanks addiert nur wenig mehr Masse – die Triebwerkssektion, Nutzlasthülle und Flügel bleiben ja gleich, sodass der Anteil der Nutzlast an der gesamten Orbitalmasse ansteigen sollte. Aber gleich eine Verdopplung mit 23 Prozent mehr Masse? Warum klappt das nicht bei anderen Raketen, alle anderen Entwickler von Raketen müssen wohl alles falsch machen und das nicht nur heute, ordnen seit Anbeginn der Raumfahrt. Das ist die Erklärung, die ich von Spacelab-Fans höre.
Kann man glauben, muss man aber nicht, vor allem weil das ja nicht die erste Angabe von SpaceX ist, die nicht stimmt. Ich habe schon die 100 t Nutzlast erwähnt, die uns Musk/SpaceX für V1 versprochen haben und die nicht erreicht wurden. Die Nutzlasten von Falcon 9 / Heavy sind seit Jahren auf der Webseite zu finden und falsch, ebenso die Preise, denn alle veröffentlichten Startabschlüsse, bei denen Zahlen genannt werden, sind teurer. Von den Zeitplänen die Musk raushaut – in zwei Jahren sollten nach seiner letzten Ankündigung erst wenige Monate alt, übrigens fünf Starships zum Mars starten – mal ganz zu schweigen.
Es hat sich auch anderes verändert. Ich mache die SpaceX-kritische Berichterstattung praktisch seit dem ersten Falcon 1 Start, wo das mit den Lügen losging. Seitdem gab es immer SpaceX-Befürworter oder Fans im Blog. Früher konnte man mit denen wenigstens noch diskutieren. Das hat sich heute geändert. Zum einen fehlt inzwischen die technische Expertise, also eine Kenntnis der Raumfahrt und anderer Projekte, zum anderen geht es inzwischen um Dogmen, ähnlich wie bei einer Religion. Man weigert sich sogar zu informieren, das könnte ja den Glauben erschüttern. Das erinnert mich an Filmszenen wo sich Mönche im Mittelalter weigern etwas zu lesen, weil es nicht vereinbar mit ihrer Religion ist (War es in „Im Namen der Rose?“) oder – der Film entwickelt sich mittlerweile als SpaceX Vorhersage aus dem Jahr 1962, Billy Wilders „Eins, Zwei, Drei“. da gibt es die Szene, wo MacNamara Otto Piffl klarmacht, das er nicht mehr in die DDR zurück kann, nachdem er nun vom Kapitalismus „verseucht“ ist. Tauscht das durch „Raumfahrtwissen“ aus, so wird ein Schuh für SpaceX Anhänger draus. Dazu gehört auch das die Angestellten von SpaceX im Dauerjubel sind, selbst wenn etwas explodiert. Diese Jubelkulisse was gibt es bei keinem anderen Raketenstart, nicht mal den mindestens genauso eindrucksvollen Starts der Saturn V Mondraketen und die beförderten immerhin Menschen zum Mond und versanken nicht nach einer stunde im Ozean.
Ich habe jedenfalls mal gerechnet und ich sehe nicht, wie das möglich sein sollte, wenn die Rakete nur mehr Treibstoff aufnimmt und neue Triebwerke hat, die es schon deswegen braucht, weil es natürlich schwerer wird. Um auf diesen Massenzuwachs zu kommen, müsste das Starship leichter werden als es heute ist, obwohl es mehr Treibstoff aufnimmt.
Die neueste SpaceX Wette
Es läuft ja noch eine Wette vom Jahresanfang. Damals habe ich gegen die Ankündigung von 150 Starts der Falcon Trägerraketen gewettet, die diesmal nicht von Elon Musk, sondern dem ehemaligen NASA-Leiter für das bemannte Raumfahrtprogramm Bill Gerstenmeier für 2024 versprochen hat. Bisher sind es 119 Starts, also wenn das nicht 31 weitere Starts in den nächsten 37 Tagen werden, dann sehe ich schwarz.
Aber die wundersame Nutzlastvermehrung beim Starship V2 ist ja eine Steilvorlage für eine Wette. Und man kann sie überprüfen, denn nun steht ja ITF-7 an. ITF-7 wird erstmals ein V2-Starship einsetzen. Allerdings noch die V1-Superheavy. Nun gibt es Erfahrungswerte, inwieweit sich eine erste Stufe auf die Nutzlast auswirkt. Typisch macht eine Maßnahme – mehr Treibstoff oder eine Gewichtsreduktion bei der ersten Stufe eines Gespanns das dieselben Treibstoffe einsetzt etwa ¼ bis 1/5 dessen aus, was die gleiche Maßnahme bei der zweiten Stufe bringt. Ich rechne mit einem Viertel, das ist günstiger für SpaceX. Ebenso nehme ich die von Elon Musk angegebene Nutzlast von 40 bis 50 t (interpretiere ich als 45 t) da ich ja gegen eine andere Aussage von ihm Wette. Also der Übergang von V1 zu V2 soll die Nutzlast von 45 auf über 100 t anheben. Das sind 55 t mehr. Davon dürfte die Erststufe ein Viertel erbringen, also 13,75 t und der Rest dann das Starship V2. Das ist die Differenz von 13,75 zu 55 t also 41,25 t Nutzlast, die zusätzlich erreicht werden.
Damit müsste das Starship bei ITF-7 eine Nutzlast von 41,25 + 45 t = 86,25 t haben. Ich bin großzügig und runde auf 85 t ab. Wenn das stimmt, müsste beim nächsten Start ITF-7 dann soviel Resttreibstoff in den Tanks verbleiben wie der Nutzlast entspricht, also 85 t. Daher wette ich auf das, weil dies nachprüfbar ist:
Wetten, dass SpaceX es nicht schafft bei ITF-7 mindestens 85 t Resttreibstoff in den Tanks nach Brennschluss der Raptors zu hinterlassen!
Ihr findet sie natürlich auch bei den SpaceX Wetten in der Übersicht.
Inzwischen scheint Elon Musk ja selbst davon abzurücken, bzw. er hat eine nun neue Lesart der Nutzlast, nachdem wohl außer den Spacelab-Fans jeder sich fragt, warum die Firma dauernd ein Starship testet aber nie eine Nutzlast transportiert:
„The propellant tanker version will be especially heavy, as the payload volume in the forward section will mostly contain propellant.
Thrust goal will be ~10k tons (3X Saturn V) and liftoff mass of tanker version ~7k tons. This should be capable of ~200 tons of orbital refilling.“
Nun bezieht sich die Nutzlast auf die Tanker-Version. Das scheint unwichtig zu sein, ist es aber nicht. Der Tanker landet nicht mehr. Das spart einiges an Gewicht ein:
- Die etwa 10 bis 15 t schwere Nutzlastspitze kann entfallen
- Der Hitzeschutzschild der auch auf 10 bis 15 t geschätzt wird kann ebenfalls entfallen
- Die Landung erfordert Treibstoff. Bei ITF-6 entspricht die Brenndauer der Triebwerke zwischen 12,6 und 31,5 t Treibstoffverbrauch, (40 bis 100 Prozent Schublevel), alleine die 10 t Sauerstoff die bei ITF-3 umgeladen wurden entsprechen 12,7 t Treibstoff. Bei den Landeversuchen 2020/2021 wurden durchschnittlich 15 bis 20 t Treibstoff verbraucht.
- Das Tanker-Starship selbst braucht auch keine Resttreibstoffreserve als Schutz vor dem Durchbrennen der Triebwerke vor dem Brennschluss. Es hat ja schließlich Treibstoff als Tanker an Bord. Bei den gleich geformten Tanks der SuperHeavy macht der Resttreibstoff alleine 20 t aus. Normal sind 0,5 bis 1 % der Treibstoffmasse also 6 bis 12 t.
- Die Flügel zur aerodynamischen Stabilisierung können entfallen
Optimist sich geschätzt wiegt dieser Tanker mindestens 40 t im Orbit weniger als ein Starship das Nutzlasten transportiert. Pessimistisch geschätzt können es auch 60+ Tonnen sein. In der Realität schätze ich, hat er eine um 50 t höhere Nutzlast was dann die Nutzlast von 200 auf 150 t absenkt. Ich vermute, ähnliches gilt auch für das Starship V2. Addiert man 40 bis 60 t zur Nutzlast von V1 so kommt man seltsamerweise auch auf die uns schon 2016 versprochenen 80 bis 100 t Nutzlast. Man sieht: Lügen hat bei Elon Musk schon eine eigene Tradition.
Nur nützt das nichts bei den echten Transporten, auch nicht den Auftankvorgängen, außer die Auftank-Starships sind auch Tanker, gehen also verloren.
Kostenabschätzungen
Man muss Elon Musk auch nicht bei seinen Ankündigungen für den Startpreis glauben, die zudem sehr wechselhaft sind und zwischen 3 und 20 Millionen Dollar schwanken. Es gibt eigentlich zwei Marken, die das Starship reißen muss, um sich zu lohnen.
Die erste ist der Einsatz für SpaceX selbst. Anders als Musk behauptet ist das Starship ja nicht für Marsmissionen konstruiert worden. Es ist vom Aufbau her ein Transporter der gerade mal wen LEO erreicht, wie das Space Shuttle. Schon den GTO erreicht es nicht mal mehr ohne Nutzlast. Es wird von SpaceX für den Aufbau des Starlink Netzes benötigt auf das auch bisher die meisten Starts entfallen. Damit es sich hier finanziell lohnt, muss der Preis pro Tonne LEO-Nutzlast niedriger liegen als bei einer Falcon 9. Nehmen wir real mal 150 t für V3 an und 17,5 t als bisher höchste Starlink Nutzlast einer Falcon 9, so darf es maximal 8-mal teurer als eine Falcon 9 sein, was, selbst wenn man den Startpreis auf der Website als einen mit einem hohen Gewinn interpretiert, die Startkosten deutlich über die anderer Träger wie Vulcan oder Ariane 6 anhebt.
Die zweite Schwelle ist die für den kommerziellen Einsatz. Sie ist sogar noch rigider. Dann muss das Starship Nutzlasten transportieren, die heute gebaut werden und diese werden meist so konstruiert, das sie von verschiedenen Trägern transportiert werden können. Es könnte ja mal einer ausfallen oder es gibt Probleme beim Vertragsabschluss. Wir reden also von Satelliten die nicht 100 t wiegen, sondern deutlich weniger. Bei Transporten in den GTO, GEO oder auf Fluchtbahnen ist das Starship dann schon mal draußen. Diese Missionen erfordern beim Starship einen oder mehrere Auftankvorgänge und außer bei GTO geht es auch bei der Mission verloren wird also nicht gelandet. Von diesen Hochenergie-Missionen gibt es wenige die eine höhere Nutzlast als eine Falcon 9 erfordern, die bisher bei SpaceX die Falcon Heavy durchgeführt hat und die, weil die Oberstufe leer eben 7 und nicht 100 t wiegt, eine höhere Nutzlast für diese Bahnen hat.
In den LEO kann man die Nutzlast kaum ausnutzen. Satelliten wiegen hier typisch einige Tonnen. Zwar kann ein Starship mehrere Satelliten transportieren, doch die müssen dann in denselben Orbit gelangen, was selten der Fall sein dürfte. Am ehesten wäre das Starship wohl interessant für eine neue Konstellation. Aber ob es neben den drei schon geplanten bzw. einsatzbereiten Konstellationen noch Platz für einen vierten Anbieter gibt? Ich habe da meine Zweifel.
Das alles erklärt, warum das Starship bisher so wenige Aufträge hat, obwohl es ja schon im Testeinsatz ist – normale, nicht wieder verwundbare und – zumindest gegenüber den Versprechungen von Musk – zehnmal so teure neue Träger wie die Vulcan und Ariane 6 haben dagegen schon vor dem ersten Start ein gefülltes Auftragsbuch.
Immerhin eine Abschätzung für den Startpreis gibt es und die lieferte Elon Musk nach dem ersten Teststart, er sagte damals die Firma würde 2 Milliarden Dollar in das Starship investieren und es gäbe noch vier bis fünf weitere Missionen 2023. Da alles über die ITF getestet wird, kann man einfach die 2 Milliarden Dollar duch 4 bis 5 Flüge teilen und kommt auf 400 bis 500 Millionen pro Flug.