Angeblich – Gerüchten zufolge, soll Elon Musk die Entscheidung gefasst haben, das anfangs von ihm propagierte, dann aber recht schnell von seiner Firma verworfene Verfahren der aktiven Kühlung wieder einzufahren. Es war wohl so, das die derzeit eingesetzten Hitzeschutzkacheln einen Gewichtsvorteil versprachen, der nun nachdem man bei den Kacheln nach dem Testflug ITF-3 nachbessern musste, nicht mehr gegeben ist. Ich will in diesem Blog eine weitere Modifikation durchrechnen und begründen, warum diese doch vielleicht sinnvoll ist.
Grundlagen
Jedes Weltraumfahrzeug hat beim Wiedereintritt das Problem, das beim Wiedereintritt viel Hitze durch die Reibung mit rund 8 km/s an der äußeren Atmosphäre entsteht. Beim Aufstieg entsteht diese nicht, weil die Zone in der die meiste Energie erzeugt wird zwischen 60 und 80 km Höhe liegt. Beim Wiedereintritt hat das Raumfahrzeug bis zum Erreichen dieser Zone kaum Geschwindigkeit verloren. Bei ITF-6 fing das Plasmaleuchten schon in 125 km Höhe an, (vergleichbar mit dem Space Shuttle, bei dem es in 127 km anfing) aber in 80 km Höhe war es kaum abgebremst und noch 7,4 km/s schnell. In 60 km Höhe waren es nur noch 5 km/s. Die abgegebene Energie ist proportional zum Quadrat der Geschwindigkeitsänderung, sodass mehr Energie verloren wurde. als in 5 km/s Restgeschwindigket noch stecken. Beim Aufstieg wird diese Zone aber viel früher bei geringerer Geschwindigkeit durchquert: 1,4 km/s hatte das Starship bei ITF-6 in 60 km Höhe und 1,6 km/s in 80 km Höhe.
Nur bei sehr aerodynamischen Körpern mit hoher Dichte kann man die Aufheizung durch Reibung an der Atmosphäre so weit ignorieren, das eine dünne Beschichtung die abgetragen wird als Schutz ausreicht. Das ist bei Atomsprengköpfen der Fall. Alle anderen Raumfahrzeuge, erst recht ein im Verhältnis zum Gewicht sehr voluminöses Starship müssen sich vor dieser Hitze achützen. Es gibt historisch drei Verfahren dies zu tun:
Die Wärmesenke nimmt die Wärme auf und speichert sie. Das Verfahren geht nur mit bestimmten Materialien wie Beryllium und wird auch bei Atomsprengköpfen eingesetzt. Bei Körpern mit großem Volumen erhöht es die Masse des Raumfahrzeugs zu stark.
Ablative Schilde: Ein Schutzschild aus einem Material, das abgetragen wird und verdampft und dabei die Energie mitnimmt ist das Standardverfahren und wird sowohl bei unbemannten Kapseln, wie auch bemannten Raumfahrzeugen eingesetzt. Die NASA hat gerade Artemis 2 um einige Monate nach hinten verschoben, weil der ablative Hitzeschutzschild bei Artemis 1 zu viel Material abgetragen wurde und es auch Risse im Schild gab.
Wärmeabstrahlung: Die beim Starship und beim Space Shuttle eingesetzten Hitzeschutzschilden basieren auf einem kombinierten Prinzip der Wärmeleitung und Wärmeabstrahlung: Keramisches Material aus Silikatfasern ist zum einen hoch erhitzbar, zum andern sind die Fasern wild dreidimensional angeordnet, mit viel Vakuum zwischen ihnen. Die Fasern sind daher sehr leicht und isolieren daher wie Styropor, nur halten sie viel höhere Temperaturen aus. Das leichtere Material beim Shuttle Hitzeschutzschild LI-0900 hat nur eine Dichte von 0,144 g/cm³. Die Kacheln erhitzen sich bis sie so heiß sind, das sie genau soviel Energie wieder abstrahlen wie sie durch das Plasma aufnehmen, beim Space Shuttle auf bis zu 1.200 Grad Celsius (ich zitiere das Space Shuttle, weil man bei SpaceX nichts über die Technik publiziert). Sie nehmen aber doch Energie auf und leiten diese Wärme auch langsam ins Innere. Das erste, was nach jeder Shuttle Landung erfolgte war, dass Fahrzeuge mit fahrbaren „Kühlanlagen“ heranfuhren und das Innere kühlten – die Temperatur muss unter 250 Grad Celsius in der Struktur bleiben. Bei STS-1 wurden in Bay 4 bis zu 300 Grad Celsius erreicht. Ohne Kühlung würde die Struktur Schaden nehmen, da typisch 1-2 Prozent der Energie auf das Raumfahrzeug übergehen. Das würde ausreichen um das Space Shuttle um 338 (1 Prozent) bis 678 K (2 Prozent) zu erhitzen.
Die Wahl von Edelstahl für die Strukturen des Starships erfolgte aus mehreren Gründen. Zum einen, weil Elon Musk das preiswertere Material verwenden wollte, zum anderen, weil Stahl erst bei 1.300 Grad Celsius schmilzt, Aluminium dagegen schon bei 670 Grad Celsius. Man kann Stahl also höher erhitzen und er nimmt mehr Energie auf. Daneben ist er viel leichter zu verarbeiten als Aluminium oder gar CFK-Werkstoffe. Trotzdem reicht ie Energieaufnahme durch den Stahl nicht aus, das Starship würde ohne Schutz wie ein Meteor verglühen, was bei ITF-3 ja auch passierte.
Wie diese aktive Kühlung aussieht weiß man nicht, aber man kann ja mal Gedanken anstellen. Man braucht zuerst mal ein Kühlmittel. Das naheliegendste ist es die Reste in den Tanks zu nehmen. Keine Rakete kann ihre Treibstoffe vollständig nutzen. Es bleiben immer Reste und das können bei 1.200 t Nenntreibstoff beim Starship V1 (bei den zukünftigen Versionen noch mehr Treibstoff) durchaus einige Tonnen sein. Den flüssigen Sauerstoff, der die meiste Masse ausmacht, wird man nicht nutzen, denn der verwendete Stahl heißt zwar „rostfreier Stahl“ aber das bezieht sich auf normale Temperaturen und eine normale Atmosphäre die nur 20 Prozent Sauerstoff enthält. Stahl der einige Hundert Grad Celsius oder gar über 1000 Grad heiß ist, wird mit reinem Sauerstoff sofort reagieren und Rost bilden. Das wird auch beim normalen Einsatz derzeit mit Hitzeschutzschild passieren, denn wie beim Space Shuttle wird genügend Hitze noch auf die Hülle übergehen, aber die Temperaturen sind eben deutlich niedriger als ohne Hitzeschutzschild. Mal sehen wie sich dies auf die Lebensdauer auswirkt. Bei den Falcon 9 ist die Landeabbremsung nötig, weil deren Aluminiumtanks sonst zu hoher Reibungshitze ausgesetzt wären.
Das Methan kann man nehmen, aber es verdampft schon bei -161 Grad Celsius. Gas transportiert viel weniger Energie weg als eine Flüssigkeit und um es wieder zu verflüssigen braucht man zusätzliche Energie, die man nicht an Bord hat. Das spricht auch dagegen dafür den Landetreibstoff zu nehmen, der zusätzlich an Bord ist.
Eine Lösung, die ich mir überlegt habe, ist das Ersetzen von Methan durch Kerosin, oder RP-1, eine besondere Kerosinfraktion. Der Siedepunkt von Kerosin ist von seiner Zusammensetzung abhängig, ich habe keinen Zahlenwert für RP-1 gefunden, aber bei Kerosin wird eine Spanne von 150 bis 298 °C angegeben, ab 600 K (327 °C) zersetzt sich RP-1. Ich würde wegen der niedrigen Dichte von RP-1 und der Zusammensetzung mit vielen Alkanen und wenigen Aromaten eher auf den unteren Bereich also rund 150 °C Siedetemperatur tippen das ist aber immer noch 310 Grad mehr als Propan und entsprechend mehr Energie kann das Medium aufnahmen bevor es verdampft.
Aber das Ganze hat natürlich noch Folgen für das Gesamtsystem:
– der spezifische Impuls ändert sich
– Die dichte und damit Treibstoffladung ändert sich
– Die Massenanteile ändern sich
– die Flüsse zu den Triebwerken ändern sich
Zeit mal das anzusehen. Die folgende Tabelle gibt einen Aufschluss über die Veränderungen wenn das Gesamtvolumen gleich bleibt:
LOX/Methan | LOC/Kerosin | |
---|---|---|
Dichte Verbrennungsträger | 0,42 | 0,82 |
Mischungsverhältnis: | 3,6 zu 1 | 2,7 zu 1 |
Mittlere Gesamtdichte: | 0,83 | 1,03 |
Gesamtmasse Treibstoff: | 1.200 t | 1.489 t |
Fördervolumen Verbrennungsträger (t=340 s) | 1,827 m³/s | 1,443 m³/s |
Fördervolumen LOX (t=340 s) | 2,762 m³/s | 3,196 m³/s |
Spez. Impuls Vakuum (e=80) | 3.710 m/s | 3.595 m/s |
Spez. Impuls Vakuum (e=27) | 3.563 m/s | 3.420 m/s |
Die Tankgeometrie ändert sich, weil wir andere Mischungsverhältnisse haben. Es wird mehr Sauerstoff zu geladen und der Tank des Verbrennungsträgers wird kleiner. Das ist aber unkritisch, denn für das Starship V2 und V3 wird ja mehr Treibstoff zu geladen, es gibt also sowieso Änderungen an den Tanks.
Durch die höhere Dichte von Kerosin kann man rund 24 % mehr Treibstoff zuladen, was das wahrscheinlich schlechte Voll-/Leermasseverhältnis deutlich verbessern dürfte. Dafür ist der spezifische Impuls etwas kleiner, aber nicht extrem. 120 bis 140 m/s dürften leicht durch die höhere Treibstoffmenge ausgeglichen werden. Das ist deswegen von Bedeutung weil das Starship ja schon Übergewicht hat. Anders als verlängerte Tanks wie sie bei den folgenden versioen vorgesehen sind bedeutet der Wechsel auf Kerosin aber keine Mehrmasse trotz mehr Treibstoff.
Es ändert sich auch das Fördervolumen. Die Daten der ersten Spalte gelten für das Raptor 2 mit 300 Bar. Für Kerosin müsste die Turbopumpe weniger leisten, entsprechend dem was Sie bein Raptor 1 leisten musste, aber die LOX-Turbopumpe müsste 16 % mehr leisten, so viel wie ein Raptor 3 mit 350 Bar. Würde man die Raptors also mit den Turbopumpen der vorherigen (Kerosin) und nächsten Generation (LOX) ausstatten so müsste es keine Probleme geben.
Was kommt aus?
Mal abgesehen von der besseren Eignung als Kühlungsmittel ist natürlich wichtig zu wissen, wie sehr sich die Änderung auf die Performance auswirkt. Ich habe das Starship von ITF-6 mit der geänderten Treibstoffzuladung simuliert, dabei aber die Brennzeit konstant gelassen, der Schub ist daher höher, entspricht in etwa dem den ein Raptor 3 mit 350 Bar hat und diese sind neuen Triebwerke ja sowieso für die V2-Version vorgesehen.
Wie ich schon vermutet habe, nützt die höhere Dichte und damit die höhere Treibstoffladung mehr, als was die Rakete durch den geringeren spezifischen Impuls verliert. Ich errechne einen Nutzlastgewinn von 10 t, also 140 anstatt 130 t gegenüber einem „idealen“ Starship, das nur 100 t wiegt (das ist nicht das Starship das bei ITF-6 flog, das hatte kaum Nutzlast, aber wir kennen eben seine Trockenmasse nicht, Sie ist aber auch nicht relevant da wir ja sowieso nur über die Gesamtmasse im Orbit reden und die ist eben um 10 t höher.
Der Gewinn wäre in der Realität noch höher, weil auch die erste SuperHeavy bei 160 m/s geringerer Geschwindigkeit Brennschluss hat und so auch etwa 10 % weniger Landetreibstoff braucht, was die Gesamtmasse im Orbit um weitere 2 bis 3 Prozent weiter anheben dürfte. Ich habe in der Simulation aber an den Daten der SuperHeavy nichts geändert.
So wäre der Wechsel auf Kerosin auch eine Option, wenn man an der bisherigen Methode des Hitzeschutzes festhält, einfach weil die Nutzlast höher ist. Für die Betankungspläne ist wichtig, das das Kerosin nicht verdampft. Wäre eine Isolation nötig so würde sie nur den LOX-Tank betreffen. Selbst wenn SpaceX mit Verdampfungsverlusten lebt so wären diese geringer, weil nur das LOX ausgasen kann und das geschieht langsamer als beim Methan, weil die Dichte des Treibstoffs und damit die Menge die in den Tanks verbleibt, höher ist.
Eventuell bringt es auch eine Performancesteigerung bei der Mondmission, aber das müsste ich noch mal durchrechnen. Wegen der hohen Geschwindigkeitsveränderung ist dies nicht ganz so leicht zu beantworten.