Nachgerechnet: Die Falcon mit Raptors

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Das Jahr geht ja nun zu Ende und bislang gab es 129 Starts einer Falcon 9, aber nur vier des Starships. Eine schnelle Indienststellung und eine Wende zum Starship stelle ich mir anders vor, dabei soll dieses doch die Falcon 9 ablösen und nur Kunden, die nichts anderes wollen, sollten die Falcon 9 dann einsetzen. Nun ein sosehr Kunde scheint SpaceX selbst zu sein, denn obwohl die vier letzten Starts beinahe eine Orbitgeschwindigkeit erreichten, wurde keine Nutzlast mitgeführt nicht mal Starlinksatelliten, die ja die meisten Starts bei der obigen Aufstellung stellen. 86 Starts, also ziemlich genau zwei Drittel entfielen auf den Transport dieser Konstellation. Man sollte also annehmen, dass SpaceX die Tests nutzen, einige Falcon 9 Starts einzusparen und spätestens bei den letzten drei Flügen, nachdem ITF-3 ja fast einen Orbit erreichte, wäre das auch möglich gewesen.

Ob ein Starship eine Falcon 9 ersetzen kann hängt prinzipiell vom Startpreis ab. Wie viel ein Start des Starships kostet dürfte nur SpaceX bekannt sein, für alle Kunden von SpaceX gilt allerdings: der Start muss billiger sein als eine Falcon 9. Die höhere LEO-Nutzlast (bei allen anderen bahnen wird die Nutzlast rapide abnehmen) ist schon heute ohne Bedeutung. Den SpaceX bietet ja auch die Falcon Heavy mit der dreifachen Nutzlast an. Für die meisten Kunden reicht eine Falcon 9. Alle Starts der Falcon Heavy fanden in höher energetische Orbits statt, die das startfähig nicht ohne auftanken erreicht oder es geht sogar dabei verloren wie z.B. bei den Starts von Raumsonden wo das Erde-Mond-System verlassen wird.

Intern muss SpaceX genau gegenrechnen: Bei der Falcon 9 geht immer die Oberstufe verloren die nach Shotwell rund 12 Millionen Dollar in der Fertigung kostet. Auf der anderen Seite ist sicher die Bergung/Landung und die Inspektion von zwei Stufen anstatt einer, die zudem zehnmal schwerer sind und 39 (später sogar 42) Triebwerke anstatt 9 Triebwerke haben auch teurer. Ich denke es wird nur ein Plus draus, wenn man die höhere Nutzlast ausnutzen kann, weshalb das Starship ja auch primär für Starlink ausgelegt ist.

Für die Kunden – und das sind immerhin über 40 Starts dieses Jahr, würde sich also eine Falcon 9 noch lange lohnen, besonders bei konservativen Kunden wie NASA und DoD die eine neue Rakete nicht ohne aufwendige und teure Zertifizierung einsetzen.

Was läge dann näher die Falcon 9 mit den aktuellen Triebwerken auszurüsten, also den Raptoren? Man kann die Merlinfertigung auf die Vakuumversoion beschränken, hat trotzdem mit über 40 Triebwerken pro Jahr eine hohe Stückzahl. Das ein Raptor mit dem Kerosin anstatt Methan zurechtkommen, könnte habe ich schon im vorletzten Blog vorgerechnet.

Randbedingungen

Ich beziehe mich mal auf meinen Blog, der zeigt, dass ein Kerosin-Raptor bis auf einen Wert überall weniger leisten muss als Methan-Raptor. Dieser Wert ist das Fördervolumen der Sauerstoffturbopumpe. Er ist bei dem Mischungsverhältnis von 2,7 etwa 15 % höher als bei Methan. Allerdings arbeitet die Falcon 9 nicht mit den von mir angenommenen Mischungsverhältnis von 2,7 zu 1 sondern mit 2,33, bei diesem Mischungsverhältnis kommt ziemlich genau dieselbe Förderleistung wie bei dem Methanbetrieb heraus.

Allerdings ist dann der Schub geringer, weil erheblich weniger Kerosin als Methan verbannt wird. Pro Sekunde sind es 470 kg LOX/Kerosin anstatt 650 kg LOX/Methan beim Raptor 2. Basierend auf einer Berechnung mit CEA2 habe ich mal die wesentlichen Kenndaten hier gegenübergestellt:

Merlin Raptor 2 Raptor 3 Raptor 3+
Mischungsverhältnis LOX/Kerosin 2,33 2,33 2,33 2,33
Brennkammerdruck: 97,2 Bar 300 Bar 350 Bar 275 Bar
Flussrate: 298 kg/ 470 kg/s 549 kg/s 587 kg
Spez. Impuls SL 2.766 m/s 3.235 m/s 3.237 m/s 3.238 m/s
Schub SL 845 kN 1.520 kN 1.777 kN 1.901 kN
Spez. Impuls Vakuum 3.060 m/s 3.395 m/s 3.397 m/s 3.398 m/s
Schub Vakuum 912 kN 1.595 kN 1.865 kN 1.994 kN

Die Tabelle basiert darauf das die LOX-Turbopumpe dieselbe Leistung wie beim Methan-Raptor bringen muss, die Turbopumpe für das Kerosin aber eine viel kleinere, wodurch Flussraten und Schub absinken. Relevant ist für uns der Schub auf Meereshöhe, da die Rakete ja abheben muss. Man benötigt fünf Raptor 2 oder 4,3 Raptor 3 um die neun Merlin zu ersetzen. Die letzte Spalte gibt ein etwas leistungsfähigeres Raptor 3 wieder, das einen höheren Brennkammerdruck aufweist. Bei diesem haben vier Raptoren genau denselben Schub wie neun Merlin. Ich halte das für möglich, weil ja weitere Fortentwicklungen des Raptors geplant sind. Die derzeitigen Raptor 2 haben 230 t Vakuumschub, das soll auf 330 t steigen, was sogar einem Brennkammerdruck von 430 Bar entspricht.

Es sind natürlich nicht dieselben Raptoren wie im Starship, es ist klar, dass es Anpassungen geben muss. So wäre natürlich auch denkbar das man die LOX-Turbopumpe etwas stärker macht dann könnten die Raptoren dieselbe Flussrate mit Kerosin wie mit Methan erreichen und man käme mit drei Raptor 2 für den Start aus.

Ich würde sagen auf das Trockengewicht hat das keinen Einfluss, denn normalerweise ist es so dem Hochdrucktriebwerke pro Schubeinheit eher weniger wiegen als Triebwerke mit Nebenstromverfahren wie das Merlin. Zudem sind die Triebwerke größer, was ebenfalls positiv für die Gewichtsbilanz ist. Allerdings reklamiert SpaceX für die Merlin ein Schub/Gewichtsverhältnis von 180 zu 1. Normal wäre für ein Triebwerk dieser Art eher 80 bis 100 zu 1. Das kann man glauben, muss man aber nicht, denn nach dieser Behauptung würde ein Merlin 1D mit dem doppelten Schub eines Merlin 1C weniger als dieses wiegen. Das ist in etwa so wie wenn man in ein Auto einen doppelt so leistungsfähigen Motor einbaut als den vorherigen und dieser weniger wiegt. Ich persönlich vermute, dass die Zahl nicht erfunden ist, sondern wie bei SpaceX üblich, man einfach die Definitionen verbiegt: Wenn das Triebwerk nur aus der Brennkammer besteht, dann stimmt die Angabe, nur macht die Brennkammer eben nur die Hälfte der Triebwerksmasse aus. Ebenso dürfte man am physikalisch kaum glaubhaften Vakuumimpuls des Merlin (400 m/s mehr als die Variante in der ersten Stufe nur durch eine längere Düse) einfach mal den Nebenstrom ignoriert haben der zwischen 2 und 5 Prozent des Treibstoffs erfordert. Wir kennen das Spielchen schon von Anfang an, als beim ersten Flug Shotwell sich mit einem perfekt kreisförmigen Orbit brüstete und dann ein Journalist meinte, die Daten zeigen, dass er elliptisch wäre und sie dann einfach nicht von der Erdoberfläche, sondern vom Erdmittelpunkt aus rechnete. Nah der Definition bin ich übrigens auch im Orbit, mit einem Umlauf in 23 Stunden 56 Minuten ….

Ich gehe davon aus das ich am Trockengewicht nichts ändert.

Was kommt raus

Damit komme ich für den geneigten Leser der sich nicht mit Hintergrundinfos abquälen will oder gar was lernen will, zum interessantesten Teil: was kommt an Performance heraus. Dazu müsste man aber die genauen technischen Daten der Rakete kennen. Die sind zum einen unbekannt zum andern bleibt eine unbekannte Menge an Treibstoff für die Landung in der Erststufe zurück. Offen ist auch ob die Triebwerke immer mit vollem Schub arbeiten. Mit Sicherheit tun sie das nicht in der letzten Landephase, aber es kann auch schon beim Aufstieg so sein, um die Spitzenbeschleunigung zu reduzieren.

Der Gewinn ist nicht korrekt berechenbar ohne diese Daten, aber man kann eine gute Abschätzung machen. Ich nehme dafür eine Falcon 9 die ich nach den verfügbaren Angaben und Erfahrungswissen modelliert habe und in ihr habe ich in der ersten Stufe die neun Merlin durch vier Raptor 3 ersetzt – Raptor 3, weil dies ja die folgende Generation ist. Die Brenndauer habe ich anhand des spezifisch Impulses angepasst.

Die Vorgehensweise für den Vergleich ist die: Meine modellierte Falcon 9 hat eine Nutzlast von 17,4 t für einen LEO-Orbit. Die Falcon 9 mit Raptoren dann eine Nutzlast von 16,9 + kg. Dann müsste auch bei der realen Falcon 9 der Gewinn in etwa bei x kg liegen, wenngleich nicht genau bei x.

Offen ist bei der Betrachtung allerdings auch wie das mit dem Landetreibstoff aussieht. Berücksichtigt man das der Brennschluss nun bei rund 2.800 m/s anstatt 2,400 m/s stattfindet, so braucht man etwa ein Sechstel mehr Landetreibstoff, das habe ich bei der Leermasse berücksichtigt. Ich komme trotzdem auf eine um 2.600 kg höhere LEO Nutzlast also 19 t maximal anstatt 17,4 t. Ein kleiner Schönheitsfehler ist, dass die Falcon 9 neben den unsicheren Daten sehr schwer zu modellieren ist, weil durch den verbleibenden Landetreibstoff die Spitzenbeschleunigung der ersten Stufe gering bleibt, was es sehr schwer macht das Perigäum auf eine stabile Höhe zu bekommen – zumindest bei den 17,5 t Maximalnutzlast die in der Wikipedia zu finden ist. Immerhin berechne ich mit 5,8 t GTO-Nutzlast fast die gleiche wie SpaceX angibt (5,5 t), sodass die Simulation nicht ganz falsch sein kann.

Immerhin – 2,6 t sind über 15 Prozent der Nutzlast und weil durch die höhere Abtrenngeschwindigkeit die erste Stufe einen größeren Einfluss hat, steigt diese bei höheren Geschwindigkeiten überproportional an, bei GTO sind es z.B. ebenfalls 1,1 t mehr also 6,9 anstatt 5,8 t in meiner Simulation.

Das Raptor in der zweiten Stufe?

Dieses Thema, das sonst bestimmt in den Kommentaren kommt, möchte ich nur anreißen. Natürlich könnte man auch das Merlin Vacuum hier ersetzen. Es gibt nur ein Problem: den hohen Schub und der Regelbereich des Raptors. Der hohe Schub führt zu einer Reduktion der Brennzeit, was es bei LEO-Missionen nötig macht sehr ungünstige Kurven zu fliegen, um schnell die Orbithöhe zu erreichen. Problematischer ist aber der Regelbereich. Schon ein Merlin ist am Ende der Brennzeit zu schlagstark. Bei einem GTO-Transporten wiegen Satellit und Stufe zu Brennschluss rund 10 t, das Merlin hat aber einen Maximalschub von 981 kN würde also um rund 98 m/s beschleunigen, das ist viel höher als bei anderen Trägern. Darauf sind Nutzlasten in der Regel nicht ausgelegt. Aber es ist regelbar und kann bis auf 40 % des Schubs herunterfahren. Das Raptor hat nicht nur den mehr als doppelten Schub, es ist auch nur auf 90 t Schub herunter regelbar, also fast den Maximalschub des Merlin. Damit ist der Einsatz nicht sinnvoll.

Nebenbei ist das auch ein Aspekt bei der Landung. Da allerdings die Merlins in der ersten Stufe auch nur auf 70 % des Schubs herunter regelbar sind und so die Stufe nicht langsam sinken kann, weil der Schub bei einer weitestgehend leeren Stufe immer über der Erdbeschleunigung liegt, ändert das am Landeverfahren nichts und sollte unproblematisch sein.

Ruß

Zuletzt möchte ich noch auf etwas eingehen was in den Kommentaren zu meinem letzten Artikel über die Verwendung von Kerosin anstatt Methan beim Raptor stand. Nämlich das dagegen sprechen würde, das die Merlins angeblich – fundierte Infos gibt es von SpaceX ja nicht, sondern nur Gerüchte in Foren und (meist mit falschen Angaben versehene) Musks-Posts – aufwendig von Ruß zu reinigen sind.

Die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen ist komplex. Zuerst wird der Sauerstoff mit dem Wasserstoff reagieren, da die Elektronegativität größer ist und natürlich erst mal mindestens ein Wasserstoffatom aus den Molekülen abgetrennt werden muss bevor er mit dem Kohlenstoff reagieren kann. Die Verbrennung des Kohlenstoffskeletts ist deutlich komplexer. Denn anders als Wasserstoff kann Kohlenstoff miteinander reagieren und elementaren Kohlenstoff – eben Ruß bilden, der durch seinen hohen Siedepunkt schnell aus dem Gasgleichgewicht ausfällt und dann kaum noch reagiert. Das ist natürlich einfacher, wenn wie bei Kerosin das Kohlenstoffskelett sowieso schon aus langen Ketten besteht, als wenn sich wie bei Methan einzelne Kohlenstoffatome erst verbinden müssen. Ob es dazu aber kommt, hängt primär von dem Mischungsverhältnis Sauerstoff zu Kohlenstoff ab. Hat man genügend Sauerstoff so ist die Rußbildung gering und sollte nur an Stellen auftreten, wo es einen lokalen Überschuss an Kerosin gibt. Das würde aber vorauszusetzen das die Mischung mehr Sauerstoff enthält, als stöchiometrisch nötig, das ware bei Methan ein Mischungsverhältnis von 4:1 und bei Kerosin eines von 3,4 zu 1.

Kein existierendes Raketentriebwerk arbeitet aber so, weil man immer vermeiden möchte das irgendwo im Triebwerk es einen Sauerstoffüberschuss gibt. Denn dann würde der Sauerstoff mit dem Triebwerk selbst reagieren. Das konnte man bei einem der Starship-Testflüge 2020 sehen als das Methan ausging und die Flamme dann grün wurde – grün ist die Farbe von Kupfer, wenn es verbrennt und aus dem Material besteht die Brennkammer. So arbeitet das Raptor mit einer Mischung die nahe an 4 ist 3,6 zu 1, geplant war aus dem gleichen Grund wohl 3,8 zu 1. Doch das wurde revidiert. Während der Unterschied beim Raptor zum optimalen Verhältnis also klein ist, ist er beim Merlin groß: 2,33 zu 1 ist weit von 3,4 zu 1 entfernt und so ist die Neigung zu Rußbildung offensichtlich. Ich habe bei meinem letzten Beispiel mit 2,7 zu 1 gerechnet, weil dieses Verhältnis haben aktuelle russische Hauptstromtriebwerke die Kerosin einsetzen. Das dürfte die Rußbildung schon reduzieren. Eventuell kann man noch höher gehen, dazu müsste man aber dann genaue Berechnungen durchführen, denn das Kerosin wird auch für andere Aufgaben wie die Brennkammerkühlung benötigt. Weiterhin stehen Kohlenstoff, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid in einem Gleichgewicht dem Bouduard-Gleichgewicht. Kühlt das Gas ab so verschiebt sich dieses Gleichgewicht in Richtung Kohlendioxid und elementarem Kohlenstoff, er fällt also aus und Kohlenmonoxid entsteht bei der Verbrennung in großem Maße, nach CEA2 macht es mit 30 % molarem Anteil sogar den größten Anteil an den Verbrennungsgasen aus. Auch hier würde eine sauerstoffreichere Mischung den Anteil erniedrigen. Den höchsten spezifischen Impuls am Boden erhält man übrigens bei einem Mischungsverhältnis von 2,516 und den höchsten Vakuumimpuls bei 2,663.

Würde man den Zwischenboden in der Falcon 9 verschieben, könnte man auch hier mit dem höheren Mischungsverhältnis arbeiten, das die Rußbildung deutlich reduziert.

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