Die Wasserfall als See-See-Rakete

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Dies ist der dritte und letzte Teil zur Wasserfallrakete. Teil 1 erschien vorgestern. Gestern dann Teil 2 mit dem Abschluss der Beschreibung der Wasserfall. In diesem Teil geht es um ein Gedankenexperiment von mir.

Ich bin auf die Idee gekommen, das man die Rakete vielleicht viel besser zur Bekämpfung von Schiffen einsetzen könnte. Die Angaben über Distanz und Geschwindigkeit versprochenen eine Reichweite, die über die von Schiffsgeschützen hinausgeht. Die Masse der größeren Luftmine von 300 kg entsprach der Masse eines Geschosses für eine 28 cm Kanone wie sie in den Schlachtschiffen Gneisenau und Scharnhorst eingesetzt wurde. Bei Verzicht auf Reichweite wäre vielleicht noch eine größere Spengstoffzuladung möglich. Daher habe ich mich daran gemacht das zu simulieren. Zuerst musste ich mal die Daten abgleichen:

Parameter Minimal Maximal
Brennzeit: 40 s 42 s
Schub: 76,3 kN 78,5 kN
Startmasse: 3.500 kg 3.702 kg
Leermasse: 1.700 kg 1.756 kg
Treibstoff: 1.800 kg 1.942 kg
Spez. Impuls Meereshöhe 1.604 m/s 1.900 m/s

Die genauesten Angaben zum Treibstoff findet man in einer Skizze bei Norbert Brügge: 1043 Liter fasst der Oxidatortank (+ 48 Liter Druckgasvolumen), 433 Liter der Brennstofftank )19 Liter Druckgasvolumen). Bei den bekannten Dichten von Salpetersäure (1,51 g/cm³) Schwefelsäure (1,83 g/cm³), Isobutylvinylether (0,77 g/cm³) und Anilin (1,02 g/cm³) beträgt die Maximaltreibstoffmenge 390 kg Isobutylvinylether und 1.575 kg Salpetersäure.

Der spezifische impuls kann bei bekanntem Schub und Brenndauer berechnet werden. FCEA2 liefert für diese Treibstoffmischung bei 15 Bar Brennkammerdruck (typisch wenn der Tankdruck 25 Bar beträgt) und 0,85 Bar Düsenmündungsdruck wie bei der A-4) einen spezifischen Impuls von 1.942/2.205 m/s (Meereshöhe, Vakuum, eingefrorenes Gleichgewicht) 1.990/2.270 m/s (Meereshöhe, Vakuum, freies Gleichgewicht), was zu diesen Werten passt.

Der einzige Performancebericht, den ich kenne, stammt noch vom zweiten Testflug. Eine Spitzengeschwindigkeit von 770 m/s soll erreicht werden. Die Hermes A-1 als Nachbau der Wasserfall von den USA erreichte eine Spitzenhöhe von 25 km. So habe ich versucht die Rakete zu simulieren. Ich habe dazu die Werte von Brügge verwendet, wobei ich von Resttreibstoffen und dem nutzbaren Gesamtimpuls ausging, nicht den theoretischen Werten bei vollständigem Treibstoffverbrauch und konstantem Brennkammerdruck:

 

Parameter Wert Einheit
Maximalhöhe: 35,024 km
Distanz: 0,000 km
Startbeschleunigung: 20,628 m/s²
Maximalbeschleunigung 37,736 m/s²
Startbeschleunigung: 2,105 g
Maximalbeschleunigung 3,851 g
Antriebsphase: 40,399 sec
Startwinkel: 90,000 Grad
Startmasse: 3.702,0 kg
Leermasse: 1.957,0 kg
Startsschub: 76,365 kN
Spez. Impuls Meereshöhe: 1.768,0 m/s
Spez. Impuls Vakuum: 1.950,0 m/s
Durchmesser: 1,000 Meter
Brennschlusshöhe: 12,027 km
Brennschlussdistanz: 0,000 km
Vmax: 702,34 m/s
Vmax (theoretisch): 1.166,6 m/s
Luftwiderstand: 68,845 m/s
Gravitationsverluste: 395,39 m/s
Vx (max): 0,000 m/s
Vy (max): 702,34 m/s
V zuletzt: 657,14 m/s
Dauer: 196,17 sec
Dauer mit <0,05 g: 97,470 sec

Die Geschwindigkeit von 770 m/s wird nicht ganz erreicht, dafür ist die Gipfelhöhe viel höher, wie auch bei dieser Geschwindigkeit zu erwarten. Ich habe dann den Treibstoff solang erhöht bis die 770 m/s erreicht wurden. Bei der ersten betrachtung wurden von 1.946 kg reiubstoff nur 1.729 kg verbraucht. Bei 1.862 kg verbauchtem Treibstoff passt alles:

 

Parameter Wert Einheit
Maximalhöhe: 41,500 km
Distanz: 0,000 km
Startbeschleunigung: 20,923 m/s²
Maximalbeschleunigung 40,446 m/s²
Startbeschleunigung: 2,135 g
Maximalbeschleunigung 4,128 g
Antriebsphase: 41,999 sec
Startwinkel: 90,000 Grad
Startmasse: 3.702,0 kg
Leermasse: 1.862,0 kg
Startsschub: 77,455 kN
Spez. Impuls Meereshöhe: 1.768,0 m/s
Spez. Impuls Vakuum: 1.950,0 m/s
Durchmesser: 1,000 Meter
Brennschlusshöhe: 13,565 km
Brennschlussdistanz: 0,000 km
Vmax: 771,43 m/s
Vmax (theoretisch): 1.261,5 m/s
Luftwiderstand: 79,066 m/s
Gravitationsverluste: 410,99 m/s
Vx (max): 0,000 m/s
Vy (max): 771,43 m/s
V zuletzt: 698,70 m/s
Dauer: 212,62 sec
Dauer mit <0,05 g: 112,21 sec

 

Der Durchmesser enthält auch die Fläche der Flügel und der cW-Wert wurde so angepasst das die Zielgeschwindigkeit erreicht wurde.

Mit diesen Faten habe ich die Rakete nun verändert, und zwar indem ich sie als Schiffs-Schiffrakete umgerüstet habe. Schiffsgeschütze des zweiten Weltkriegs hatten eine Reichweite von 35 bis 40 km. Die Begrenzung für die Reichweite – die Kanonen hätten bei steilerem Winkel durchaus weiter schießen können – ist die Distanz, aus der man ein Schiff noch über dem Horizont sieht. Ein Schiff, das man durch die Erdkrümmung nicht sieht kann man ja kaum bekämpfen. Diese Distanz kann berechnet werden nach:

Distanz := Wurzel((Höhe des Blickpunktes + Erdradius)²-(Erdradius)²)

Bei einer Höhe von 10 m über dem Meer kommt man so auf 11,3 km Distanz. Allerdings kann man ein Schiff schon angreifen bevor es ganz zu sehen ist. Geht man auch hier von 10 m Höhe der Aufbauten aus so, verdoppelt sich die Distanz auf rund 23 km. Das entspricht auch der größten Distanz einer Versenkung die überliefert ist: Die des Flugzeugträgers Glorious durch die Gneisenau die über 24 km erfolgte. Die Distanz kann durch eine größere Höhe des Aussichtspunktes (eines Entfernungsmessers mit Teleskopen) vergrößert werden. Die niedrige Höhe von 10 m des Beobachtungspunktes habe ich genommen, weil ich die Waffe auf einem Zerstörer unterbringen will und dessen Aufbauten sind recht niedrig. Ich experimentierte mit verschiedenen Zuladungen und Endwinkeln um mindestens 30 km Reichweite zu erreichen.

Das Ergebnis: selbst wenn ich davon ausgehe, dass das Leergewicht der Wasserfall ohne die Luftmine ist, und dann noch 900 kg zulade, erreiche ich eine Reichweite von 30 km. Der Endwinkel beträgt dann wie bei einer A-4 43 Grad bei – ebenfalls wie bei der A-4 einer senkrechten Phase von 8 Sekunden.

Parameter Wert Einheit
Maximalhöhe: 15,025 km
Distanz: 29,974 km
Startbeschleunigung: 16,831 m/s²
Maximalbeschleunigung 27,236 m/s²
Startbeschleunigung: 1,718 g
Maximalbeschleunigung 2,780 g
Antriebsphase: 41,999 sec
Startwinkel: 90,000 Grad
Startmasse: 4.602,0 kg
Leermasse: 2.762,0 kg
Startsschub: 77,455 kN
Spez. Impuls Meereshöhe: 1.768,0 m/s
Spez. Impuls Vakuum: 1.950,0 m/s
Durchmesser: 1,000 Meter
Brennschlusshöhe: 7,864 km
Brennschlussdistanz: 3,387 km
Vmax: 499,51 m/s
Vmax (theoretisch): 925,93 m/s
Luftwiderstand: 33,883 m/s
Gravitationsverluste: 411,20 m/s
Vx (max): 313,40 m/s
Vy (max): 388,95 m/s
V zuletzt: 525,88 m/s
Dauer: 137,21 sec
Dauer mit <0,05 g: 28,744 sec

 

Die 900 kg sind deswegen so gewählt, weil eine 38 cm Granate der Bismarck rund 800 kg wiegt und ich noch 100 kg für die Steuerung vorgesehen habe. Das war die schwerste Granate der deutschen Marine und dürfte daher den Vergleichsmaßstab stellen. Da die damalige Genauigkeit von Fernraketen relativ schlecht war – die A-4 hatte einen CEP-Radius von 4,5 km und die aus der Wasserfall entwickelte R-11 einen von 3 bis 5 km, kann man ein Punktziel nur treffen, wenn man die Flugbahn aktiv verändern kann. Bei einer kürzeren Reichweite verbessert sich die Genauigkeit: sie hängt quadratisch von der Geschwindigkeit ab, sodass man bei 30 km Distanz etwa eine Genauigkeit von rund 400 m erreicht, immer noch zu groß um ein Schiff zu treffen. Meine Idee ist es eine Fernsehkamera mitzuführen und ihr Bild zu übertragen. In Deutschland wurden ab 1929 Fernsehen testweise übertragen, ab 1937 gab es eine Norm für das Fernsehen und einen regelmäßigen Einsatz. Auf dem Fernsehempfänger auf dem Schiff kann gesehen werden, wohin die Rakete fliegt und entsprechend nachgesteuert werden. Dazu kann ein Steuerungsknüppel genutzt werden. Zwar können die Signale durch einen Störsender beeinträchtigt werden, aber dies ist nur von Bedeutung, wenn die Rakete ganz nah am Ziel ist idealerweise ist sie aber schon vorher auf Kurs gebracht worden. Das Signal des Steuerknüppels ist gut empfangbar, wenn man auf der Triebwerksseite eine Richtantenne anbringt, dann stören auch Feindsender die 180 Grad entfernt sind nicht so sehr.

Diese Tabelle zeigt die letzten 5 Sekunden des Flugs:

Zeit Höhe (Y) Entfernung (X) Geschwindigkeit Beschleunigung Luftwiderstand
134,00 1,50 29,24 518,60 -9,79 5,8543
135,00 1,04 29,47 521,29 -9,79 6,2510
136,00 0,57 29,70 523,61 -9,80 6,6681
137,00 0,10 29,93 525,53 -9,80 7,1055
137,20 0,00 29,97 525,87 -9,80 7,1955

In 3,2 Sekunden sinkt die Höhe von 1,5 km auf Null und die Rakete legt 0,75 km zurück. Dies gilt für den maximalen Endwinkel von 43 Grad. Will man das die Rakete weitestgehend senkrecht herunterkommt, um die Steuerung zu erleichtern, so kann man den Endwinkel erhöhen bei 64 Grad und nur 20 km Reichweite erhält man diese Tabelle:

Zeit Höhe (Y) Entfernung (X) Geschwindigkeit Beschleunigung Luftwiderstand
145,00 2,06 19,43 528,19 -9,79 5,6837
146,00 1,55 19,58 531,70 -9,79 6,1201
147,00 1,03 19,72 534,78 -9,79 6,5812
148,00 0,52 19,86 537,40 -9,80 7,0677
148,90 0,05 19,99 539,35 -9,80 7,5269

Doch auch hier fliegt die Rakete in den letzten 4 Sekunden rund 560 m weit.

Einsatz

Der grundlegende Vorteil der Waffe ist, dass sie den Sprengstoff einer 38 cm Granate transportieren kann und damit deren Durchschlagskraft hat, wahrscheinlich sogar eine größere, da man nicht eine so massive Hülle braucht wie die Granate bei einem Kanonenabschuss. Während die Türme der 38 cm Kanonen der Bismarck und Tirpitz rund 1.000 t wogen, wiegt eine Rakete rund 3,6 t. Sie kann von einem kleinen Schiff – ich dachte an Zerstörer – gestartet werden. Wahrscheinlich kann man bei dem verfügbaren Platz auf dem Deck nur wenige Raketen gleichzeitig starten, das hängt auch mit der verfügbaren Bandbreite für die Fernsehsignale zusammen. Alle 2-3 Minuten ist eine Kurve vollständig durchflogen und weitere Raketen können gestartet werden, in dieser Frequenz müsste man sie aus dem Schiffsinneren hochfahren und zum Start vorbereiten. Ich sehe vor allem durch die aktive Steuerung den Vorteil das die Trefferwahrscheinlichkeit viel größer als bei Granaten ist, sodass man auch nicht hunderte von Raketen für eine Versenkung braucht.

Ein Problem ist, das die Rakete weiter auf einer ballistischen Kurve fliegt, das Ziel also langsam näher kommt und es so schwer wird zu erkennen ob man zu flach oder steil sich nähert. Dagegen ist die Korrektur in dem Winkel leicht möglich. Ich denke man wird die Besatzungen trainieren. Es sind auch Hilfestellungen möglich. Über Radar kann man Entfernung und Höhe feststellen. Graviert man in die Braunschen Röhren des Fernsehers Hilfslinien, die anzeigen, wo sich das Ziel zu bestimmten Zeitpunkten (für jeden Startwinkel natürlich anderer Zeitpunkt) im Fernsehbild befinden muss, so kann ein Operator bei Passieren dieses Punkts nachjustieren.

Einen Zerstörer als Träger habe ich vorgesehen, weil für die Rakete die Schiffsgröße keine Rolle spielt, anders als bei großkalibrigen Kanonen, weil das Turmgewicht natürlich vom ganzen Schiff getragen werden muss. Zerstörer sind aber beweglicher und schneller als größere Schiff und können sich so auch beim Gefecht schneller in sichere Entfernung zurückziehen. Daneben sind sie natürlich in der Herstellung preiswerter und in größerer Zahl verfügbar als Kreuzer oder gar Schlachtschiffe.

Vordringlich würde man damit natürlich andere Kriegsschiffe, wie Schlachtschiffe, Kreuzer und Flugzeugträger bekämpfen um die Marine zu schwächen. Ich halte diese Anwendung für technisch möglich, anber genauso wie bei der Wasserfall selbst hätte man das Vorhaben frühzeitig angehen müssen, sogar noch frühzeitiger, denn nach Versenkung der Bismarck im Mai 1941 unternahm die Kriegsmarine keine größeren Operationen mehr mit ihren Großkampfschiffen.

Links / Quellen:

https://b14643.eu/Spacerockets/Specials/Wasserfall_postwar_rockets/index.htm

https://www.nevingtonwarmuseum.com/wasserfall.html

http://www.luft46.com/missile/wasserfl.html

https://apps.dtic.mil/sti/trecms/pdf/AD0616916.pdf

https://www.cdvandt.org/Wunderwaffen-file-11110.pdf

http://www.astronautix.com/w/wasserfall.html

https://web.archive.org/web/20021030075622/http://www.cloudster.com/RealHardware/Wasserfal/WasserfalTop.htm

https://www.ausairpower.net/SP/DT-MS-1006.pdf

https://www.luftarchiv.de/index.htm?/flugkorper/c2.htm

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