Das ATV
Heute morgen startete es plangemäß, der erste ATV, getauft Jules Verne. Fertiggestellt wurde er schon vor einiger Zeit und ursprünglich sollte er schon letztes Jahr starten. Die Verschiebung liegt nicht an der ESA sondern dem schleppenden Ausbau der ISS: Hauptaufgabe des ATV ist es die ISS zu versorgen und da er viel leistungsfähiger als die bisherigen Progress Transporter ist braucht man ihn erst wenn die ISS von mehr Personen bemannt ist als die derzeitige 2-3 Mann Stammbesatzung. Das dürfte nun bald der Fall sein, nachdem zuerst im Oktober der europäische Verbindungsknoten (von der NASA Harmony getauft) gestartet wurde an den nun nach und nach weitere Labore angekoppelt werden. Den Start machte Columbus, beim nächsten Shuttle Flug kommt das japanische Kibo Modul dazu.
Wozu startet man den ATV? Anders als man es zuerst denkt ist der ATV keine Notlösung um die ausgefallenen Shuttleflüge zu ersetzen, sondern eine vertragsgemäße Leistung der ESA. Die ISS kostet Geld sowohl im Aufbau wie im Unterhalt. Anders als beim Spacelab will Europa nicht die NASA für Flüge zahlen und so gibt es die Bezahlung in Form von Sachleistungen. Die NASA bekam dafür zwei Module genannt Node 1 und Node 2 als Bezahlung für den Start von Columbus. Russland bekam Hardware wie Computersysteme für den Start von Astronauten in Sojus Kapseln und für den laufenden Betrieb zahlt Europa indem es pro Jahr einen ATV startet.
Die ISS wird von insgesamt 3 Transportsystemen angeflogen werden:
- Die Progress Kapseln : Sie sind recht alt und umgerüstete Sojus Kapseln. Ausgeweidet, ohne Lebenserhaltungssystem kann jede Kapsel typischerweise etwa 2300 kg Fracht bringen. Die Progress kann vor allem trockene Fracht, also Lebensmittel Transporten, dazu kommt Treibstoff für das ISS Antriebssystem. Sie kann Flüssigkeiten und Luft nur in geringem Maße transportieren. Das gleiche gilt für die Fähigkeit den Orbit der ISS anzuhaben. Etwa 3 Progress Flüge finden derzeit pro Jahr statt.
- Das japanische HTV: Das HTV ist ein Gegenstück zum ATV. es wird mit einer Schwelast Version der japanischen H-2A gestartet die noch ihren Jungfernflug absolvieren muss. das HTV wird nicht autonom ankoppeln, sondern nur sich der Station nähern und dann von einem Roboterarm am russischen Modul erfasst und ankoppeln. Bei einer Startmasse von 16500 kg transportiert es 5500 kg Fracht jeglicher Art. Als einziges Transportmedium auch komplette Racks.
- Das europäische ATV ist von allen 3 das leistungsfähigste. Neben 7667 kg Fracht jeglicher Art führt es auch 4700 kg Treibstoff zum Anheben der Raumstation mit sich. Ohne diesen Treibstoff würde die ISS langsam absinken und schließlich in der Atmosphäre verglühen. Die Startmasse eines ATV beträgt 20750 kg.
- Vor der Ausmusterung der Space Shuttles gibt es natürlich noch diese. In dem von Europa gestellten MPL Container können etwa 9..4 t Fracht zur IOSS gebracht werden und mit dem Antrieb des Space Shuttles wird derzeit die Station regelmäßig angehoben.
Es wird klar, dass das ATV extrem wichtig für die ISS ist. Zum einen hat ein ATV die Kapazität von 5 Progress und 2 HTV Flügen, man bräuchte von diesen also erheblich mehr für den betrieb. Zum anderen Transport es den Großteil des Treibstoffs den die Station braucht und hat von allen Versorgungsflügen auch das leistungsstärkste Treibwerk zum Anheben der Station. Erstaunlicherweise ist ein ATV daran gemessen nicht einmal besonders teurer: Ein Flug kostet etwa 300 Millionen Euro, etwa 6 mal mehr als eine Progress Kapsel, doch bei entsprechend mehr Nutzlast und zudem sind die Preise von Russland schlecht mit westlichen zu vergleichen (wohl auch ein Grund warum viele deutsche Firmen im ehemaligen Ostblock bauen). Als einziges der Module ist das HTV auch für eine sehr lange Betriebszeit ausgerüstet. Bis zu 6 Monate soll es im All bleiben. Es verfügt über eine eigene Energieversorgung, Antriebssysteme und kann eigenständig ankoppeln.
So verwundert es nicht, dass die ESA inzwischen eine Reihe von Studien veranlasst, wie man das ATV besser nutzen könnte. Schließlich gibt es durch den Ausfall der Shuttles eine Lücke im Transport. Schon 2004 gab es zwei erste Studien. Die erste untersuchte ob man nicht den Teil von ATV, der unter Druck steht durch einen Teil ersetzen könnte, der eine Kapsel beinhaltet und mit einem Wiedereintrittsschild ausgerüstet ist. Derartige Technologien wurden beim ARD erprobt. Dieser „Largo Cargo Return“ getaufte Carrier soll größere Mengen an Fracht zur erde zurückbringen – das ist derzeit nicht ohne den Shuttle möglich. Damit könnte man auch die Racks an Bord der Station austauschen.
Die zweite Studie geht noch weiter. Die Kapsel soll ein Lebenserhaltungssystem erhalten und im ersten Schritt ein Rettungssystem für die Besatzung sein, nachdem die NASA ein derartiges Rettungsraumschiff nicht mehr weiter verfolgt. Natürlich wäre von dem Rettungsraumschiff der Schritt nicht mehr weit für einen Start von Besatzung, womit Europa einen eigenen bemannten Zugang zur ISS hätte und unabhängig von Russland wäre.
Eine dritter Studie will den Druckteil des ATV wegrationalisieren und dann viel mehr Fracht die keinerlei Druck benötigt /vor allem Gase, Waser und Treibstoff zur ISS bringen).
Doch das ist erst der Anfang weitere – allerdings nicht so intensiv verfolgte – Ideen sind, dass man mit dem ATV kleine Kapseln zur ISS bringt, diese mit wertvollen Ergebnissen belädt und so bis zu 150 kg zurück zur Erde bringt – nicht so viel wie beim Carrier, doch 5 mal mehr als eine Sojus Kapsel und dies erheblich preiswerter. Mehr noch: Das ATV mit seiner autonomen Steuerung könnte zu einem eigenen unbemannten Labor umgebaut werden. Experimente würden dort ohne Astronauten in perfekter Mikrogravitation durchgeführt werden (ohne die Störungen durch die Bewegungen der Astronauten. Mit zwei Kopplungsstutzen könnte man aus zwei ATV und einer Sojus Raumkapsel sogar eine eigene Mini Raumstation mit dem Volumen einer Saljut 6 oder 7 aufbauen.
Noch eine Bemerkung zum fernsehen, dort hörte ich dass man für das ATV die Ariane 5 „aufrüsten“ musste, weil es zu schwer ist. Ich halte das für eine Fehlinformation, offensichtlich haben die Macher von 3SAT damit nur die Tatsache gemeint, dass eine Ariane 5 der Evolution Serie zum Einsatz kam die leistungsfähiger ist. Die ECS A Oberstufe mit Nutzlast wiegt fast genauso viel wie ein ATV und die EPS und die EPS muss keine Lasten aufnehmen, da sie innerhalb der H173 liegt und der andruck auf diese übertragen wird.