Die Lösung für ein überflüssiges Problem: Was passiert wenn man Kerosin durch Methan ersetzt?
Derzeit ist Methan en Vogue. Es verspricht einen etwas höheren spezifischen Impuls als Kerosin, erfordert aber keine so starken Änderungen an der Rakete, als wenn man von Kerosin auf Wasserstoff wechselt.
Da es viele Fälle gab in denen man nur in einer Rakete das Triebwerk austauschte, bei der Atlas z. B. dreimal habe ich mir gedacht, was wäre wenn man nur das Triebwerk tauscht, die Tanks aber so lässt wie sie sind, lediglich die Größe anpasst. Das wäre denkbar in der Atlas, aber auch Antares. Auch SpaceX wäre es zuzutrauen.
Also Vorgabe: Tankvolumen bleibt gleich, Volumen von LOX / Kerosin und LOX / Methan kann aber unterschiedlich sein, schon alleine wegen der unterschiedlichen Stöchiometrie.
Zuerst ohne Rechnung meine Einschätzung nur mit logischem Denken verfasst:
Bei LOX/Kerosin liegt das Mischungsverhältnis meist bei 2,6 bis 2,8. Es wird bei Methan höher sein, da dieses 4 Wasserstoffatome pro Kohlenstoffatom hat, bei Kerosin erwarte ich bei einem Gemisch von Aliphaten und Aromaten ein Verhältnis von unter 2. Das heißt man braucht weniger Methan als Kerosin. Das fängt einen Hautnachteil des Methans auf – seine niedrige Dichte von 0,42 g/cm³ im flüssigen Zustand. Kerosin liegt bei 0,82 bis 0,85. Trotzdem wird die Treibstoffzuladung kleiner sein. Das wird den Zugewinn an spezifischem Impuls, der bei maximal 300 m/s liegt senken, den so steigt der Strukturfaktor an. So wird die -nutzlast nicht so viel höher sein als gedacht. Bei einer ersten Stufe ist zudem der Effekt nicht so hoch, nur gibt es sehr wenige LOX/Kerosin Oberstufen, bei denen dann der Gewinn recht hoch wäre. Ich schätze daher den Gewinn klein ein.
Nachgerechnet
Als Rechenbeispiel habe ich mir die Atlas Erststufe ausgesucht mit diesen technischen Daten:
Parameter | Wert |
---|---|
Startmasse: | 305.143 kg |
Trockenmasse; | 21.053 kg |
Mischungsverhältnis LOX/Kerosin | 2,72 |
Spezifischer Impuls Vakuum | 3315 m/s |
Expansionsverhältnis: | 38,9 |
Brennkammerdruck: | 266,8 bar |
Schritt 1 ist die Simulation des Antriebs mit FCEA. FCEA liefert für eingefrorenes und freies Gleichgewicht Vakuumimpulse von 3527 und 3308 m/s. Da der Wert des eingefrorenen Verhältnisses fast gleich zum realen ist, nehme ich diesen als Maßstab. Er muss für Methan dann nur um 2 % erhöht werden.
Verbrannt wird die Mischung in einem Überschuss von 1,252. Das soll auch für Methan so gelten. Bei der Gleichung:
CH4 + 2 O2 → 2 H2O + CO2
benötigt man 2 Mole O2 um ein Mol Methan umzusetzen. Bei den Atommassen von 32 bzw. 16 beträgt das stöchiometrische Mischungsverhältnis 4 zu 1. Reduziert um 1,25 wird es dann im Verhältnis 3,2 verbrannt.
FCEA berechnet für diese Mischung nur spezifische Impulse von 3454 / 3615 m/s. Also wenn ich die Faktoren des RD-180 übernehme real 3461 m/s. Das ist nicht viel mehr. Schaut man sich die Bilanz an, so sieht man dass noch viel Energie nicht umgesetzt ist. Es gibt viel freien Wasserstoff. Bei größerem Expansionsverhältnis sieht es besser aus, doch das ist bei einer Rakete die vom Erdboden aus startet nicht möglich, da ist schon das Sponsorenverhältnis von fast 40 ein Rekord.
Wie sieht es nun mit den Massen aus? Nimmt man eine mittlere Dichte von 0,835 für RP-1 an, so sieht die Bilanz für die Atlas CCB-Stufe so aus:
Parameter | Wert |
---|---|
Treibstoffmasse | 284.090 kg |
Davon LOX | 207.222 kg |
Davon Kerosin | 76.368 kg |
Volumen LOX (Dichte 1,14) | 182,2 m³ |
Volumen Kerosin (Dichte 0,835) | 91,5 m³ |
Gesamtvolumen: | 273,7 m³ |
Mittlere Dichte: | 1,038 |
Für Methan sieht es so aus: Bei dem Verhältnis von 3,2 zu 1 benötigt man für 1 t LOX 0,877 m³ Volumen und 313 kg Methan 0,745 m³ Volumen. Zusammen sind das 1,313 t Masse bei 1,623 m³ Volumen. Die mittlere Dichte beträgt nur 0,809. Im gleichen Volumen kann man so, leicht durch Dreisatz errechenbar 221,4 t Treibstoff mitführen, oder 28,3 % weniger.
Die Methan Atlas
Ich habe nun die kleinste Atlas Version, die Atlas V 401 damit neu berechnet. Bei ihr ist ohne Feststoffbooster der Einfluss der ersten Stufe am größten. Bei gleichen Aufstiegsverlusten komme ich auf folgende Werte:
Parameter | Atlas 401 | Methan Atlas 401 | Methan Atlas 401, 1600 m/s Verluste |
Nutzlast Fluchtbahn | 3.300 kg | 2.703 kg | 3.557 kg |
Nutzlast GTO | 4.750 kg | 3.962 kg | 4.831 kg |
Nutzlast LEO | 9.797 kg | 8.380 kg | 12.040 kg |
Die Methan-Atlas liegt wegen der niedrigeren Treibstoffzuladung schlechter. Allerdings wäre sie in der Realität nicht so viel schlechter. So hat die Atlas 401 sehr hohe Aufstiegsverluste bei der hohen LEO-Nutzlast (2600 m/s gegenüber 2090 m/s bei GEO). Aufgrund der kleineren Treibstoffzuladung sollten diese viel kleiner sein, so wie bei der alten Atlas. Die Atlas III hatte bei gleichem Triebwerk nur eine Stufe mit 197 t Startmasse, aber auch Verluste von nur 1350 m/s. Nimmt man 1.600 m/s Verlust an, ein typischer Wert für eine zweistufige Trägerrakete, dann kommt man beim LEO wo der Einfluss am größten ist auf deutlich höhere Werte, beim GTO und Fluchtgeschwindigkeit auf nur wenig höhere Werte. Der LEO-Wert ist aber hypothetisch, die Centaur kann so schwere Nutzlasten nicht transportieren, dazu braucht man die DEC-Centaur mit Verstärkungen, was die Nutzlast dann wieder etwas reduziert.
In der Summe ist der Gewinn gering. Natürlich bringt der Übergang zu Methan etwas, aber dazu muss man dann die ganze Stufe neu konstruieren, inklusive neuer Tanks. Bei der Atlas kommt noch dazu dass die Rakete einen sehr hohen Strukturfaktor von 15 hat. Die alte Atlas in der D/G Version kam auf einen von 19. Die ganz frühen Exemplare, allerdings auch nicht ausgelegt auf schwere Oberstufen, auf noch bessere Werte. Der hohe Strukturfaktor wirkt sich ebenfalls negativ aus, weil die Tanks nicht leichter werden wenn Methan reingefüllt wird. Ihre Festigkeit ist auf den maximalen Innendruck ausgelegt und der bleibt gleich (sonst wären es auch unterschiedlich dicke Tanks bei Kerosin und LOX, denn LOX ist ja heute schon dichter als Kerosin, es sind aber identische Tanks für beide Treibstoffe). Bei Strukturfaktoren wie 25 bis 30 wie sie SpaceX reklamiert fällt dann der Nachteil, das die Faktoren durch die niedrigere Dichte um 28,3 % sinken nicht so ins Gewicht.
Folgende Gründe sprechen für LCH4 anstelle von RP-1 oder LH2:
* sauberere Verbrennung im Vergleich zu RP-1 (wichtig für schnelle Wiederverwendbarkeit wie sie Blue Origin mit BE4 und SpaceX mit Raptor nvisieren)
* deutlich niedrigere Kosten als LH2 (ebenfalls wichtig, wenn bei kostengünstiger Wiederverwendung die Treibstoffpreise relativ zur Hardware an Bedeutung gewinnen)
* einfacher zu synthetisieren (wichtig, wenn man die Marspläne von SpaceX ernst nimmt)
* leichter zu beherrschen als LH2 (die kleinen Moleküle von Wasserstoff wandern langfristig durch fast jedes Material)