Spektrometer
Ich bin derzeit in meinem Ferienhaus in Nesselwang, wie immer zweimal im Jahr Großreinemachen und nach dem Rechten schauen. Bisher hattet ihr Blogs aus der Konserve, also vorgeschrieben und dann in die Zukunft datiert. Der heutige Blog ist mehr oder weniger „live“, na ja er entsteht am Sonntag und wird am Montag fertig.
Auf das Thema kam ich, weil ich einen Tag vor der Abreise das Manuskript zum zweiten Band der Raumsonden zurückbekam. Ich habe es auf den USB-Stick kopiert und lese es gerade auf dem Raspbery Pi durch und bearbeite immer wieder zwischendurch eine Raumsonde. Wahrscheinlich kann ich es Ende Aril abschließen und es erscheint dann Anfang Mai, diesmal hoffentlich ohne verrutschte Seite. In beiden Büchern ist relativ deutlich die Entwicklung von Instrumenten zu erkennen. Den größten Fortschritt gab es meiner Ansicht nach bei den Spektrometern. Ich werde euch in dem Blog nicht erklären können wofür man alles Spektrometer nutzen kann, das würde den Rahmen eines Blogs sprengen, aber ich will mal die Fortschritte bei den Spektrometern im Visuellen und Infrarotbereich erläutern.
Seit Beginn der Spektoskopie hat sich am Grundprinzip nicht viel geändert: Hinter einer Optik die vergrößert, steht zuerst eine Einschränkung des Gesichtsfelds, meist nur ein Spalt. Warum? Nun ein Spektrum fächert das Licht auf, das Spektrum ist eindimensional, das Licht für ein Spektrum stammt aber von einem Punkt, also sozusagen nulldimensional. Würde man das Gesichtsfeld nicht einschränken so erhält man die Spektren vieler Punkte übereinander, sie würden sich überlagern und die Aussagekraft wäre gleich Null. Bei einem Spalt bekommt man ein zweidimensionales Spektrum. In einer Richtung (quer zum Spalt) das Spektrum und in der Spaltrichtung dann das Spektrum von verschiedenen Punkten entlang des Spalts, wobei bei den klassischen Spektrometer man nicht die ganze Länge ausnutzt, sondern nur die Höhe die der Detektor hat,
Dann braucht man eine Vorrichtung die Licht in einzelne Wellenlängen zerlegt. Das kann ein optisches Element wie ein Prisma sein, aber schon bei den ersten Spektrometern war es ein optisches Gitter: Fällt licht auf eine Oberfläche mit Furchen unter einem flachen Winkel so werden die einzelnen Wellenlängen unterschiedlich gebrochen und das Licht in sein Spektrum aufgespalten. Das Prinzip kennt man von einer CD, die auch viele Vertiefungen hat, Hält man sie flach gegen das Licht, so sieht man ein Spektrum.
An dem Ort wo das Spektrum ist, im einfachsten Fall wird es einfach projiziert, braucht man nun einen Detektor, der einfach die Lichtintensität misst. Bewegt man den Detektor über das Spektrum, z.b. mit einem Schrittmotor oder alternativ, man schwenkt durch einen Spiegel das Spektrum über den Detektor, so kann man es abtasten und man erhält eine Kurve, die wenn man sie plottet, in der Y-Achse die Lichtintensität wiedergibt und in der X-Achse die Wellenlänge. Ich gebs zu: wer nicht in der Materie drin ist, fängt mir der Kurve nicht viel an, doch die Einbrüche beruhen auf Absorption von Sonnenlicht und je nach Form und Position kann man so Rückschlüsse über die chemische Natur, dessen worauf die Optik gerichtet ist machen. Relativ einfach ist das bei Atmosphären, wo es nur eine Handvoll Gase gibt die aborbieren können, deutlich komplexer bei Oberflächen weil es viel mehr Minerale und andere anorganische und organische Verbindungen als Gase gibt.
So einfache Spektrometer wurden schon in den Sechziger Jahren eingesetzt. Mit ihnen konnte man die Hauptbestandteile der Atmosphären der Planeten erfassen.
Wenn man die Bestandteile kennt, dann muss man nicht immer ein komplettes Spektrum aufnahmen. Bei Mariner 9 und Viking setzte man Spektrometer ein, die nur beim Absorptionsmaximum von Kohlendioxid und Wasser maßen. Mit dem letzteren konnte man den Waserdampfgehalt in der Atmosphäre abschätzen, der zeitlich und räumlich stark variiert. Doch wozu den Kohlendioxidgehalt bestimmen? Das Gas macht über 90 % der Atmosphäre aus und hier gibt es keine räumlichen und zeitlichen Variationen. Nun eben, weil aus dem Gas die gesamte Atmosphäre besteht, kann man über die Stärke der Absorption den Oberflächendruck bestimmen, sprich die Schichtdicke, die absorbiert. Mit einer ähnlichen Technik versuchte Russland Leben nachweisen, indem sie bei der C-H Bande aßen, die jedes organische Molekül hat. Allerdings auch Methan, das nun beim Mars gefunden wurde und bei dem man sich sicher ist, das es nichtbiologische Ursachen gibt. Das Messen bei einer Wellenlänge ist aber gefährlich. So vertreten amerikanische Wissenschaftler die Ansicht, das der Methansensor an Bord der indischen Raumsonde MOM nicht funktioniert. Er misst bei 1,65 µm, einer Absorptionsbande des Methans, aber nur dort. Wer einmal ein Spektrum auswertet weiß, das die Form nicht immer gleich ist, zudem können sich Spektren überlagern. Dann weiß man nicht, wenn man nur bei einer Wellenlänge misst, ob man Methan misst oder etwas anderes. Dazu müsste man dicht neben dem 1,65 µµ Messpunkt, wo Methan kaum absorbiert eine zweite Messung als Referenz haben, das leistet der Sensor von MOM aber nicht.
Klassische Spektrometer, wie sie bis Ende der Achtziger Jahre eingesetzt wurden, bestimmen zwar die Zusammensetzung, aber die räumliche Auflösung war relativ grob. Bei Voyagers Infrarotspektrometer IRIS, eines der ausgeklügelsten klassischen Spektrometer betrug die Größe eines Messpunktes 0,25 Grad, das ist ein halber Vollmonddurchmesser. Die Telekamera der gleichen Sonde bildete ein Feld von 0,42 Grad ab, löste dieses aber in 800 x 800 Punkte auf. Kurz: Man erhielt die Zusammensetzung der Atmosphäre, es war aber nur sehr schwer eine „Karte“ eines Himmelskörpers anzufertigen.
In den Neunzigern kamen abbildende Spektrometer auf. Ein Zwischenschritt war das NIMS von Galileo: Es hatte 20 anstatt einen Detektor, die über einen Schrittmotor über das Spektrum gefahren werden konnten und so Spektren von 20 Pixeln gleichzeitig aufnahmen. Die heutigen abbildenden Spektrometer arbeiten nach einem anderen Prinzip. Sie wurden möglich, weil es gelang CCD-Sensoren zu entwickeln, die im infraroten empfindlich sind, vor allem Quecksilbercadmiumtellurid-CCD (HgCdTe). Man machte eigentlich nur eines: Anstatt einem Detektor oder einer Reihe von Detektorelementen längs des Spektrums, setzte man einen solchen CCD dorthin, wo das Spektrum aufgenommen wurde. Das Spektrum stammt von einem Spalt, der in Y-Richtung verlaufen soll. Das Spektrum eines Punkts im Spalt wird in X-Richtung aufgespalten und landet so beim CCD auf einer Zeile. Jede Zeile sieht das Licht eines anderen Punktes des Spalts und man erhält so ein Spektrum des Spalts. Bei den ersten HgCdTe die oft 256 x 256 Pixel hatten also 256 Pixel in der Spalte und 256 Pixel pro Spektrum, was die spektrale Auflösung festlegt. Diese Linie kann nun einen Querschnitt z.b. vom Nordpol zum Südpol von Jupiter abbilden. Bewegt man nun das Spektrometer oder (im Falle eines Orbiters) bewegt sich der Himmelskörper relativ zur Raumsonde, so kann man aus vielen diese Spalten ein zweidimensionales Bild erzeugen.
Der große Nachteil solcher abbildenden Spektrometer sind die enormen Datenmengen. Cassini hatte z. B. einen solchen 256 x 256 HgCdTe-Sensor. Ein „Bild“ von 256 x 256 Pixel Größe hat aber, weil jedes Pixel 256 Einzelmessungen für das Spektrum beinhaltet 256 x 256 x 256 Pixel = 16 Mpixel. Daher hat man bei Cassini die Pixel immer zusammengefasst und so auf 64 x 64 x 64 = 0,25 MPixel reduziert. Aufgrund dieses Nachteils kann ein abbildendes Spektrometer auch kein klassisches, das eine höhere spektrale Auflösung erreicht, ersetzen. Cassini hatte daher beide Typen an Bord. Das Klassische Spektrometer suchte nach Molekülen und Spurenbestandteilen, das Abbildende wurde genutzt, um Karten zu erstellen, in den denen man die Hauptmoleküle hervorhob.
Eine zweite Methode zur Datenreduktion ist, dass man gar nicht mehr das ganze Spektrum überträgt, sondern nur die Spalten rund um interessante Moleküle wie Wasserdampf, Ammoniak und Methan. Beschränkt man sich auf wenige Moleküle und ordnet man diesen Farbkanäle zu so kann man dann Falschfarbenbilder erstellen in denen das Vorkommen bestimmter Moleküle farblich hervorgehoben ist. In diesem Modus kann man dann ein abbildendes Spektrometer als eine Kamera mit sehr vielen engbandigen Filtern ansehen.
Spektrometer mit sehr hoher spektraler Auflösung haben noch ein zweites Problem: Dann braucht man einen Detektor mit sehr kleinen Pixeln. Da auf jedes Pixel aber nur ein Bruchteil des Lichts des Urspungspunktes fällt und dieser Anteil immer kleiner wird, je höher auflösend das Instrument sein soll, desto länger muss die Belichtungszeit sein, und in dieser sollte sich die Szene nicht bewegen.
Es gibt mehrere Lösungsansätze für das Problem. Eines sind Michelson-Spektrometer. Bei ihnen gibt es kein optisches Gitter, sondern das Licht wird durch einen Strahlenteiler aufgeteilt und nach zwei unterschiedlichen Wegen wieder vereinigt. Dabei löscht sich das Licht je nach Weglänge aus wenn Amplitude auf ein Tal trifft oder verstärkt sich. Da die Amplitude bei jeder Wellenlänge woanders liegt, kann man durch Variation der Lauflänge über Bewegen eines Spiegels für jede Wellenlänge die Intensität messen. Ein Michelson-Spektrometer erstellt kein klassisches Spektrum, aber aus den Messdaten kann eines rekonstruiert werden. Michelson-Spektrometer sind sehr fein auflösend. Das PFS bei Mars 96, Mars und Venus Express konnte bis zu 16.384 Messpunkte pro Spektrum erstellen.
Eine zweite Variante ist das Echelle-Spektrometer, das durch zwei optische Elemente das Spektrum in zwei Dimensionen aufspaltet, indem in der zweiten Dimension die Spektren höherer Ordnung leicht versetzt abgebildet werden. Nimmt man dieses Spektrum mit einem 2D-Sensor auf, so fängt es oben links mit rot an und endet unten rechts mit blau. Auch Echelle Spektrometer kommen auf 10.000 bis 40.000 Messpunkte pro Spektrum. Venus Express, Rosetta und der TGO setzen Echelle Spektrometer ein.
Gerade beim Mars ist man heute nicht nur an einem kompletten Spektrum interessiert. Es gab unzählige Raumsonden, alle haben Spektren gewonnen. Was neues zu entdecken ist daher recht unwahrscheinlich. Inzwischen ist man bei den Untersuchungen mehr daran interessiert, wie sich die Atmosphäre verändert hat. Dazu ist das Isotopenverhältnis wichtig. Nun gibt es kleine Unterschiede, wo das Absorptionsmaximum liegt, wenn im häufigsten Molekül Kohlendioxid anstatt den häufigsten Isotopen C12 und O16 die schwereren C13/14 oder O17/18 verbaut sind. Und es gibt in der Tat Spektrometer die diese minimalen Unterschiede messen können. Dazu werden akustischoptische Modulatoren eingesetzt, welche die Frequenz eines Laserstrahls modulieren und damit ein spezifisches Interferenzmuster einer bestimmten Frequenz erzeugen. Misst man nun, wie stark dieses Frequenzmuster durch eine Messung verändert wird, so kann man die Isotope mit leicht unterschiedlichem Absorptionsmaximum unterscheiden. Derartige Instrumente kommen sowohl bei Landesonden wie auch Marsorbitern zum Einsatz z.B. Phoenix, Curiosity, Exomars Trace Gas Orbiter.
In der Summe haben sich Spektrometer enorm verändert und wurden in der Leistung viel stärker gesteigert als Kameras. IRIS von Mariner 6/7 hatte eine spektrale Auflösung, die rund 800 Messpunkten pro Spektrum entspricht, bei einem Gesichtsfeld von 4,5 Grad. NOMAD als neuestes nicht abbildendes Spektrometer hat zwar auch nur 2,6 Grad Gesichtsfeld, aber eine spektrale Auflösung von 1/10000. Abbildende Spektrometer haben höhere räumliche Auflösungen, das M3 von Chandrayaan z.b. eine von 0,04 Grad bei 280 Meßpunkte pro Spektrum.