Die Sternstunde der NASA
Heute, am 1.10.2018 wird die US-Weltraumagentur NASA 60. Die NASA wurde zwar schon einige Wochen vorher per Gesetzesbeschluss gegründet, doch am 1.10.1958 nahm sie offiziell ihre Arbeit auf. Ich will dieses Jubiläum nutzen um eine kleine Reihe von Aufsätzen zu bringen mit den Titeln „Die Sternstunde der NASA“, „der schwärzeste Tag der NASA“ und „die größte Panne der NASA“, die an jeweils unterschiedliche Dinge erinnern.
Heute geht es um die beste Leistung der NASA in diesen letzten 60 Jahren. Die Bezeichnung „Stunde“ sollte man nicht wörtlich nehmen, es geht vielmehr um ein Ereignis, aber „Sternstunde“ hört sich eben gut an. Also was war die beste Leistung der NASA?
Man kann das natürlich verschieden interpretieren. Für mich persönlich wäre das Voyagerprogramm ein heißer Favorit. Kein anderes Programm hat uns so viele Erkenntnisse gebracht und Erstleistungen aufgestellt, und das bei moderaten Kosten. Dabei war der Sprung von der Betriebsdauer, die bisher erreicht wurde, zu der Anforderung für Voyager enorm – und beide Sonden arbeiten jetzt noch, 41 Jahre nach dem Start noch immer. Allerdings weiß ich, dass sich die meisten vor allem für bemannte Raumfahrt interessieren und die verbraucht auch das die meisten Gelder.
Also was ist da die Sternstunde? Ich denke 90 % werden auf die Mondlandung bei Apollo 11 tippen. Ich sehe das anders. Apollo 11 war der Endpunkt einer Entwicklung die aus vier bemannten Vorbereitungsmissionen und noch mehr unbemannten Missionen bestand. Die Landung war nicht ohne Risiko, aber die Astronauten hatten die Schritte zigmal im Simulator geübt und man hatte alle vorherigen Schritte bis zur Landung bei den vorherigen Missionen absolviert. Die Crews von Apollo 15 waren 8.500 Stunden im Simulator, bei Apollo 11 werden es nicht weniger Stunden gewesen sein. Das sind pro Crewmitglied fast 1.500 Stunden oder rund 190 Arbeitstage. Sie ist nur der Höhepunkt eines Programms das acht Jahre vorher begann.
Als die Sternstunde der NASA sehe ich die Rettung von Apollo 13 an. Denn die war nicht geplant. In den Simulationen war ein Unfall dieser Art nicht vorgesehen. Als die ersten Telemetriewerte nach der Explosion des Sauerstofftanks eintrudelten, glaubten die Flugkontrolleure an ein Versagen der Meßsensoren. Nach ihrer Logik konnte so viel gar nicht auf einmal kaputtgehen – der Sauerstofftank, die Brennstoffzellen, die Orientierung der Kapsel. So viele unabhängige Systeme können nicht einfach simultan ausfallen. Es dauerte lange bis man den Werten glaubte. Doch danach arbeitete das Team an einer Lösung. Das erste war es so viel wie möglich von den Ressourcen des CM zu retten. Denn von denen lebte die Besatzung, nachdem die Brennstoffzellen zu wenig Strom lieferten. Man fuhr das LM hoch, was in Rekordzeit erfolgen musste.
Gleichzeitig schaute man in Computersimulationen, welche Optionen man hatte die Mission zu verkürzen. Es gab, das stellte sich innerhalb einer Stunde nach dem Unfall raus, zwei Optionen. Man konnte jetzt das Triebwerk des Servicemoduls zünden und die Bahn praktisch umkehren. Dann wäre die Besatzung in 3 Tagen wieder auf der Erde. Dafür hätte man aber fast den ganzem Treibstoff des Servicemoduls verbrauchen müssen und das LM abwerfen müssen. Die zweite Option war eine Zündung des LM nach Passage des Mondes, was die Rückreise nur leicht verkürzt. Das war weniger riskant, da man nicht wusste ob das Triebwerk des Servicemoduls oder die Tankleitungen was abbekommen hatten und zudem man nicht wusste ob die Ressourcen im Servicemodule bis zur Landung reichen würden. Dafür musste man das LM in Betrieb lassen bis der Mond passiert war, damit es die genauen Daten für die Ausrichtung gab. Sehr schnell war man sich einig die zweite Option durchzuführen. Das Hauptargument war, das das LM so als Rettungsboot fungieren konnte. Man wusste zwar zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht was im Servicemodul kaputt war, doch eines war sicher, das LM war nicht betroffen. Zwei Stunden nach dem Unglück stand der Rettungsplan. Von den Ressourcen des LM lebte man jetzt. Das bedeutete auch, dass man sobald die Zündung nach Passage des Monds erfolgt war alles abschalten musste um Strom zu sparen. Denn die Batterien des LM waren nur für eine kurze Betriebszeit ausgelegt. Mehr noch. Sie mussten nun auch noch die Batterien des CM aufladen, von denen man in den vergangenen Stunden schon Leistung bezogen hatte.
Man erarbeitete in Rekordzeit eine Lösung um die Lithiumhydroxidkanister des Kommandomoduls, die nicht in die Fassungen des Mondmoduls passten, zu integrieren. Schließlich sollten diese nur die Luft von zwei Personen über einen Tag filtern und nicht die von drei Personen über vier Tage. Unkritisch, das zeigten schon erste Berechnungen, waren Wasser und Sauerstoff. Die Astronauten hatten nach der Abschaltung des LM drei ungemütliche Tage. Zum einen wurde es sehr kalt im Raumschiff – die Konzeption von Apollo war es die meiste Strahlung gar nicht erst aufzunehmen und die Abwärme der elektrischen Systeme und Brennstoffzellen zur Heizung zu nutzen. Ohne diese Abwärme sanken die Temperaturen auf 6 Grad. Die Bodenkontrolle tat ein übriges, um die Situation unangenehmer zu machen – um den Kurs bestimmen zu können, baten sie, den Urin nicht mehr abzupumpen. Er störte die Bestimmung. Gemeint war das dies kurzzeitig erfolgen sollte, doch die Besatzung verstand das als permanente Anweisung.
Die Rettung war möglich weil Apollo mit enorm viel Manpower betrieben wurde. Als die erste Mondlandung stattfand, hatte das Programm schon den Zenit überschritten – was die Finanzierung und die beteiligte Personenzahl anbetrifft. Die trat wie bei jedem Programm zum Abschluss der Entwicklung auf. Für die Produktion braucht man deutlich weniger Personen. Noch weniger zum Betrieb, denn als Apollo 13 startete war die Produktion schon am Auslaufen. Die NASA verfolgte jedoch schon damals eine Strategie die auch bis heute für die hohen Kosten bemannter Raumfahrt verantwortlich ist. Sie zahlte dafür, dass die US-Firmen einen qualifizierten Mitarbeiterstamm weiter beschäftigten. Sie waren während der Missionen auf Abruf bereit und so konnte die Missionskontrolle sehr schnell die wesentlichen Daten bekommen wie es mit den Ressourcen stand und daraufhin Strategien ausarbeiten.
Noch einmal gab es eine ähnliche Situation. Wenige Jahre später startete das Raumlabor Skylab. Dabei entfaltete sich durch aerodynamische Kräfte der Mikrometeoritenschutzschild vorzeitig und riss dabei ein Solarpanel mit ab. Die Station hatte so nur 60 % ihrer Stromversorgung – und das war gravierender – der Mikrometeoritenschutzschild diente auch als Sonnenschutz. So stiegen die Temperaturen in der Station rasch an. Mehrmals tauschte man die komplette Atmosphäre aus, weil man befürchtete, aus Kunststoffen könnten gefährliche Gase ausgasen. Problematischer war aber das um die Aufheizung zu begrenzen man die Station so drehte, dass sie möglichst eine kleine Angriffsfläche bot. Man hatte sie aber os konstruiert, das sie sich automatisch so orientiert, das die Längsachse in Bahnrichtung zeigt – das reduziert die Abbremsung, richtet die Solarpaneele zur Sonne aus und erleichtert das ankoppeln. Vor allem aber spart es Treibstoff. Skylab hatte nur ein Kaltgassystem an Bord. Nach zwanzig Tagen, so ergaben Rechnungen, wäre der Lageregelungstreibstoff erschöpft. Innerhalb von 5 Tagen fand man zwei Lösungen um den Mikrometeoritenschutzschild zu ersetzen. Eine provisorische in Form eines Schirms der durch eine Luftschleuse für Experimente geschoben wurde und dann einen Teil der Oberfläche bedeckte. Er wurde mit der ersten bemannten Mission zur Station gebracht und einen zweiten, der die ganze Oberfläche bedeckte. Er wurde wie ein Segel aufgespannt. Er musste erst genäht werden und die Astronauten mussten den EVA-Einsatz – ohne Fixierungsgriffe – unter Wasser an einem Modell einüben. Das tat die Ersatzcrew, da die Primärcrew schon genug mit den Flugvorbereitungen zu tun hatte. Sie gab dann der Primärcrew die anweisungen was sie zu tun hatte. Er wurde bei der zweiten bemannten Mission installiert. Skylab 2, die erste bemannte Mission startete so fünf Tage später als geplant, bis dahin hatte man schon die Hälfte des Treibstoffs verbraucht. Am ersten Tag nach dem Ankoppeln wurde der Schirm entspannt und die Temperaturen sanken auf immer noch hohe, aber erträgliche 28 Grad Celsius, Vorher lagen sie bei über 40 Grad. Skylab 3 montierte dann den Spinnaker und die Temperaturen sanken auf das Normalniveau. Die Experimente an Bord von Skylab waren ein voller Erfolg. Die dritte Besatzung blieb sogar länger an Bord als geplant und bis heute kann Skylab mehr Stunden für wissenschaftliche Arbeit pro Woche und Astronaut aufweisen als die ISS, wo die Astronauten vor allem mit sich und dem In-Schuss-Halten der Station beschäftigt sind.
Ich glaube beide Ereignisse wären heute nicht mehr so möglich. Schon im Apolloprogramm begann die Bürokratisierung der NASA. Das schließt aber schnelle Reaktionen fast immer aus. Als man die Probleme von Skylab kannte trommelte man alle zusammen die mit dem Programm beauftragt waren. Ein NASA-Mitarbeiter hatte nach der Suche nach Schneidwerkzeugen mit denen man den zweiten Flügel der eingeklemmt war ausfahren konnte eine kleine Firma aufgetrieben, die Schneidscheren für Stromkabel an Stangen fernbedient per Seilzug herstellte. Doch die war nicht in Houston ansässig. Also fragte man bei der Firma nach welche die Station baute und die sowieso Leute zur Besprechung schickte ob sie nicht einen Abstecher machen würden und an einem Regionalflugplatz Ingenieure dieser Firma mitnehmen würde – das war damals (1973) noch ohne Formulare und Anträge möglich.
Das waren meine Vorschläge für Sternstunden der NASA. Was habt ihr für welche? Übermorgen geht es in der kleinen Serie zum 60-sten Geburtstag um die schwärzesten Stunden der NASA. Ihr dürft mal raten welche ich für den heißesten Kandidaten halte. Passend zum Jubiläum ist inzwischen „Das Mercuryprogramm“ ist inzwischen beim zweiten Korrekturleser angekommen. Es sieht also so aus als würde das Buch über das erste NASA-Programm rechtzeitig zum 60-sten Jubiläum des Mercuryprogramms am 26.11.2018 erscheinen können.