Mit der Vega zum Mars
Inspiriert durch den letzten Blog will ich heute mal eine Raumsondenmission mit der Vega und Ionentriebwerk skizzieren. Ich habe eine Marsorbitermission gewählt, dasselbe gilt aber auch für einen Venusorbiter, da sind die Anforderungen bezüglich Geschwindigkeitsänderung sogar noch kleiner. Die Betrachtungen gelten natürlich auch für Landesonden, auch hier sind die Anforderungen geringer, weil nicht in eine Umlaufbahn eingeschwenkt werden muss.
Die technischen Randbedingungen, die ich wählte, sind einfach: es muss mit existierender Hardware möglich sein. Das begrenzt vor allem die Stromversorgung auf maximal 40 kW (größte Flügel haben rund 10 kW Leistung, maximal vier sind nutzbar) und im Einsatz befindliche Ionentriebwerke.
Zuerst einmal eine Beschreibung der Trägerrakete Vega. Die Vega ist eine europäische Trägerrakete, die von der europäischen Weltraumorganisation (ESA) entwickelt wurde. Sie wurde erstmals im Jahr 2012 gestartet und ist seitdem ein wichtiger Teil des europäischen Weltraumprogramms.
Vega hat eine Höhe von etwa 30 Metern und wiegt bei ihrem Start gut 140 Tonnen. Vega besteht aus vier Stufen: Die ersten drei Stufen arbeiten mit festem Treibstoff, während die vierte Stufe flüssigen Treibstoff verwendet. Die ersten beiden Stufen beschleunigen die Rakete auf eine Geschwindigkeit von etwa 2 km/s, während die dritte Stufe die Rakete auf eine Höhe von etwa 200 Kilometern bringt. Die vierte und letzte Stufe schließlich sorgt dafür, dass die Nutzlast auf ihre endgültige Umlaufbahn gebracht wird. Sie führt Orbitanhebungen durch, kann mehrere Nutzlasten auf verschiedene Umlaufbahnen absetzen und deorbitiert sich anschließend selbst. Diese Fähigkeiten sind einmal bei den kleinen bis mittelgroßen Trägerraketen.
Vega ist in der Lage, kleine bis mittelgroße Nutzlasten zu transportieren, insbesondere Satelliten für wissenschaftliche, militärische oder kommerzielle Zwecke. Sie zeichnet sich durch ihre Flexibilität und ihre Fähigkeit aus, verschiedene Umlaufbahnen zu erreichen, was sie zu einem wichtigen Werkzeug für europäische Weltraummissionen macht. Die Nutzlast frü den referenzorbit,m einen 700 km hohen sonnensynchronen Orbit beträgt 1.500 kg, in einen LEO kann sie auf bis zu 2.300 kg ansteigen. Die Vega C welche 2021 ihren Jungfernflug hat wird diese Nutzlast um 50 % auf 2.300 kg in den Referenzorbit und 3.600 kg in einen LEO anheben,
Insgesamt hat Vega bereits mehrere erfolgreiche Missionen absolviert und hat sich als zuverlässige und wirtschaftliche Trägerrakete erwiesen, die die europäische Weltraumfähigkeit unterstützt. Ihr spektrum wird laufend erweitert, z.B. über einen Smart Dispenser, der mehrere Mikro- Minisatelliten und Cubesats aufnimmt.
Dann noch eine kleine Einführung zu Ionentriebwerken: Echte Ionenantriebe (genauer gesagt elektrostatische Ionenantriebe) arbeiten auf der Bildung von Ionen ohne vorherige Erzeugung eines Plasmas. Dafür ist auch der Treibstoff ein anderer: es werden Elemente benutzt, die leicht ionisierbar, leicht verdampfbar, und schwer sind (hohes Molekulargewicht). Ein idealer Treibstoff ist dabei ist jetzt noch nicht gefunden. Verwendet werden Alkalielemente wie Cäsium und Rubidium (leicht ionisierbar, aber niedrige Dichte und müssen erst verdampft werden), Quecksilber (leicht verdampfbar, hohe Dichte, schwer ionisierbar) und Xenon (schwer ionisierbar, gasförmig – geringe Dichte). Alle Elemente haben hohes Molekulargewicht, die Dichte und damit die Tanks die benötigt werden ist jedoch sehr unterschiedlich. Derzeit wird Xenon am meisten verwendet, weil es schon gasförmig und leicht in Drucktanks gelagert werden kann.
Quecksilber ist noch günstiger handhabbar, jedoch giftig und daher ein Problem wenn es zu einem Fehlstart kommen sollte. Es wird heute daher seltener eingesetzt. Heute wird meist das sehr teure Edelgas Xenon eingesetzt. Es hat eine hohe Molekularmasse, reagiert viel weniger mit dem Gitter am Ionenntriebwerksausgang an dem das elektrische Feld anliegt. Neben den hohen Kosten ist ein weiterer Nachteil das es als Gas nur in schweren Druckgastanks gelagert werden kann. Die Firma SpaceX hat das nächste leichtere Edelgas Krypton im Einsatz. Der Vorteil von Krypton ist das es erheblich billiger. Hinsichtlich Masse/Tankmasseverhältnis und Ausströmgeschwindigkeit schneidet es schlechter ab, doch da Krypton nur in den Starlink Satelliten zum Einsatz die einen relativ geringen Geschwindigkeitsbedarf haben ist der Kostenvorteil das schlagkräftigere Argument.
Das Prinzip beruht darauf, dass der verdampfte Treibstoff zuerst ionisiert wird. Dafür haben sich verschiedene Methoden eingebürgert. Dies kann durch Elektronenbeschuss, Hochfrequenzstrahlung oder eine andere Ionisationsmethode geschehen. Danach werden die Ionen beschleunigt zumeist durch Anlegen eines elektrischen Feldes. Dem Abgasstrahl aus Ionen werden die entzogenen Elektronen danach wieder zugeführt. Der Wirkungsgrad dieser Triebwerke ist relativ hoch er liegt bei 70-80 Prozent des zugeführten elektrischen Stromes. Zahlreiche Triebwerke dieses Typs wurden am Boden und auch auf Satelliten erprobt. So auf der Plattform Eureka, dem Nachrichtensatelliten Artemis und geplant für die Smart 1 Mission. Die Ausströmgeschwindigkeiten können bis zu 200 km/s erreichen, die bisherigen Triebwerke arbeiten mit spezifischen Impulsen von 30.000-40.000 m/s.
Bei den elektrostatischen Triebwerken gibt es noch weitere Untergruppen die sich in der Art wie ionisiert oder das Plasma beschleunigt wird unterscheiden. Mit dieser Gruppe von Antrieben liegt die größte Erfahrung vor und zahlreiche Typen sind mittlerweile als Lageregelungstriebwerke oder zum Antrieb eingesetzt worden. Die Erfahrungen im Einsatz gibt es seit Mitte der sechziger Jahre und sie sind dem Experimentalstadium längst entwachsen. Sowohl Kaufmann Triebwerke, wie Hall Effect Triebwerke wie auf Radiofrequenz induzierte Triebwerke sind solche elektrostatischen Triebwerke, sie unterscheiden sich primär in der Ionisationsmethode.
Ionentriebwerkswahl
Für das richtige Ionentriebwerk ist neben der verfügbaren Leistung auch relevant, wie hoch der optimale spezifische Impuls ist. Für einen Transfer zum Mars habe ich folgende dV (als Obergrenzen) angenommen:
LEO → Fluchtbahn: 7,5 km/s
Erdbahn → Marstransferbahn: 4 km/s
Marstransferbahn → Marsbahn: 3 km/s
Das macht mit einer kleinen Reserve 15 km/s. Die Angleichung der Marstransferbahn an die Marsbahn ist nötig, weil ein Ionenantrieb wegen des kleinen Schubs nie das dV abbauen kann das man benötigt um aus der Transferbahn in eine erste exzentrische Umlaufbahn einzutreten. In der Marsumlaufbahn habe ich keine Bahnmanöver vorgesehen. Diese wären nur effizient rund um den Peripunkt der Bahn möglich und würden so sehr lange dauern. Vielmehr sollte man die Geschwindigkeit durch Aerobraking vernichten, was bei den großen Solarpaneelen sogar sehr gut geht. Für einen Lander würde der letzte Schritt wegfallen, dafür benötigt man für diesen noch einen Bus, in dem die ganzen Ionentriebwerke, aber auch Ausrüstung für die Kommunikation steckt.
Zuerst ging ich, weil die dV-Änderung dreimal größer als beim GEO ist, von 720 Tagen Missionsdauer aus, doch da liegt der optimale spezifische Impuls bei rund 70 km/s. Zwei Jahre erschienen mir nicht zu viel bedenkt man das viele Marsmissionen ein Startfenster (780 Tage) verpassten so Viking, Curiosity und der Exomars Lander nun sogar das Zweite. Geht man mit der Reisedauer herunter so verschiebt sich das Optimum zu kleineren spezifischen Impulsen, aber erst bei 400 Tagen rutscht es in den Bereich, der heute von Ionentriebwerken abgedeckt wird.
So war die Wahl einfach, ich habe das europäische Triebwerk mit dem höchsten spezifischen Impuls, das RIT-2X genommen. Bei 40 kW Leistung sind maximal 8 Triebwerke mit Strom versorgbar. Das führt dann zur folgender Massebilanz:
System | Masse |
---|---|
Treibstoff | 1.145 kg |
Tanks | 171 kg |
Solargenerator | 500 kg |
8 x RIT-2X mit Hochspannungswandlern | 150 kg |
Nutzlast | 1.634 kg |
Startmasse: | 3.600 kg |
Der erste Schritt ist es, eine Sonnenumlaufbahn zu erreichen. Das dauert auch am längsten, weil das dV hier am größten ist – anders als bei der Sonnenumlaufbahn ist die Betriebsdauer des Antriebs nicht klein gegen die Umlaufsperiode. Als Folge muss man fast die ganze Kreisbahngeschwindigkeit abbauen. Für die Sonnenumlaufbahn gilt das nicht mehr. Im zweiten Schritt erreicht man eine klassische Transferbahn, gefolgt von einer Freiflugphase bis zum Aphel, wo die Angleichung an die Marsumlaufbahn erfolgt. Die folgenden Berechnungen beziehen sich auf ein Aphel in 228 Mill. km.
Bahn | dV | Reisedauer | Treibstoffverbrauch |
---|---|---|---|
Erdumlaufbahn verlassen | 7.011 m/s | 263 Tage | 572 kg |
Marstransferbahn | 2.678 m/s | 73 Tage / 265 Tage | 174 kg |
Marsbahn | 2.621 m/s | 150 Tage | 152 kg |
Der kritische Punkt ist das Einschwenken in die Marsumlaufbahn. Ich habe hier den Spieß umgedreht und eine Simulation beginnend vom Erreichen der Hillsphäre laufen lassen und die Überschussgeschwindigkeit so lange erniedrigt, bis ich einen brauchbaren ersten Orbit (Apoapsis < 100.000 km) erreicht habe. Wie zu erwarten klappt das nur bei einer relativ niedrigen Relativgeschwindigkeit von kleiner 100 m/s. Der Treibstoffverbrauch für das Abbremsen ist zu vernachlässigen.
In der Summe sieht es dann so aus:
Bahn | dV | Reisedauer | Treibstoffverbrauch | Nutzlast |
---|---|---|---|---|
Marsorbiter | 12.300 m/s | 751 Tage | 898 kg | 1.916 kg |
Marslander | 9.689 m/s | 601 Tage | 746 kg | 2.091 kg |
Das sieht doch ganz gut aus, etwa die Hälfte der Startmasse ist Nutzlast, dafür hat man Reisedauern (mit der Zeit in der Transferbahn) die etwa doppelt bis dreimal so lang sind wie beim chemischen Antrieb, doch bedenkt man, wie lange heute Raumsonden nur mit Swing-By zum Merkur unterwegs sind (Bepi Colombo hat nach eineinhalb Jahren gerade mal den ersten Vorbeiflug geschafft und noch 5 Jahre vor sich), dann ist das doch hinnehmbar.
Für 2 t die chemisch zum Mars transportiert werden benötigt man sonst eine Atlas 401, selbst eine Sojus 2-1B wäre noch zu klein. Das bedeutet, das man etwa 100 Millionen Dollar an Startkosten einspart. So viel mehr werden die Tanks und Triebwerke nicht kosten. Die Solarzellen benötigt man zum Teil sowieso, als Nebeneffekt liefern sie beim Mars, wo die Leistung bis auf 14 kW absinken kann, noch genügend Überschuss an Strom um den Orbiter zu betrieben. Beim Vergleich mit einer konventionellen Marssonde wäre auch zu sagen, das diese noch die Überschussgeschwindigkeit abbauen muss, das benötigt auch noch Treibstoff.
Eine Berechnung für die Venus habe ich mir gespart. Die Vorgehensweise und das dV sind ähnlich. Auch bei der Venus kann man Aerobraking einsetzen, wobei hier bei Erreichen eines stabilen Orbits wieder die Ionentriebwerke zum Einsatz kommen könnten, wenn man einen höheren Orbit haben will, der ist für globale Wetteraufnahmen oder die Radarkartierung günstiger. Da anders als beim Mars die Solargeneratoren mehr Energie liefern, wäre die Zeit die man benötigt um die Bahn anzugleichen geringer. Für den Merkur liefere ich noch eine Berechnung im nächsten Blog.