Feste Treibstoffe

Nachdem es ja da eine Mini Diskussion im Blog „Ich bin ein Wasserstofffan“ gab heute mal was allgemeines zu festen Treibstoffen und aus raketentechnischer Sicht, also ohne konkret auf realisierte Antriebe einzugehen. Im Prinzip gelten für feste Treibstoffe dieselben Regeln wie für flüssige auch. Die Ausströmungsgeschwindigkeit aus der Düse (und damit der spezifische Impuls) hängen neben dem konkreten Aufbau des Motors (Brennkammerdruck, Entspannungsverhältnis) vom Treibstoff ab und zwar:

  • Der Verbrennungsenergie pro Gramm des Triebstoffs
  • und der Molasse

Das erste ist wohl allen klar: Je höher die Verbrennungsenergie ist desto heißer ist es in der Brennkammer, desto höher die Geschwindigkeit des Abgases. In der Tat haben einige feste Elemente oder Verbindungen Verbrennungsenergien die sehr gut sind, bedingt durch ihr unedles Verhalten. Zu nennen wären hier Lithium, Natrium, Magnesium und Aluminium verbrannt mit Sauerstoff. Leider sind viele Verbindungen an Luft instabil, so dass z.B. bei der obigen Liste nur noch Magnesium und Aluminium übrig bleiben.

Das zweite ist die Molasse. Gemäß der allgemeinen Gasgleichung ist die Geschwindigkeit eines Gasmoleküls bei einer bestimmten Temperatur nur von der Temperatur und Molasse ab. Das ist der Grund warum Wasserstoff so hohe spezifische Impulse hat: Er ist das leichteste Element und Wasser als Verbrennungsprodukt von Wasserstoff ist auch leichter als z.B. Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid die bei der Verbrennung von Kerosin mit entstehen oder Stickoxide oder Stickstoff wie bei der Verbrennung von Hydrazine.

Aber es gibt einen Unterschied: Feste Treibstoffe beinhalten meist ein Produkt, dass auch fest ist. In der Mischung HTPB / Aluminium / Ammoniumperchlorat ist es z.B. Aluminiumoxid. Würde man Aluminium mit Sauerstoff verbrennen, so entsteht dieses ausschließlich.

Der Schub eines Raketentriebwerks kommt daher, dass die Düse die Gasbewegung in eine Richtung kanalisiert und sie dadurch nach dem Gesetz Aktion = Reaktion die Rakete in die andere Richtung fortschieben. Je länger sie es können (je größer die Düse ist), desto höher ist er, wobei durch die Entspannung der Gase der Druck und damit der Schubgewinn rasch abnehmen. Wenn nun beim Abgas irgendwann die Schmelztemperatur von Korund erreicht ist fällt es aus – und das ist schon bei 3300°C der Fall. Der Effekt ist wie wenn Sie einen Dampfrdrucktopf unter kaltes Wasser stellen – auch hier kondensiert das Gas zu Flüssigkeit und dadurch verringert sich das Volumen enorm. Der Druck fehlt und es gelten nicht mehr die Gasgesetze. Man hat nun Schmelze die sich bald zusammenklumpt. (Die Ablagerung von Schmelzprodukten an der Düse ist z-.B. ein wichtiger Punkt der bei dem Design von Feststoffantrieben bedacht werden muss

In diesem Moment scheidet das Aluminiumoxid aus dem Gasgleichgewicht aus und der Druck geht zurück. Das ist aber kein Beinbruch, wenn noch gasförmige Produkte entstehen. So entsteht bei der Verbrennung des üblichen festen Treibstoffs ja auch noch Wasser, Salzsäure, Stickstoff und Stickoxide – alles Gase. Diese werden durch das heiße Aluminiumoxid erhitzt und dadurch ist der spezifische Impuls nicht so schlecht wie man zuerst annehmen sollte.

Das ist auch der Effekt bei der von Max angesprochenen Verbrennung von Aluminium und Wasserstoff: Hier wird praktisch der Wasserstoff durch das Aluminiumoxid erhitzt und da dieses eher mit dem Sauerstoff reagiert als der Wasserstoff ist auch der spezifische Impuls durch nicht umsetzten Wasserstoff recht hoch. (Kleine Atommasse). Das die Verbrennung von Aluminium mit Sauerstoff überhaupt einen brauchbaren spezifischen Impuls liefert (er liebt bei stöchiometrischer Umsetzung) bei etwa 2200-2400 m/s je nach Entspannungsverhältnis) liegt daran, dass so schnell das ganze Aluminium gar nicht reagieren kann. So findet man auch Sauerstoff im Abgas und das sorgt überhaupt für den spezifischen Impuls.

Die Lösung ist es einfach einen Stoff zuzusetzen, der bei der Verbrennung gasförmig ist. Der Binder von heutigen festen Treibstoffen ist ein Kunststoff. Er verbrennt zu wasser, Kohlendioxid und Kohlenmonoxyd. Dadurch ergibt sich erst der hohe spezifische Impuls. Eine andere Lösung sind die hybride der Metalle, sie sind zum einen meist endotherm, liefern also beim Verbrennen noch mehr Energie als die Metalle selbst und zum anderen ist der Wasserstoff natürlich dann auch wieder ein sehr leichtes Gas.

So an der Stelle maal der Klugscheißer Teil zu ein paar Kommentaren in der letzten Zeit.

Also Ilmenit hat auch auf der Erde eine Fe2+Ti4+ Struktur. So stehst zumindest in meinem Buch über Grundlagen der anorganischen Chemie drin. Es hätte mich auch gewundert, weil Titan (III) Verbindungen recht instabil sind und sich leicht zu Titan IV oxidieren. Das ein Mineral als Halbleiter fungieren soll steht nicht drin, es ist aber auch egal, denn weder auf dem Mond noch auf der Erde findet man es in Reinform und wenn man aufarbeiten muss, kann man dann auch gleich Silizium als Halbleiter nehmen.

Es gibt auch Ionentriebwerke die mit leichten Treibstoffen arbeiten. Nur eben keine elektrostatischen Triebwerke, sondern Plasmatriebwerke. Bei wird der Treibstoff durch einen Lichtbogen oder eine Entladung ionisiert. Der spezifische Impuls ist recht niedrig, aber um so besser je kleiner die Molekülmasse ist (gerade umgekehrt wie bei den elektrostatischen Ionenantrieben).

Min viertes Buch über europäische Träger verkauft sich nun auch langsam recht gut, also ich bin zufrieden. Derweil arbeite ich schon am Band 2 des Raketenlexikons und habe Daten von den russischen und europäischen Raketen schon zusammen gesucht und ärgere mich gerade mit der chinesischen Informationspolitik bei Trägern und ihrer „systematischen“ Vorgehensweise bei der Benennung der Träger herum. Morgen gibt es einen Blog von Michael Jahn. Von Thomas akzeptiere ich erst neue Blogs wenn er fertig mit dem Korrekturlesen ist.

8 thoughts on “Feste Treibstoffe

  1. Hi,

    hier gibts die Mineraldaten fuer Ilmenit: http://webmineral.com/data/Ilmenite.shtml Diese sind natuerlich ideal, in der Natur ist das meist noch etwas anders. Ich habe hier eine Mikrosondenanalyse mit 51 % TiO2, 44 % FeO, 2 % MnO, 0,2 % ZnO, 0.2 % MgO, 0,1 % SiO2 und weitere Spuren. Das ist also alles andere als ein Industrieprodukt. Und von der Gewinnung ganz zu schweigen.

    Ahnlich fuer den erwaehnten Anorthit als Alluminiumquelle fuer Treibstoffe. Das Mineral ist nichts anderes als Calciumfeldspat, ein Endglied der Plagioklasreihe. Hier gibt es einen Artikel ueber Al-reiche Basalte auf dem Mond (Apollo 16): http://webmineral.com/data/Ilmenite.shtml

    Das Gestein besteht zu 63 % aus Feldspat, dieser wiederum ist eine Mischung aus Anorthit, Albit (Na-Feldspat) und Orthoklas (K-Feldspat). Der Rest sind Pyroxene, Amphibole, Olivin und Spurenminerale. Das Zeug in einen Treibstoff umzuwandeln duerfte schon auf der Erde ein Herausforderung sein.

    Martin

  2. > Gemäß der allgemeinen Gasgleichung ist die Geschwindigkeit eines Gasmoleküls bei einer
    > bestimmten Temperatur nur von der Temperatur und Molasse ab.

    Ist hier möglicherweise Molmasse gemeint?

    MfG

  3. also, betreffend Ilmenit:

    Meine Quelle ist das folgende Buch: „The Moon“ von David Schrunk, Burton Sharpe, Bonnie Cooper und Madhu Thagavelu, ISBN 0-471-97635-0.

    Im Appendix D, Examples of in-situ resource utilization, Seite 220, steht Folgendes:
    „A group of engineers from Texas A&M University and Prairie View A&M University, headed by R.K. Pandey and A.A. Kumar, have been studying the potential for using lunar ilmenite for semiconducting devices. Ilmenite comprises up to 20 per cent of the lunar regolith in its richest locations. It has been studied extensively for use as a feedstock for the hydrogen reduction process to manufacture oxygen. However, its use as a semiconductor and for solar cell manufacture is a relatively new idea.“

    Auf Seite 222, steht Folgendes:
    „There is an important difference between lunar ilmenite and terrestrial ilmenite. Lunar ilmenite is formed under reducing conditions, and consequently its iron is in the 2+ valence state. On Earth, the iron in ilmenite is only partially in the 2+ state, because there was more oxygen available during its formation. The iron in the 2+ state is responsible for the good semiconducting qualities of ilmenite, thus lunar ilmenite would be preferred for semiconductors. Engineers at Texas A&M University have been growing monocrystalline ilmenite in the laboratory under reducing conditions to learn more about the benefits of lunar ilmenite as a semiconductor (Sankara, 1995). They use the Czochralski technique, which is commonly used in the semiconductor industry to grow bulk silicon monocrystals. It utilizes the chemical reaction Fe + Fe2O3 + 3 TiO2 => 3 FeTiO3.“

    Auf Seite 223 des Buchs ist noch ein Foto eines gewachsenen Kristalls von ca. 2 cm Grösse abgebildet, welcher aus der Schmelze gezogen wurde (Wachstum: ca. 2 mm pro Stunde).

  4. Ich glaube auch dass es keinen Unterschied gibt. Die Oxidationszahl des Eisens kann sich ja nur bei einer sauerstoffreichen Umgebung verändern. Illmenit gehört soweit mich meine kenntnisse aber nicht täuschen zu den Tiefengesteinen und im Erdmantel herschen da diesselben Bedingungen wie auf dem Mond, was man auch an der natürlichen Bildung von FeO Wüstit sieht.

    Das ist das eine. Das zweite ist die Behauptung dass dies nun für Solartellen benutzt werden könnte. Ich habe noch nie daon gehört, dass man dazu ionogene Verbindungen bnutzten kann, doch seitdem man auch Keramik als Supraleiter einsetzt bin ich vortsichtig mit Prognosen. Aber der Abschnitt oben spricht ja auch von Halbleitern und das ist etwas anders als der photoelekrische effekt. Es ist ein Unterschied ob ein Stoff leitfähig wird wenn man genügend Strom anlegt (und damit Elektronenüberschuss) oder man aus ihm noch so viele Elektronen durch Photonen herausschlagen kann, dass man Strom gewinnen kann. Das letztere geht nämlich auch mit Metallen, aber wohl kaum mit ionogenen Verbindungen bei denen die Elektronen ziemlich shcnell beim nächsten Sauerstoffatom landen würden. Wäre dem so, so hätten die Leute sicher auch den Wirkungsgrad geprüft.

    Weiterhin bleibt noch die Frage ob man natürliches Ilmenit so nehmen kann (wird nie 100 % rein sein und wahrscheinlich kein Reionkristall) oder ob dann der aufwand gemessen am Wirkungsgrad zu hoch ist.

    und natürlich noch die alles überschattende Frage: wofür eine dauerhafte Mondtstation? aber da gehe ich in einem der nächsten Blogs darauf ein.

  5. Danke für eure Inputs; Ich bin auch irritiert.

    Bonnie Cooper, die Autorin, hat aber eine gute Qualifikation: B.S. in Geologie und Ph.D. in Geosciences an der Universität Texas, danach Tätigkeit in der Ölindustrie und danach Anstellung am JSC (NASA) für die Auswertung von Fotos der Clementine Sonde.

    ==> Sie müsste es also eigentlich wirklich wissen.

    Rein informativ will ich euch der Vollständigkeit halber noch ein paar Informationen aus dem Buch zum aktuellen Thema weiterleiten.

    Betreffend „Reinheit“ für Solarzellen ist im Buch Folgendes erwähnt:
    p-type semiconductor: pure ilmenite
    n-type semiconductor: pure ilmenite in solution with ?-Fe2O3 (Hämatit)

    Anders als bei den andern Materialien wie Silizium und Gallium Arsenid ist bei lunarem Ilmenit gemäss Buch KEIN DOPING nötig.

    (Unter „Doping“ versteht man in diesem Zusammenhang das Einbringen kleiner Unreinheiten ins Kristallgitter, damit die Elektronen dort besser „strömen“ können. Gemäss Buch muss z.B. Silizium mit Gruppe III und Gruppe V Elementen gedopt werden, um seine Konduktivität gemäss den Anforderungen zu verändern. Als „normales“ Gruppe III Element fürs Doping von Silizium wird Bor angeführt.)

    Natürliches Ilmenit scheint also nicht anwendbar zu sein; Das Ilmenit muss pur sein.

    Betreffend physikalischer Eigenschaften ist im Buch folgender Vergleich erwähnt:

    Resistivity
    ———–
    Ilmenit: 1.11 ?m
    Silicon: 0.23 ?m
    Silicon Carbide: 0.1 ?m
    Gallium Arsenide: 0.004 ?m

    Band-gap
    ——–
    Ilmenit: 2.54 eV
    Silicon: 1.12 eV
    Silicon Carbide: 2.9 eV
    Gallium Arsenide: 1.43 eV

    Melting point
    ————-
    Ilmenit: 1683 K
    Silicon: 1385 K
    Silicon Carbide: 3070 K
    Gallium Arsenide: 1784 K

    Gemäss Buch beeinflusst die Band-Gap die folgenden Eigenschaften des jeweiligen Halbleiters (gemäss Buch gilt der Grundsatz „je mehr eV, desto besser“):
    – seine Energiekonversionseffizienz (würde ich als „Wirkungsgrad“ interpretieren)
    – Robustheit (insbesondere auch betreffend Radiation Damage)

    Deshalb wird im Buch die Produktion von Solarzellen aus lunarem Ilmenit gegenüber derjenigen aus Silizium favorisiert. Es wird aber auch abschliessend einschränkend erwähnt, dass noch einige Forschungsarbeit zu leisten sei.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.