Gedanken zu Starships Volumen für die Nutzlast

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Eigentlich dachte ich, kann meinen nächsten Beitrag über SpaceX nach dem ersten Startversuch des Starships machen – wenn ich in der Folge vom „Starship“ spreche ist in der Regel, wenn ich nichts anderes sage die ganze Rakete also die erste Stufe gemeint.

Wenn der Flug klappt, und damit meine ich schon, das die zweite Stufe korrekt Brennschluss hat, SpaceX hat ja offen gelassen, in welchem Zustand das Starship nahe Hawaii runter kommt, wäre es schon ein Erfolg. Das grundlegende Problem, das SpaceX hat, ist das gleiche wie bei der N-1: es gibt keinen Teststand bei dem sie alle Triebwerke testen können. Nicht mal die der Starships selbst das nur sechs hat. Zwischen dem Test eines und 33 Triebwerke gibt es schon einen Unterschied. Sie beeinflussen sich durch die Wärmeabstrahlung und Vibrationen gegenseitig, wie der Schub von 33 Stück auf die Strukturen wirkt, ist so auch unbekannt. Bei der N-1 ging es bekannterweise schief nur einzelne Triebwerke zu testen. Das muss nichts heißen, ich glaube inzwischen nach dem Fehlschlag der Antares mit Triebwerken die von der N-1 übrig blieben, das diese insgesamt eine schlechte Zuverlässigkeit hatten. Kleines Detail am Rande, das bei dem einzigen Kurzzeittest den es vom Starship mit allen Triebwerken bisher, gab nur 31 Triebwerke zündeten und nachdem man von einem Problem bei einem Triebwerk wusste, sich das zweite bei der Zündung verabschiedete, erinnert mich auch an die N-1. Damals wurde bei einem Problem mit einem Triebwerk einfach das gegenüberliegende zusätzlich abgeschaltet, damit die Schubsymmetrie erhalten blieb.

Mein heutiges Hauptthema ist die Nutzlast des Starships und zwar die realistisch nutzbare Nutzlast. Da SpaceX Blogs normalerweise auch Leute anlocken, die üblicherweise hier nicht auftauchen senke ich das Niveau mal etwas ab. Relevant ist nicht wie hoch die Nutzlast ist, sondern ob es überhaupt einen Bedarf gibt. Dazu zwei Beispiele: Man kann im Internet ja inzwischen fast alles bestellen. Die meisten Bestellungen sind kleine Päckchen und Pakete, ab und an vielleicht auch ein Balkonkraftwerk oder Möbel. Päckchen und Pakete kommen im Kleinbus entweder von DHL oder anderen Dienstleistern, bei Möbeln kann es durchaus ein Großlaster einer Spedition. Nun ist ein Großlaster in der Tendenz billiger. Es geht mehr rein, er verbraucht pro Kilometer und Tonne Fracht weniger Benzin und man braucht für eine bestimmte Frachtmenge nur einen Laster mit einem Fahrer anstatt mehrere Fahrer für Kleinbusse, warum nimmt man also nicht immer einen Laster?

Anderes Beispiel. Vor wenigen Wochen kam die Nachricht, das der letzte Jumbo Jet, also die Boeing 747 fertiggestellt wurde. Airbus hat die Produktion des noch größeren Airbus 350 schon vor Jahren eingestellt. Dagegen läuft in beiden Firmen die Produktion kleinerer Maschinen, die sogar älter sind als die großen Flugzeuge weiter, warum?

Beide Beispiele haben eine Gemeinsamkeit. Es ist nicht immer von Vorteil groß zu sein, selbst wenn der Transport so billiger ist. Ein Laster ist in Städten mit engen oder zugeparkten Fahrbahnen kaum von Vorteil. Bei vielen kleinen Päckchen kann es durchaus sein, das man mehr Zeit mit dem Umräumen als Ausliefern verbraucht. Bei den Flugzeugen ist es so, das kleinere Maschinen schneller voll belegt werden und man weniger Tickets zum Schleuderpreis verkaufen muss.

Ähnlich ist es bei der Raumfahrt. Wir haben seit einigen Jahren einen Satellitenboom. Nicht nur durch die Konstellationen, sondern es werden auch viel mehr Kleinsatelliten von 100 kg oder weniger Masse, bis hinab zu den 1U Cubesats mit 1 kg Masse gestartet. Inzwischen bis über 100 pro Mission. SpaceX hat schon einige Transporter Missionen mit der Falcon 9 durchgeführt, dabei wurde deren Nutzlastkapazität eigentlich nie voll benötigt.

Es geht der Trend zu kleineren Satelliten. Nicht nur bei diesen Mikrosatelliten, die oft mit geringen Mitteln entwickelt werden, sondern auch sonst. Die ESA setzt anstatt einem großen Satelliten wie dem Envisat viele leichtere Sentinels ein. Bei den Kommunikationssatelliten in den GSO liegt die Nutzlastgrenze seit fast 20 Jahren nun bei maximal 7 t und nur wenige Satelliten sind schwerer als 5,5 t. Im Gegenteil auch hier gibt es wieder „Small-GEO“ Satelliten. In Anführungszeichen weil diese mit 2,5 bis 3,5 t Masse immer noch ziemlich schwer sind. Viele neue Firmen produzieren inzwischen Klein Satelliten. Einfach weil sie diese auch mit geringem Mitteleinsatz entwickeln können. Mehr kleinere Satelliten haben zudem den Vorteil, das ab einer bestimmten Stückzahl dann auch Automatisierung bei der Produktion möglich ist, während bei wenigen produzierten Satelliten eben noch Handarbeit dominiert.

So gesehen ist das Starship gegen den Trend. Es gibt aber noch weitere Punkte. Ein wichtiger der von Laien oft ignoriert wird ist das Volumen. Bestandteil jeder Rakete ist die Nutzlastverkleidung, welche die Nutzlast umgibt. Sie legt fest wie hoch und wie breit eine Nutzlast ist und wenn man Fotos von der Integration sieht weiß man das Satelliten durchaus riesig sein können. Hier hat sich SpaceX schon verkalkuliert. Ich habe vor einigen Tagen eine Doku über Musk und Bezos beim ZDF gesehen. Da kamen auch Ausschnitte von Musks Videos und er steht vor einem Mockup einer Nutzlastverkleidung. Die sollte nach Musk so groß sein, das auch die größten Satelliten der Welt rein passen. Schön gesagt, ist aber falsch. Schon damals gab es etliche Träger mit 20 m langen Nutzlastverkleidungen (die der Falcon 9 ist 13,9 m lang) und die wurden auch gebraucht. Die USA haben große Spionagesatelliten die so groß sind, die ESA die ATV. Doch selbst mit kleineren Satelliten macht die lange Verkleidung Sinn, denn dann passen zwei Satelliten übereinander herein.

Für die Falcon 9 spielt das keine Rolle. Sie hat nicht die Leistung um zwei große Satelliten zu transportieren, aber die Falcon Heavy kann es. Eigentlich sollte diese Rakete doch boomen. Sie kostet nach SpaceX Website 50 Prozent mehr als eine Falcon 9, hat aber die dreifache Nutzlast. Also eigentlich sollten dann doch die meisten Starts mit dieser Rakete stattfinden. Warum ist dem nicht so? Es passt ein Satellit rein. Aber keine zwei. Geschweige denn drei, wie man es bei der hohen Nutzlast erwarten könnte. Entsprechend gab es lediglich fünf Starts seit 2018. Selbst für SpaceX eigenes Starlink Projekt ist die Nutzlastverkleidung zu klein. Wie man an diesem Bild sieht passen die Satelliten gerade mal so hinein. Da nützt es nichts wenn eine Falcon Heavy dreimal mehr Satelliten transportieren könnte, wenn es für sie keinen Platz gibt.

Hat SpaceX nun etwas beim Starship gelernt? Die Nutzlastverkleidung hat nach Users Guide einen Durchmesser von 8 m und eine zylindrische Höhe von 8 m und eine Gesamthöhe von 17,24 m. Das Volumen soll 1.000 m³ betragen, dass ist aber bei dieser Verkleidung nicht möglich, denn das entspricht einem Zylinder von 8 m Durchmesser und 19,9 m Höhe, aber die Verkleidung ist kürzer und der Durchmesser nimmt auf 1,8 m nach oben hin ab. Wäre der obere Teil ein Kegelschnitt so würde das Volumen 600 m³ betragen. Auf 1.000 m³ kommt man auch mit einer im Users Guide angesprochenen Verlängerung auf 22 m nicht, dann wären es 839 m³. Es ist nicht die erste falsche Angabe von SpaceX. Es lohnt sich immer alle Angaben von SpaceX zu überprüfen. Bei der längeren Nutzlastverkleidung der Ariane 5+6 sind es – ebenfalls unter der Annahme eines Kegelschnitts, in Wirklichkeit laufen beide Verkleidungen parabolisch zu, aber da dieser Fehler für beide Verkleidungen gibt, hebt er sich weitestgehend auf – 308 m³. Eine Standard Verkleidung des Starships hat also doppelt so viel Volumen wie die der Ariane 5/6, doch die LEO-Nutzlast liegt mit 150 t etwa siebenmal hoch, im Nicht-Wiederverwendbaren Fall mit 250 t sogar 12-mal höher. Der Platz reicht für gerade mal zwei große GEOsatelliten, die nebeneinander angebracht werden müssen.

Ein anderes Beispiel: Der Space Shuttle Nutzlastraum hatte eine Länge von 18,28 m und einen Durchmesser von 4,8 m er war zylinderförmig. Sein Volumen betrug somit 331 m³ bei 29,5 t theoretischer Maximalmasse, dabei ist die Zylinderform günstiger, denn die Spitze der Verkleidung kann man selten nutzen.

Für schwere Nutzlasten von anderen Kunden – die es zudem derzeit noch nicht gibt, fehlt dem Starship also der Raum. Meine persönliche Ansicht ist, das das Starship ja auch nicht irgendwie den Raumtransport revolutionieren soll, billiger machen oder neue Gebiete erschließen. Das war ja schon bei der Falcon 9 nicht so. Das Starship wird von SpaceX selbst gebraucht. SpaceX hat in vier Jahren rund 4.000 Starlink Satelliten mit der Falcon 9 gestartet und startet inzwischen mehr Raketen als die restlichen USA zusammen. Aber bei vier Jahren für 4.000 Satelliten können sie nie eine Konstellation von 42.000 Satelliten aufbauen. Dafür benötigen sie so rund 40 Jahren und jeder Satellit hat ja nur eine Mindestbetriebsdauer von 5 Jahren. Dazu kommt, dass die nächste Generation schwerer ist. Ein Satellit wiegt 2000 kg anstatt 225 bis 300 kg. Alleine deswegen braucht man das Starship, sonst sinkt die Startzahl von 50 bis 60 Satelliten auf 8 bis 9 Satelliten pro Start. Verkleinerte Starlink Generation 2 Satelliten mit 800 kg Masse scheinen anscheinend schon Probleme zu haben. Ich vermute auf diese zweite Generation, bzw. den Dispenser ist das Starship ausgelegt, weil an dem Starlink Projekt auch der ganze Firmenerfolg hängt. Wäre dem nicht so, so könnte man ja für die zweite Generation die Falcon Heavy einspannen, die ja schon die dreifache Nutzlast der Falcon 9 hat.

Morgen beschäftige ich mich mal mit einer weiteren Frage, nämlich was die Nutzlastverkleidung und Masse des Starships mit der Versorgung der Marskolonisten zu tun hat.

Zuletzt noch zwei verstreute Nachrichten. Während das Manuskript über die Titan inzwischen bei Mario ist, der sich wieder als Korrekturleser betätigt hat und der einen wirklich guten Job macht, an der Stelle man ein offizielles Lob dafür! – bin ich am ersten Manuskript beim Durchsehen. Ich konnte aber nicht widerstehen es doch zu erweitern. Band 1 – offizieller Name „US-Trägerraketen 1: Vanguard – Redstone – Juno – Project Pilot – Scout“. Ich habe die doch interessante Story um die Auseinandersetzung um den ersten US-Satellitenstart noch etwas ausgeführt. Daneben nun jeden Start der wenigen Flüge dieser Träger beschrieben, bis auf die Scout, weil es bei der dann doch über 100 sind. Aber ich denke in zwei Wochen ist es fertig und wird dann auch hier angekündigt.

Das zweite ist noch persönlicher. Nachdem mich Bing drauf gebracht hat, das Eugen Reichl einen Wikipedia Eintrag hat, habe ich mich an den Autor des Eintrags gewandt – über sich selbst schreibt man ja keinen Eintrag, und der hat auch netterweise einen gemacht. Der ist dann aber gleich auf der Löschliste gelandet. Erstaunlicherweise dreht sich dabei die ganze Diskussion um meine Bücher. Ich publiziere ja ausschließlich bei BOD, aus dem einfachen Grunde, weil ich die Bücher auch primär für mich selbst schreibe. Es steht viel drin, was in die Tiefe geht und das begrenzt den Leserkreis doch sehr. Ich glaube nicht das ein normaler Verlag so was veröffentlichen würde, denn ich habe ja Raumfahrtbücher von solchen Verlagen und weiß was da drin steht. Klar, damit komme ich auch nicht auf Mega-Auflagen. Gut gehende Titel kommen in den vierstelligen Bereich, aber für Verlage wird es wohl erst ab fünfstelligen Verkaufszahlen interessant.

Was ich hier im Blog schriebe oder in der Webseite, scheint für Wikipedia nachd er Löschdiskussion völlig irrelevant sein, ebenso das über 300-nmal von der Wikipedia auf mich verlinkt wurde. Schon etwas komisch für eine Online-enzyklopädie. Falls ihr euch an der Löschdiskussion beteiligen wollt. Hier ist der Link. Ich glaube ja der Eintrag wird gelöscht. Das fuxt mich weniger, weil ich mich für so bedeutend halte, aber das man mit dem Ab- und Zusammenschreiben unter Wikipedia-Niveau, wie es Eugen Reichl praktiziert, Bücher ohne viel Tiefgang, dann doch zu einem Eintrag in der Enzyklopädie kommt, ärgert mich dann schon.

 

5 thoughts on “Gedanken zu Starships Volumen für die Nutzlast

  1. „Viele neue Firmen produzieren inzwischen Klein Satelliten. Einfach weil sie diese auch mit geringem Mitteleinsatz entwickeln können.“

    Ist es nicht eher umgekehrt. Man baut die (leichten) Kleinsatelitten da man sich die Startkosten für größere/schwerere Satelliten nicht leisten kann. Technische Produkte werden bei gleicher Leistung immer teurer und komplizierter um so leichter/kleiner.

    Spätestens bei kommerziellen Satelliten kommt dann noch dazu das man mindestens ein Backup Startsystem haben will. Der Satellit muß also mindestens für zwei Startsysteme passen, besser noch mehr um so besser kann man über den Preis verhandeln.

  2. „Anderes Beispiel. Vor wenigen Wochen kam die Nachricht, das der letzte Jumbo Jet, also die Boeing 747 fertiggestellt wurde. Airbus hat die Produktion des noch größeren Airbus 350 schon vor Jahren eingestellt. Dagegen läuft in beiden Firmen die Produktion kleinerer Maschinen, die sogar älter sind als die großen Flugzeuge weiter, warum?“

    Vor ca. 5 Jahren habe ich mal dieses Video hier gesehen.

    https://youtu.be/ql0Op1VcELw

    Da ging es um die Renassiance der eigentlich schon nicht mehr produzierten Boeing 757, welche ganz plötzlich für Transatlantic Direktflüge genutzt wurde, wofür sie eigentlich urprünglich nicht gedacht war.

    Das ist der Hauptgrund warum die Reisenflugzeuge langsam aus der Mode gekommen sind. Statt dem „Hub and Go“/Verkehrsdrehkreuzmodell, wo Leute von kleinen Flughäfen zu großen Flughäfen gfleigen, um von dort erst ihre lange Reise anzutreten, wird nun mehr und mehr direkt geflogen. Bessere Triebwerkeffizienz machte das möglich.

  3. Sollte wohl Airbus 380 heißen, der A350 ist extrem erfolgreich. Allerdings gibt es Spekulationen, dass die Produktion des A380 wieder aufgenommen werden könnte oder Boeing an einer modifizierten 747 arbeiten könnte mit weniger Triebwerken. Denn der Bedarf an großen Maschinen scheint durchaus da zu sein (inzwischen werden stillgelegte A380 wieder reaktiviert), nur die Triebwerke saufen den Kunden zu viel.

    1. Bei der Entscheidung 2-Strahlig vs. 4-Strahlig geht es meines Wissens weniger um den Treibstoffverbrauch sondern mehr um die Wartungskosten.

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