Voyager 2 bei Neptun
Heute vor 20 Jahren passierte Voyager 2 den letzten Gasriesen, Neptun. Damit ging eines der anspruchsvollsten und längsten Weltraumabenteuer zu Ende. Ich glaube die wenigsten Beteiligten haben tatsächlich beim Start daran geglaubt, das Voyager bei Neptun noch aktiv sein sollte. Dazu etwas Vorgeschichte: Schon Mitte der 60 er Jahre wusste das JPL, das zwischen 1976 und 1979 alle äußeren Planeten im selben Raumsektor standen, so dass eine Raumsonde ohne größere Zeitverluste alle nacheinander besuchen konnte, So wurde ein größeres Program, namens TOPS aus der Taufe gehoben, das rund 750 Millionen Dollar kosten. Doch TOPS war der NASA zu teuer und so genehmigte sie nur den Bau der beiden Voyager, die rund die Hälfte davon kosten sollten. Die Einsparungen kamen neben der Anzahl der Sonden vor allem durch die geforderte Lebensdauer zustande. Voyager sollten für 5 Jahre Betrieb ausgelegt werden – genug um den Saturn anzufliegen. Es wurden wie damals üblich (um Fehlstarts oder einen frühzeitigen Ausfall abzufangen) zwei Sonden gebaut. Voyager 1 hatte die primären Missionsziele zu erfüllen. Voyager 2 konnte bei Verlust von Voyager 1 diese nachholen (im Falle von Saturn war dafür eine größere Kurskorrektur notwendig um Titan zu erreichen). Bei einem erfolgreichen Verlauf konnte Voyager 2 Dinge genauer untersuchen, die Monate vorher bei Voyager 1 aufgefallen waren und andere Monde in der Nähe passieren, die Voyager 1 nur aus größerer Distanz aufnahm. Dies nutzte man aus um die Jupiter und Saturnmonde zwischen beiden Raumsonden aufzuteilen.
Voyager 2 hatte aber auch einen Kurs der sie zu Uranus und Neptun führte. Voyager 1 konnte nach Saturn keinen Planeten mehr passieren, weil die nahe Titanpassage eine Saturnpassage näher am Pol nötig machte und die Sonde so aus der Ekliptik herausgeschleudert wurde. Das JPL schlug noch während der Entwicklung vor, eine weitere Sonde zu bauen, die recht preiswert sein würde, da ja die Entwicklungskosten wegfielen. Sie wäre 1979 gestartet und hätte Jupiter 1981 und Uranus schon 1985 passiert, weil die Route kürzer war. Es gab ein fast fertiges Flugexemplar und Kopien der Instrumente, die später auf anderen Missionen zum Einsatz kamen (Magellan, Stardust, Galileo), und das Entwicklungsteam hätte nur die Sonde fertig stellen müssen. Doch der NASA waren die Kosten für Start und Missionsüberwachung zu hoch. Woran damals keiner dachte, was aber sicher auch interessant gewesen wäre, wäre die Route Jupiter-Saturn-Pluto, der bei einem Start im September 1977 im Februar-September 1986 erreicht werden würde.
Als Voyager 2 Neptun erreichte war sie schon 12 Jahre alt – mehr als die doppelte geplante Betriebszeit. Vor der Uranuspassage wurden viele Systeme der Sonde umprogrammiert um mit den geänderten Bedingungen besser klar zu kommen. Dies waren weitaus weniger Licht und niedrigere Datenrate. Der Bordcomputer erhielt einen einfachen Kompressionsalgorithmus. Bei Neptun wurden viele Techniken noch verbessert. So lieferte die Sonde trotz der größeren Entfernung noch mehr Bilder als bei Uranus: Rund 9000 anstatt 6000. Dabei waren diese auch interessanter: Uranus hatte eine hohe Wolkendecke aus Smog, die keinerlei Details im sichtbaren Licht zeigte. Nur im Nahen Infrarot ist sie durchsichtig, doch für diese Wellenlängen waren die Videocon Kameras von Voyager nicht empfindlich. Neptun dagegen zeigte Wirbel, Wolken und einen großen weißen Fleck, vergleichbar dem großen Fleck von Jupiter. Er war schon auf den ersten Bildern mehrere Monate vor dem Vorbeiflug sichtbar.
Ganz anders als bei den anderen Planeten verliefen die Beobachtungen der Monde. Neptun hatte nur zwei bekannte Monde vor dem Vorbeiflug: Nereid, der sich in großer Distanz von Neptun befand und den Voyager nicht aus der Nähe würde untersuchen können und Triton auf einer Retrograden und geneigten Umlaufbahn (der einzige retrograden und geneigten so nahe am Planeten). Damit ihn die Sonde im Detail untersuchen konnte musste sie sehr nahe an Neptun heran. Es gab im Vorfeld viele Diskussionen über die beste Route. Vor allem weil man befürchtete die Sonde könnte durch auf Fotos nicht sichtbare, aber vorhandene, dünne Ringe zerstört werden die man bei der Distanz vermutete wo man die optimale Passagedistanz zu Triton erhielt. Schließlich einigte man sich auf einen Kompromiss und Voyager würde Triton in sicheren, aber noch recht nahen 40.000 km passieren. Dort ging man auch auf Nummer sicher und sendete die Aufnahmen direkt – möglich wäre auch das Speichern von 100 Aufnahmen auf Band gewesen, So gibt es nur rund 48 Aufnahmen von Triton aus naher Distanz. Es hätten etwa 130 mit dem Bandrekorder sein können. Doch diese waren sensationell: Auf einem Mond der so kalt ist, das Stickstoff flüssig ist gibt es aktive Geologie, kaum Krater, dafür runzeliges Gelände, verwehte Fahnen von – wie sich bei späteren Auswertungen herausstellte aktiven Geysiren, die flüssigen Stickstoff ausstoßen.
Nirgendwo im Sonnensystem wird es langweilig – das ist vielleicht eine Erkenntnis die Voyager 2 uns lieferte. Beide Sonden sind noch aktiv. Voyager 1 befindet sich derzeit in 16577 Millionen km Entfernung von der Erde und in 13446 Millionen km Entfernung. Sie sind seit 32 Jahren aktiv und sollen nach Planungen der NASA mindestens bis 2020, wahrscheinlich aber bis 205 weiter betrieben werden – mehr als 50 Jahre. Schon heute sind sie die am längsten aktivsten Raumsonden.