Von der R-1 zur R-5: Teil 1

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Den folgenden artikel habe ich fürs aktuelle Buch verfasst, weil er etwas lang für den Blog ist gibt es ihn hier in mehreren kleinen Häppchen. Sobald er komplett ist gelangt er auch auf die Webseite. In diesem Teil geht es nur um die A-4, doch da die R-1 eine sehr genaue Kopie des Aggregat 4 (V.2) ist eigentlich auch um die R-1. Übermorgen folgt dann Teil 2 über die R-1 und R-2 und am 30. September dann Teil 3 über die R-3 und R-5. Allen Raketen ist gemein, das sie auf der Technologie des Aggregats 4 basieren. 

Dies ist ein kurzer Artikel über die Geschichte der frühen Raketen der Sowjetunion, die auf der A 4 (Aggregat 4) basierten. Nach dem Krieg waren die Alliierten auf der Suche nach deutschen Spezialisten für Militärtechnik, die sowjetischen Wissenschaftler voraus war, wie Düsentriebwerke aber auch den Erbauern der A 4. Die USA konnten sich die wichtigsten Personen sichern, doch nicht alle. Helmut Gröttrup war der höchstrangige Raketenwissenschaftler, der mit den Sowjets zusammenarbeitete.

Als die Rote Armee am 1.7.1945 im Mittelbau Dora einmarschierte waren noch Bauteile für etwa 40 A 4 vorhanden, die nun zusammengebaut wurden. Den Großteil hatten die USA abtransportiert die zuerst das Gebiet besetzten. Gröttrup konnte rund 4.000 Mitarbeiter rekrutieren, welche die Konstruktionszeichnungen auf Basis der vorhandenen Bauteile neu erstellten. Im Juli 1946 versuchten der amerikanische und britische Geheimdienst Gröttrup anzuwerben, was aber vom russischen Geheimdienst NKWD aufgedeckt wurde. Schon am 13.5.1946 beschloss Russland die deutschen Spezialisten in die Sowjetunion zu überführen. Diese Operation wurde nun beschleunigt und in einer Nacht- und Nebelaktion wurden am 22.10.1946 insgesamt 160 Ingenieure mit ihren Familien in die Sowjetunion verschleppt. Es folgten später weitere.

Russland hatte mit Helmut Gröttrup, dem Spezialisten für Aerodynamik, Werner Albring, dem Ingenieur für Steuerungs- und Messtechnik Heinrich Wilhelmi und dem Experten für Kreiselsysteme Kurt Magnus vor allem die Personen, die bei der A 4 für die Steuer- und Regelungstechnik verantwortlich waren, während die USA die Experten für die Konstruktion und Triebwerksentwicklung zur Mitarbeit gewinnen konnten. Die USA hatten sicherlich mehr vom Spitzenpersonal gewonnen, dies glich die Sowjetunion durch Masse aus. In weitere Transporten dürften die 160 zuerst deportieren, nicht nur ihren Hausstand nach Russland transferieren, sondern es wurden nach und nach immer mehr Personen verschleppt, genaue Zahlen gibt es nicht. Problematisch für die Zahlenerhebung ist auch, dass Russland nicht nur Raketenexperten verschleppte, sondern alle Personen, die in Bereichen arbeiteten, in denen Deutschland einen technologischen Vorsprung hatte. Es scheinen aber mindestens 302 Raketenspezialisten zu sein. Damit waren es dreimal so viele wie die USA aufnahmen. Es umfasste die deutsche Siedlung auf der Insel Gorodomlja (heute Siedlung Solnetschny) im Seligersee, ca. 380 km nordwestlich von Moskau, mehrere Tausend Personen (zusammen mit anderen Spezialisten z.B. für Düsentriebwerke, chemische Kampfstoffe, etc.). Gröttrup bekam sein eigenes Designbüro mit 214 Angestellten.

Die rekonstruierten Konstruktionspläne wurden dann von russischen Spezialisten untersucht. Sergej Koroljow, der spätere Vater des sowjetischen Weltraumprogramms kam in einem 1947 fertiggestellten Report über 13 Bände zu diesem Schluss, dass die A 4 in vielen Dingen konstruktiv unvollkommen und technisch unausgereift wäre. Das betraf sowohl die Gesamtkonstruktion mit nichttragenden Treibstofftanks in einer tragenden Zelle, fest verbunden mit dem Gefechtskopf, wie auch die unnötige Kompliziertheit vieler Bauteile, Systeme und Aggregate sowie die ungenügende Zuverlässigkeit des Lenksystems. Die A 4 sei nach Koroljows Ansicht zu komplex für eine Serienproduktion. Markige Worte für jemand dessen persönliche Beteiligung an dem Bau einer Rakete die GIRD-X mit 29,5 kg Startmasse war, also etwa 500-mal kleiner als eine A 4. Gelenkt wurde diese Rakete überhaupt nicht.

Valentin Gluschko, schon damals verantwortlich für ein OKB, das Raketentriebwerke für militärische Zwecke konstruierte, erkannte mehr von der Leistung an: „Die Entwicklung der V-2 in den vierziger Jahren in Deutschland war eine große technische Leistung des Raketenbaus … Das Konstruktionsprinzip der Rakete hatte jedoch keine Zukunft. Zwar konnte die Konstruktion etwas verbessert werden (Verbesserung der Kühlung, Erhöhung des Brennkammerdrucks, Verlängerung der Schubdüse) doch den Schub und vor allem den spezifischen Impuls wesentlich zu erhöhen war nicht möglich“.

De Fakto war die A 4 ein Prototyp und natürlich war der Prototyp noch unausgereift. Die Erbauer selbst wollten die Konstruktion wesentlich vereinfachen, um die Serienproduktion zu erleichtern. Zahlreiche Verbesserungen, die dann in den Triebwerken RD-101 und RD-103 eingesetzt wurden, waren schon in der Entwicklung. Dies wurde verhindert, weil nachdem Hitler einen Film über den ersten gelungenen Start einer A 4 sah, er sofort die Überführung in die Serienproduktion befahl, was zu einem „Design-Freeze“ führte. Dass die Rakete unnötig massiv war, war dem geschuldet, dass sie im zweiten Weltkrieg als Gefechtswaffe auf dem Feld eingesetzt wurde – bei feindlicher Luftüberlegenheit. Keine der russischen Nachfolger wäre dafür geeignet gewesen, dafür war ihre Vorbereitungszeit viel zu lange. Was die Lenkungsgenauigkeit betrifft, so hatte Steinhof ein System ausgearbeitet das die Breitenstreuung (100%) von 18 auf 1 km drückt, doch ohne Dringlichkeitsstufe war Telefunken nicht bereit es in die industrielle Fertigung zu übernehmen und nach dem Design-Freeze kam es auch nicht mehr zum Einsatz.

Das Triebwerk war auch ein Prototyp. Spätere Triebwerke verzichteten auf Strahlruder, hatten eine aus Röhren geschweißte Brennkammer und setzten energiereichere Treibstoffe ein. Aber immerhin konnte es im Schub von 257 auf 432 kN gesteigert werden – um fast 70 Prozent. Kein späteres sowjetisches Triebwerk wurde in seiner Entwicklung so in der Leistung gesteigert.

Obwohl Koroljow also so abfällig über die A 4 urteilte baute er sie mehrere Jahre lang nach, entwickelte die R-2, als wenig verbesserten A 4 Nachfolger und selbst die R-5 setzte noch die Treibstoffe und das Triebwerk der A 4 ein. Rund ein Jahrzehnt brauchte Koroljow, um nur die Reserven des A 4 Konzeptes auszuloten, das er so abfällig beurteilte.

Die danach von Russland selbst entwickelten Triebwerke hatten dann sehr bald Probleme. Verbrennungsinstabilitäten führten zu Explosionen. Als Folge beschränkte Gluschkos OKB 456 den Schub neuer Triebwerke auf das Niveau des RD-103, rund 400 kN, sodass die R-7 zwanzig dieser Brennkammern, die R-16 und R-26 jeweils sechs dieser Brennkammern und selbst die kleinen Raketen R-12 und R-14 zwei Brennkammern benötigten. Es ist immer einfach zu sagen das etwas keine Zukunft hat, sehr viel schwieriger ist es zu beweisen das man etwas Besseres konstruieren kann.

Die A 4

Wenig ist über die ersten russischen Raketen bekannt. Bei der R-1 ist dies aber kein großes Problem, denn sie war ein Nachbau der A 4 und über die ist einiges mehr bekannt. Die Konstruktionspläne wurden leicht angepasst, sodass russische Komponenten verwendet werden konnten. Im Folgenden beschreibe ich daher vorrangig die A 4 und gehe nur auf Unterscheide zur R-1 ein.

Die A 4 wurde von Anfang an als Waffe konzipiert, als Ersatz für eine Fernartillerie. Das schlägt sich im Design nieder. Weiterhin war Wernher von Braun nicht so experimentierfreudig, hatte er bei den vorherigen Raketen A 1 bis A 2 (vor der A 4 sollte das verkleinerte Modell A 5 noch fliegen) eine Lösung gefunden, so verwandte er diese weiter. Das betrifft in erster Linie den Treibstoff. Während der Oxydator flüssiger Sauerstoff bis heute in Raketen eingesetzt wird, setzte die A 4 auf eine Alkohol Wasser-Mischung mit 75 Prozent Alkohol, 25 Prozent Wasser. Diese Mischung hat einen geringeren Energiegehalt als Kohlenwasserstoffe, wie das später eingesetzte Kerosin, zum einen, weil der Alkohol schon teiloxidiert ist, zum anderen, weil das Wasser als nicht an der Reaktion teilnehmende Substanz dabei ist. Aber das reduziert die Verbrennungstemperatur und damit den Kühlaufwand und die Lösung nimmt mehr Wärme auf, bis sie verdampft als reiner Alkohol oder Kerosin. Die Wahl entpuppte sich später im Krieg als eine gute, denn abgeschnitten von Rohöllieferungen wurde das Benzin knapp, sodass man in Peenemünde den Alkohol, den man aus der Destillation von vergärtem Kartoffeln gewan sogar für den Antrieb der Motorräder und Kraftfahrzeuge nutzte, nachdem das Benzin rationiert wurde.

Die A 4 war, weil der Sprengkopf nicht abgetrennt wurde, sehr massiv gebaut, sprich das Verhältnis von Startmasse zu Endmasse und damit die erreichbare Geschwindigkeit waren schlecht. Das lag an verschiedenen Faktoren. Zum einen waren die Tanks aus leichtem Aluminium in einer tragenden Hülle aus Edelstahl, wie im Flugzeugbau verstärkt mit Spanten und Stringern eingebettet. Das addierte Gewicht – als auch Aluminium knapp wurde, versuchte man tatsächlich eine Zeitlang die Tanks durch genähte und mit PVC beschichtete Textilien zu ersetzen, doch die Nähte hielten dem Druck nicht stand. Edelstahl als Material für die Hülle war nötig, weil diese sich beim Wiedereintritt auf bis zu 680 Grad Celsius aufheizte.

Das meiste Leergewicht wurde aber durch das Heck addiert. Es gab vier Finnen, kleine Flügel am Ende. Auf ihnen ruhte die Rakete und sie stabilisierten mit Lenkrudern den Flug bis die A 4 alleine durch ihre hohe Geschwindigkeit stabil war. Dadurch konnte die A 4 aber auch von überall aus starten, sie benötigte keine ebene Startplattform, da sie auf diesen Finnen wie auf Beinen ruhte. Ebenfalls ein wichtiger Punkt für eine im Feld eingesetzte Rakete. Praktisch wurden die Raketen von einer Waldlichtung aus gestartet und über ihnen die Bäume zusammengebunden. Erst kurz vor dem Start wurden die Kronen freigegeben und die Rakete so sichtbar. So wurde keine A 4 beim Abschuss zerstört, auch wenn es zwei reklamierte Versuche dafür gibt.

Das Triebwerk bestand wie moderne Konstruktionen aus drei Komponenten: einem Gasgenerator, einer Treibstoffpumpe und einer Brennkammer. Die Treibstoffpumpe, aus Kreiselpumpen für die Feuerwehr, die seit 1935 in Deutschland im Einsatz waren, entwickelt wurde unterschied sich nicht sehr von modernen Konstruktionen. Unterschiede gibt es aber in der Brennkammer und dem Gasgenerator. Der Gasgenerator hat die Aufgabe heißes Arbeitsgas zu erzeugen, das eine Turbine antriebt, deren Antriebswelle wiederum die Pumpe antreibt. Es wurden drei Methoden evaluiert: Die Verbrennung des Alkohols mit Sauerstoff im Überschuss – der Überschuss ist nötig, um die Verbennungstemperaturen zu begrenzen, das Einspritzen von Wasser in die stöchiometrische Verbrennung von Alkohol und Sauerstoff (d.H. im optimalen Verhältnis wodurch am meisten Energie freigesetzt wird) ebenfalls um die Verbrennungstemperaturen zu begrenzen und die Zersetzung von Wasserstoffperoxid. Wasserstoffperoxid ist ein Molekül das unter innerer Spannung steht und leicht in Wasser und Sauerstoff zerfällt und dabei wird Energie frei. Verwendet wurde die letzte Methode, weil die beiden ersteren nach der Untersuchung eine komplexe Regelmechanik mit Ventilen erforderten. Als Nachteil der katalytischen Zersetzung von Wasserstoffperoxid (mit einer Kaliumpermanganatlösung) hat man einen weiteren getrennten Treibstoffkreislauf mit eigenen Treibstoffen. Die zweite Lösung – die Einspritzung von Wasser in die Verbrennung brachte Karl Heinz Bringer 1942 zur Einsatzreife. Sie wurde später in den französischen Raketen Veronique, Diamant und der Ariane 1 bis 4 eingesetzt. Ab Mitte der Fünfziger Jahren verwendeten US-Raketen die Verbrennung einer der Komponenten im Überschuss, russische Raketen setzten dagegen noch sehr lange auf die katalytische Zersetzung von Kaliumpermanganat.

Ein Grundproblem bei der Entwicklung neuer Raketenbrennkammern ist, dass die Verbrennung absolut gleichmäßig erfolgen muss. Es darf keine lokalen Überschüsse an Alkohol oder Sauerstoff geben und die Verbrennung muss laminar erfolgen. Ist das nicht der Fall, so gibt es Verbrennungsinstabilitäten die zu starken Druckschwankungen im Triebwerk führen und diese Schwankungen schaukeln sich innerhalb kurzer Zeit so weit auf, dass ein Triebwerk explodieren kann. Bis in die späten Sechziger Jahren waren Verbrennungsinstabilitäten ein Problem, dass bei fast jeder neuen Trilateralentwicklung auftrat und nur durch langwierige Versuche mit vielen Veränderungen am Einspritzsystem lösbar waren.

Bei der A 4 löste man das Problem, indem man oberhalb der eigentlichen Brennkammer 18 Vormischkammern anbrachte in denen sich Alkohol und Sauerstoff vermischen konnten, bevor sie in die Brennkammer eintraten. Das löste das Problem, machte das Triebwerk schwerer als nötig. Die Lösung entstand, weil der verantwortliche Konstrukteur Dr. Thiel diese Mischdüsenkonstruktion schon für ein Triebwerk mit 1,5 t Schub entwickelt hatte und sie dort funktionierte. Mit 18 dieser Mischkammern konnten so 25 t Schub erzeugt werden. Diese Variante genannt „Warzenkopf“ war die Serienversion des Triebwerks, nachdem verschiedene Versuche mit einer Injektionsplatte bis 1942 nicht zum Durchbruch führten und dann das Design eingefroren wurde. Bis Kriegsende war dieser monolithische Injektor aber einsatzbereit.

Diese Konstruktion ist wahrscheinlich auch mit dafür verantwortlich, dass die Brennkammer nicht die vom Gewicht her optimale Zylinderform hat, sondern birnenförmig ist, da die Mischköpfe zueinander geneigt sind.

Die Schubrichtung muss auch geregelt werden. Hier wurde auf Steuerruder und in der ersten Phase zusätzlich Luftruder an den Finnen gesetzt, vergleichbar dem Ruder eines Schiffes. Die Strahlruder ragen in den Abgasstrahl und wenn sie aus der Senkrechten gelenkt werden so wird ein Teil des Schubs abgelenkt und die Rakete neigt sich. Diese Lösung war schwer aber es war eben die einfachste Lösung. Spätere sowjetische Raketen nutzten dafür zusätzliche kleine Steuertriebwerke, die USA gingen sehr bald auf kardanisch schwenkbare Triebwerke über. Diese machen eine komplexe Hydraulik nötig, auch weil das Triebwerk mit der Turbine und Pumpe schnell rotierende Teile beinhaltet, die sich einer Drehung aus der Rotationsachse widersetzen. Das war der Grund, warum diese Lösung nicht bei der A 4 gewählt wurde.

Die A 4 musste auch gelenkt werden. Hier wurde – vor allem um die Zielgenauigkeit zu verbessern, am meisten während des Kriegs entwickelt. Die Standardlenkung funktionierte relativ einfach. Eine der Heckflossen war besonders gekennzeichnet. Die Rakete musste so aufgestellt werden, dass diese Flosse in einer Linie mit der Flugbahn zum dem Ziel lag. Dann wurde im Instrumententeil über das Drehen eines Einstellrades der Endwinkel eingestellt. Die A 4 startete senkrecht und neigte sich nach 4 Sekunden mit fester Rate bis zu diesem Endwinkel, bei maximaler Reichweite waren dies 46 Grad. Je niedriger der Winkel war, desto weiter flog sie. Der Brennschluss wurde durch einen Analogrechner – im Prinzip ein Integrator – ausgelöst, der die Werte des Beschleunigungsmessers addierte und bei Erreichen der vorgegebenen Endgeschwindigkeit das Triebwerk abschaltete.

Die Treffgenauigkeit war nicht sehr groß, in der Standardversion betrug die 50 % Abweichung (CEP) 4,5 km. So wurde fieberhaft daran gearbeitet, sie zu verbessern. Die Genauigkeit in dem Winkel konnte durch Funkleitung verbessert werden. Dazu gab es zwei Antennen die eine „Keule“ abstrahlten und einen festen Winkel zueinander hatten. In der Mitte war die Intensität des Leitstrahls, den die A 4 empfing von beiden Empfängern (für linke und rechte Antenne, die bei unterschiedlichen Frequenzen sendeten) gleich groß. Dieses Verfahren wurde schon für Flugzeuge angewandt, das Problem für die A 4 war, dass man für eine befriedigende Genauigkeit und Durchdringung des Flammenstrahls viel höhere Frequenzen benötigte und die Technologie dafür erst entwickeln musste. Das erfolgte, ging wegen der fehlenden Dringlichkeit aber nie in die Serienfertigung.

So wurde ein Standard-Luftwaffenleitstahlsystem eingesetzt, das aber nur in Ausnahmefällen bei dem operativen Einsatz verwendet wurde. Trotzdem war die A 4 selbst in der letzten Version, mit einer CEP von 1,8 km – in einem Kreis mit einem Radius von 1,8 km kamen 50 Prozent aller Raketen nieder – für eine Waffe relativ ungenau, selbst beim Transport einer Atombombe wäre dies nicht tolerierbar gewesen.

Viele der Einschränkungen und Nachteile der A 4 waren ihrem Prototypcharakter geschuldet, sowie der Forderung, sie möglichst schnell in die Fertigung zu überführen. Das Heer wollte ermöglicht rasch eine Rakete. Das heißt: ab 1936 begann die Planung für die A 4. Zuerst wurde als Zwischenschritt ein Motor mit 5 t Schub entwickelt. Ab 1940 waren auch Tests des A 4 Antriebs auf dem Prüfstand VII in Peenemünde möglich, wo von 1936 bis 1940 rund 550 Millionen Reichsmark für ein gemeinsames Forschungszentrum der Luftwaffe (Peenemünde-West) und dem Heer (Peenemünde-Ost) investiert wurden. Mit dem Krieg wurde die Lage schlimmer. Der Rakete wurde im Frühjahr 1940 die höchste Dringlichkeitsstufe entzogen, was bedeutete, dass zum einen das Personal jederzeit eingezogen werden konnte, zum anderen bei allen Verhandlungen mit Firmen alle Aufträge erst angenommen wurden, wenn die Projekte mit höchster Dringlichkeitsstufe erledigt waren. So hatte man ein verbessertes Leitstahlsystem entwickelt, das die 50%-Genauigkeit von rund 2 km bei Verwendung des Luftwaffen-Leitsystems auf 250 m drücken würden. Doch Telefunken als industrieller Partner war voll ausgelastet mit der Entwicklung von militärischen Funkgeräten für Wehrmacht und Luftwaffe. Als Hitler im Dezember 1942 einen Film über den ersten erfolgreichen Flug der A 4 vorgeführt beakm, schlägt seine Stimmung ins völlige Gegenteil um. Während er bei seinem ersten Besuch im März 1939 nicht an das Projekt glaubt, soll nun die A 4 schnellst möglichst in die Serienproduktion überführt werden. Sie bekommt nun die Einstufung in die höchste Dringlichkeitsstufe, aber eben mit der Auflage das sie nun produziert wird. Das bedeutete aber auch, dass die A 4 die produziert wurden, noch Prototypen sind. Geplant war von den Konstrukteuren, dass sie nun sukzessive einfacher, aber auch leistungsfähiger wird. Sie bezweifelten sogar, dass die Truppe mit einem solch komplexen Gerät überhaupt zurechtkam, was sich aber nicht bewahrheitete. Damit war es relativ einfach, die A 4 nach dem Krieg in der Sowjetunion aber auch den USA zu verbessern und auf Basis ihrer Technologie Raketen zu bauen die doppelt so weit flogen. Man musste nur die Entwicklungen die es von 1942 bis 1945 gab und die nicht in die Serienproduktion einflossen, umsetzen.

A 4

Länge:

14,0236 m

Maximaler Durchmesser:

3,554 m (Flossen, Länge der flossen: 3,935 m)

Durchmesser des zylindrischen Teils

1,651 m

Startgewicht:

12.700 – 12.900 kg

Trockengewicht:

4.000 kg

Davon Nutzlastspitze:

1.000 kg, 2,01 m Länge

Davon Geräteraum

480 kg, 1.41 m Länge

Davon Mittelteil (Tanks)

742 kg, 6,215 m Länge

Davon Antriebsteil

931 kg

Davon Heck:

750 kg, 4,40 m Länge

Davon sonstiges:

105 kg

Treibstoff Alkohol:

3.800 kg

Oxidator Sauerstoff:

4.900 kg

Wasserstoffperoxid:

175 kg

Kaliumpermanganat:

13 kg

Treibstoffreste:

210 kg

Die A 4 wurde laufend verbessert. Der erste erfolgreiche Flug am 3.10.1952 führte über eine Distanz von 200 km bei einer Leermasse von 5,5 t. Die Reichweite der Serienversion lag bei 300 km bei einer Leermasse von 4 t. Die letzten Exemplare hatten eine Reichweite von 420 km.

Es gab zwei Ansatzpunkte für eine Verbesserung. Der einfachere Ansatz war es das Strukturgewicht zu senken. Es lag bei 4 t. Mit relativ einfachen Verbesserungen wie der Verkleinerung der Flossen, der Abtrennung des Sprengkopfs, sodass die Tanks selbsttragend waren wurde es besser. Daneben entpuppte sich das Triebwerk der A 4 als im Schub steigerbar, was die Mitführung von mehr Treibstoff ermöglichte und da der Mittelteil mit den Tanks schon der Teil der Rakete mit dem geringsten Leergewicht war, verbesserte dies das Voll-/Leergewicht deutlich.

Das zweite war es den Alkohol durch einen Treibstoff mit höherer Energie zu ersetzen. Entsprechende Forschungen gab es schon im dritten Reich. E wurde eigenes ein experimentelles Raketentriebwek ED-140 konstruiert, mit dem man verschiedenerlei Treibstoffkombinationen testen konnte. Mit ihm wurde der Treibstoff für die Flugabwehrrakete Wasserfall gefunden. Dieses Triebwerk gelangte in sowjetische Hände und wurde in der Folge intensiv genutzt, um neue Treibstoffkombinationen zu erproben.

Das Triebwerk der A 4 war eine doppelwandige Konstruktion, durch die der Alkohol zirkulierte, zusätzlich gab es an einzelnen Stellen Schlitze, durch die er in die Brennkammer austreten konnte und diese durch Filmkühlung schützte. Nach Passieren der Doppelwand trat der Alkohol in die 18 Vorbrennkammern ein, in denen es insgesamt 2.160 Bohrungen für den Sauerstoff und 1.224 für den Alkohol gab. Das war enorm viel, heute haben selbst schubstärkere Triebwerke nur einige Hundert Mischdüsen, die aber komplexer aufgebaut sind. Das Triebwerk hatte folgende Kenndaten:

A 4 Triebwerksblock

Länge:

4,40 m

Startgewicht:

935 kg

Davon Brennkammer:

422 kg

Davon Gasgenerator:

73 kg

Davon Turbopumpe:

159 kg

Davon Gerüst:

56 kg

Davon Druckluft

75,5 kg

Davon Wärmeaustauscher

6,7 kg

Eintrittsdruck:

18,7 bar

Brennkammerdruck:

14,5 Bar

Schub Meereshöhe:

252,1 kN

Schub Vakuum:

270 kN

Brennzeit:

60 – 63 s

Verbrennungstemperatur:

2000 Grad Celsius

Austrittsgeschwindigkeit der Gase (Meereshöhe/Vakuum)

1887 / 2076 m/s im Mittel 2000 m/s

Durchsatz Alkohol:

58 kg/s

Durchsatz Sauerstoff:

72 kg/s

Durchsatz Wasserstoffperoxid:

2,1 kg/s

Durchsatz Kaliumpermanganat:

0,2 kg/s

Treibstoffreste:

210 kg

Das Triebwerk arbeitete mit relativ geringem Brennkammerdruck, zieht man Druckgas, das nicht nur für das Triebwerk benötigt wurde und das Gerüst ab, so wog es 852 kg bei einem Schub von 252 kN ist das ein Schub/Gewichtsverhältnis von 30, moderne Konstruktionen erreichen hier ein Verhältnis von 80.

One thought on “Von der R-1 zur R-5: Teil 1

  1. Interessanter Eintrag über die A-4, vielen Dank!

    „In diesem Teil geht es nur um die A-4, doch da die R-1 eine sehr genaue Kopie der R-1 ist eigentlich auch um die R-1.“
    Ich glaube, das zweite R-1 sollte auch ein A-4 sein, oder?

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