Heute vor 35 Jahren …

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War Voyager 2 noch 20,6 Millionen km von Neptun entfernt, den sie am 25.8.1989, also nur 14 Tage später passieren würde. Schon wenige Tage vorher am 6. August 1989 wurde die Far Encounterphase gestartet, ab der Voyager 2 besonderen Support durch das Deep Space Network erhielt. Er sollte nochmals in der Near-Encounter Phase den Stunden vor und direkt nach der Passage ansteigen.

Zu den Zeitpunkt hatte Voyager 2 schon vier neue Monde entdeckt, der größte und als erstes am 16.7.1989 entdeckte Neptunmond Proteus konnte sogar noch in das Beobachtungsprogramm integriert werden. Vor allem aber hatten die Bilder, die Voyager ab dem 6.6.1989 zur Erde sandte, die Wissenschaftler beruhigen: dreieinhalb Jahre vorher hatte Voyager 2 Uranus passiert, in seiner Größe, Masse und chemischen Zusammensetzung ein Zwilling von Neptun. Er war aber völlig unauffällig. Er zeigte keine der bei Jupiter und Saturn so interessanten Bänder und Zonen die miteinander agierten. Der Grund war eine globale Smogschicht aus Methandampf über den Wolken, die für Voyagers Kameras undurchlässig war. Nur im Infraroten kann man die Wolken darunter sehen. Detailbilder von Uranus gibt es daher von Weltraumteleskopen und irdischen Großteleskopen, aber nicht von Voyager.

Doch schon auf den ersten Aufnahmen war erkennbar, das es einen dunklen Fleck gab und So bekam dann dieses Merkmal auch diesen Namen „Great Dark spot“. Es handelte sich, das sieht man aus dieser Aufnahme schon, um einen Wirbelsturm. Er ist der größte Sturm im Verhältnis zu dem Planeten. Er hat eine Breite von 13.000 km und eine Höhe von 6.000 km ist also in etwa so breit wie die Erde. Neptun hat einen mittleren Durchmesser (als Gasplanet ist er am Äquator breiter als von Pol-zu-Pol) von 49.225 km, so nimmt der Sturm mehr als ein Viertel des Durchmessers ein. Während allerdings Jupiters Große Rote Fleck seit 400 Jahren existiert, auch wenn er seine Farbe und Größe ändert, war der Great Dark Spot auf Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble 1994 schon wieder komplett verschwunden, 2016 hatte sich nach Aufnahmen des Keck-Observatorums dagegen ein neuer Sturm gebildet, der diesmal aber heller als der Rest der Oberfläche war. Neptun ist also ein sehr aktiver Planet.

Es sollten noch weitere Entdeckungen folgen. So waren bis zu diesem Zeitpunkt die Ringe auf Aufnahmen noch nicht deutlich sichtbar und der Neptunmond Triton nur ein kleiner Punkt. An ihm würde Voyager 2 nach der Passage nahe vorbeifliegen und Aufnahmen machen.

Leider werden wahrscheinlich diese Bilder bis auf weitere Jahrzehnte noch die besten von Neptun bleiben. Es gab zwar enorme Fortschritte bei Weltraumteleskopen und auch irdischen Teleskopen. Das größte derzeit im Bau befindliche irdische Teleskop, das ELT hat einen Durchmesser des Hauptspiegels von 39,3 m. Es würde bei Neptun etwa 170 km Auflösen. Die obige Aufnahme hat eine Auflösung von 190 km. Man wird also die Qualität dieser Aufnahmen erreichen, aber nicht die Auflösung der eigentlichen Nahaufnahmen.

Voyager übermittelte 9.835 Aufnahmen – dank Optimierung des Bodensegments sogar über 3.000 Aufnahmen mehr als von Uranus. Die Raumsonde ist heute noch aktiv – 35 Jahre nach dem Vorbeiflug und 47 Jahre nach dem Start, wenngleich es immer wieder Probleme gab. Fünf Experimente sind noch aktiv, mehr als 137 AE (rund 20,5 Milliarden Kilometer ist sie von der Sonne bzw. der Erde entfernt). Die NASA hofft die letzten noch aktiven Instrumente noch bis zum 50-jährigen Jubiläum im August 2027 im Betrieb zu halten.

Warum ist dem so, dass es seitdem keine weitere Mission gab? Nun es gab ja immer wieder Vorschläge, alleine im letzten Jahrzehnt die Trident-Mission, eine Mission welche die noch unbekannte Hälfte von Triton erfassen sollte, eine vergleichsweise kleine Discovery-Class Mission, die Neptun nur passieren würde. Wesentlich teurer wäre Neptune Odyssey, eine Mission in der Preisklasse der Mars Rover oder Cassini. Sie würde in einen Orbit einschwenken. Während die Chancen für solche großen Missionen per se schlecht sind, weil sich die NASA nur eine pro Jahrzehnt leistet, derzeit zum Beispiel Europa Clipper, kam Trident zu einem falschen Zeitpunkt: im selben Jahr genehmigte die NASA zwei Venusmissionen: Davinci+ und VERITAS. Sodass es keine Chance für Trident gab. Da sie Sonde auf einen Swing-By an Jupiter angewiesen ist, hat sie erst wieder in knapp einem Jahrzehnt eine Chance auf Verwirklichung.

Trident hätte zwar nicht so viele Daten geliefert wie Neptune Odyssey, es war ja nur eine Stippvisite. Aber anders als bei Voyager, kann man heute viele Daten in kurzer Zeit gewinne, an Bord speichern und dann über Monate übertragen. Ein Paradebeispiel ist New Horizons, die alle Daten innerhalb weniger Tage gewann und das von einem Objekt das noch kleiner als Triton ist.

Das Grundproblem aller Raumsonden zu den äußeren Planeten ist die Reisezeit und Ankunftsgeschwindigkeit. Voyager 2 brauchte etwas mehr als 12 Jahre um Neptun zu erreichen. Nach dem NASA Trajektory Browser sind minimal knapp unter 8 Jahre Reisezeit erreichbar, wenn man ein Swing-By durchführt. Die maximale Reisezeit gäbe es auf einer Hohmannbahn welche die Neptunbahn tangiert, das sind etwa 30 Jahre. Neptune Odyssey wäre 12 Jahre unterwegs und Trident ebenfalls, beide mit mehreren gravity Assists. Nach dem NASA Trajectory Browser braucht man nur bei einem Gravity Assist bei Jupiter 7,5 bis 8 km/s relativ zu einer Erdbahn – Voyager 1 als schnellere der beiden Sonden, startete mit 6,8 km/s aus einer Erdbahn heraus. Das heißt, die Nutzlast sinkt stark ab. Die Trägerraketen der USA mit der größten Nutzlast würden nicht mal diese Geschwindigkeit erreichen, weil sie nur zwei oder zweieinhalbstufig sind (Voyager setzte fünf Stufen ein).

Das nächste ist, wenn man schnell fliegt, kommt man auch mit einer hohen Geschwindigkeit an. Diese Überschussgeschwindigkeit muss man wieder abbauen und da Neptun viel masseärmer als Jupiter und Saturn ist, braucht man wenn man in eine Umlaufbahn einschwenken will, viel Treibstoff. Neptune Odyssey besteht zur Hälfte aus Treibstoff. Lösungen für das Dilemma gibt es derzeit keine. Ionentriebwerke welche die Sonde abbremsen könnten, brauchen Strom und da es noch keine einsatzbereiten leichten Kernreaktoren für den Weltraumeinsatz gibt wird der aus RTG kommen und die sind teuer, ihre Leistung somit begrenzt. Daneben würde eine Abbremsung mit Ionentriebwerken auch die Reisezeit weiter anheben. Im Endeffekt ist es ein Nullsummenspiel. Was theoretisch möglich wäre, aber nie durchgeführt wurde, wäre ein Aerobraking. Dafür hat die Raumsonde einen (eventuell erst im Flug ausfahrbaren) Hitzeschutzschild und taucht in die Neptunatmosphäre ein. Sie bremst die Sonde ab, soweit, dass sie danach in einer ersten Umlaufbahn landet. Diese Umlaufbahn muss noch stabilisiert werden, sonst würde sie nach einem Umlauf verglühen, da der Neptun-nächste Punkt immer noch in der Atmosphäre liegt.

In der Theorie ist dies toll. Ein Hitzeschutzschild macht bei bemannten Raumfahrzeugen nur einen kleinen Teil der Startmasse aus, in der Richtung um 10 Prozent der Gesamtmasse. Aber neben der Tatsache, dass man dafür die Bahn und vor allem die Neptunatmosphäre genau kennen muss, man will ja vermeiden, dass die Sonde zu stark abgebremst wird und verglüht oder nicht genug Geschwindigkeit verliert und Neptun wieder verlässt ist der Hitzeschutzschild eine Herausforderung. Er soll ja nicht eine massive Kapsel schützen und selbst die haben, wenn sie zur Erde zurückkommen überall schwarzen Ruß an der Oberfläche – ein No-Go bei einer Raumsonde, die empfindliche Instrumente hat. Eine Raumsonde hat Ausleger, ist unregelmäßig geformt, hat eine große Antenne. Also muss der Schutzschild entweder enorm groß sein um alles abzudecken. Oder die Raumsonde bleibt kompakt, entfaltet also nichts, bis sie im Neptun-Orbit ist, was auch riskant ist, denn gibt es dann ein Problem – entweder schon beim Start vorliegend oder erst durch die Abbremsung entstanden, dann ist sie auch verloren weil nicht betriebsfähig. Ich würde denken, dass man erst einmal eine kleine Atmosphärensonde zu einem Ziel, in das man über diese Technik den Orbit erreichen will sendet, um die genauen Parameter wie Dichte und Temperatur in Abhängigkeit von der Höhe zu ermitteln. Dann wäre die Technik aber auch bei Uranus, Saturn und Titan anwendbar. Mit Aerobraking kann man relativ hohe Geschwindigkeiten neutralisieren und so die Reisezeit deutlich verkürzen.

Die nächsten Startfenster über Jupiter zu Neptun gibt es nach dem NASA Trajectory Browser am 23.2.2031 und 29.3.2032. Es sind immer zwei Startfenster getrennt durch 13 Monate – die gemeinsame Periode von Jupiter und Erde für ein Startfenster und dann gibt es wieder einen Jupiterumlauf (12 Jahre) keine Startgelegenheit, so lagen die beiden vorherigen Fenster im Januar Februar 2018/2019. Die Startfenster von 2031 und 2023 liegen 6-7 Jahre in der Zukunft, vielleicht noch eine Chance für Trident. Neptun Odyssey wird man als Großmission, damit auch mit entsprechend langer Entwicklungszeit, nicht mehr bis dahin schaffen, mal abgesehen vom politischen Willen sie umzusetzen. Derzeit fokussiert sich die NASA auf die Bodenprobengewinnung auf dem Mars und dem Transport zur Erde, eine noch teurere Mission die sowohl den Kosten- wie Zeitrahmen sprengt. Damit stehen die Chancen für andere Großprojekte – es gibt ja auch den Vorschlag für eine Uranussonde ähnlicher Bauart und Enceladus Orblander schlecht, zumal es bei der NASA auch Großprojekte in anderen Abteilungen wie Hubble, das JWST oder derzeit in der Entwicklung das Nancy Grace Roman Space Telescope hat.

Nach wie vor haben die äußeren Planeten eine geringe Priorität und die wird immer kleiner, je weiter sie von uns entfernt sind. Zu Jupiter hat die NASA bisher drei Sonden geschickt, zu Saturn eine, eine zweite (DragonFly) wird in einigen Jahren folgen und Missionen zu Uranus und Neptun werden seit langem vorschlagen, aber nicht umgesetzt. Wenn sich jemand wundert warum ich nur von der NASA rede: Die ESA könnte keine RTG stellen, da sie das dazu benötigte Isotop Pu-239 nicht zur verfügung hat. Ohne RTG geht es in diesen Distanzen von der Sonne aber nicht.

One thought on “Heute vor 35 Jahren …

  1. Ich finde es unerhört, dass es am 20. August (bzw. am Vortag wegen Signallaufzeit) keinen Glückwunsch-Uplink zu Voyager 2 geben wird. Stattdessen muss Voyager 2 sein Magnetometer kalibrieren. Kein Respekt vor dem Alter…

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