Microsoft und das Altair BASIC (2)

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Dieser zweite Teil schließt inhaltlich an den ersten Teil gestern an.

Schon am 22.7.1975 hatte Ed Roberts eine Lizenzierungsvereinbarung mit Allen und Gates unterschrieben. Diese wurde mit Hilfe von Gates Vater, einem Anwalt, und einem örtlichen Anwalt in Albuquerque aufgesetzt. Sie galt als der Prototyp für spätere Vereinbarungen, weil sie die erste Softwarelizenzierung war. Vorher – bei großen Rechnern, die vom Kunden direkt beim Hersteller gekauft wurden, war es so das man entweder eine bestimmte Systemsoftware mitbekam, ohne die der Rechner nutzlos war oder man weitere Software – meist Programmiersprachen – käuflich erwerben konnte. Die benötigte Software schrieb man dann selbst. Selbst SAP, die drei Jahre vorher gegründet wurden, verkauften zu diesem Zeitpunkt die Software, nur waren sie eben nicht der Hersteller des Rechners. Das Basic das Gates und Allen entwickelten, unterschied sich in zwei Punkten von diesem Geschäftsmodell: Zum einen schrieb Microsoft die Software und MITS vertrieb sie. Zum zweiten war das BASIC – mit Anpassungen – auf jedem 8080 Computer lauffähig, und davon sollten noch weitere entstehen. Es würden also noch weitere Lizenzen folgen, deren Verhandlung aber bei MITS lag.

Die Regelung sah feste Vergütungen von 30 bzw. 35 Dollar für jede Kopie von 4/8 K Basic die MITS zusammen mit Hardware verkaufte sowie 50 % von allen Kopien, die ohne Hardware verkauft wurde. Der gleiche Prozentsatz galt für Lizenzierungen. Das waren großzügige Margen, vergleichen mit anderen Lizenzmodellen wie bei Büchern, wo der Autor typisch 10 bis 15 % des Endverkaufspreis erhält (würde ich 50 % des Endverkaufspreises bei meinen Büchern verlangen, ihr könntet sie nicht mehr bezahlen). Ähnliche Regelungen gelten bei Tonträgern. So gab es damit dies nicht ausuferte auch eine Kappungsgrenze von 180.000 Dollar.

Eine Regelung der Vereinbarung sollte noch wichtig werden. Sie besagt, das MITS ihr Möglichstes tun würde um BASIC zu lizenzieren und zu kommerzialisieren. Ein Verstoß gegen diese Regel wäre ein Grund das Abkommen seitens Microsoft zu terminieren. Es gab bei Vertragsabschluss auf die Hand schon mal 3.000 Dollar.

Doch die Umsätze entwickelten sich nicht so wie erwartet. Es gab drei Gründe dafür. Das eine waren die Raubkopien, die kursierten. Sie wären wohl kein Problem gewesen, wenn die für den Betrieb nötigen 4K RAM-Karten von MITS funktionieren würden. Doch mit ihnen hatte MITS Probleme. Sie liefen instabil. Bill Gates schrieb ein Diagnoseprogramm und es fand heraus das jede gefertigte Karte das Problem hatte. Erst mit Erscheinen des 8080A Prozessor beseitigte Intel den Fehler, den der Prozessor beim Refresh der dynamischen Speicherbausteine hatte. Es gab aber auch hausinteren Probleme mit den Karten. Andere Firmen designten in der Garage Karten, die funktionierten. So entstand Processor Technologies, die später die erste Karte herausbrachten die Text auf einem Fernseher darstellen konnte. Ihre Lösung: sie verwandten anstatt den billigen 4 Kilobit DRAM Bausteine die teureren 1 Kbit SRAM Bausteine mit denen es keine Probleme gab. Problem Nummer 3 war, das Ed Roberts bewusst war, das das BASIC das primäre Verkaufsargument für einen Altair war – denn der wurde nach wenigen Monaten vom IMSAI ebenfalls nachgebaut. So wurden 4K / 8 K BASIC für 60 bzw. 75 Dollar mit Speicherkarten verkauft, ohne Karte aber kostete das BASIC je nach Version zwischen 150 und 500 Dollar. (Hier werden verschiedene Beträge genannt die heute leider nicht mehr verifizierbar sind, in jedem Falle war die Stand-Alone Version mindestens doppelt so teuer wie die Bundleversion). Das war natürlich kein Kaufanreiz.

Bill Gates schrieb einen offenen Brief der zuerst in den Computer Notes, einer Art „Hauszeitschrift“ von MITS abgedruckt wurde, die dazu diente, die Altair zu promoten und in denen auch User Programme und Schaltpläne veröffentlichen konnten. Er wurde durch Les Solomon aber an andere Zeitschriften weitergegeben und dadurch sehr populär. Der Brief lautete:

By William Henry Gates III

February 3, 1976

An Open Letter to Hobbyists

To me, the most critical thing in the hobby market right now is the lack of good software courses, books and software itself. Without good software and an owner who understands programming, a hobby computer is wasted. Will quality software be written for the hobby market?

Almost a year ago, Paul Allen and myself, expecting the hobby market to expand, hired Monte Davidoff and developed Altair BASIC. Though the initial work took only two months, the three of us have spent most of the last year documenting, improving and adding features to BASIC. Now we have 4K, 8K, EXTENDED, ROM and DISK BASIC. The value of the computer time we have used exceeds $40,000.

The feedback we have gotten from the hundreds of people who say they are using BASIC has all been positive. Two surprising things are apparent, however, 1) Most of these „users“ never bought BASIC (less than 10% of all Altair owners have bought BASIC), and 2) The amount of royalties we have received from sales to hobbyists makes the time spent on Altair BASIC worth less than $2 an hour.

Why is this? As the majority of hobbyists must be aware, most of you steal your software. Hardware must be paid for, but software is something to share. Who cares if the people who worked on it get paid?

Is this fair? One thing you don’t do by stealing software is get back at MITS for some problem you may have had. MITS doesn’t make money selling software. The royalty paid to us, the manual, the tape and the overhead make it a break-even operation. One thing you do do is prevent good software from being written. Who can afford to do professional work for nothing? What hobbyist can put 3-man years into programming, finding all bugs, documenting his product and distribute for free? The fact is, no one besides us has invested a lot of money in hobby software. We have written 6800 BASIC, and are writing 8080 APL and 6800 APL, but there is very little incentive to make this software available to hobbyists. Most directly, the thing you do is theft.

What about the guys who re-sell Altair BASIC, aren’t they making money on hobby software? Yes, but those who have been reported to us may lose in the end. They are the ones who give hobbyists a bad name, and should be kicked out of any club meeting they show up at.

I would appreciate letters from any one who wants to pay up, or has a suggestion or comment. Just write to me at 1180 Alvarado SE, #114, Albuquerque, New Mexico, 87108. Nothing would please me more than being able to hire ten programmers and deluge the hobby market with good software.

Bill Gates

General Partner, Micro-Soft

Der Brief enthielt auch eine Reihe von Aussagen, die falsch waren. So gab Gates an, die Verkäufe von BASIC würden einem Stundenlohn von 2 Dollar entsprechen. In Wirklichkeit bekamen er und Allen ein Gehalt und konnten von den Lizenzeinnahmen zu diesem Zeitpunkt schon drei Angestellte bezahlen. Wenig später kaufte er sich einen Porsche 911, was bei einem Stunden­lohn von 2 Dollar sicher kaum möglich gewesen wäre. Das erwähnte APL wurde nie entwickelt. Die 40.000 Dollar Rechenzeit fielen vor allem bei Harvard an und dafür wurde ihm nie eine Rechnung gestellt. Alleine Paul Allen bekam ein Jahresgehalt von 30.000 Dollar, was rund 170.000 Dollar in heutiger Kaufkraft entspricht.

Der Brief wurde kontrovers diskutiert. Einige meinten Bill Gates hätte recht und meinten was es wohl an Büchern und Musik gäbe, wenn man diese einfach so verschenken würde. Andere griffen genau dieses Beispiel auf und meinten, man könnte ja auch legal eine Schallplatte auf Audiokassette kopieren. Wer sich auskannte, bezweifelte auch die Angaben von Bill Gates wie die Rechnung über 40.000 Dollar Computerzeit oder das sie nichts verdienten. Was allgemein auch bei Befürwortern des Briefes abgelehnt wurde, war der Ton des Briefes und die Ausdrucksweise, die so klang, als würde man Bill Gates persönlich bestehlen und nicht seine Firma oder MITS.

Ed Roberts war entsetzt über den Brief. Er meinte, das sähe aus als würde MITS seine Kunden beschimpfen und als kriminell darstellen und er drängte darauf, dass Bill Gates sich entschuldigte, was denn auch in einem weiteren Brief tat. Dabei waren beide durchaus nicht unterschiedlicher Meinung. Ed Roberts selbst schrieb einmal: “Anyone who is using a stolen copy of MITS BASIC should identify himself for what he is, a thief“. Er bezeichnete auch in den Computer Notes andere Firmen, die Zubehör oder alternative Karten für den Altair herstellten als „parasite companies“.

Schon vor dem Brief war Bill Gates in Ed Roberts Büro gestürmt und schrie ihn an, seine Software würde nur geklaut, er werde niemals was daran verdienen und verlangte, dass er auf die Gehaltsliste gesetzt wurde. Das tat auch Ed Roberts. Bill Gates bekam einen Stundenlohn von 10 Dollar. Allerdings wurde sein Lohn und der von Paul Allen mit den Lizenzeinnahmen verrechnet. An der Differenz von 10 Dollar Stundenlohn und 180.000 Dollar Kappungsgrenze bei den Lizenzen, sieht man das diese erste Abmachung sehr großzügig war. Es gab dann noch eine zweite Abmachung, die die Erstellung von Basic für den Altair 680 umfasste. Hier wurde nun das BASIC nicht mehr lizenziert, sondern es gab einen fixen Kontrakt über 31.500 Dollar. Ähnlich dotiert waren dann die Ports für weitere Computer in den folgenden Jahren – das damals bekannte „Microsoft Basic“ war schlussendlich eine Fortentwicklung dieser Version und hier lagen die Summen mit 10.000 bis 20.000 Dollar sogar noch niedriger.

Im Laufe der Zeit wurde die Zusammenarbeit zwischen Bill Gates und Ed Roberts immer problematischer. Im Prinzip waren beide Alpha-Tiere. Beide wollten das alles so lief, wie sie es dachten und beide konnten sehr ausfallend werden, wen dem nicht so war. Ed Roberts wusste, dass die Lizenzierung des BASICs der wichtigste Firmenbesitz war. Es kamen immer mehr Firmen auf den Markt, die neue Computer anboten. Nicht nur Nachbauten des Altairs, sondern Rechner die weiter fortentwickelt waren. Rechner die schon über eine Tastatur verfügten oder Anschlüsse um Peripherie anzuschließen. Die Verkäufe der Altair sanken ab 1978 drastisch als mit dem Tandy TRS-80, dem Commodore PET und dem Apple II die ersten Rechner erschienen, die man einfach einschalten und loslegen konnte. Sie hatten den BASIC Interpreter schon im ROM. Ed Roberts Taktik, der Konkurrenz zu begegnen, war es die Lizenzierung des BASIC zu verhindern. Die ersten Lizenzen gingen noch problemlos, die Firmen wollten es für Computer im internen Betrieb oder für Meßapperaturen mit dem 8080 Prozessor haben. Als immer mehr Firmen das BASIC für andere Mikrocomputer haben wollten, verweigerte er die Lizenz aufgrund von „market conflicts“.

Es gab für Gates und Allen immer weniger bei MITS zu tun und im November 1976 kündigte Paul Allen seinen Job bei MITS. Zwei Monate später, im Januar 1977, verließ Bill Gates Harvard endgültig. Die beiden verlegten den Firmensitz wieder nach Seattle. Trotz des Briefes, in dem sie meinten, sie würden nichts verdienen lag der Gewinn in diesem Jahr bei 100.000 Dollar, rund 600.000 Dollar in heutiger Kaufkraft. Wenig später kündigten sie die Vereinbarung mit MITS, nachdem sie die Kappungsgrenze von 180.000 Dollar erreicht hatten: 105.000 Dollar aus den Verkäufen von BASIC mit MITS Hardware, nur 10.000 Dollar aus Verkäufen ohne Hardware und 55.000 Dollar aus Lizenzierung des Quellcodes an andere Firmen. Ed Roberts prozessierte neige Wochen später daraufhin gegen Microsoft, weil er mitbekam das Microsoft mit Texas Instruments über eine Lizenz verhandelte und Texas Instruments hatte er noch in schlechter Erinnerung – als die Firma den Markt der Tischrechner betrat, kam MITS in Finanznöte, weil sie die Hardware selbst produzierten und so MITS unterbieten konnten.

Der Prozess schleppte sich hin. Es fiel schwer MITS ein aktives Verschulden nachzuweisen, was zur Kündigung berechtigte. Die Wende kam als Roberts die Firma an den Hersteller von Massenspeichern und Magnetbändern Perkes verkaufte. Pereks Anwälte schrieben Bill Gates, dass die Firma, das BASIC an keine Firma lizenzieren werde. Das hatte zwar auch Ed Roberts zuletzt getan, aber er hatte das nie gesagt oder gar schriftlich fixiert. Mit diesem Brief gewann Bill Gates den Prozess, und der Weg war frei BASIC für viele andere Firmen zu lizenzieren.

Das „Microsoft BASIC“ wurde zum Standard. Das grundsätzliche Problem: auch wenn andere Firmen ein BASIC selbst erstellten, orientierten sie sich doch an dem Microsoft BASIC. Der Sprachumfang wechselte, aber es war immer ein BASIC, das durchnummerierte Zeilen hatte, das keine Prozeduren, Funktionen, Datenaustausch oder lokale Variablen kannte. Das wäre bei den Homecomputern der späten Achtziger Jahre mit mehr Speicher möglich gewesen, aber man blieb bei diesem Standard, der von den Schöpfern von BASIC als „Krankheit“ bezeichnet wurde. Erst mit den 16 Bittern kamen neue Impulse wie Turbo Basic oder GFA Basic, doch da hatte die Sprache schon nicht mehr die dominierende Bedeutung, die sie bei den 8 Bittern hatte.

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