SpaceX und Zweckoptimismus

Nachdem ich schon SpaceX und ihre Infomationspolitik kritisiert und auch am 1.4. mal als Aufhänger für den Aprilscherz genutzt haben. Heute mal eine Sicht auf ihr Geschäftsmodell und ob es klappt. Nun steht ja der Jungfernflug an. Man sieht, dass die Firma was hinzugelernt hat. Denn nun wird anders als bei der Falcon 1 nur eine Demonstrationsnutzlast gestartet. Auch Elon Musk scheint hinzugelernt zu haben. Während er in früheren Aussagen immer die Sicherheit seiner Rakete und ihre Fähigkeit einen Triebwerksausfall aufzufangen betonte, gab er in einem Interview am 26.11. folgendes Statement ab:

„I’d give it perhaps 70 to 80 percent likelihood of success, of complete success where it goes to orbit,“ Musk said. „Obviously, that’s not 100 percent and that’s just my personal guess.“

Das zeigt sicher eine gewisse Reifung, da bei der Falcon 1 bei den ersten drei Starts ja jeweils Satelliten verloren gingen. Ich denke auch, dass bei einem Fehlschlag sicher nicht der zweite Start der erste Demonstrationsflug im Rahmen des COTS Programmes sein wird.

Zumindest eines ist realistisch: Die Erfolgswahrscheinlichkeit. Ich kann mich noch an einen Artikel erinnern, der in den DLR Nachrichten nach den ersten 20 Ariane Starts erschien und der zeigte, das bei völlig neu entwickelten typischerweise die Zuverlässigkeit 50 % bei den ersten 4-5 Starts und 80 % bei den ersten 20 Flügen ist. Dies ist eine typische Ziffer auch bei anderen Trägerraketen die von „Newcomern“ entwickelt werden. Selbst die Ariane 5 passt noch gut in dieses Raster.

Nicht umsonst gibt es bei allen neuen Trägern üblicherweise Erprobungsflüge – bei Ariane 1 waren es die ersten vier Flüge, bei Ariane 5 immerhin noch die ersten zwei (dann nach dem Fehlschlag die ersten drei) und auch beim Space Shuttle die ersten vier (ursprünglich sogar sechs). Es ist also damit zu rechnen, dass wahrscheinlich der eine oder andere Start der Falcon 9 fehlschlagen wird – wenn sie Konzeption genauso wie bei der Falcon 1 ist, dass zuerst Systeme eingespart werden und wenn sie dann doch notwendig sind nachgerüstet werden sind es eher mehr als weniger fehlgeschlagene Flüge.

Das Problem von SpaceX ist, dass sie dafür nicht die Zeit hat. Das austreiben der Fehler einer Trägerrakete kann dauern. Bei Ariane 1 fanden in zwei Jahren nur vier Starts statt. Bei Ariane 5 verging rund ein Jahr zwischen jedem Start und ebenso bei der Delta 3. Das gleiche gilt auch für das Vorgängermodell Falcon 1. SpaceX hat aber schon jetzt ein sehr optimistisches Launchmanifest, dass jeweils drei Flüge dieses und nächstes Jahr vorsieht, dann vier Starts 2013/4 und für 2015 sogar fünf Flüge.

Nun ist aber die Falcon 8 schon ein Jahr hinter dem Zeitplan der NASA zurück. SpaceX mag das nicht viel kümmern, weil 234 der 278 Millionen Dollar für drei Demonstrationsflüge schon überwiesen wurden. Nur gibt es diese dumme Passage im nächsten Vertrag, dass es möglich ist wenn eine Firma ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt, die andere Firma den Gesamtkontrakt zugeschlagen bekommen kann. Was für SpaceX spricht ist, dass sie ein Jahr vor der Taurus ihren Jungfernflug absolvieren kann. Sie hat also ein Jahr mehr Zeit die Fehler zu finden und zu beseitigen. Gegen sie spricht, dass sicher die Taurus II technologisch ausgereifter ist – die NK-33 (Pardon Aerojet 26) Triebwerke sind erprobt und ein verkürzter Castor 120 Booster ist sicher nicht besonders riskant in der Entwicklung. Die Tanks lehnen sich an die Zenit an. Ich würde daher vermuten, dass die Taurus II weniger Flüge braucht um die schlimmsten Fehler im Design zu finden.

Vor allem aber hat SpaceX ein konzeptionelles Problem: Die Hauptnutzlast wird die Dragon Kapsel sein, die Versorgungsflüge zur ISS durchführt. Die Fracht beträgt nach den vertraglichen Verpflichtungen aber nur 1.700 kg pro Flug (12 Flüge für 20 t). Die Nutzlast pro Flug ist bei OSC um 50 % höher. Noch schlimmer: Von 8,7 t Startmasse sind nur 1,7 t Fracht. Bei der Cygnus sind es 2,3 von 7,6 t, also im einen Fall 20 und im anderen Fall 30 %. Wenn nun die Nutzlast der Trägerrakete nach unten korrigiert werden muss (z.B. weil die SpaceX Annahmen sich als zu optimistisch erweisen, oder die Leermasse durch Nachrüstungen ansteigt), dann nimmt vor allem die Nettonutzlast ab. Würde die Nutzlast nur um 5 % absinken, so entspricht dies 436 kg – nicht viel bei 8,7 t Startmasse, aber rund ein Viertel der Fracht – schon sind 16 anstatt 12 Flüge nötig.

SpaceX spricht von mehr Nutzlast – das alles soll ein „Block II“ Design richten. Genaueres darüber gibt es nicht, aber so wie es SpaceX beschreibt – einfach neue Triebwerke rein, wird es nicht gehen. Dazu werden wohl alle Stufen verlängert werden müssen, was wiederum eine gravierende Modifikation ist und neue Risiken bedeutet. Noch dazu scheint das ganze Geschäftsmodell darauf zu basieren, dass erste Stufe und Dragon geborgen und wiederverwendet werden können. Das erste kostet mit Sicherheit Nutzlast (ich wette es wird erst bei späteren Flügen versucht, zuerst wird SpaceX wohl zufrieden sein, überhaupt einen Orbit zu erreichen). Zum zweiten – was passiert wenn es nicht klappt, oder Stufe oder Dragon zu beschädigt sind?

Das alles sind Risiken. Das Hauptrisiko ist aber OSC: Denn diese Firma ist für die NASA eine Alternative. Und sie hat einen Vorteil: Sie kann auf erprobte Komponenten und Zulieferer zugreifen, die schnell liefern können. Die Triebwerke der ersten Stufe sind auf Vorrat gelagert, die erste Stufe wird vom Hersteller der Zenit integriert (der dank Bankrott von Sealaunch derzeit nichts zu tun hat). Dasselbe kann man für andere Komponenten sagen. OSC meint 4 Starts pro Jahr durchführen zu können – also doppelt so viel wie von der NASA gefordert.

Andere Nutzlasten gibt es noch kaum – lediglich zwei Kommunikationssatelliten stehen auf dem Launchmanifest. Diese könnten bei Fehlschlägen ebenfalls abspringen. Vor allem gibt es auch hier das gleiche Problem: Die GTO Nutzlast ist kleiner als die LEO Nutzlast. Nimmt also die LEO Nutzlast um 10 % ab, so sind es 30 % bei der GTO Nutzlast und zack wird der Satellit zu schwer….

Falcon 9 spielt in einer anderen Liga als die Falcon 1. Sie ist größer und damit sind die Entwicklungs- und Startkosten höher. Die vier Flüge der Falcon 1 bezahlt sicher Elon Musk aus der Portokasse (wobei auch hier die Air Force zwei mit bezahlte). Bei der Falcon 9 ist ein Fehlschlag zehnmal teurer und sie hat praktisch nur einen Kunden – die NASA und den Transportauftrag. Und die NASA ist nicht auf SpaceX angewiesen. Diese beiden Punkte lassen viel weniger Fehler und keine Verzögerungen zu – es wird schwierig für SpaceX werden….

4 thoughts on “SpaceX und Zweckoptimismus

  1. Passend auf den Punkt gebracht. Man darf zusätzlich auch nicht vergessen, das OSC ein Unternehmen ist, das mit Trägerraketen (Pegasus) und Raumfahrttechnik insgesamt deutlich mehr Erfahrung hat als SpaceX. Die Chance, das OSC den NASA Auftrag bekommt, stehen meiner Ansicht nach deutlich besser als für SpaceX. Zudem halte ich alle Nutzlasteinschätzungen von SpaceX für übertrieben optimistisch.

  2. Naja, bei aller Begeisterung für OSC, die haben früher oder später auch mit einem physikalischen Problem zu kämpfen. Nämlich dem, dass das NK-33 nicht mehr hergestellt wird.

    Und falls die Russen mit der Sojus 2.1v (mit NK-33 und ohne Booster) ernst machen, dürfte von dort auch kein Nachschub zu erwarten sein.

  3. Aerojet verhandelt seit einem Jahr über die Wiederaufnahme der Produktion. Derzeit gibt es in den USA genügend Triebwerke für 18 Träger und in Russland weitere für 15 Flüge. Bei maximal 4 Flügen pro Jahr reicht es also für rund 8 Jahre – Zeit genug die Produktion neu aufzunehmen oder eine andere Lösung (RD-180?) umzusetzen.

    Da die Angara gebaut wird dürfte ein neues Sojus Derivat wohl vom Tisch sein.

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