Naturgesetze sind nicht wie menschliche Gesetze
Ein kürzlicher Kommentar von Hans hat mich zu meinem heutigen Blogeintrag gebracht: Es gibt ja tatsächlich Leute die meinen, vieles was heute physikalisch unmöglich ist würde einfach durch den nächsten physikalischen Umbruch oder durch eine Entdeckung möglich werden – egal ob es Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit, Beamen oder Antigravitation ist.
Denken die Leute die Natur funktioniert so wie menschliche Gesetze? Früher war Abtreibung strafbar, heute nicht. Naturgesetze ändern sich, je nach wissenschaftlichem Fortschritt?
Hallo? Die Menükarte mit dem Essen verwechselt? Die Modelle die sich in irgendwelchen „Gesetzen“, Formeln oder Theorien niederschlagen, sind nicht die Natur. Die ist unveränderlich. Es ist nur eine Sicht der Dinge, die immer weiter entwickelt wird. Das ist so wie das Modell der Erde. Früher dachte man es wäre eine Kugel – das reicht für vieles vollkommen aus, zumindest für einen Globus, um ihn ins Wohnzimmer zu stellen. Dann stellt sich raus, dass der Äquator etwa 43 Kilometer mehr Umfang hat als eine Linie um die Pole – also trifft es eher ein Ellipsoid. Dann stellt man fest, dass die Landmassen noch kleinere Veränderungen im Bereich von 1 km verursachen und das Modell ist eine Birne. Inzwischen gibt es noch genauere Modelle und wenn man die sich anschaut ist die Erdform eine Kartoffel. GOCE als ESA Mission wird die Erdform nun auf einige Zentimeter genau bestimmen.
Aber es zeigt das grundsätzliche: Die erste Annahme, die Erde ist eine Kugel stimmt – fast denn alle folgenden Modelle wiesen immer kleinere Abweichungen von der Kugelform auf. Beim Ellipsoid waren es maximal 43 km bei 12742 km mittlerem Äquatordurchmesser also 0,33%.Okay, dann wird’s genauer – aber braucht man das um nach New York zu fliegen?
Genauso funktioniert auch Naturwissenschaft: Wir haben Modelle von der Wirklichkeit, die immer detaillierter werden. ABER: es sind immer die Modelle (Menükarte) und nicht die Wirklichkeit! (Essen). Die Natur ist unveränderlich. Die Gesetze orientieren sich nach unseren Beobachtungen die mit fortschreitender Technik immer weiter gehen.
Vor allem aber: Die Modelle ergänzen sich. Also mal zur Gravitation. Newton erkannte: Gravitation ist eine Eigenschaft von Materie und nimmt mit dem Quadrat des Abstandes ab und bildet eine Kraft. Daran hat Einstein nichts geändert. Und für Raumfahrt muss man bis heute nicht mehr von der Gravitation wissen. Das gesamte zu seiner Zeit beobachtbare und erklärbare Universum gehorchte diesen Gesetzen.
Einstein erkannte, das Gravitation auch den Raum verändert und Zeit/Geschwindigkeit und Gravitation zusammenhängen und es merkwürdige Effekte gibt wenn die Geschwindigkeit nahe der Lichtgeschwindigkeit ist wie es auch beim Fall in sehr starken Gravitationsfeldern vorkommen kann. Die Newtonschen Berechnungen hat er aber nicht ungültig gemacht. Was an Einstein so genial war, ist das er die Theorie vor den Beobachtungen machte. Erst nachdem er sie aufstellte suchte man nach Beweisen um sie auch experimentell nachzuprüfen (der erste war der Effekt der Lichtkrümmung der bei der Sonnenfinsternis von 1919 nachgewiesen wurde).
Nun versucht die Quantentheorie noch die Gravitation mit den drei anderen Fundamentalkräften zusammenzuführen, was nur bei sehr hohen Temperaturen und Energiedichten geht wie sie kurz nach dem Urknall herrschten. Also nix was man heute im ganzen Universum beobachten kann. Ändert aber bei den Eigenschaften der Gravitation bei kleineren Energiedichten und Temperaturen nichts.
Nein Naturgesetze sind keine menschlichen Gesetze die man mal ändert. Sie sind Modelle. Es gibt ein Modell der Gravitation das man anwenden kann wenn man es mit Planeten, Sternen oder Satelliten zu tun hat, also Körpern kleiner Masse und großem Radius. Und dann gibt es Modelle, die eben nur nach dem Urknall gültig ist. Während es sicher Millionen von schwarzen Löchern gibt die man nach Einstein behandeln muss gibt es nur einen Urknall und Newton ist bei jedem Stück Materie – sogar bei einem Atom – anwendbar.
Mag sein, dass es ein noch genaueres Modell gibt, aber das nützt nix für die Raumfahrt, weil wir ja schon nicht die Bedingungen für Einsteins Modell (schwarzes Loch + Erde = größeres Schwarzes loch + Bumm) oder beim Urknall herstellen können (sonst kommen die schwarzen Löcher ganz von alleine….). Vor allem: Die bisherigen Modelle beschreiben ja nur das was man beobachten kann. Und eine Antigravitation wurde eben noch nirgends im All beobachtet. Weder im Größen, noch im Kleinen. Tut mir leid Hans… Eher klappt das mit dem Fahrstuhl ins All, oder dem Laserantrieb…. Tut mir leid, aber Mutter Natur ist ein böses Weib…
Da will mir einer meine Träume austreiben…
Nein, ernsthaft: Ich stelle die Erkenntnisse der Physik ja gar nicht in Frage. Allerdings muss ich zugeben, das ich mich mit den optischen Phänomenen schwer tue, die es nach der Relativitätstheorie in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit geben soll. (Real beobachtet hat sie ja noch niemand, weil die Energie zu gross wäre, um eine Sonde mit einer Kamera soweit zu beschleunigen.)
Und dann gibt es da ja noch die Tachyonen als Lösung der SRT. Möglicherweise sind sie genauso hypothetisch wie Higgs-Teilchen, allerdings wird nach letzteren verstärkt gesucht, nach Tachyonen dagegen nicht.
Und schliesslich ist meine These ja nicht, das die bisherigen Erkenntnisse in Frage gestellt werden, sondern so erweitert, wie es bei Newton und Einstein der Fall war: Newtons Gleichungen lassen sich ja als Spezialfälle der Einsteinschen Gleichungen auffassen. Dass, was mir vorschwebt ist eine Theorie, in der Einsteins Gleichungen die Spezialfälle sind. D.h. eine erweiterte Theorie, die die offenen Fragen aus Einsteins Theorien beantwortet, und mit Hypothesen aufräumt oder auch Hypothesen bestätigt, die man heute für abstrus hält. Grundsätzlich ist ja beides möglich, – was davon eintrift ist ’ne andere Frage, die nur die Zukunft zeigen kann.
Und schliesslich halte ich es für notwendig, zumindest in der Lehre, bzw. im Studium auch die abstrusesten Theorien einmal durchzurechnen, und sich jene Ergebnisse zu merken, die man persönlich in irgend einem Zusammenhang für Sinnvoll oder nützlich hält, um sie später noch einmal durchzurechnen, und die Vermutungen aus früheren Lebensjahren zu wiederlegen oder zu stärken.
In diesem Zusammenhang fällt mir Interview von Joseph Weizenbaum ein, der in den 90ern Sinngemäss einmal gesagt hat, das wirkliche Innovationen nur durch Impulse von Querdenkern stattfinden kann, die von den bisherigen Denkpfaden abweichen, und auch jene Dinge bzw. Ideen zulassen und untersuchen, die vom Mainstream nach einem kurzen Beweis als Sinnlos oder Unmöglich abgetan werden. Im Falle der Physik interpretiere ich das so, das es eine Aufgabe der Forschung ist, solche Theorien von Zeit zu Zeit mal mit Erkenntinssen aus Nachbargebieten abzugleichen und nachzusehen, ob sie wirklich allgemeiner Blödsinn, oder aufgrund neuerer Erkenntnisse in den Nachbargebieten nicht doch noch zu irgendwas zu gebrauchen sind.
Ein Beispiel das nicht aus der Physik kommt, wäre die Zahlentheorie. Die hat ein Mathematikprofessor gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch nur als Selbstzweck betrachtet, die keinerlei praktischen Nutzen hat. Heute wissen wir, das er mit dieser Einschätzung völlig daneben lag, weil moderne Kryptographie ohne Zahlentheorie nicht denkbar wäre, weil sie auf deren Erkenntnissen aufbaut.
Soweit erst mal. Ich hab dazu sicherlich noch mehr zu sagen, allerdings muss ich die Gedanken erst mal ordnen…