Sonnensegel und Ionentriebwerke
Die NASA wird in den nächsten Jahren die Technologie von Sonnensegeln fördern. Zeit einmal diese Technologie mit einer anderen zu vergleichen: Ionentriebwerke. Beide können genutzt werden, um Nutzlasten auf hohe Geschwindigkeiten zu beschleunigen. Beide benötigen dafür viel Zeit. Da hören aber schon die Gemeinsamkeiten auf. Sonnensegel benötigen keinen Treibstoff. Sie arbeiten mit dem Lichtdruck. Ionentriebwerke ionisieren ein arbeitsmedium und benötigen dafür Strom. Daher zuerst einmal zu den physikalischen Grundlagen und den daraus resultierenden Unterschieden.
Nach Einsteins Gleichung E=mc² besitzt auch das masselose Photon eine äquivalente Masse, da es Energie überträgt, oder anders ausgedrückt es überträgt die Energie beim Aufprall auf eine Oberfläche Dadurch resultiert ein Impuls. Allerdings ist das bei den Photonen die von der Sonnenoberfläche kommen, recht wenig. Ursprünglich entstanden im Sonneninneren hochenergetische Photonen, aber auf ihrer Reise zur Oberfläche (die übrigens rund 100.000 Jahre dauert – selbst Schnecken sind da schneller) verlieren sie einen Großteil dieser Energie. Der Schub, den das Licht hat, beträgt in Erdentfernung bei totaler Reflexion (100% nur knapp unter 9 N/km²). Wenn der Reflexionsgrad kleiner ist oder sie schräg zum Licht stehen ist es dann deutlich weniger.
Ionentriebwerke ionisieren schwere Elemente und beschleunigen diese durch ein elektrisches Feld auf Geschwindigkeiten von 10-200 km/s. Dazu wird eine sehr hohe Spannung benötigt und sehr viel Strom. Sie sind also abhängig von einer leistungsfähigen Stromversorgung die heute nur durch Sonnenzellen bereitgestellt werden.
Daher eine kleine Rechnung. Nehmen wir mal an, wir benötigen einen dauerhaften Schub von 1 N. Was wiegen beide Systeme dafür? Bei Ionentriebwerken ist das einfacher zu beziffern, weil hier schon viel Entwicklungsarbeit getan wurde. Das EADS Triebwerk RIT-35 hat einen Nennschub von 0,15 N. Es wiegt 7,4 kg. In einer ähnlichen Schub-Kategorie liegen auch US-Triebwerke von Boeing. Das bedeutet dass 7 Triebwerke rund 55 kg wiegen. Dazu kommt noch die Spannungsversorgung für die Hochspannung. Zusammen soll dies 100 kg ausmachen.
Das zweite ist die Stromversorgung. Sie wiegt bei dem heutigen Stand der Technik viel mehr als die Triebwerke selbst. Das erwähnte Triebwerk benötigt eine Leistung von 4.500 Watt. Derzeit erreichen die leistungsfähigsten Solargeneratoren 80 W/kg Gewicht. Die Stromversorgung für 7 Triebwerke wiegt also rund 394 kg. Dann wird noch Treibstoff benötigt, um das Raumschiff zu bewegen. Der ist nun ohne konkrete Mission schwer zu quantifizieren. 7 Triebwerke wären etwa adäquat für eine Mission von 1-2 t Masse. Bei einem Geschwindigkeitsbedarf von 12 km /s (etwas mehr als Dawn). Das sind für diesen Fall (2000 kg Sondengewicht) rund 480 kg Xenondruckgas. die Druckgastanks wiegen dann weitere 90 kg.
So kommt man zu dem Gesamtgewicht für diese Option von rund 1050 kg oder die Hälfte der Startmasse. Immerhin – um 12 km/s chemisch zu erreichen würde man eher mit 99,5% der Startmasse rechnen.
Ein Sonnensegel würde eine Fläche von 112.000 m² haben, um diese Beschleunigung zu ergeben. Das ist die Fläche von zwei Fußballfeldern. Solarsegel bestehen aus einem dünnen Film einer hochstrapazierfähigen Polymerfolie, bedampft mit Aluminium um die Reflexionsfähigkeit zu erhöhen. Die letzte Mission Nanosail-D setzte eine 7,5 µm dicke Folie ein. Ikarus eine genauso große Folie. Hier betrug das Flächengewicht der Folie 76 g/m². 112.000 m² würden das Segel alleine so 8571 kg wiegen. Dazu kommen dann aber noch Streben um es zu entfalten und der Container für die Verpackung.
Das grundsätzliche Problem von Sonnensegeln liegt in drei Punkten: Die Folien müssen extrem leichtgewichtig sein, trotzdem im Weltraum jahrelang dessen Bedingungen wiederstehen, also weder durch die Hitze noch Kälte noch UV-Strahlung verändert werden. Das zweite ist dass man diese recht großen Strukturen im All dann entfalten muss. Bisherigen Tests setzten recht kleine Sonnensegel ein. Ikarus ist schon das größte, trotzdem hat es nur 0,175% der Größe eines 1-Newton Segels. Der Sprung ist daher sehr hoch und ob es so leicht wird so große Strukturen zu entfalten?
Das letzte ist die Steuerung. Es gibt zum einen natürlich auch das Problem, dass man nicht nur in der direkten Linie weg von der Sonne beschleunigen will. Der schräge Impuls würde dann das Segel drehen. Vor allem gibt es bei so großen und leichten Strukturen zahlreiche Störeinflüsse – Mikrometeoriten und andere Kleinteile prallen auf, durchlöchern es und übertragen Impulse. Bislang wurde keine aktive Steuerung demonstriert. Diese ist bei Ionentreibwerken recht einfach möglich, durch asymmetrischen Schub oder Schrägstellen der Triebwerke. Die Solarzellen für die Stromversorgung sind viel kleiner und weniger stoßempfindlich. Sie würden bei 25% Wirkungsgrad nur rund 100 m² Fläche bedecken. Weniger als ein Tausendstel der Sonnensegelfläche.
In der Summe klingt das Prinzip zwar viel einfacher (es kann nichts ausfallen – aber auch Ionentriebwerke haben schon 10.000 Betriebsstunden demonstriert) aber die Frage der „Wies“ und vor allem die Differenz zwischen erreichtem Gewicht und benötigtem Gewicht ist doch noch sehr groß. Es gibt zwar Lösungsansätze das benötigte Leergewicht zu erreichen (das bedampfen einer Folie mit Aluminium, die Oxidation und dann das wegätzen der Folie um eine sehr leichtgewichtige Folie zu erreichen), aber erprobt hat das noch keiner und sie wird noch empfindlicher als heutige Folien sein.
Bei 76 g/m² * 112.000 m² komme ich auf 8512 statt 8571 kg, aber egal: danke für den aufschlussreichen Artikel! Hätte nicht gedacht, dass Sonnensegel im Vergleich dermaßen schlecht abschneiden…
1 N Schub auf der Erdbahn?
Der Wirkungsgrad des Segels nimmt schnell ab, wenn es richtung äußere Planeten gehen soll.
Das Segel und die Solarzellenfläche müssen dann größer gewählt werden. Die Solarzellen nehmen aber nur einen Bruchteil der Sondenmasse ein, so das mit zunehmender Entfernung der Vorteil des Ionentriebwerks immer größer wird.
Bist du dir mit den 76 g/m² sicher? Ohne Bedampfung sind das schon recht dicke Folien.
Grüsse, Bernd
Die Diagonale der IKAROS-Segels wird mit 20m angegeben, das ergibt eine Kantenlänge von 14,14m.
Das Quadrat hätte dann 200m² Fläche.
Da es Lücken in der Fläche gibt, wird die Fläche mit 172m² angegeben.
Das Gewicht des Segels sind angeblich 2kg.
Das ergibt ein Flächengewicht von 11,63g/m².
Ein Segel mit 112.000m² würde dann 1302,3kg wiegen.
Natürlich noch ohne Streben und Drähte.
>Ein Sonnensegel würde eine Fläche von 112.000 m² haben, um diese >Beschleunigung zu ergeben. Das ist die Fläche von zwei Fußballfeldern.
(Ein Fussballfeld hat die Fläche von 68*105=7.140m², also wären es ca. 16 Fussballfelder)