Lebensmittelqualität
Kürzlich fand ich folgenden Kommentar im Blog:
„Bernd, mich würde mal eine Aussage des Fachmanns zur allgemeinen Lebensmittelqualität interessieren. Natürlich essen wir i.d.R. zu viel und zu sehr “synthetisch” im Sinne von vorverarbeitet und Inhaltsstoffe, die das Produkt billiger machen.
Das sind aber eher Probleme des Verbraucherverhaltens (“Essen muss reichlich und billig sein”) Ich meine das eher im Sinne der tatsächlichen Qualität und der Schadstofffreiheit. Wenn wir den Medien und den Verbraucherschützern glauben essen wir ja nur noch pures Gift.
Ist das so? War die Nahrung vor 40 Jahren unbedenklicher als heute? Die reinen Synthetikprodukte aber auch Premium-Bioprodukte (Demeter o.ä.) wollen wir mal außen vor lassen. Also den Durchschnitt. Ohne die ersten und letzten 10%.
Der andere Bernd“
Bernd hat eine sehr interessante Frage gestellt, nämlich die ob die Lebensmittelqualität in den letzten 40 Jahren besser geworden ist. Die Frage ist schon deswegen interessant, weil wahrscheinlich zehn Leute zehn verschiedene Antworten geben würden, was Lebensmittelqualität sein kann. Hier einige Dinge die mir so spontan in den Gedanken kommen:
- Eine hohe Qualität eines Lebensmittels kann ein hoher Gehalt an wertgebenden Inhaltsstoffen sein. Dieser Fachausdruck kann aber auch vom Laien verstanden werden. Wertgebend ist ein Inhaltsstoff, wenn er teuer ist oder wesentlich für das Lebensmittel also für den Geschmack oder die Zusammensetzung. Bei einer Reihe von Lebensmitteln findet man die in den Leitsätzen, also den Vereinbarungen aller bei Herstellung, Handel und Verbrauch beteiligten niedergelegen Rezepturen. Oder es gibt zumindest Mindestanforderungen in Verordnungen. So ist für Schokolade z.B. er Mindestkakaoanteil festgelegt. Bei Schokolade kann es der Kakaoanteil sein, bei einem Körnerbrot die Menge an Körnern bei einer Linsensuppe in Dosen die Linsen und Würstchen und bei einer Pizza die Menge des Belags und seine Verteilung (viel Salami oder viel Kase).
- Eine hohe Qualität kann eine weitgehende Armut an Schadstoffen sein, also möglichst wenig an Rückständen entweder aus der Umwelt (Schwermetalle, PAK, PCB) oder der Produktion (Pestizide, Tierarzneimittel, Hormone)
- Eine hohe Qualität kann eine sehr schonende Verarbeitung sein, welche z.B. Geschmack möglichst wenig verändert und Vitamine erhält.
- Eine hohe Qualität kann ein Verzicht auf erlaubte Zusatzstoffe sein.
Das alles sind mögliche Definitionen und ich will mal drauf eingehen, was die Problematik ist. Ich beginne mit dem einfachsten: Dem Punkt 2: Armut an Rückständen. Denn dies wird von amtlicher Seite kontrolliert und die Analytik hat in den letzten Jahrzehnten solche Fortschritte gemacht, dass dies auch sehr effektiv möglich ist. Zahlreiche Gesetzgebungen, wie der Verbot von verbleitem Benzin in den achtziger Jahren haben die allgemeinen Umweltbelastungen tendenziell gesenkt. Bei einigen ubiquitär vorhandenen Stoffen ist dies nicht der Fall, doch auch diese liegen weit unter den Grenzwerten. Bei den Pestiziden ist es so, dass durch die Kontrolle die gravierenden Überschreitungen von Grenzwerten seltener geworden sind, genauso wie bei Tierarzneimitteln und Hormonen. Was allerdings vor allem bei Pestiziden der Fall ist, ist dass immer mehr Stoffe eingesetzt werden, weshalb Experten schon dafür plädieren einen gemeinsamen Grenzwert der alle Substanzen umfasst einzuführen, da bisher nicht untersucht wird, wie sich die Wirkung von vielen kleinen Dosen addieren oder sonst wie verstärken können. Ich würde davon ausgehen, dass wir heute weniger stark durch Rückstände belastet sind als vor vierzig Jahren, weil die Grenzwerte verschärft wurden, und auch die Kontrollen viel besser geworden sind. Das es heute mehr Skandale gibt ist auch ein Ergebnis dessen. Früher hätte es die wohl gar nicht erst gegeben, weils keiner bemerkt hätte.
Die anderen Punkte sind schwerer zu beantworten. Zum einen gibt es bei Punkt 3 heute mehr Möglichkeiten ein Produkt schonend herzustellen. Die Überwachung der Produktion ist besser geworden, es gibt Methoden sehr rasch Produkte zu erhitzen und ebenso rasch abzukühlen bis hin einzufrieren. Es gibt Mikrowellen zum Erhitzen, die keine direkte Wärmeentwicklung bewirken. Das ist die eine Seite, auf der anderen Seite haben wir aber auch eine Abkehr von der handwerklichen Herstellung oder kurzen Wegen zum Verbraucher hin zu industrieller Herstellung und langen Wegen. Das bedeutet tendenziell, dass Lebensmittel „robuster“ sein müssen, also mehr aushalten können müssen beim Transport. Bekannt ist das bei Obst. Tomaten kommen aus immer größerer Entfernung und werden grün geerntet. Bei Apfelsorten ist heute eine harte Schale ein wichtiges Sortenkriterium, weil die Waren nicht mehr vorwiegend auf dem Wochenmarkt sondern im Supermarkt verkauft wird.
Mit den Zusatzstoffen, also dem letzten Punkt ist es ebenso nicht leicht. Unbestreitbar hat uns die EU-Gesetzgebung hier viel mehr beschert. Nach den EU-Gesetzen muss ein Lebensmittel das legal in einem Mitgliedsland in den Verkehr gebracht wird auch in allen anderen Ländern legal gehandelt werden können. Das bedeutet, dass die EU seit Jahrzehnten die Gesetzgebung in den Mitgliedsstaaten harmonisiert und das führt unter anderem zu über 300 zugelassenen Zusatzstoffen. De fakto hat das eher die Tendenz den niedrigsten Standard in Europa einzuführen, als andere Länder auf den hohen Standard von Deutschland oder der Schweiz anzuheben. Ob diese allerdings alle eingesetzt werden ist eine andere Sache. Tendenziell würde ich annehmen es sind mehr Zusatzstoffe geworden, die man in Lebensmittel findet. Das sehe ich, wenn ich plötzlich in Wurst erlaubte Farbstoffe sehe. Diese waren schon früher erlaubt aber nun findet man sie vermehrt. Dazu wird die Industrie immer trickreicher Verbote zu umgehen. So ist es nicht erlaubt in Brot Farbstoffe einzubringen. Also gibt e neue „Zutaten“, die färbend sind, wie Malzextrakt oder Runkelrübensaftkonzentrat. Auch das Optimieren der Produktion führt zum verstärkten Einsatz. Ein Stichwort ist hier die Brotherstellung. Da will der Verbraucher zwar ein möglichst urtümliches Brot, aber gleichzeitig dürfen da auch keine großen Gasblasen drin sein, es muss gut aufgegangen sein, eine knusprige Krume haben und lange haltbar sein. In der Summe ist das ohne Mehlbehandlungsmittel aber nicht zu machen. Die traditionelle Produktion kann eines oder zwei dieser Merkmale optimieren, doch nicht alle.
Der erste Punkt, die qualitative Zusammensetzung. Das grundsätzliche Problem ist, dass wir hier kaum Vorschriften haben, wie Lebensmittel zusammengesetzt sein sollen. Es gibt die Leitsätze die diese Funktion haben sollen, doch da an diesen alle Beteiligten (Hersteller, Handel, Verbraucher und Überwachung) mitwirken, gibt es da kaum Fortschritte. Wenn dann sind sie für den Verbraucher nur bedingt nützlich, wenn bei Fleisch z.B. der Gehalt an Kreatinin und Hydroxiprolin als Indikatoren für bestimmte qualitativ hoch- oder niederwertige Fleischbestandteile angeführt werden, dann nützt ihnen das wenig. Neue Lebensmittel, also die zahlreichen Kreationen und sei es nur ein neues Brot finden sich schon gar nicht darin. Leitsätze gibt es praktisch nur für traditionelle Lebensmittel die allgemein verbreitet sind, nicht für Handelsmarken, egal wie populär diese sind (Milchschnitte, Knobbers, Hanuta um nur einige zu nennen).
Das einzig positive ist, dass seit einigen Jahren die wertgebenden Bestandteile in Prozentangaben auf den Verpackungen vermerkt sein müssen, sodass man diese einsehen kann. Die Lebensmittelüberwachung hat auch nicht die Aufgabe generell die Zusammensetzung eines Lebensmittels zu ermitteln, sondern nur die Übereinstimmung mit Mindestangaben zu überprüfen (sofern in den Leitsätzen etwas dazu steht) oder bei Herausstellung, das es etwas besseres sei wie dem Wort „Premium“ zu überprüfen ob es die Mindestgehalte deutlich überschreitet. Es gab in der Zeit auch einige Versuche die Mindestanforderungen zu senken, so bei dem Gehalt von Rindfleischextrakt in Suppen und meist ist das auch gelungen. Auf der anderen Seite hat die „Light“ Welle dazu geführt, dass ich immer mehr tendenziell leichte Lebensmittel im Regal sehe. Wer mal eine Nährwerttabelle aus den achtziger Jahren nimmt und den Brennwert bei verschiedenen Wurstsorten mit normaler Supermarktware vergleicht, stellt fest dass diese heute viel fettärmer ist.
Schlußendlich gibt es nur ein Resümee : So genau weiß niemand wie sich die Qualität verändert hat. Ich persönlich würde sagen sie ist tendenziell besser geworden, allerdings mit Ausnahmen wo dies nicht der Fall ist. Was hilft ist sich wirklich die Packungen durchzulesen und dann an der Kasse abzustimmen. Wenn mehr hochwertige Lebensmittel verkauft werden, dann werden auch mehr produziert. Das hat gerade die Light-Welle gezeigt. Als die Verbraucher kritischer wurden, wie viel Fett in der Wurst ist, dann sank als Folge auch der Fettgehalt bei normaler Wurst.