Am Markt vorbei entwickelt
Es waren einige ohne viel Neues von SpaceX. Wie immer wenn sie tatsächlich was arbeiten müssen, kündigen sie nichts an. Nun soll in einigen Wochen endlich der erste Versorgungsflug beginnen. (Bei der Pressekonferenz zu COTS 2/3 im Mai war noch von August die Rede) Er wird nach NASA-Langzeitplanung 1268 kg Fracht zur ISS bringen. Eventuell ändert sich da noch was kurzfristig, aber wahrscheinlich nicht viel. Warum es nur 1268 und nicht 6000 kg sind wie von SpaceX als Nutzlast angegeben? Nun Zeit mal zu untersuchen, wie das Unternehmen sich auf die Märkte ausrichtet die sie umkrempeln will.
Was man als Laie erwartet ist, dass wenn eine neue Rakete entwickelt wird, noch dazu von einem kommerziellen Unternehmen das neu ist und also den etablierten Konkurrenz machen will, dann sollte ich diesen vorher studieren und mein Produkt so auslegen, dass ich möglichst viele Aufträge bekommen kann. Wenn ich z.B. eine Trägerrakete für GTO-Transporte entwickeln würde, dann wäre eine mit 6 t Nutzlast sinnvoll, so viel wiegen die schwersten Satelliten und man hat etwas Luft wenn sie noch schwerer werden (das Groß ist ja etwas leichter). Diese Diskussion, wie man bei Ariane 5 weitermachen soll, aufgrund der Tatsache, das man mit der Ariane 5 ECA nur noch schwer die Satelliten so kombinieren kann, dass ein Doppelstart möglich ist, führte ja zu zwei Vorschlägen – einem kleineren Träger mit der halben Nutzlast oder einem Ausbau zur Ariane 5 ME. Dies ist ein Beispiel wie man sich an die Märkte anpasst.
Doch kehren wir zu SpaceX zurück. Wie hat sich diese Firma auf existierende Märkte ausgerichtet? Die Falcon 1 sollte 670 kg Maximalnutzlast befördern können, sank aber in der Nutzlast auf 420 kg ab (nach den Angaben über den Orbit von Rakhsat-1 und den Betriebszeiten der Stufen komme ich auf noch niedrigere Werte – für diesen Orbit 280 kg anstatt 340 kg nach Users Manual). Zu dem Zeitpunkt, als die Entwicklung begann (2002) nahm die Startfrequenz der Pegasus, einem Modell mit annähernd gleicher Nutzlast schon ab, weil die meisten Satelliten nun größer waren und seit dem Erststart der Falcon 1 (2006) erfolgten nur 10 Starts der Pegasus. Hätte die Falcon 1 also alle diese Starts ergattert, so wären es 1-2 pro Jahr gewesen. Doch da die Falcon 1 nur zwei Stufen hat und die zweite Stufe mit 550 kg mehr als die Nutzlast wiegt, würde sie nicht alle Starts bekommen, denn die Nutzlast nimmt für höhere Orbits stark ab.
Konsequenterweise hat man die Entwicklung der Falcon 1e mit etwa doppelt so hoher Nutzlast zuerst aufgeschoben und dann still und leise aufgegeben (anders als die Ankündigung neuer Raketen wird sehr wenig über eingestellte Entwicklungen berichtet).
Zeitgleich wurde die Falcon V angekündigt. Wie die Ziffer V andeutet, sollte sie 5 Triebwerke desselben Typs wie die Falcon 1 in der ersten Stufe einsetzen. Bei einer Startmassse von 181 t hätte sie knapp 6 t in einen LEO Orbit und 1,9 t in den GTO-Orbit gebracht. Als die noch größere Falcon 9 konzipiert wurde, wurden die Planungen geändert und die Falcon V sollte nun eine Falcon 9 mit teilbefüllter Stufe (154 t Startmasse) sein. Die Nutzlast sank so auf 4,1 t ab. Während die ursprüngliche Version in etwa mit der Delta II vergleichbar war, die ja 2009 in der Produktion auslief, also durchaus einen Markt anvisierte, der wichtig ist, schließlich gibt es zahlreiche NASA Nutzlasten in diesem Segment, war diese neue Version nun zu klein für diese Transporte. Folgerichtig wurde sie 2005 eingestellt – um 2011 eine Wiedergeburt als „Stratolaunch“ zu erleben. Durch den Start durch die Luft und nun stärkere Merlin Triebwerke will man wieder die 6,1 t Nutzlast erreichen.
Es kam dann die Falcon 9, oder heute muss man besser sagen die „Falcon 9 V 1.0“. Ursprünglich mit 8,7 t Nutzlast angekündigt, steig diese dann auf 12,5 t ab und danach wieder ab auf 10,45 t nach SpaceX Angaben. Sie liegt damit in etwa in dem Bereich den auch die kleinsten Atas V Modelle und Delta 4 abdecken. Anders als bei diesen wird aber keine kryogene Zweistufe eingesetzt und die Nutzlast in den GTO nimmt stark ab. Ich (und auch das Institut für Trägerraketen bei der DLR) errechnen für den GTO nur 2-2,5 anstatt 4,5 t Nutzlast. Auch hier: der niedrige spezifische Impuls und die hohe Leermasse der zweiten Stufe sind daran schuld. Für GTO-Transporte ist die Falcon 9 V 1.0 also nicht geeignet. Dies scheint der Grund für die Entwicklung der „V 1.1“ mit schubstärkeren Triebwerken und 55% höherer Treibstoffzuladung gewesen zu sein. Diese erreicht dann die 4,5 t welche schon die erste Version aufweisen sollte. Die Frage ist, warum man sie nicht gleich angeht anstatt zuerst eine Interimsversion zu entwickeln. Noch verrückter: Die „V1.0“ hat eine etwas größere Nutzlast als die Delta II Heavy (etwa 8-9 t, für sonnensynchrone Orbits und fluchtbahnen schnell auf das Niveau der Delta II abnehmend) und man stellt die Familie ein und entwickelt für Stratolaunch eine kleinere Version mit etwas niedriger Nutzlast.
Die Falcon Heavy, aus drei dieser Falcon 9 stieg so ebenfalls in der Nutzlast an – von 24,5 t LEO nach den ersten Planungen auf 53 t nach den letzten Verlautbarungen. Hier scheint man allerdings realistischer bei der GTO zu sein – hier werden nur noch 12 t angegeben. Damit wäre sie geeignet für Doppelstarts der größten Satelliten, nur ist dafür die Nutzlastverkleidung der extrem langen Trägerrakete zu klein. Sie ist kürzer als die kleinste der Ariane 5. Grund könnten die hohen aerodynamischen Belastungen durch die hohe Beschleunigung und die lange Rakete sein. Immerhin sind die „V1.1“ Versionen beider Raketen die ersten, die tatsächlich auf einen Markt ausgerichtet sind.
Die „V1.1 Versionen“ bringen aber SpaceX in ein anderes Dilemma – die ISS Transporte. Die Firma bewarb sich auf die COTS Transporte mit der Dragon, einer Kapsel die vor diesem Programm für bemannte Transporte angekündigt wurde. Da diese nun auch im Rennen um den kommerziellen Crewtransport ist, hat die Geschichte der Firma recht gegeben, denn für ISS Transporte ist die Kapsel deutlich suboptimal. SpaceX spricht von 6 t Maximalnutzlast davon je 3 t in der Kapsel und hinten im „Trunk“. Das mag die Maximalnutzlast sein, und die Falcon 9 V1.1 kann das auch transportieren, nur benötigt die NASA vor allem Fracht im Druckmodul und da ist das Volumen von 10 m³ doch recht klein, zumal die Kegelform für sperrige Fracht sehr ungünstig ist. Die Dragon muss daher für 20 t Fracht 12 Flüge durchführen, durchschnittlich 1,67 t pro Flug, anfangs wenn man nur Fracht im Druckmodul braucht (die Shuttles haben in den letzten Flügen zahlreiche Reserveteile gebracht die außen an der Station angebracht wurden, daher gibt es derzeit keinen hohen Bedarf an Fracht im Trunk) werden es weniger als die 1,67 t sein. Später kann sie auf 2 t ansteigen. Das ist auch die Maximalnutzlast beim Start mit der der Falcon 9 V1.0. Doch nächstes Jahr wird sie von der Falcon 9 V1.1 abgelöst. Das bedeutet die Firma startet für ihren Hauptkunden, die NASA eine Kapsel die, solange die NASA nicht viel Wasser und andere schwere Dinge braucht, nur zu einem Bruchteil der maximal möglichen Nutzlast transportiert. Kurzum, man hat eine Rakete die ideal für den Zweck war, auf den die meisten Starts (2/3 des Launchmanifests) entfallen durch eine ersetzt, die um 50% zu leistungsfähig ist. Andere Sekundärnutzlasten wird es beim ISS Orbit kaum geben. Für sonnensynchrone Bahnen ist die Bahnneigung zu niedrig, für GTO zu hoch. Und da die Nutzlast von der NASA vorgegeben ist (und auch SpaceX bekannt ist), wird sich an der Tatsache wenig ändern.
Die Frage ist, warum man nicht wie OSC einfach einen zylinderförmigen Frachtbehälter genommen hat. Er ist auch nicht schwerer zu fertigen, leichter vergrößerbar und wenn die Firma im CCDev doch noch unterlegen sollte (also ich würde auf Boeing wetten, egal wie billig SpaceX ist – für die NASA zählt Zuverlässigkeit und Erfahrung) dann war die Entwicklung der Kapsel eine nette bezahlte Auftragsarbeit, doch mit weniger Flügen zur ISS bei mehr Fracht pro Flug hätte man viel mehr verdienen können. Siehe OSC – die bekommen für 8 Flüge sogar noch mehr Geld.
Was bleibt ist, dass wir bemerkenswert viele Designs haben – bei den Trägern die Falcon 1,Falcon 1e, Falcon V, Stratolaunch, Falcon 9 V1.0, Falcon 9 V1.1, Falcon 9 Heavy und Falcon Heavy, von denen aber bisher nur zwei von acht im Einsatz sind. Zielorientierung sieht anders aus. Genauso de Einsatz einer Wiedereintrittskapsel für Frachttransporte (zu schwer, zu teuer und weil die NASA auf einer neuen Kapsel pro Flug besteht auch nicht wiederverwendbar).
Ich hab es ja schon mal angesprochen: in vielem erinnert mich SpaceX an Softwareentwicklung. Es wird etwas angekündigt und angepriesen, das nie erscheint, oder es hat dann weniger Leistung als Versprochen und die wird in einem „Upgrade“ nachgeliefert und es folgen auf unbrauchbare Versionen („Windows Vista“) brauchbare („Windows 7“). Wie bei Software wird viel Rummel gemacht und Zeitpläne sind Makulatur. Die Parallelen zu Windows 1.0 das so toll angekündigt wurde und dann extrem verspätet erschien, sind schon frappierend. Da inzwischen sogar für Raketen Versionsnummern vergeben werden spricht viel dafür, dass bei SpaceX tatsächlich so gearbeitet wird. Wahrscheinlich kommt bald die Falcon 9 „2014 Edition“ oder die Falcon Experience.
Also ich halte die „Falcon Experience“ für die wahrscheinlichere Variante, weil die Firma inzwischen ja „Experience“ haben sollte…
Ich bin mir nicht sicher ob das mit den sekundärnutzlasten so korrekt ist. SpaceX hat doch einen Vertrag mit Spaceflight Inc. und wird also auch deren SHERPA transportieren. Der ist doch dazu da den Orbit zu wechseln. Somit kann durchaus noch eine Ladung Nanosats mit. Oder übersehe ich da etwas?
Zudem ist es für mich nicht ganz eindeutig ob diese Software-Herangehensweise wirklich negativ ist. Man scheint damit durchaus konstruktive Erfahrungen zu sammeln. Naja leider ist es noch zu früh um wirklich was zu sagen. In 2-3 Jahren wenn SpaceX richtig anfängt die Aufträge abzufliegen sehen wir wies es läuft und sind dann alle schlauer.
Ja den Geschwindigkeitsbedarf um einen Orbit zu wechseln und mit Nanosats verdient man nicht wirklich viel Geld.