Machen wir es uns einfach: SpaceX
Nachdem ich mich gestern über die einfache Betrachtung bei Nordkorea ausgelassen habe, heute ein anderes Thema auf das die Überschrift auch passt: Machen wir einen Schwenk zu einer anderen Firma die es sich genauso einfach macht: Ihr wisst schon meine „Lieblingsfirma“ SpaceX. Ich stöbere ab und an in Foren, meistens weil dort Links zu finden sind die ich sonst übersehen hätte, ab und an lese ich mir auch was durch. Da stellte ich fest, das man heftig debattiert wie den nun die Falcon 9 „v1.1.“ einzustufen ist: „Einfaches Upgrade“ oder „Komplett neuer Träger“. Nun es ist doch ganz einfach: Die Rakete heißt „Falcon 9 v1.1“. Da Elon Musk aus dem Softwarebereich kommt, hat man die Nummerierung von dort übernommen und eine 1 nach dem Punkt ist ein Minor Upgrade, wäre es was komplett neues, so wäre es sicher eine „Falcon 9e“ vergleichbar zur „Falcon 1 vs Falcon 1e“. Das ist die Sicht von SpaceX. Doch wie der Blogtitel schon andeutet – ich mache es mir nicht so leicht.
Also fangen wir mal an das Konzept auseinander zu nehmen. Vieles ist sicher schon erprobt. Die Stufentrennung, Avionik, das Aufstiegsprogramm, aber auch Konzepte wie die Bündelung von Triebwerken und die mehrfache Zündung eines Triebwerks. Das alles wurde bei der Falcon 9 „v1.0“ schon erprobt. Doch es gibt genügend neues. Die bisherigen Falcon 9 haben keine Nutzlastverkleidung gehabt. Es gab nur einen aerodynamisch geformten Deckel, da die Dragon oben mit einem 22,2 m breiten Abschluss endet, der fest an der Dragon angebracht ist und im Orbit abgetrennt wird. Nutzlastverkleidungen sind langweilig, doch sie haben es in sich. Einige Beispiele gefällig? Beim Start von Mariner 3 schmolz die Nutzlastverkleidung und haftete an der Sonde, die so ihre Solarpanel nicht ausfallen konnte. Bei zwei Starts chinesischer Raketen mit westlichen Nutzlasten kollabierten die dafür neu entwickelten größeren Nutzlastverkleidungen und beschädigten die Satelliten irreparabel. Gerade wurde eine Nutzlastverkleidung beim Fehlstart von IS-19 entlastet, doch der Verdacht dass sie früher beim Verlust eines anderen mit der Zenit gestarteten Satelliten verantwortlich sein könnte bleibt. Und beim neunten Start einer Europarakete konnte sie nicht abgetrennt werden und die so zu schwere Nutzlast erreichte keinen Orbit. Die Falcon 9 hat eine Nutzlastverkleidung in einer aerodynamisch ungünstigen Form, da sie breiter als die Rakete ist. Das bedeutet höhere Belastungen. Sie muss erst erprobt werden.
Dann ist da noch die Verlängerung der Tanks. Bisher ist die Falcon 9 mit Nutzlast 48,1 m lang. Nun steigt die Länge auf 69,2 m. Das ist dann schon ziemlich viel. Die Tanks zu verlängern ist populär, doch wenn, dann sind es relativ geringe Änderungen. Die größte mir bekannte ist der Sprung von Ariane 1 auf Ariane 4, als die Rakete um 6 m länger wurde, das sind aber nur 12% der Höhe des Vorgängermodells. Die Falcon 9 wird um 39% länger sein, die Stufen sogar um 42%. Die Startmasse wird um 53% ansteigen. Das ist mit keiner der Modifikationen die es bei anderen Trägern gab, zu vergleichen. Damit verschieben sich aerodynamische Belastungen, Schwerpunkt und etliche andere physikalische Parameter. Das nur als ein „Minor Upgrade“ einzustufen, halte ich für verharmlosend,
Die geringen Verlängerungen bei anderen Trägern beruhten auch darauf, dass die Triebwerke ja die gleichen bleiben. Da diese nicht mit enorm viel überschüssigem Schub konzipiert wurden, limitierte dies die Verlängerung, auch wenn man Reserven wie z.B. bei der Ariane 2-3 durch höheren Brennkammerdruck = mehr Schub nutzte. Die Falcon 9 erhält neue Triebwerke. Sie heißen bei SpaceX „Merlin 1D“, ebenfalls soll das „d“ suggerieren, dass es keine große Änderung ist. Doch sie haben 60% mehr Schub, arbeiten mit einem um 30 Bar höheren Brennkammerdruck und entwickeln 46% mehr Brennkammerdruck. Das sie nicht einfach Variationen des Merlin 1C sein können sieht man an dem angegebenen Schub/Gewichtsverhältnis von 145 zu 1. Das Merlin 1C hat eines von 63 zu 1. Als Folge muss das schubstärkere Merlin 1D weniger wiegen als das Merlin 1C (485 zu 630 kg), was definitiv nicht mit demselben Triebwerk machbar ist. Nebenbei gesagt, habe ich meine Zweifel an diesen Daten. Das Merlin 1D ist nur ein mittelgroßes Triebwerk und es würde das beste Schub/Gewichtsverhältnis aller Triebwerke aufweisen, auch besser als schubkräftigere, größere russische Triebwerke die mit dem geschlossenen Zyklus und hohen Brennkammerdrücken arbeiten (das senkt die Masse, da dann Brennkammer und Düse in den Abmessungen sinken). Das dreimal schubkräftigere und mit 50% höheren Brennkammerdruck arbeitende NK-33 kommt z.B. nur auf 125 zu 1.
Was haben wir also? Neue Triebwerke, die noch nicht flugqualifiziert sind und neue Rekorde an Leistung aufweisen (dabei fielen die Vorgängermodelle mit eher „normalen“ Leistungsdaten ja schon zweimal im Flug aus) einen um 50% längeren Träger und eine Nutzlasthülle die noch nicht erprobt ist. Also ich würde das nicht „v1.,1“ nennen. Von einer neuen Trägerrakete zu sprechen ginge zu weit, aber nur eine kleine Modifikation ist es sicher nicht. Aber ich mache es mir auch nicht einfach ….
Mal eine kleine Frage, du schreibst: „Doch sie haben 60% mehr Schub, arbeiten mit einem um 30 Bar höheren Brennkammerdruck und entwickeln 46% mehr Schub.“. Sind das jetzt 60% oder 46% mehr Schub?
Sorry, da ist irgendwas durcheinander geraten. Aktuell: 422 kN Bodenschub, 630 kg Gewicht, 67,7 bar Brennkammerdruck. Neu 654 kN Bodenschub, 485 kg Gewicht, 97 Bar Brennkammerdruck. Ich vermute ich habe noch was zum Vakuumschub schreiben wollen, doch dann irgendwo den halben Satz vergessen.
Hi Bernd,
ist nicht bei Mariner 3 die Nutzlastverkleidung geschmolzen, sodass die Sonde unbrauchbar wurde? Mariner 9 wurde doch dann der erste Marsorbiter überhaupt.
Ich sollte die Aufsätze wirklich durchlesen, bevor ich sie online stelle. Beide tippfehler (mit den 46% war der Brennkammerdruck) sind korrigiert.