Wie genau müssen Fernsehsendungen sein?
Auf die Frage bin ich gekommen, als ich in der letzten Woche im Allgäu war. Ich schaue ja sonst nicht so viel fern, aber in der Zeit, in der ich in unserem Ferienhaus nach dem Rechten schauen muss doch etwas mehr, weil es da eben keinen Computer gibt (wenn’s einen gäbe, bekäme ich die viele Arbeit die ich in der Woche erledigen muss wohl nicht gemacht, weil das alles singe sind, die ich sonst nicht gerne mache, wie Aufräumen, Gartenarbeit, Putzen etc.). Immerhin ich widerstehe seit einigen Jahren dem Versuch ein Notebook zu kaufen und mitzunehmen.
Ich lande dann wie schon bei den letzten Aufenthalten gerne bei zdfinfo und zdf_neo wo viele Dokumentationen laufen und da war diesmal eine zweiteilige über das Space Shuttle. an und für sich vom Visuellen schön gemacht auch mit zahlreichen Zeitzeugen, aber der Begleittext war doch voller kleiner und mancher gröber Fehler, so erfolgte nach dem Text das Rollprogramm 8 Sekunden nach dem Abheben, damit das Shuttle zur Erde schaut und für den Blick nicht der Tank im Weg ist.
Zeitgleich habe ich mir wieder ein Buch zu Lesen mitgenommen und zwar von The Rebirth of the Russian Space Program: 50 Years After Sputnik, New Frontiers (Springer Praxis Books / Space Exploration). Auch da fielen mir, da ich nun das Kapitel Trägerraketen durch habe, einige Fehler auf, in vielen anderen Kapiteln wo ich nicht so stark bin habe ich nur einige Zweifel, die ich wohl mal nachprüfen sollte.
Ihr wisst, ich bin bei Büchern relativ kritisch, wobei dieses Buch relativ fehlerfrei ist, auch angesichts dessen, das viele Fakten nicht sicher sind und es schon etwas älter ist. Bei Fernsehsendungen sehe ich das oft nicht so eng. Doch frage ich mich eigentlich: warum? Eigentlich gibt es dazu keinen Grund. Denn eine Fernsehsendung geht oft weniger in die Tiefe. Das bedeutet, dass es auch einfacher ist den Text zu schreiben oder das Manuskript zu verifizieren. Des weiteren ist die Textmenge eigentlich nicht so groß. Vielleicht erinnert sich noch einer an die Schule. Da gab es zumindest bei mir in den niedrigen Klassenstufen immer so was wie einen Roman oder was anderes, das gelesen wurde und einer las vor und die anderen folgten nach – also ich denke, jeder kann so mehr lesen als wenn er den gleichen Text laut ausspricht. Bedenkt man dann noch, wie lange man braucht ein Buch zu lesen und wie lange eine Fernsehsendung dauert – so meist 45 Minuten, so ist die Textmenge enorm klein.
Leider gibt es bei uns selten das was es im Fernsehen gab, als Transskript eingesehen werden kann, doch ich bin bei der Recherche für die „Computergeschichte(n)“ über die Sendung „Triumph of the Nerds (zu deutsch: Unternehmen Zufall) gestolpert und brauchte daraus einige Originalzitate. Die Skripts gibt es hier. Das Skript von Teil 1, im Orginal 55 Minuten lang, umfasst 50.082 Zeichen. Das ist schon viel, weil die Sendung aus sehr vielen Interviews besteht und die Leute noch schneller reden können, wenn sie nichts ablesen müssen. Aber 50.082 Zeichen entsprechen nach VG-Wort Vorgaben nur 32 Seiten, wenn man wie ich, etwas mehr Text auf eine Seite packt sind es sogar nur 25.
Eine 45 Minuten Dokumentation wird bei uns sicher unter 25 VG-Wort Normseiten enthalten. Warum bringt man es nicht fertig da die Fehler zu reduzieren? Was noch erstaunlicher ist, auch weil ich das von anderen kenne: warum sind wir bei Fehlern in Fernsehsendungen so viel gnädiger als bei Zeitungen, Büchern aber auch Online Journalen? Meiner Meinung nach sind zwei Dinge. Das eine ist, dass wenn man etwas nur hört, man es nicht so stark beachtet oder wichtig einstuft als wenn man etwas liest. Man muss erst das gelesene geistig verarbeiten, das ja in einer abstrakten Darstellung (Schrift, es ist ja kein Gemälde) vorliegt. Das fordert unser Gehirn mehr und wir stufen es als wichtiger ein.
Das zweite und das ist vielleicht noch bedeutsamer ist, dass man bei allen obigen Medien selbst die Kontrolle über den Informationsfluss hat. Ich lese etwas, bemerke einen Fehler, fange an drüber nachzudenken und wie es wohl richtig dastehen sollte. Als Buchautor auch noch aus einer anderen Perspektive „Warum hast Du das nicht nachgeprüft!“ denke ich mir oft. In jedem falle unterbricht es den Informationsfluss. Das ist bei einer Fernsehsendung nicht möglich. Wenn mir was auffällt und ich drüber nachdenke, dann vergeht die Zeit, die Sendung läuft weiter einige Sekunden, ja vieleicht eine Minute lang bin ich geistig nicht mehr dran. Weiterhin werde ich abgelenkt, denn das Programm läuft ja weiter und Zack folgt ein Schnitt und nach dem Start geht es schon weiter mit dem Orbit und was dort gemacht wurde, schnell vergisst man den Fehler, weil nun ja neues verarbeitet wird.
Vor allem konzentriert man sich ja dann auch voll auf das bewegte Medium, während Lesen weitaus weniger „Arbeitsleistung“ von unserem Gehirn verlangt (wohl aber Verarbeitungsleistung bei den gewonnenen Informationen).
Also erklärbar ist es schon, doch ist es eine Entschuldigung für die Redaktionen? Eine Dokumentation wie diese läuft zwar auf ZDF Info und ist daher nicht der Quotenrenner. Doch denke ich wird sie von erheblich mehr Personen gesehen als Raumfahrtautoren Leser für ihre Bücher haben. So gesehen sollte man noch viel mehr Arbeit in die Recherche stecken, doch meiner Erfahrung nach ist gerade das Gegenteil der Fall.
Aus eigener Erfahrung:
-Eine A4 Seite reicht für ca. 4 Minuten Sendung. Man kann ja den Text nicht einfach runter spulen, sondern man muss einige Pausen machen, sonst explodiert beim Zuschauer das Gehirn.
-Das mit dem Fehler und Ungenauigkeiten kommt daher, dass die Journalisten die Zuschauer für blöd halten, und alles vereinfach müssen. Und falls etwas falsch ist, wird es der Zuschauer eh nicht merken. Das habe ich mal erlebt: Als ich ansprachen, warum der Text so ungenau ist, kam die Antwort: Wir wollen die Zuschauer nicht über fordern, die kapieren es sonst nicht.
Bei meiner Sendung mache ich das nicht (bin ja auch kein Journalist), und Zuschauer sind mal froh, nicht für dumm verkauft zu werden.
Nun um die Vereinfachung geht es mir gar nicht. Die ist schon durch die von Dir beschriebene vermittelbare Informationsmenge vorgegeben. Eine 45 Minuten Sendung entspricht dann 11 Seiten – einem längeren Zeitschriftenartikel. Wie will man in dieser Zeit sehr in die Tiefe gehen? Es geht primär um die Fehler, die man gerade weils nicht so in die Tiefe geht leicht vermeiden kann, denn es ist so einfacher Angaben nachzuprüfen, als wenn man sich mit einem Detail beschäftigt.
Wieviele Zeichen umfasst denn diese Normseite der VG-Wort? – Ich kenn da nur die Regel von „30 Anschlägen pro Zeile“, was sich auf 12 Punkte Courierschrift bei Belletristik im üblichen Taschenbuchformat bezieht. Macht bei 34 Zeilen (in einem Roman nachgezählt) 30×34=1020 Zeichen. Die 50.082 Zeichen wären danach 49 Seiten. Ein ziemlicher Unterschied zu den genannten 32 Seiten. Also wo steckt mein Fehler?
Also nach Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Normseite
sind es für die VG-Wort (wichtig bei Artikeln, da die seitenweise vergütet werden) 1.500 Zeichen. Andere Angaben sind auch 1.800 Zeichen. Mein derzeitiges in Bearbeitung befindliches buch hat 640.241 Zeichen bei 275 Seiten also 2328, aber ich versuche immer viel Information in meine bücher zu packen. Die meisten Definitionen die ich kenne liegen zwischen 1500 und 2000 Zeichen, etliche um die 1800.